Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecher: Das Ende der Welt, so mag er gedacht haben, hätte nicht weiter weg sein können. Seit Wochen ist er unterwegs: von seiner böhmischen Heimat bis hierher an die Via Cassia, der alten Römerstraße, auf der die Pilger aus Mittel- und Nordeuropa bis nach Rom ziehen. Müde, hungrig, staubbedeckt, mit durchgelaufenen Sandalen und Blasen an den Füßen erreicht der Priester Petrus von Prag an einem Sommertag des Jahres 1263 den italienischen Marktflecken Bolsena in der Region Latium. Aus dem lärmenden Trubel enger, überfüllter Pilgerherbergen flieht er in die kühle Stille der Kirche Santa Christina, um dort die Messe zu lesen. Und dann geschieht es! Bei der Wandlung bricht ihm aus Versehen die Hostie entzwei. Blutstropfen fließen aus der Bruchstelle. Sie sickern durch das Altartuch bis auf den Marmorboden. Den Priester durchfährt ein eisiger Schreck. Kann das die Strafe dafür sein, dass er die Lehre von der Transsubstantiation angezweifelt hat? Dass er nicht glauben wollte, dass sich in der Messe Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi verwandeln? Denn genau diese Frage hatte ihn ja überhaupt erst zu der Pilgerfahrt aufbrechen lassen. Er hatte gehofft, auf seinem langen und beschwerlichen Pilgerweg, eine Antwort zu finden. Sprecherin: Das „Wunder von Bolsena“ sorgt für europaweite Aufregung: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Dr. Peter Egger: Das hat sofort die Runde gemacht und da war Papst Urban IV. in Orvieto… und der Papst hat sich die Hostie bringen lassen und verehrte sie knieend mit seinen Kardinälen. Sprecherin: Der österreichische Theologe Peter Egger: O-Ton Dr. Peter Egger: Und wenn man heute in die Vatikanischen Museen geht, kommt man auch zu einem Bild von Raffael. Und auf diesem Bild… ist das eucharistische Wunder von Bolsena dargestellt. Der Papst wollte, dass die Erinnerung an dieses Wunder erhalten bleibt. Sprecherin: Weshalb er unter dem Eindruck dieses „Wunders“ das Fest Fronleichnam, also das Hochfest der Eucharistie in den Kirchenkalender aufnimmt. Sprecher: Bis heute gilt diese alte Legende um Petrus von Prag als die erste „Dokumentation“ einer sogenannten „blutenden“ Hostie. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 2 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton aus Berichterstattung des US-Lokalsenders KUTV „Eucharist Bleeding at a Church in Utah“: Eine blutende Hostie wird in einer Kirche in Utah als Wunder bejubelt. Die Gläubigen geben zu Protokoll, dass das Hostienblut im Anschluss an die Heilige Kommunion in der Kirche des Heiligen Franz Xaver in Kearns, nahe Salt Lake City drei Tage lang nicht aufhörte zu fließen. Sprecherin: Diese Nachricht von einer „blutenden“ Hostie erhitzt im November 2015 die Gemüter. Das Bistum Salt Lake City beruft eine Kommission aus Theologen, Kirchenjuristen und Molekularbiologen ein. Die Hostie wird beim Generalvikar des Bistums unter Verschluss gehalten. Sprecher: Es ist nicht die letzte Dokumentation einer „blutenden“ Hostie. Sprecherin: Über 750 Jahre liegen zwischen dem Blutwunder in Bolsena und dem im amerikanischen Bundesstaat Utah. Und ebenso lange beflügeln solche Ereignisse die Fantasie der Frommen, schlagen Geschichten und Legenden rund um die Hostie - ob sie nun blutet oder nicht - die Gläubigen in ihren Bann. Aus vielerlei Gründen: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 3 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Collage: Markus Schlüter: Das ist natürlich für uns Christen von zentraler Bedeutung, dass Jesus im Rahmen der Abendmahlsfeier die beiden Zeichen Brot und Wein genommen hat. Dr. Oliver Seifert: Das ist dann die berühmte