Erasmus-Bericht Manchester SS2015 Warum Erasmus? Ein paar Monate oder gar ein ganzes Jahr im Ausland zu wohnen gibt Abstand zum eigenen Alltag, macht Riesenspaß und ist eine Gelegenheit die man sich nicht entgehen lassen sollte. Ob das im Rahmen von Erasmus ist, einem gap-year oder was auch immer finde ich persönlich eher zweitrangig. Der Vorteil an Erasmus ist aber eindeutig die Hilfe bei Organisation, Anerkennung im Studium, finanzielle Unterstützung, Studentenstatus/ Erfahren wie Uni in anderen Ländern läuft. Wenn ihr diesen Bericht lest habt ihr euch aber anscheinend eh schon angefangen dafür zu interessieren – Glückwunsch, zieht es durch! Warum Manchester? Ich wollte am liebsten was englischsprachiges. Erstens weil ich mich neben meiner Muttersprache in Englisch am sichersten fühle (Patientenkommunikation!), zweitens weil englisch ungefähr immer und überall wichtig ist, und drittens weil ich finde, dass man auch nach noch so vielen Jahren Sprache-lernen ein richtiges feeling erst kriegt wenn man eine Zeit lang da wohnt. Zugegeben ist die Auswahl für englischsprachige Länder im Erasmus-Programm nicht riesig, was die Auswahl schon mal etwas erleichtert. Manchester ist es bei mir dann geworden weil ich einen sehr guten Eindruck von den Berichten der anderen Studenten hatte, weil es für englische Verhältnisse eine pulsierende Metropole ist (ihr ihnen heiliges London ausgenommen, versteht sich), und weil die Uni mir auf den ersten Blick sehr nett und organisiert erschien. Und dann einfach bewerben – wäre es eine andere Stadt geworden, wäre ich aber auf jeden Fall auch gefahren! Warum jetzt? Ich bin noch altes Eisen Regelstudiengang. Bei uns ging Manchester nur PJ. Ich hab mein Chirurgietertial da gemacht. Da du wahrscheinlich Modelli bist, kann ich dir zum idealen Zeitpunkt leider nicht helfen. Fächerwahl Die genaue Info was ich dort jetzt kriege an Kursen/Praktika (bei mir begrenzt auf die 3 PJ-Fächer) hat sich leider ewig hinausgezögert. Die Damen im Erasmusbüro sind zwar gut erreichbar, antworten höflich auf Nachfragen und machen ihren Job auch inklusive deiner Wünsche, aber zwischen Zusage zum Platz und Zusage zum learning agreement verging mehr als ein halbes Jahr. Sprecht das auf jeden Fall mit Frau Heller ab und seid nicht enttäuscht wenn es nicht euer Erstwunsch wird, war bei mir auch nicht so. Sie verteilen erst an ihre eigenen, und dann kommen Erasmus-Leute. Anreise Easyjet oder für reisebegeisterte Klimaschützer auch kostengünstig per Bus. Vllt eine Nacht in Amsterdam oder Brüssel zwischen schlafen ;-) übrigens: im Vergleich zum Flugzeug hat der Bus gefühlt unbegrenzt Gepäck, niemand wiegt es, eigentlich wird nicht mal gezählt, ob man sich an die zwei Stück pro Person hält Unterkunft Da sollte man wissen, dass man in England hart im Nehmen sein muss!! Wenn man komfortabel, hübsch, modern und in netter Gesellschaft im Zentrum wohnen will kann man locker 600 p hinlegen. Ich hab mir stattdessen ein Fahrrad gekauft, bin jeden Tag 5 km zur Uni gefahren und hab einen etwas keimigen Gesamtzustand in Kauf genommen – zum unschlagbaren Preis von 200 p. Zugegeben, das Optimum liegt wohl irgendwo zwischen sein Konto und seine Würde aufgeben. Achtet aber darauf, dass zu den generell schon teuren Preisen stets noch Nebenkosten (bills) hinzukommen, und das die Preise nicht selten pro Woche angegeben sind (ppw), was einem so manches Angebot auf den ersten Blick falsch-schmackhaft macht. Erasmus-Organisation Das lief wie am Schnürchen. Außer wie gesagt das ewige Warten auf das learning agreement bekam man sowohl von Frau Heller als auch von Frau Hamilton immer sehr schnelle und kompetente Antwort, sowohl noch in Deutschland als auch mit allen Fragen vor Ort. Sehr nette, bemühte Koordinatoren. Krankenhaus/Uni Hier kann ich nur für die MRI sprechen. Ich war nie in einem anderen Lehrkrankenhaus und hatte keine Pflichtveranstaltungen an der Uni. Generell gilt: NHS scheint für den deutschen Studenten schmuddelig, ineffektiv, ressourcen-verschwendend. Ging mir bis zum Schluss so. Engländer kennen das nicht anders und es stört sie nicht. Die Ärzte zB meinten zwar zu mir in Privatkliniken ist alles schicker, aber sie würden sich als Patient trotzdem immer in NHS behandeln lassen, weil es in den meisten privaten keine ITS gibt, und die Top-Leute in der Regel auch an staatlichen Häusern arbeiten. Der Vorteil von NHS: Alle Patienten sind versichert, kriegen ihre Behandlung komplett erstattet, innerhalb des NHS keine Zweiklassenmedizin. Der englische Umgangston ist im Vergleich zum Deutschen (oder zum Berliner?) sehr viel respektvoller, auch im