Kein Fanal RAFAEL MARCHANTE/REUTERS Die Wahlerfolge linker Parteien im »Süden« Europas brachten nicht die erhofften Veränderungen. Die Resultate blieben ernüchternd. Von einem Aufbruch in Europa kann keine Rede sein. Eine Zwischenbilanz. Von Klaus Dräger SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 26. MAI 2016 · NR. 121 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Mehr Klarheit Mehr Profit Mehr Spaltung Mehr Frohsinn 2 3 4 9 Cuba Sí möchte Debatte über Antiimperialismus in Linkspartei vorantreiben. Ein Interview Banken schrieben Gesetze für Cum-Ex-Geschäfte selbst. Interview mit Oskar Lafontaine Integrationsgesetz durchlöchert den Mindestlohn. Von Sevim Dagdelen. Siehe Kommentar Seite 8 Die Ukraine wird »Agrarsupermacht«, sagt der US-Botschafter in Kiew. Von Reinhard Lauterbach Der Treibstoff geht aus Israel: Lieberman wird Verteidigungsminister REUTERS Frankreichs Gewerkschaften führen einen verzweifelten Kampf gegen Hollandes »Reform« des Arbeitsmarktes. Generalstreik angekündigt. Von Hansgeorg Hermann, Paris EPA/THIBAULT VANDERMERSCH/DPA - BILDFUNK F rankreich »im Krieg« – mal wieder. Diesmal sind es nicht die »Terroristen«, die nach Meinung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Manuel Valls und seines schwächelnden Präsidenten François Hollande die Nation bedrohen, sondern die eigene Klientel. Die Millionen Linkswähler also, die 2012 den Rechtskonservativen Nicolas Sarkozy aus dem Amt jagten und sich vom Parti Socialiste (PS) eine gegen den Turbokapitalismus gerichtete Politik erwarteten. Nun, ein Jahr vor der nächsten Wahl, müssen sie feststellen, dass sie sich schwer geirrt haben. Hollande und Valls haben mit Hilfe des Verfassungsartikels 49.3 – ohne das Parlament zu bemühen – eine »Arbeitsmarktreform« nach dem Vorbild von Gerhard Schröders »Agenda 2010« beschlossen, die den Unternehmern alles gibt und den Arbeitern viel nimmt. Es wird gestreikt. Die 700.000 Mitglieder starke Gewerkschaft CGT steht mit ihrem Vorsitzenden Philippe Martinez an der Spitze des Widerstands. Seit Tagen werden nicht nur der öffentliche Nah- und Fernverkehr, sondern vor allem die Energielieferanten des Landes bestreikt: Raffinerien und Atomkraftwerke. Gegen die Blockierer hat Valls Spezialeinheiten der Polizei in den Einsatz geschickt. Am Mittwoch morgen wurde, wie die CGT erklärte, die Raffinerie Douchy-les-Mines »gewaltlos« freigegeben. Die 80 Arbeiter, die das Werk besetzt hatten, zogen zunächst friedlich ab. Das soll nicht so bleiben. Für den heutigen Donnerstag haben Martinez und seine Kollegen zu einem neuerlichen Generalstreik aufgerufen, der Widerstand gegen das neue Gesetz und die verantwortliche Regierung soll »so Widerstand gegen Regierungspläne: Ein Gewerkschafter blockiert die Raffinerie in Douchy-les-Mines (24.5.2016) stark wie möglich« aufgebaut werden. Bestreikt wird derzeit auch der Atommeiler Nogent-sur-Seine, der rund ein Drittel des Stroms für die Îlede-France mit der Hauptstadt Paris liefert. Bürgermeister und Präfekten erwarten in den kommenden Tagen Engpässe bei der Elektrizitätsversorgung. Von den 58 AKW können nach Angaben der Regierung zumindest zwölf nicht abgeschaltet werden, darunter die für das Militär wichtigen. Rund 2.500 der 12.000 französischen Tankstellen sind nach Angaben des Fernsehkanals i-Tele derzeit in Not und können ihre Kundschaft nur noch unzulänglich mit Treibstoff versorgen. Die Besitzer sind dazu übergegangen, Benzin nur noch bis zu einem Gegenwert von maximal 40 Euro zu zapfen. Die zu erwartenden Engpässe im Einzelhandel haben bereits zu Hamsterkäufen geführt. Die großen Städte, vor allem Paris, bereiten sich auf Tage mit stark reduziertem Warenangebot vor. Ministerpräsident Valls hat unterdessen die Gewerkschaften als Schuldige für die zunehmenden Probleme in der Energie- und Warenversorgung ausgemacht. Die CGT sei dafür verantwortlich. Dass sowohl Gewerkschaften als auch Demonstranten in den vergangenen Wochen darauf hingewiesen haben, der neue Code du travail sei nicht einmal durch das Parlament gegangen, sondern in »höchst undemokratischer Weise den Lohnabhängigen aufgezwungen worden«, wie es CGT-Vormann Martinez ausdrückte, erwähnte Valls nicht. Dass die »Reform« ein