Transsubstantiationslehre, die besagt, dass nachdem der Priester die Wandlungsworte gesprochen hat, unter der äußeren Erscheinung des Brotes sich das Wesen des Brotes wandelt zu dem Wesen des Leibes Christi. Professor Olaf Rader: Die Hostie soll Fleisch sein. Und wenn die Hostie Fleisch ist, dann blutet sie ja auch. Sprecherin: Mit „Hostien“ - das Wort bedeutet „Opfergabe” - werden die zur Eucharistie oder zum Abendmahl verwendeten flachen ungesäuerten Weizenbrotscheiben bezeichnet. Es sind, so der Historiker Olaf Rader: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 4 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Kleine gebackene, ein bisschen pappig schmeckende, völlig salzlose, Oblaten. Sprecherin: Und dennoch sind sie viel, viel mehr als das: O-Ton Markus Schlüter: Hier ist die Mitte unseres Glaubens, das Kostbarste der Kirche. Sprecherin: Der Siegburger Pastoralreferent Markus Schlüter: O-Ton Markus Schlüter: Ein kleines Stück Brot, das für einen speziellen Zweck gebacken wird: nämlich für die Verwendung im Gottesdienst… Ewas Besonderes wird es erst durch das, was im Gottesdienst geschieht. Dabei ist es nicht so ganz einfach, zu sagen, was es nun genau ist, denn… es ist ein Sakrament, ein Mysterium, also ein Geheimnis, das sich letztlich, wenn überhaupt nur dem Menschen erschließen kann, der mit Gottesdienst feiert... Es ist die Erfahrung: Gott gibt sich mir selbst in diesem Stück Brot; ich verstehe es nicht - aber es ist großartig! © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 5 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Zitator: „Mit der Hostie verbinden sich einige der wesentlichsten Inhalte der christlichen Glaubenslehre. Wenn der Priester in Stellvertretung Christi die Einsetzungsworte spricht, wird die Oblate in den Leib Christi gewandelt. Im „heiligsten Sakrament des Altars“ kulminieren Menschwerdung und Opfertod des Gottessohnes und das Dankopfer der Kirche für dieses Opfer, in dem die Vergebung der Sünden und die Überwindung des Todes erlangt wurden.“ Sprecherin: Notiert der Kunsthistoriker Oliver Seifert in seinem Buch „Panis Angelorum - Eine Kulturgeschichte der Hostie“. Sprecher: Im Christentum kehrt sich die bis dahin geltende „Richtung“ des Opfers, das Gott von den Menschen dargebracht wird, um. In Christus gibt Gott den Menschen seinen Sohn. Und seit dem letzten Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gehalten hat, wird dieses Opfer im Brot der Hostie jedes Mal neu verdeutlicht: Zitator: „Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus, das ist mein Blut… welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 6 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecherin: Der Evangelist Matthäus. Zitator: „Ecce panis angelorum, factus cibus viatorum… vere panis filiorum…“ „Seht das Brot, Der Engel Speise... Das den Hunger wahrhaft stillt…“ O-Ton Dr. Oliver Seifert: In der Form, in der man es heute kennt, als Oblate, ist das eine Entwicklung des Mittelalters… Und zwar ist wahrscheinlich am Hof der Merowinger im 7. Jahrhundert das Waffeleisen entstanden; zumindest berichten die Quellen in diesem Raum und in dieser Zeit von diesen Waffeleisen. Und die sind jetzt die technische Voraussetzung dafür, dass man überhaupt diese flachen, papierartigen Oblaten herstellen kann. Sprecher: Im 13. Jahrhundert erlebt die Hostienverehrung eine Hochblüte. Denn neben den Ereignissen von Bolsena haben auch die Bitten der frommen Visionärin Juliana von Mont Cornillon den Papst bewogen, ein spezielles „Fest des Leibes und Blutes Christi“, nämlich das Fronleichnamsfest einzuführen: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 7 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Dr. Oliver