Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag MUSIK / REPORT Hip-Hop Straßenklassenfest in der Sprache der Leute ... Derbst im Gespräch ... und im Sound der Straße Klassenfest gegen Staat und Kapital am 30. April 2016 in Hamburg Elektronische Zeitung Schattenblick Donnerstag, 19. Mai 2016 Ende Gelände - wo gehobelt wird ... Ende Gelände 2016 Kohle stoppen, Klima schützen! Eine Nachlese zu den von Ende Gelände zwischen dem 13. und 16. Mai 2016 angekündigten Aktionen zivilen Ungehorsams im Braunkohlerevier Lausitz und ihren Folgen für andere ... (SB) Auf dem Hamburger Klassen- fest war der Rapper Derbst in seinem Element, steht doch die streitbare Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen und ihre Überwindung zur Aufhebung aller Klassengegensätze im Mittelpunkt seines persönlichen wie künstlerischen Anliegens. Ob solo oder zusammen mit S. Castro - die politische Position ist klar und entschieden, und das a capella für die im nordsyrischen Rojava im Kampf gegen den IS gefallene Internationalistin Ivana Hoffmann zeigt, daß Hip-Hop ohne große Mittel Menschen bewegen kann, wenn nur die Botschaft stimmt. Nach seinem Auftritt beantwortete Derbst dem Schattenblick einige Fragen ... (Seite 7) KOOPERATION S. 4 POLITIK - AUSLAND: Honduras - Mutmaßliche Verwicklungen von Militärs und Politikern in den Mordfall Berta Cáceres (poonal) S. 6 EUROPOOL - BÜRGER: Besetzung des Athener City Plaza Hotel - Wird die Solidarität siegen? (Pressenza) klärten Ziele von Ende Gelände, wurde somit auf ganzer Linie erreicht. Die Presse im In- und Ausland berichtete über die Anti-Kohle-Aktionen im Zeichen des globalen Kli(SB) Das Bündnis Ende Gelände maschutzes. hat es in die Hauptnachrichten der ARD-Tagesschau gebracht. Am Das Tagesschaupublikum erfuhr alSonntagabend um 20.00 Uhr erfuh- lerdings nicht, daß seit Ende März ren Millionen Zuschauerinnen und dieses Jahres ein Waldstück im RoZuschauer von spektakulären Aktio- dungsgebiet des zur Zeit noch von nen wie der Blockade des Kohlen- Vattenfall Europe Mining betriebeachschubs für das Lausitzer Kraft- nen Oberlausitzer Tagebaus Nochten werk Schwarze Pumpe sowie dessen im Bundesland Sachsen besetzt worErstürmung durch mehrere hundert den war. Ähnlich wie seit einigen Personen und daß es dabei zu Hand- Jahren im Hambacher Forst des rheigreiflichkeiten mit den Sicherheits- nischen Braunkohlereviers Waldbekräften gekommen war. Medienauf- setzerinnen und -besetzer mit Leib merksamkeit gewinnen, eines der er- und Leben zu verhindern versuchen, Landgrabbing gilt es zu verhindern Foto: Frank Vincentz, freigegeben als gemeinfrei via Wiki media Commons Elektronische Zeitung Schattenblick daß der uralte Waldbestand dort mehr und mehr für den Tagebau Hambach gerodet wird, haben einige Menschen beschlossen, in der Lausitz den Aufschluß des Tagebaus Nochten II durch ihre Besetzung zu stoppen. Vom 18. bis zum 25. Mai hatte die Initiative namens LAUtonomia zu einer "Waldwoche" eingeladen. Die angekündigten Workshop- und Diskussionsthemen sollten sich rund um Braunkohle, Tierausbeutung und Militarismus drehen. Wie der Website von LAUtonomia zu entnehmen ist, wurde die Waldbesetzung am heutigen Mittwoch von der Polizei geräumt. Für den Abend (nach Redaktionsschluß) sind Solidaritätskundgebungen unter anderem in Berlin und Göttingen angekündigt. [1] Mit der im Tagebau Nochten geförderten Braunkohle wird das Kraftwerk Boxberg befeuert und die Brikettfabrik Schwarze Pumpe beliefert. Da Vattenfall seine deutsche Braunkohlesparte nach Tschechien verkauft und nur noch die schwedische Regierung dem Geschäft ihre Zustimmung geben muß - womit allerdings zu rechnen ist -, wurde die Umsiedlung aus dem "Nochten II" genannten Tagebaugebiet vorläufig ausgesetzt. Welche Pläne die tschechischen Investoren EPH und PPF haben, ist nicht bekannt. Mit einem Weiterbetrieb der Tagebaue in der Lausitz durch den neuen Investor und also auch mit der Devastierung von Dorf und Landschaft muß gerechnet werden. Ende Gelände, das 6. Lausitzer Klima- und Energiecamp und alle übrigen der rund 3500 bis 5000 an den verschiedenen Aktionen am