Die Grünen entdecken ihre Liebe zur Polizei

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DIENSTAG, 17. MAI 2016
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INTERVIEWS DES TAGES
THEMEN
Europa, ruppig
und rau
TINE ACKE/WARNER MUSIC; GETTY IMAGES/SEAN GALLUP; BERND HARTUNG ; REUTERS/ROMAN BALUK
CHRISTOPH B. SCHILTZ
I
Er trägt Hut und Sonnenbrille, nuschelt, trinkt Eierlikör. Alles wie immer. UDO LINDENBERG muss sich
nicht neu erfinden. Heute wird er 70 – und erklärt,
was er am Altern cool findet Seiten 8 und 21
Ihre Äußerungen über Schusswaffengebrauch gegen
Flüchtlinge sorgten für einen Aufschrei. Nun erklärt
AfD-Vizechefin BEATRIX VON STORCH, warum Islam
und Grundgesetz nicht zueinanderpassen Seite 4
Bundesbank-Präsident JENS WEIDMANN hat
oft scharf die Politik von EZB-Chef Mario Draghi
kritisiert, doch zuletzt hörte man von ihm andere
Töne. Im Interview erklärt er, warum Seite 10
Die Grünen entdecken
ihre Liebe zur Polizei
Einstige Öko-Aktivisten erkennen, dass Einbrüche, Übergriffe wie in Köln oder Terrorgefahr viele Wähler
beunruhigen. Die Ordnungshüter sollen daher gestärkt werden – auf Kosten des Verfassungsschutzes
PANORAMA
Jubel und Empörung:
Der Eurovision Song
Contest und die Lehren
Kommentar Seite 3, Seite 24
E
s ist noch nicht lange her,
dass man in einem Wahlprogramm der Grünen geduldig
nach einem Wort wie „Polizei“ suchen musste. Und positiv kam die Arbeit der Beamten dabei
nur äußerst selten weg.
VON MANUEL BEWARDER
UND CLAUDIA KADE
POLITIK
Entsetzen in Österreich
über Schlammschlacht
der Hofburg-Bewerber
Siehe Kommentar, Seite 6
WIRTSCHAFT
Arbeitgeber:
Selbstständige sollen
fürs Alter vorsorgen
Seite 9
SPORT
Doch mittlerweile entdecken die einstigen Öko-Aktivisten mit Distanz zur
Staatsmacht die Innere Sicherheit für
sich: In Baden-Württemberg etwa verabredete Grün-Schwarz einen Koalitionsvertrag mit 1500 zusätzlichen Stellen bei
der Polizei. Auch in Nordrhein-Westfalen will man das Thema im Landtagswahlkampf prominent besetzen. Die
Grünen erkennen damit, dass Einbruchskriminalität, Übergriffe wie in der Silvesternacht in Köln oder die dauernde Terrorgefahr viele Menschen beunruhigen.
In einem elfseitigen Positionspapier,
das der „Welt“ vorliegt, präsentiert jetzt
die Grünen-Bundestagsfraktion ihre Idee
von einer neuen grünen Sicherheitspoli-
tik. Fraktionsvize Konstantin von Notz
hebt hervor, dass Sicherheit und Bürgerrechte dabei gleichermaßen gewährleistet sein müssen: „Gerade in Zeiten, in denen der internationale Terrorismus und
rechtspopulistische bis offen faschistische Strömungen unsere freie, demokratische Gesellschaft angreifen, müssen
wir vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung und unserer europäischen Identität unseren Rechtsstaat und unsere Freiheit entschlossen
verteidigen.“
Die Grünen setzen vor allem auf eine
starke Polizei. Selbst bei der Analyse der
Bedrohungslagen und der Gefahrenabwehr sei sie der Tätigkeit der Nachrichtendienste vorzuziehen. „Terrorismusbekämpfung ist im Kern Aufgabe der Polizei, und deshalb muss das nahezu unkoordinierte Nebeneinander von Polizei
und Verfassungsschutz in der Praxis
dringend überwunden werden“, sagt die
innenpolitische Sprecherin der Fraktion,
Irene Mihalic. Dafür brauche die Polizei
personelle Stärkung, modernste Ausstattung und gute Polizeiarbeit aus einer
Hand, heißt es in dem Beschluss.
Mit ihrem Vorstoß wollen sich die
Grünen auch von der großen Koalition
distanzieren. Union und SPD setzten auf
„Gesetzesverschärfungen im Hauruckverfahren“. Diese Maßnahmen würden
Menschen verunsichern und „rechtspopulistischer Demagogie Nahrung“ geben.