Seifert: Jetzt hatte um 1250 eine Äbtissin in einem Lütticher Kloster eine Vision, in der ihr bedeutet wurde, dass eben noch dieses eine Fest im christlichen Jahreskreis fehlte… (14:48) Es ist ein Fest, in dem, wie der Name… ja schon sagt, der Leib des Herrn in Gestalt des Brotes gefeiert wird. O-Ton Professor Olaf Rader: Und dieses Fest „Corpus Christi“, wie es ja eigentlich heißt, ist eine Art Jubelveranstaltung für die Offenbarung dieser tatsächlichen Verwandlung. Man kann sehr deutlich sehen, dass das… eine europaweite Verbreitung gefunden hat. Sprecherin: Die Verkündung des Dogmas der Transsubstantiation 1215, so Olaf Rader, Autor eines Buches über „Bluthostien“, hat weitreichende Folgen für die europäische Geschichte. Die Akzeptanz dieser Lehre wird zu einer Art Lackmustest für Rechtgläubigkeit und - Ketzerbekämpfung. Und die Hostie selber besitzt durchaus eine Art Machtfunktion. In Raders Buch heißt es dazu: Zitator: „Indem die Hostie eigentlich Gleichheit symbolisiert, verkörpert sie aber auch Ungleichheit in der Welt. Denn tagtäglich wird durch sie rituell klargestellt, wer nimmt und wer empfängt. Sie ist damit eines jener subtilen Herrschaftsinstrumente, das zwar auf den ersten Blick als einfache Gabe erscheint, auf den zweiten jedoch Hierarchie und Autorität offenbart.“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 8 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecherin: Verstöße gegen diese Hierarchie und Autorität und Zweifel an der Realpräsenz Christi in der Eucharistie tragen folglich immer öfter den Keim der Häresie in sich. Erfahren muss das im 11. Jahrhundert der Kanonikus Berengar von Tours: Sprecher: Der nämlich gerät in heftigen Widerspruch zur eucharistischen Lehre, die er als gegen die Vernunft gerichtet empfindet. Nach seiner Interpretation bleiben Brot und Wein der Substanz nach was sie waren; und nur eine geistige Bedeutung tritt hinzu, so dass Christus „realpräsent“, aber nicht physisch anwesend ist. Und der fromme Mann treibt das Gedankenspiel noch weiter, wenn er fragt: O-Ton Professor Olaf Rader: Wenn jetzt da Fleisch entsteht, beißen wir dann tatsächlich auf den Herrn? Sprecherin: Unbequeme Fragen stellt auch Thomas von Aquin: O-Ton Professor Olaf Rader: Der ist ja nun praktisch der bedeutendste Denker zu diesem Phänomen, also der „Magister Eucharisticus“. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 9 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Der hat in seiner „Summa Theologiae“ ganz fein zergliedert und kam eben zu den Fragen: wenn sich die Hostie verwandelt, ist da denn der gesamte Herr drin enthalten. Sind die Knochen und die Nerven mit dabei? Kann der Herr an verschiedenen Orten sein? Und das geht dann bis zu amüsant erscheinenden Fragen: was frisst eigentlich die Maus, wenn sie eine konsekrierte Hostie anknabbert? Müsste die denn dann nicht auch des Gnadenschatzes teilhaftig werden? Sprecherin: Ganz offenbar, denn: O-Ton Professor Olaf Rader: Thomas sagt: verwandelt bleibt verwandelt! Also auch eine Maus würde das verwandelte Fleisch Christi anknabbern. Sprecherin: Spitzfindigkeiten dieser Art sind dem Dichter Johann Fischart im 16. Jahrhundert herzlich gleichgültig. Er hält die Eucharistie schlicht für: Zitator: „Brotvergaukelung!“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 10 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecherin: Und befindet sich damit in einigermaßen illustrer Gesellschaft. Denn 1787 schreibt Johann Wolfgang v. Goethe während einer Romreise an Frau v. Stein über die Mariä-Lichtmess-Feier in der Sixtina: Zitator: „In der Sixtinischen Kapelle war Amt. Ich war einen Augenblick drinnen und bin, wie ich schon schrieb, für diesen Hokuspokus ganz verdorben.