SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 19.05.1969: Helmut Kohl wird Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Von Rainer Volk Sendung: 19.05.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: Es sind karge zwei Zeilen, die Landtagspräsident Otto van Volxem an diesem Tag vorliest: O-Ton Peter Altmeier: „An den Präsidenten des Landtages Rheinland-Pfalz. Ich gestatte mir, Ihnen mitzuteilen, dass ich hiermit von dem Amte des Ministerpräsidenten von RheinlandPfalz zurücktrete. Altmeier.“ Autor: Hinter dem dürren Satz stecken drei Jahre Machtkampf in der rheinland-pfälzischen CDU. Der ist entbrannt, weil jüngere Mitglieder meinen, ihre Honoratioren hätten es sich in ihren Regierungssesseln allzu bequem gemacht. Besonders in der Kritik steht Ministerpräsident Peter Altmeier, Jahrgang 1899. Er ist seit 1947 im Amt; ein SeniorChef, der Neues meidet. Dabei muss Rheinland-Pfalz aufholen: Es hat kaum Bodenschätze und Industrie, Null Kilometer Autobahn, nur eine Universität, aber zu viele Beamte. Dennoch ist es heikel Altmeier aufs Altenteil zu schieben. Seine Verdienste sind unbestritten. Der Mann, der den Putsch wagt, heißt Helmut Kohl. Am Ziel angelangt, erklärt er am 19.Mai 69 in typischer Manier: O-Ton Helmut Kohl: „Rein verfassungsrechtlich ist es ein einfacher Vorgang. Durch die Persönlichkeit, seinen Weg, die Dauer seines Amtes, ist es in der Tat ein Stück mehr geworden. Nämlich tatsächlich auch ein Stück Geschichte unseres Landes. Und wenn man es in die Entwicklung der deutschen Gesellschaft von heute hineinstellt, ein Stück Generationswechsel in der deutschen Politik.“ Autor: Kohl ist erst 39 Jahre alt, aber schon 10 Jahre Landtagsabgeordneter, sechs Jahre Fraktionschef und drei Jahre Landesvorsitzender der CDU. Neben dem Mut zur offenen Kritik besitzt er vor allem Schläue. Anfang 1966 lässt er die Partei beschließen: Siegt die CDU bei der nächsten Wahl im Land, darf Altmeier Ministerpräsident bleiben – um dann ihm, Kohl, zu gegebener Zeit Platz zu machen. Am Wahlabend 1967 findet Altmeier, die „gegebene Zeit“ betrage vier Jahre. Kohl ist brüskiert und zieht die Daumenschrauben an. Per Abstimmung in der Fraktion macht er Vertraute zu Ministern - vorneweg Bernhard Vogel im Kultus- und Heiner Geißler im Sozialressort. Und er packt via Fraktionsvotum eine Verwaltungsreform im Land an: Es gibt weniger Regierungspräsidien, Kreise und selbständige Gemeinden. Die Bürgerwut deswegen bekommt Altmeier ab und wird so zermürbt. In dessen Rücktrittsrede am 19.Mai 1969 vermischen sich Resignation und Stolz auf die Lebensbilanz: O-Ton Peter Altmeier: „In vollem Umfange, meine Damen und Herren, respektiere ich die Initiative des Parlamentes, an dessen Rechten ich in Zukunft als gewählter Abgeordneter und mit viel mehr Freiheiten als bisher auch weiterhin teilhaben werde. Wer hätte es mir in der Wiege gesungen, 22 Jahre an der Spitze eines Staates stehen zu dürfen.“ 1 Autor: So sehr er äußerlich Haltung wahrt, so tief verletzt ist Altmeier innerlich. Einer von Helmut Kohls Vertrauten, der spätere Intendant des Südwestfunks, Willibald Hilf, berichtet später, man habe die Staatskanzlei - Zitat – „nicht nur aufgeräumt, sondern fast leer“ vorgefunden. Kohl seinerseits ist großzügig: Er schafft im Landeshaushalt einen Posten, der Altmeier lebenslang eine Sekretärin, einen Dienstwagen und einen Chauffeur verschafft. Den Bürgern kündet Kohl in der ersten Regierungserklärung moderne Zeiten an: O-Ton Helmut Kohl: „Der Bürger braucht mehr Einblick in die Arbeit der Regierung, des Parlaments, der Verwaltung und der Rechtsprechung. In allen staatlichen Bereichen auf allen Ebenen muss die Öffentlichkeit gesucht werden.“ Autor: Die Kohl-Ära wird für das oft verspottete „Land der Reben und Rüben“ zur Aufbruchszeit. Als Peter Altmeier 1977 stirbt, bastelt der „schwarze Riese“ als Oppositionsführer in Bonn bereits daran, dort das Kanzleramt zu erobern. Das Ende dieser Geschichte dürfte bekannt sein. 2
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