Die Verlierer der grünen Sicherheitsarchitektur sind das Bundesamt für
Sicherheit zählt
im Wahlkampf
CSU-Chef Horst Seehofer will mit
den Themen „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ und „Sicherheit“ bei den
nächsten Wahlen punkten. „Wir
müssen wieder so reden, dass uns
die Menschen verstehen“, sagte
Bayerns Ministerpräsident der
„Welt am Sonntag“. Er sagte, zur
Sicherheit zähle neben dem Schutz
vor Terror und Kriminalität auch
die Altersversorgung. „Die Niedrigzinspolitik enteignet die Sparer.“
Die Bundesliga-Saison
im Rückblick
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Was hinter dem Bombenalarm im Fußballstadion Old Trafford in Manchester steckte
FEUILLETON
Seite 21
Verfassungsschutz (BfV) sowie der
Bundesnachrichtendienst (BND). Das
BfV soll aufgelöst werden und in ein
neuartiges Bundesamt zur Gefahrenund Spionageabwehr umgewandelt
werden. Zum schmalen Aufgabenbereich zählen dann die langfristige Vorfeldbeobachtung von Spionage sowie
der Austausch mit ausländischen Nachrichtendiensten. Der Einsatz von VLeuten (ständige Informanten von
Diensten) müsse „grundsätzlich überprüft und umfassend evaluiert werden“.
Anstelle des BfV soll ein unabhängiges
Institut zum Schutz der Verfassung ohne nachrichtendienstliche Mittel demokratie- und menschenfeindliche Bestrebungen analysieren.
Für die Arbeit des BND fordern die
Grünen klare gesetzliche Regeln. „Aufgaben und Befugnisse der Geheimdienste
müssen als Konsequenz der Kontrollen
durch den Bundestag neu bestimmt und
durch klare gesetzliche Regelungen eingegrenzt werden“, sagte Hans-Christian
Ströbele, langjähriges Grünen-Mitglied
im Parlamentarischen Kontrollgremium
des Bundestages.
n unserem Nachbarland Österreich konkurrieren zwei Männer
um das Amt des Bundespräsidenten, denen jegliches Format für das
höchste Staatsamt in Österreich zu
fehlen scheint. In einem Fernsehduell gifteten sie unentwegt gegeneinander. „Seien Sie nicht so aggressiv“, brüllte der eine. „Seien Sie
nicht so nervös“, konterte der andere. Das Traurige daran ist: Einer der
beiden wird mit Sicherheit neuer
Bundespräsident Österreichs. Unser
Nachbarland ächzt unter einer hohen Rentenlast, Mini-Wachstum
und steigender Arbeitslosigkeit. Zudem spielt es eine zentrale Rolle in
der europäischen Flüchtlingspolitik.
Österreich – und Europa – hat bessere Leute verdient.
Noch schrillere Töne kommen
aber aus Großbritannien. Londons
ehemaliger Bürgermeister Boris
Johnson posaunte, es gebe Parallelen zwischen den Zielen der EU und
denen Adolfs Hitlers. Inhaltlich
muss man sich damit nicht lange beschäftigen. Das Gegenteil ist der
Fall: Hitler wollte Zerstörung und
Allmacht, die EU will Frieden und
Gemeinschaftssinn.
Leider lässt sich der Vergleich
zwischen der EU und Hitler aber
nicht abtun als Fauxpas eines
egozentrischen Spinners aus dem
britischen Establishment. Johnson
ist eine Schlüsselfigur der britischen
Tories und der wohl stärkste innerparteiliche Konkurrent von Premierminister Cameron. Insofern haben seine kalkulierten Aussagen
politische Brisanz. Sie sind der Versuch, die Debatte über einen Austritt Großbritanniens aus der EU
(Brexit) anzuheizen, die britischen
Wähler zu mobilisieren und die
Reihen der Brexit-Befürworter zu
schließen.
Man hätte eigentlich einen Aufschrei der Empörung aus Europa
über die markigen Sprüche von der
Insel erwarten können. Stattdessen:
eiskaltes Schweigen. Das ist vorbildlich. Jede reflexartige Äußerung von
EU-Kommissionspräsident Juncker
oder Parlamentspräsident Schulz
hätte den britischen EU-Gegnern
neue Munition geliefert.
Zwei Akteure des vergangenen
Wochenendes, Johnson und der österreichische Präsidentenkandidat
von der Rechtspartei FPÖ, Hofer,
könnten schon bald in der europäischen Politik eine wichtige Rolle
spielen. Attacke gegen Europa – das
ist ihr Credo. Beide sind Populisten,
die einen moralischen Alleinvertretungsanspruch mit klaren Feindbildern pflegen. Und beide wären
in der Lage, das europäische Projekt, das sich ohnehin in einer Phase der Auszehrung befindet, weiter
zu schwächen.
„Ein Fiasko“
Seite 16
Der Islam und die Bilder
Nr. 113
KOMMENTAR
B
undespräsident Joachim
Gauck hat die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages eindringlich aufgefordert, ihn zu einer zweiten
Amtszeit zu überreden. Er
beklagte, dass er noch nicht
von allen Politikern angefleht
worden sei, den Job für weitere
fünf Jahre zu übernehmen.