“ O-Ton Professor Olaf Rader: Nur wenige Menschen wissen, dass das Wort „Hokuspokus“ eigentlich eine Verballhornung der Worte „hoc est corpus“ oder vollständig „hoc est corpus meum“ bedeutet… das war sozusagen für Leute in der Messe, die das Lateinische nicht richtig verstanden haben: was machen die denn da vorne für einen Hokuspokus? So entsteht das Wort eigentlich. Sprecher: Ein beschauliches, fast verschlafenes Städtchen in dörflicher Abgeschiedenheit. Ein kleiner Fluss, ein altes Rathaus, säuberlich aufgereihte Fachwerkhäuser. Nur der mächtige Turm der St. Nikolai-Kirche scheint viel zu groß für diesen kleinen Ort - Wilsnack im Landkreis Prignitz im Nordwesten Brandenburgs: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 11 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Ich fragte mich, warum hat dieser Ort diese große Kirche? Und es stellte sich heraus: das war ursprünglich mal ein Wallfahrtsort und der war so berühmt wie Rom, wie Santiago de Compostela, Jerusalem und Aachen… Und dann entdeckte ich, dass man anhand der Geschichte von Wilsnack verschiedenste Aspekte der Kulturgeschichte des Mittelalters entrollen kann. Sprecher: Sie kommen an einem Sommertag des Jahres 1383. Ihre Schwerter und Lanzen blitzen im Sonnenlicht. Ihr Anführer Hinrich v. Bülow will nach einer Fehde mit dem Bischof von Havelberg grausame Rache an dem kleinen Ort und seinen Bewohnern nehmen. Und so legen sie Feuer an die kleine Wilsnacker Dorfkirche, die im Nu lichterloh brennt. In den ausgebrannten Trümmern des Gotteshauses findet der Pfarrer später drei völlig unversehrt gebliebene Hostien. Und auf jeder glänzen Blutstropfen. Da die Hostien den Brand unbeschädigt überstanden haben, kann es sich - so folgert das fromme Volk - nur um das Blut Christi handeln. Sprecherin: Die Legende vom Wilsnacker „Blutwunder“ ist geboren! Und sie verbreitet sich blitzschnell in ganz Europa. Schon im folgenden Jahr kommen die ersten Pilger. Die bis dahin eher ärmlichen Bewohner des Ortes nutzen die Gunst der Stunde und bauen eine neue, große Kirche mit einem fast 60 Meter hohen Turm: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 12 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Man kann ganz deutlich sehen: Wilsnack nimmt einen enormen Aufschwung: da sprießen Herbergen… da sind Hunderttausende an euphorisierten Leuten, die jedes Jahr hauptsächlich zu St. Bartholomäus, das ist der 24. August, zusammenströmen, um dann durch das Betrachten der blutenden Hostie… selber in den Genuss von Ablass zu kommen. Sprecher: Die hoch- und spätmittelalterliche Eucharistiefrömmigkeit ist überreich an solchen Wundergeschichten. In ihnen bluten die Hostien nicht nur, sondern manchmal verwandeln sie sich am Altar in blutige Fleischstücke oder auch, wie in den Darstellungen der Gregorsmessen, in das - oftmals blutüberströmte -Christuskind selber. Das Interesse, das hinter diesen „Wundern“ steht, ist immer der Wunsch nach einem handgreiflichen Beweis für die reale Gegenwart des Leibes Christi in der Hostie. Sprecherin: Doch wo Verehrung ist, da ist auch Frevel! Zitator: „Die Juden das sind Sünder, Sie schlachten Christenkinder. Schneiden ihnen die Hälse ab, Das verdammte Judenpack.