Krankenhaus – sowohl zwischen Arzt und Patient als auch zwischen Kollegen. Ich kann wärmstens die Kardiochirurgie empfehlen. Ist zwar eine spezielle Fachrichtung und ein relativ kleines Team, aber wenn sie merken dass man sich interessiert nehmen sie einen überall mit hin, erklären einem ALLES, zeigen ALLES, lassen einen aktiv mitoperieren.... Ich will euch nicht unterschlagen, dass der Preis für einmal mitoperieren ungefähr 5 mal nur daneben stehen ist, und das ist lang bei 6stündigen Herz-OPs, aber sie merken dass du dich interessierst und je länger du da bist um so mehr darfst du selber machen. Generell hab ich gemerkt: Nicht schüchtern sein, einzufordern wenn ihr was machen wollt! (Mit englischer Höflichkeit, versteht sich ;-) Was ich dagegen relativ schwer fand zum reinzukommen war General surgery. Es ist colorectal und hepatobiliary zusammen, und es ist ein RIESENteam. Dementsprechend brauchst du erst mal 2 Wochen bis alle wissen dass du existierst und wer du bist. Aber auch hier gibt es einige sehr wohlwollende AssistenärztInnen, an deren Fersen geheftet man nach einiger gemeinsamer Erfahrung einiges aktiv machen darf. Dieses Team wäre aber ehrlich gesagt nicht meine erste Wahl, es ist riesig, unübersichtlich, und sie kennen sich untereinander nicht mal alle selber. Erschwerend sind ab und zu Leihärzte (Locums) da, also ein ziemliches Durcheinander. Generell haben Meidzinstudenten in England gefühlt kaum praktische Aufgaben, weil sie dafür extra FY1 und 2 nach Ende ihrer Jahre an der Uni haben. (FY=foundation year, eine Art bezahltes 2-Jahres-PJ mit Kompetenzen irgendwo zwischen PJ und Assistenzarzt). Wenn ihr also was machen wollt, müsst ihr aktiv Interesse zeigen, es wird euch sonst niemand mit Aufgaben betrauen und ihr werdet eure Tage mit passivem Nebenherlaufen verbringen. Sozialleben Ja, Manchester! Lauter kleine Clubs und Bars, ein paar hippe shops, gute Zugverbindungen zu allen Zielen die das Herz begehrt (Bus ist billiger!), Lake- und peak district nicht weit für die Naturliebhaber, nostalgisch Industriegeschichte im science-museum, typisch englisch-verregnetes Wetter.... Tagsüber vielleicht manchmal ein bisschen trist, aber nachts geht es gut ab. Hier sollte man sich nicht wundern: englische Jungs und Mädchen (!) gehen ohne Jacke aus, er im T-shirt, sie im Mini-kleid mit 12 cm Absätzen, von Club zu Club, zu Fuß oder per Taxi, im Februar um 2 Uhr morgens, Engländer frieren nicht. Dreijährige trainieren morgens im T-shirt Fußball während ich Mütze und Handschuhe anhabe.... Heizbedürfnisse werden übrigens auch sehr unterschiedlich empfunden. Insgesamt fand ich es nicht ganz einfach an die Engländer ranzukommen. (Wenn man Amerikaner kennt, wird man es unmöglich finden.) Also nicht frustriert sein, wenn eure Studienkollegen euch nicht gleich in ihren Freundeskreis integrieren. Versucht es über Vitamin B: Mitbewohner und deren Freunde sind die beste Eintrittskarte in englische Kreise, aber unabhängig davon kann man auch mit anderen Internationalen eine Menge Spaß haben. Tipps Fahrrad! An links fahren muss man sich kurz gewöhnen, aber Manchester ist von der Fläche her im Vergleich zu Berlin überschaubar. So ist man unabhängig davon sich nur Zimmer an großen Buslinien suchen zu können, denn nachts fahren nur sehr selten und sehr wenige Busse. Richtwert 40 pounds, gute solide bikes in der Preisklasse. Wissen, wo man nicht hingehen soll. Manchester hat ein paar heiße Ecken, die ich bewusst stets gemieden habe – mir ist glücklicherweise auch nie etwas passiert. Alles was nördlich vom Zentrum ist lieber Freunde fragen ob sich der Besuch dahin wirklich lohnt. Lake district + der lake dazu. Unbedingt machen und campen! Schön hinwandern über Schafweiden, kleine Trampelpfade und englische Mauern statt Koppelzäune, Aktivurlaub aus dem Bilderbuch! Sehr viel warme Klamotten mitbringen. Es wird weniger geheizt, es regnet mehr, mir war gefühlt immer eher zu kalt als zu warm. Science museum Bewusst darauf achten, wie viele Fußballfelder es gibt und dass sie einfach immer voll sind. Omg. Chorlton Park und Chorlton insgesamt. Vllt nicht zum wohnen, aber für entspannte Wochenendespaziergänge und Marktbesuche. NICHT english breakfast essen. Und auch NICHT die beans. Secondhand shops! Sind in England viel größer als bei uns, an jeder Ecke, sehr gut frequentiert und bestückt. Ebenso Flohmärkte. Schreibt mir gern wenn ihr Fragen habt, Emailadresse hat Frau Heller, wünsch euch viel Erfolg und ne tolle Zeit! Und wenn es nicht Manchester wird – macht trotzdem Erasmus, es ist unbezahlbar!
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