Pfingstwochenende in der Lausitz Beteiligten wollen den Verkauf verhindern und erreichen, daß Vattenfall die Braunkohleförderung stoppt, die Betriebe sozialverträglich abwickelt und die riesigen Löcher in der Landschaft und Absetzflächen der abgebaggerten Sande saniert. Würde EPH die Braunkohlesparte übernehmen, Seite 2 so wäre nicht nur ein Personalabbau zu erwarten, sondern auch, daß der Investor versucht, beispielsweise bei den hohen Rekultivierungskosten zu sparen. Warum sonst sollte im Rahmen einer kapitalistischen, profitorientierten Wirtschaftsordnung ein Unternehmen wie EPH die verlustträchtige Braunkohlesparte von Vattenfall übernehmen, wenn es sich nicht Vorteile davon verspräche, die der Verkäufer anscheinend nicht in der Lage ist, selber zu realisieren? Auf dem Weg zum Einsatz ... Foto: © 350.org / Paul Lovis Wag ner, freigegeben als CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licen ses/by/2.0/] via Flickr Mit Ende Gelände und LAUtonomia haben sich zwei höchst verschiedene Initiativen dem gleichen Ziel verschrieben. Erstere war generalstabsmäßig organisiert. Über Funk miteinander verbundene Führungspersonen lenkten die als "Finger" bezeichneten Protestmärsche mit ihren uniform in weiße Überziehoveralls gekleideten Protestierenden, die strammen Schritts mal in geordnet wirkender Formation - mitunter unterstützt von der rhythmischen Schlagfolge einer Gruppe Trommlerinnen und Trommler -, mal als ungeordnete Gruppe zu ihren jeweiligen Einsatzorten eilten, ständig im Visier www.schattenblick.de von Foto- und Filmkameras der Presse sowie der freien und hauseigenen Fotografen, die allesamt beeindruckendes Bildmaterial produzierten. Selbst die Fotos des Handgemenges auf dem Gelände des Kraftwerks Schwarze Pumpe mit den martialischen, ganz in schwarz gekleideten Polizisten und den weißen, Reinheit symbolisierenden Protestierenden hätten kaum kontrastreicher inszeniert werden können. Gegen diese Form der Professionalisierung des Protestes spricht im Prinzip nichts, denn gegenüber dem, was die andere Seite an Wirkmächtigkeit aufbietet, sind die Aktionen von Ende Gelände nicht mehr (aber eben auch nicht weniger) als symbolisch. Längst wird im Tagebau Welzow Süd wieder Braunkohle gefördert, geht der Betrieb in der Schwarzen Pumpe weiter, werden große Mengen klimawirksame Kohlenstoffdioxide, Schwermetalle und Dioxine in die Erdatmosphäre emittiert. Selbst Persönlichkeiten, die mit beiden Beinen fest in etablierten gesellschaftlichen Strukturen stehen, wie beispielsweise Ernst Ulrich von Weizsäcker (Ex-Bundestagsabgeordneter und Co-Präsident des Club of Rome) und Hans Joachim Schellnhuber (Direktor des PotsdamInstituts für Klimafolgenforschung) sprachen sich im Gespräch mit dem Do, 19. Mai 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Schattenblick gegen die Braunkohle und für das Engagement junger Menschen gegen diesen Energieträger aus. [2] Zwei Beispiele, die deutlich machen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen keine Außenseiteransicht mehr ist, die Verstromung von Braunkohle abzulehnen und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams, sofern sie sich nicht gegen Menschen und Dinge richten, für angemessen anzusehen in Anbetracht der Schadensentwicklung eines davongaloppierenden Klimawandels mit all seinen Begleitfolgen wie Versauerung der Meere, Gletscherschwund, Zunahme an Extremwetterereignissen, Artensterben, Bodenverlust, Meeresspiegelanstieg, etc. Ende Gelände naht Foto: © 350.org / Ruben Neuge bauer, freigegeben als CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/li censes/by/2.0/] via Flickr Nachdem Ende Gelände bereits im Sommer 2015 nicht weniger medienwirksam als in diesem Jahr in der Lausitz den Tagebau Garzweiler im rheinischen Braunkohlerevier besetzt hat, sind die weißen Überziehanzüge und die blaue Schrift fast zu einer Marke geworden, und Gruppen aus dem AusDo, 19. Mai 2016 land schauen sich inzwischen die Aktionen ab. Soviel Erfolg birgt die Gefahr, seine Wurzeln zu verlieren. Es könnte, müßte aber nicht dazu kommen, daß Ende Gelände eines Tages Markenbewußtsein entwickelt und "seine" Marke zu schützen versucht, indem es sich gegenüber anderen Initiativen ähnlicher oder gleicher Zielsetzung abgrenzt. Selbst die Waldbesetzerinnen und -besetzer im Hambacher Forst werden als Teil des Bündnisses verstanden, und Hannah Eichberger, Pressesprecherin von Ende Gelände, sagte auf die Frage des Schattenblick, wie das Bündnis zu der kürzlich begangenen Sabotage am Tagebau Hambach stehe, daß sich alle am Pfingstwochenende Beteiligten auf einen Aktionskonsens geeinigt hät- aussetzen, den Aktionskonsens gar nicht ernstzunehmen. Warum aber Ende Gelände, das sich als ein breites Bündnis versteht, auf seiner Website keinen Hinweis auf die Waldbesetzung in der Lausitz bietet, wirft Fragen auf. Man findet auf der rechten Seite durchaus ein Banner mit einem Link zur globalen Initiative "Break Free 2016", dem sich Ende Gelände zugehörig fühlt, nicht aber zur lokalen Initiative LAUtonomia. Vielleicht ist es ja Zufall oder ein bloßes Versäumnis, daß Ende Gelände keinen Kontakt zu LAUtonomia unterhält. Das wäre allerdings verwunderlich, denn die Aktionen über Pfingsten waren hervorragend organisiert. Vom Dixieklo bis zur Suppenküche - es wurde für alles gesorgt. Von einer Organisationslücke an dieser Stelle ist eigentlich nicht auszugehen. "Ordentliche Nachbesprechungen der Aktion (...) sind ein wichtiger Teil des Prozesses", heißt es auf der Website von Ende Gelände, und "wir müssen unsere Solidarität auch außerhalb der Grube zeigen". [3] ten und keine Gewalt gegen Menschen und Sachen verübt werden, aber daß man anerkenne, daß es andere Formen des Widerstands gibt, die Ende Gelände für seine politischen Ziele nicht nutze. Nun denn: 21 Aktivistinnen und Aktivisten der Lausitzer Waldbesetzung wurden auf die Polizeiwache Weisswasser gebracht, wo ihre Personalien aufgenommen wurden. Ihnen werden Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Umweltstraftaten vorgeworfen. Als Haftprüfungsgrund sei "gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr" angegeben worden, welcher im Rahmen der Aktionen von Ende Gelände begangen worden sei. Eine völlige Distanzierung würde anders aussehen, und mehr kann und darf eine Pressesprecherin in der Öffentlichkeit im Vorfeld angekündigter, nicht legaler, aber als legitim verstandener Aktionen des zivilen Ungehorsams nicht sagen, will sie sich nicht dem Vorwurf Sollten sich die Angaben zur Räumung, die ausschließlich von LAUtonomia selbst stammen, bestätigen, dann, so hat es den Anschein, müssen die Waldbesetzerinnen und -besetzer den Kopf für etwas hinhalten, an dem viele andere ebenso beteiligt waren. www.schattenblick.de Seite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick Anmerkungen: [1] http://lautonomia.blogsport.eu/ [2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0122.html und http://schattenblick.de/infopool/d-brille/report/dbri0050.html [3] https://www.ende-gelaende.org/de/aktion/nach-der-grube/ Bisher zu den Aktionen von Ende Gelände und dem 6. Lausitzer Klima und Energiecamp im Schattenblick unter INFOPOOL → REPORT erschienen: Weiß trifft auf Schwarz beim Kraftwerk Schwarze Pumpe INTERVIEW/219: Ende Gelände Foto: © 350.org / Paul Lovis Wagner, freigegeben als CC BY 2.0 konzertiert marschiert ... Hannah [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/] via Flickr Eichberger im Gespräch (SB) http://schattenblick.de/infopool/um- INTERVIEW/222: Ende Gelände - Profit ... Annika Hagberg im Gewelt/report/umri0219.html funktionsambivalent ... Georg Kös- spräch (SB) sler im Gespräch (SB) http://schattenblick.de/infopool/umINTERVIEW/220: Ende Gelände - http://schattenblick.de/infopool/um- welt/report/umri0223.html Wendehände ... Marvin Kracheel im welt/report/umri0222.html Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ http://schattenblick.de/infopool/um- INTERVIEW/223: Ende Gelände infopool/umwelt/report/ welt/report/umri0220.html Staats- und Wirtschaftspräferenz umrb0117.html POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA poonal Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Honduras Mutmaßliche Verwicklungen von Militärs und Politiker*innen in den