“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 13 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecher: Am Gründonnerstag des Jahres 1287, so berichten die Heiligenlegenden, nehmen die Juden aus dem Rheinort Bacharach den kleinen Werner, Sohn eines Winzers gefangen, um ihn zum Erbrechen der Hostie zu bringen. Als der Junge sich weigert, die Hostie auszuspucken, foltern die Juden ihn aufs grausamste und bringen ihn anschließend um. Sprecherin: Eine von unzähligen solcher Geschichten. Ihren Hintergrund bildet die Vorstellung, dass die Juden, die angeblichen „Gottesmörder“ mit dem Hostienfrevel zynisch die Tötung Jesu wiederholen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht fast immer eine Hostie, die zu bluten beginnt, nachdem die Juden sie „geschändet“ haben: O-Ton Dr. Oliver Seifert: Hostienschändung ist ja in gewisser Weise, wenn man das ernst nimmt, was die Hostie ist: nämlich der Leib Christi, die Tötung Christi - möglich, indem man die konsekrierte Hostie tötet, die zersticht oder zerbricht und eben nicht gläubig konsumiert. Und das hat man dann tatsächlich den Juden in der Regel vorgeworfen. Sprecherin: Bildliche Darstellungen von Rabbinern, die eine bluttriefende Hostie mit infernalischem Hass schänden, finden große Verbreitung. Geschichten von Hostienfrevel werden in die Welt gesetzt, um anschließend Pogrome gegen die jüdischen Gemeinden zu inszenieren und zu rechtfertigen. Diese infame Lügenpropaganda hält sich bis ins 19. Jahrhundert: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 14 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Und das böse Ende ist dann immer so, dass die Juden auf dem Scheiterhaufen enden und…oft sogar ein Wunderblutort entsteht. Von den rund 60 Wunderblutorten im deutschsprachigen Raum haben etwa 30 eine Judenfrevel-Legende als Hintergrund. Sprecherin: In den 1960er Jahren untersucht der Dominikanerpater Willehad Paul Eckert im Auftrag der Ritenkongregation des Vatikans diese Hostienfrevel- und Ritualmordvorwürfe: O-Ton Pater Dr. Willehad Paul Eckert: Im Fall dieses Winzerjungen, der an einem Gründonnerstag von Juden ermordet sein soll und dessen Leiche rheinaufwärts bis Bacharach getrieben sein soll - diese Geschichte des Werner von Bacharach ist legendenverbrämt… wo von einem einfachen Mord am Gründonnerstag die Rede ist bis zu der späteren Fassung, in der berichtet wird, dass der Werner von Bacharach kommuniziert hat und dass die Juden ihn zum Erbrechen der Hostie bringen wollten, sodass sich also das Motiv Hostienschändung mit Ritualmord verknüpft. Bei dieser Geschichte haben wir es mit einem Legendengut zu tun, das als spätere Rationalisierung einer Mordgeschichte verstanden werden darf. Zitator: „Berlin, 30. Oktober 1848“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 15 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecherin: Der Mikrobiologe Christian Gottfried Ehrenberg schreibt an seinen Freund, den Gelehrten und Naturforscher Alexander v. Humboldt: Zitator: „Ich scheue mich fast, Ihnen schon wieder Neues zu vermelden und doch sind es Tatsachen, die anschaulich vorliegen, wunderbar erregende Tatsachen. Stellen Sie sich vor: Die dunkel-blutroten Flecken bilden eine Gallerte auf den Speisen, die wohl auch abtropfen kann. Es ist nicht wie Schimmel, sondern ein Haufen kleiner roter Tierchen. Feuchte Orte, Mehlteig, warme Luft im Sommer begünstigen ihren Aufenthalt auf Hostien. Wieviele Juden sollen Hostien gemartert haben?“ Sprecherin: Es ist eine kleine Sensation! Sprecher: Ehrenberg ist die Enthüllung der Zusammenhänge zwischen den Erscheinungen „blutender“ Hostien und den dafür verantwortlichen Erregern gelungen. Er weist nach, dass im gallertartigen Stoffwechselprodukt des „Bacteriums Prodigiosum“ - des „Wunderbakteriums“, wie er es nennt - der rote Farbstoff Anilin enthalten ist, der jahrhundertelang für Blut gehalten wurde: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 16 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Man wusste über Jahrhunderte nicht, dass wenn rote Blutflecken überhaupt natürlich entstanden sind, die mit einem Mikrobenbefall