Manuskript Beitrag: Wie schmutzige Diesel sauber werden – Der Trick mit dem Grenzwert Sendung vom 24. Mai 2016 von Hans Koberstein Anmoderation: Nach diesem Wochenende könnte man meinen, dem Bundesverkehrsminister ginge es echt um Aufklärung. Wegen auffälliger Abgaswerte wollte er Fiat zur Rede stellen, aber die Italiener bremsten ihn aus. Der Deutsche sei nicht zuständig. Das stimmt sogar, aber der EU-Kommission petzte der Herr Dobrindt den Missstand bei Fiat trotzdem. Wie gesagt, klingt nach Aufklärung. Aber da drängt sich doch die Frage auf: würde der deutsche Minister auch die deutsche Autoindustrie anschwärzen? Wohl kaum, meint unser Autor Hans Koberstein nach der Lektüre des Kleingedruckten im Untersuchungsbericht des Ministeriums. Im politischen Schonwaschgang werden da einige schmutzige Modelle Made in Germany nicht nur sauber, sondern rein. Text: Dieselabgase in deutschen Städten machen krank. Zu viel Stickstoffdioxid in der Atemluft führt zu mehr als 10.000 vorzeitigen Todesfällen im Jahr, so die Europäische Umweltagentur. Hauptursache sind Dieselautos. Die blasen auf der Straße viel mehr giftige Stickoxide in die Luft, als die Grenzwerte vorsehen. Das alles ist bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass die EU-Kommission in Brüssel beschlossen hat: Künftig sollen die Abgaswerte nicht mehr wie bisher im Labor überprüft werden, sondern gleich auf der Straße. Eigentlich eine gute Idee, sagt Greg Archer, er war bei den Beratungen der Kommission dabei. O-Ton Greg Archer, Umweltverband Transport & Environment, Brüssel: Die Straßentests sind viel besser als die bisherigen Labortests. Doch leider werden die Grenzwerte für diese neuen Straßentests aufgeweicht, mit einem Aufschlag auf die Grenzwerte, dem sogenannten Konformitätsfaktor. Konformitätsfaktor? Das ist ein Faktor, um den ein Auto den Grenzwert überschreiten darf. Zum Beispiel um das 2,1fache. Das hatte sich die Autoindustrie gewünscht und Brüssel hat es beschlossen - für alle neuen Autos ab 2019. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat den Konformitätsfaktor jetzt schon angewandt, als er Dieselautos im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal untersuchen ließ. Hier das Ergebnis: Von 53 untersuchten Autos überschreiten 50 auf der Straße die Grenzwerte für Stickoxide – also fast alle. Eigentlich ein verheerendes Ergebnis. Doch mit einem Trick macht der Minister aus schmutzig sauber. Und das geht so: Zuerst schafft er drei Zonen: Zone 1 für Dieselautos, die bis zu 2,1mal mehr Stickoxide ausstoßen als erlaubt. In die Zone 2 kommen die Pkw, die noch schmutziger sind, bis zum Dreifachen des Grenzwertes. Diese Kategorie hat sich Dobrindt eigens neu ausgedacht. In die Zone 3 schließlich kommen alle Autos, deren Abgaswerte noch höher sind. Die Autos aus Zone 1 und 2 verschiebt Minister Dobrindt alsdann in eine eigens geschaffene Gruppe, die „Gruppe 1“. Und wozu das alles? Die Antwort steht in Dobrindts Untersuchungsbericht. Zitat: „Der Gruppe 1 wurden alle Fahrzeuge zugeordnet, die ein unauffälliges Verhalten zeigen.“ Das bedeutet: 18 Dieselautos blasen zwar Giftstoffe bis zum Dreifachen des Grenzwertes in die Luft, gelten aber jetzt als „unauffällig“. O.Ton Prof. Felix Ekardt, Experte für Umweltrecht: Mich überzeugt das juristisch überhaupt nicht. Ein ums Dreifache überschrittener Grenzwert kann nicht unauffällig sein. Mich überzeugt auch nicht, dass eine künftige Rechtslage auf heute fahrende Autos angewendet wird, insofern ist Minister Dobrindt juristisch hier im Irrtum. Dobrindt juristisch im Irrtum, das sagt der Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit in Leipzig. Der „juristische Irrtum“ hat vor allem einen Profiteur. Es ist der Autobauer, der wie Dobrindt selbst aus Bayern kommt: BMW. Denn eigentlich sind alle geprüften BMW-Modelle in Dobrindts Untersuchungsbericht schmutzig. Etwa der BMW 320 Diesel. Das 2,7fache des Grenzwerts. Dank Dobrindts Konformitätsfaktoren ist er „unauffällig“. Oder der BMW 530 Diesel: Das 2,9fache des Grenzwerts – ebenfalls „unauffällig“. So kommt es, dass BMW keine Nachbesserung der Abgasreinigung vornehmen muss, als einziger deutscher Autobauer. Dobrindt sei Dank. Übrigens: Bei den Tests lagen nur drei Autos unter Grenzwert. Ein VW Passat, ein VW Touran, und ein Audi A3. Ausgerechnet Volkswagen zeigt: Es geht auch sauber. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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