Gauck ist sogar bereit, eine
Parlamentarierdelegation zu
empfangen, die vom Bundestag
zum Schloss Bellevue auf
Knien zu ihm rutschen würde.
Gauck hat in seiner Amtszeit
viel erreicht. Sein Ziel, ein
Deutschland in den Grenzen
von 1991, konnte er genauso
durchsetzen wie eine jährliche
Weihnachtsansprache vor laufenden Kameras. Die Ernennung seines Vorgängers Wulff
zum Spargelbotschafter wird
allgemein als Geste des Respekts und der Versöhnung
angesehen, immerhin war es
Christian Wulff, der erklärte:
Der Spargel gehört zu Deutschland. Gauck will sich jetzt ein
paar Wochen zieren, anschließend wird er noch zehn Tage
mit sich ringen und sich die
Entscheidung nicht leicht machen, bis er sich dann doch in
die Pflicht nehmen lässt. Sollte
Gauck wider Erwarten nicht
weitermachen, gilt Stefan Raab
als aussichtsreichster Nachfolgekandidat.
D 2,50 EURO B
C
ode Red, wir betonen, wir rufen Code Red aus. Bitte verlassen
Sie das Stadion und bewahren Sie Ruhe!“ Die Durchsage kurz
vor dem Anpfiff des Fußballspiels Manchester United gegen
den AFC Bournemouth am Sonntag ließ nichts Gutes erahnen. Auf
einer Stadiontoilette war ein verdächtiges Päckchen gefunden worden. Nur rund 20 Minuten vor Anpfiff der Premier-League-Begegnung
wurde die Arena geräumt und die Partie am letzten Spieltag abgesagt.
Bombenspezialisten führten eine kontrollierte Sprengung in dem
leeren Stadion durch. Doch dann stellte sich heraus: Es gab keinen
Sprengstoff, sondern lediglich eine Attrappe. Die Behörden erklärten,
es habe ich sich um ein Trainingsobjekt gehandelt, das versehentlich
von einem privaten Unternehmen vergessen worden sei. Es sei nach
einer Übung mit Sprengstoffsuchhunden liegen geblieben.
Der Bürgermeister von Manchester, Tony Lloyd, schäumte vor
Wut. Es handele sich um einen unerhörten Vorfall, und es sei „empörend, dass diese Situation entstand“. Dieses „Fiasko hat den Fans, die
von weit her gekommen sind, um das Spiel zu sehen, erhebliche Unannehmlichkeiten bereitet, die Zeit zahlreicher Polizisten und des
Bombeneinsatzkommandos verplempert und unnötig Menschen in
Gefahr gebracht“, sagte Lloyd mit Verweis auf die Räumung des Stadions, die nicht ohne Risiko sei. Nun müsse geklärt werden, „wie das
geschehen ist, warum es geschehen ist und wer dafür zur Verantwortung gezogen wird“.
Der stellvertretende Polizeichef des Großraums Manchester, John
O’Hare, erklärte, die Attrappe habe „täuschend echt“ ausgesehen.
Deshalb sei die Räumung des Stadions die einzig richtige Entscheidung gewesen. Der britische Sender BBC zeigte Bilder, wie Ordner
die Zuschauer aufforderten, die Tribünen zu räumen. Die Besucher
verließen die Ränge ruhig und ohne Panik. Rund 60.000 Zuschauer
seien rund 20 Minuten vor Spielbeginn bereits im Stadion gewesen.
Auch die Spieler seien sofort in Sicherheit gebracht worden, hieß es.
Nach der Entdeckung des verdächtigen Päckchens flogen Hubschrau-
ber über der Arena. Nach der Evakuierung unterstützten Bombenspezialisten der Armee die Ordnungskräfte im Stadion. Die Entscheidung zur Spielabsage sei nicht leicht gefallen, teilte die Premier League mit. Doch die Sicherheit von Fans und Spielern gehe vor. Die
Evakuierung weckte böse Erinnerungen: Im November hatten islamistische Attentäter während des Länderspiels Frankreich gegen
Deutschland in der Nähe des Stade de France Bomben gezündet.
Manchester United hatte am Sonntag zunächst noch Chancen auf
die Qualifikation zur Champions League. Da aber Stadtrivale Manchester City gegen Swansea City unentschieden spielte, hat sich diese
Hoffnung so gut wie zerschlagen. Das Spiel zwischen Manchester und
Bournemouth wird am heutigen Dienstagabend nachgeholt. Der AFC
Bournemouth zahlt allen Anhängern mit gültigem Ticket die Busreise
ins rund 800 Kilometer entfernte Manchester. Auch Rekordmeister
United hat Fans, die am Sonntag im Stadion Old Trafford anwesend
waren, für die Neuansetzung Freikarten angeboten.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410
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ISSN 0173-8437
113-20
ZKZ 7109