zu tun haben. Sprecher: Das Geheimnis der „blutenden“ Hostien ist wissenschaftlich geklärt: Sprecherin: Zwischen 1848 und 1850 legt Ehrenberg in mehreren Sitzungen der „Preußischen Akademie der Wissenschaften“ seine Untersuchungsergebnisse zu dem „Phänomen der ungewöhnlichen Blutbildung“ vor: Zitator: Auf Oblaten habe ich die Erscheinung sehr leicht fortpflanzen können. Am schönsten erscheint sie auf gekochtem Reis. In zugedeckten Gefäßen und Tellern entwickelt sie sich in warmer Luft auffallend leicht. Sprecherin: In Olaf Raders Buch heißt es dazu: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 17 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Zitator: Auf jedem Stück herzhaftem französischem Weichkäse - St. Albray oder dem noch herzhafterem Munster - wird die rötlich-schimmelige Rinde von einer Pilzart erzeugt. Micrococcus Prodigiosus, Bacterium Prodigiosum, Serratia Marcescens - so nennen Mikrobiologen jene Spaltpilze, die auf geeignetem kohlehydrathaltigem Nährboden wie etwa feuchtem ungesäuertem Brot oder Maismehlbrei in kürzester Zeit schleimige oder blutrote Flecken erzeugen können. Diese „Wunderpilze“, die Mitte des 19. Jahrhunderts dank verbesserter Mikroskoptechnik erstmals auch gesehen werden konnten, leisteten einen entscheidenden Beitrag zu einem Phänomen von immenser kulturgeschichtlicher Bedeutung. Sprecherin: Also, ein Spaltpilz - so die historische Bezeichnung für ein Bakterium - zieht seine Spur durch die Geschichte? Den ersten weltgeschichtlich bedeutenden Auftritt hatte er bereits im Heer des Welteroberers Alexander des Großen. Jedenfalls berichten die Chronisten von blutverschmierten Broten bei der Belagerung der phönizischen Hafenstadt Tyrus. Sprecher: Ein Bakterium setzt fromme Pilgerzüge und Wallfahrten in Bewegung, rührt Gläubige zu Tränen, lässt Gelehrte sich das Hirn zermartern, löst theologische Kontroversen aus, bewirkt den Bau von Kapellen und Kathedralen, verursacht mörderische Pogrome? Und dann dauert es über zwei Jahrtausende, bis die Wissenschaft das Geflecht aus Theologie, Kulturgeschichte, Philosophie und Biologie entwirrt und das Rätsel löst: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 18 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Professor Olaf Rader: Und dann war man also felsenfest davon überzeugt: nun haben wir ja die Sache geklärt und damit ist jeglicher Wunderglaube auch aus der Welt. Sprecherin: Doch ist er das wirklich? Sprecher: Ist man denn jahrhundertelang zu einem Bakterium gewallfahrtet? Sprecherin: War alles nur „Hokuspokus“? Zitator: „Salt Lake City. Bei einer vermeintlich blutenden Hostie in den USA handelt es sich nicht um ein Wunder. Die Ursache der Verfärbung sei ein roter Brotschimmel des Typs „Neurospora Crassa“, teilte das katholische Bistum Salt Lake City mit. Sprecherin: KNA, die „Katholische Nachrichtenagentur“ am 18. Dezember 2015: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 19 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Zitator: „Die Kirche geht davon aus, dass die meisten Vorgänge, die als außergewöhnliche Phänomene erscheinen, in Wirklichkeit das Ergebnis natürlicher Ursachen sind, heißt es in der Stellungnahme des Bistums. Deshalb liege die Prüflatte für Wunder hoch. In dem Sinn sei die Ad-hoc-Kommission zur Untersuchung des Vorgangs zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei den Veränderungen an der Hostie nicht um ein Wunder handle.“ Sprecherin: Sondern? Zitator: „Um eine emotional aufgeladene, kirchliche Inszenierung für katholische Menschen.