knappes Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl mit Gewalt durchgedrückt werden soll, kann als Hinweis darauf gelten, dass Hollande vermutlich nicht erneut als Kandidat antreten will. An der Spitze der sozialdemokratischen Bewerber stehen daher mit Valls und dem derzeitigen Wirtschafts- und Industrieminister Emmanuel Macron zwei überzeugte Wirtschaftsliberale. Einsatz im Inneren bleibt beim alten Bundeswehr im Inland: Koalition nimmt angestrebte Grundgesetzverschärfung zunächst zurück U nionsparteien und SPD haben ihren Streit über den Einsatz der Bundeswehr im Inland beigelegt. Eine Grundgesetzänderung, um den Einsatz der Armee im Innern zu erleichtern, ist vorerst vom Tisch. Das Verteidigungsministerium bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung. Danach haben sich Verteidigungsressort und Auswärtiges Amt auf eine Kompromissformulierung für das neue sogenannte BundeswehrWeißbuch geeinigt. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, sagte, nach der Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und dem Justizministerium werde diese Woche die allgemeine Ressortabstimmung beginnen. Das nächste Weißbuch soll voraussichtlich kurz vor der Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden. Der Entwurf geht ausführlicher als in der Ursprungsfassung auf die Möglichkeiten ein, die das Grundgesetz bereits für den Einsatz der Bun- deswehr im Inland bietet. Dazu zählt eine Beteiligung der Streitkräfte bei »bei terroristischen Großlagen« zur »Unterstützung der Polizeikräfte«. In derartigen Situationen soll die Armee auch hoheitliche Aufgaben übernehmen dürfen, die sonst der Polizei vorbehalten sind. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, diese Präzisierung der im Grundgesetz bereits vorhandenen Möglichkeiten sei wichtig, damit die Bundeswehr solche Einsätze zusammen mit der Polizei üben könne. Was die Rolle des Bundessicherheitsrates angeht, gibt es dem Bericht zufolge noch immer Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Haus von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die Union will den Einsatz der Bundeswehr im Inneren erleichtern. Die in einem früheren Entwurf des Weißbuches dazu enthaltenen relativ allgemein gehaltenen Formulierungen lehnten führende SPD-Politiker wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier jedoch strikt ab. (dpa/jW) Tel Aviv. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die ultranationalistische Partei Israel Beitenu in die Regierungskoalition aufgenommen. Ein entsprechendes Abkommen wurde am Mittwoch von Netanjahu und dem Chef von »Unser Haus Israel«, Avigdor Liebermann (Foto), unterzeichnet. Damit verfügt die Regierung im 120 Abgeordnete zählenden Parlament nun über 66 statt bislang 61 Stimmen. Der ehemalige Außenminister Lieberman wurde am Mittwoch zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Sein Vorgänger Mosche Jaalon war am Freitag zurückgetreten. Lieberman war in der Vergangenheit immer wieder durch rassistische Ausfälle in Erscheinung getreten. So nannte er arabische Israelis eine »fünfte Kolonne« und drohte freigelassenen palästinensischen Gefangenen, sie an eine Ort zu bringen, »von dem aus sie nicht zurückkehren«. (AFP/dpa/jW) Trotz Lieferstopps: Weiter Waffen an Ägypten Berlin. Trotz eines grundsätzlichen Lieferstopps für Munition und Waffen verkaufen nach Angaben von Amnesty International zwölf der 28 EU-Mitgliedsstaaten weiter Rüstungsgüter an Ägypten. Dazu gehöre auch Deutschland, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch. Berlin habe 2014 Rüstungsexporte im Umfang von 22,7 Millionen Euro genehmigt, darunter vor allem U-Boot-Technologie. In den Vorjahren seien zudem immer wieder Zulieferungen für gepanzerte Fahrzeuge erlaubt worden, die auch gegen Demonstranten eingesetzt worden seien, teilte die Organisation in Berlin mit. Die EU hatte einen grundsätzlichen Lieferstopp für Waffen und Munition nach Ägypten beschlossen, nachdem ägyptische Sicherheitskräfte im August 2013 Hunderte Demonstranten getötet hatten. (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.832 Genossinnen und Genossen (Stand 29.4.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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