“ Sprecherin: Schreibt der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke, der sich vor einigen Jahren unter die Gläubigen in Neapel mischte, um dort Zeuge des berühmten „Blutwunders des Heiligen Januarius“ zu werden. Jedes Jahr im Mai und im September findet im Dom von Neapel eine Prozession und dann die feierliche Zeremonie der Blutverflüssigung statt. In einer Ampulle befindet sich eine rötliche, normalerweise kompakte Substanz, bei der es sich um das Blut des im 4. Jahrhundert enthaupteten Heiligen Januarius handeln soll. Nach dem Volksglauben verflüssigt sich diese Substanz zweimal im Jahr- wenn kein Unglück für die Stadt zu erwarten ist. Ein Wunder? Für Mark Benecke nicht: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 20 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 O-Ton Dr. Mark Benecke: Das angebliche Blut muss nur genügend bewegt werden und schon wird es flüssig. Stoffe, die durch Bewegung ihren Aggregatszustand ändern sind in der Chemie nichts Ungewöhnliches und werden als thixotrop bezeichnet. Eine thixotrope Substanz, die wie Blut aussieht, ist mit in Neapel problemlos herstellbaren Chemikalien schon seit Jahrhunderten herstellbar. Sprecher: Dennoch hält der Wissenschaftler Benecke dieses „Blutwunder“ weder für Betrug noch für irgendeinen sonstigen „Hokuspokus“. Nach seinem Besuch in Neapel notiert er: Zitator: „Insgesamt habe ich das „Blutwunder von Neapel“ als etwas im Grunde Schönes wahrgenommen, das den vorwiegend älteren Katholiken helfen soll, ihren Glauben aufrechtzuerhalten. Einen bösartigen Betrug der Kleriker kann ich nicht erkennen, da mehrere Theologen heute argumentieren, dass Wunder nicht deshalb so bedeutsam sind, weil sie echt seien, sondern weil sie als subjektiver Glaubensbeweis dienen.“ Sprecher: Ähnlich sieht das Oliver Seifert, wenn er schreibt: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 21 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Zitator: „Die Reduzierung des „Wunders“ auf die Natur, eine Reduzierung, die immerhin erst mit Hilfe des Mikroskops und der Kenntnis der chemischen Struktur des Anilins möglich war, berührt die Bedeutung des Phänomens im Grunde nicht. Dem Gläubigen wird es allein darauf ankommen, wofür die veränderte Hostie steht. Die Mikrobiologie reicht in diese Sphäre nicht hinein. Sie beschreibt lediglich die Wirkung chemischer Substanzen, deutet diesen Prozess aber nicht im Hinblick auf ein religiöses Heilsgeschehen.“ Sprecherin: Hochmut gegenüber dem vermeintlichen „Aberglauben“ vergangener Zeiten ist also nicht angebracht. Und zu fragen bleibt auch, wo sich die Schnittstelle zwischen einem schlichten Wissensdefizit, Wunder- und Aberglauben befindet? O-Ton Dr. Peter Egger: Obwohl wir nicht die Möglichkeit haben, die Eucharistie mit Hilfe der Vernunft zu erklären, haben wir durch die Erfahrung gewisser Zeichen und Wunder einen Zugang zum Geheimnis der Eucharistie. Wenn wir auch nicht imstande sind, zu erklären, wie es zur Realpräsenz Jesu in den Gestalten von Brot und Wein kommt, so können wir doch feststellen, dass es diese Realpräsenz offensichtlich gibt… Der eigentliche Sinn… ist die Begegnung mit Jesus Christus, der uns durch seine Anwesenheit stärkt, heilt und erlöst. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 22 Wunderblut und „Hokuspokus“ Bluthostien - zwischen Glauben und Aberglauben Lebenszeichen Von Kirsten Serup-Bilfeldt 26.05.2016 Sprecher: Ein Stückchen Brot…Und doch - seit diesem einen Abend vor 2000 Jahren viel mehr als nur ein Stückchen Brot. Zitator: „Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib.“ O-Ton Markus Schlüter: Jesus Christus ist es, der in unserer Mitte ist und mit uns in diesem Bild, wenn man so will, durch die Zeiten zieht. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 23
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