Mordfall Berta Cáceres von Jutta Blume (Berlin, 16. Mai 2016, npl) Fast ge- nau zwei Monate nach dem Mord an der bekannten Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres wurden am 2. Mai vier Tatverdächtige verhaftet, kurz darauf ein weiterer. Drei der Männer sind oder waren Militärangehörige, einer ist Angestellter des Unternehmens Desarrollos Energéticos S.A. (DESA). Mitglieder des Zivilen Rats der Basis- und indigenen Seite 4 Organisationen von Honduras (COPINH), deren Koordinatorin Cáceres war, glauben, dass es sich bei den Festgenommenen allenfalls um die materiellen Täter, nicht aber um die Auftraggeber*innen des Mordes handelt. carque, der für die indigenen Lenca heilig ist. Im Zuge des Protestes wurden Aktivist*innen des COPINH vielfach bedroht, eingeschüchtert und körperlich angegriffen. Berta Cáceres selbst hatte 33 Angriffe auf ihre Person angezeigt. Auf die nun erfolgten Verhaftungen wegen des Berta Cáceres kämpfte gemeinsam Mordes an Berta Cáceres reagierten mit COPINH gegen das Wasserkraft- ihre Familie sowie der COPINH mit projekt Agua Zarca am Fluss Gual- Misstrauen gegenüber den Ermittwww.schattenblick.de Do, 19. Mai 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick lungsbehörden: "Da wir von Anfang an aus dem Ermittlungsprozess ausgeschlossen wurden, können wir nicht beurteilen, ob die erfolgten Verhaftungen das Ergebnis gründlicher Sorgfalt sind. Genauso wenig wissen wir, ob sie die intellektuellen Täter auf allen Ebenen einschließen", heißt es in einer ersten Stellungnahme. Die mutmaßliche Beteiligung Militärangehöriger verweise darauf, dass staatliche Akteure in den Mord verwickelt seien. Das Wasserkraftprojekt Agua Zarca müsse daher unverzüglich gestoppt werden. Das Misstrauen von Cáceres' Familie erklärt sich aus der Geheimhaltung durch die Staatsanwaltschaft selbst gegenüber den Angehörigen. Zudem gingen die Ermittlungen zunächst in die völlig falsche Richtung, wie der Anwalt der Familie, Victor Fernández schildert. Sie hätten sich zunächst auf Personen beschränkt, die Berta Cáceres oder dem COPINH nahe stehen: "Diese Strategie konnte allerdings nicht funktionieren, denn Gustavo Castro überlebte den Angriff und machte diesen Strang zunichte. Sie beabsichtigten den Fall innerhalb der ersten 48 Stunden zu lösen, um nicht in Richtung der bisherigen Drohungen, die Berta erhalten hatte, ermitteln zu müssen." Lange Liste der Bedrohungen Vor circa sieben Monaten begann das Unternehmen DESA ein zweites Mal mit den Bauarbeiten am Wasserkraftprojekt Agua Zarca auf dem Territorium der indigenen Lenca. Seitdem haben die Drohungen gegen die Gegner*innen des Projekts wieder massiv zugenommen. Unter anderem war bei Cáceres eingebrochen worden und es wurde auf ihr Auto geschossen. Kurz vor der Ermordung wurden sie und weitere Mitglieder des COPINH vom Sicherheitspersonal des Unternehmens und vom lokalen Bürgermeister aufgehalten, bedroht und schikaniert. Ihre Autos und Do, 19. Mai 2016 Busse wurden beschädigt, während FMO und der finnische Finnfund Polizei und Militär zuschauten. wollen aus dem Projekt aussteigen, wenn sich bestätigt, dass AngestellTomás Gómez, derzeitiger Koordi- te der DESA in den Mord verwickelt nator des COPINH vermutet, dass sind. Am vergangenen 4. Mai gab oberste Regierungskreise in den Fall auch die Firma Voith Hydro bekannt, verwickelt sind. Er weist in Richtung bis auf Weiteres keine Turbinen an von Gladys Aurora Lopez, der Vize- DESA liefern zu wollen, hielt sich präsidentin des Nationalkongresses aber je nach Ausgang des Prozesses und Präsidentin der Nationalen Par- einen späteren Wiedereinstieg in den tei sowie des stellvertretenden Gene- Liefervertrag offen. ralstaatsanwalts Rigoberto Cuellar Cruz und der lokalen Bürgermeister: Das Ökumenische Büro für Frieden "Aus diesem Grund wollen wir eine und Gerechtigkeit befindet, dass die unabhängige Kommission, damit internationalen Projektbeteiligten nicht nur die Auftragsmörder verhaf- auch für bereits entstandene Schäden tet werden", fordert Gómez. aufkommen müssten: "Die Folgen des Projektes, die Ermordeten, die vernichteten Anbauflächen und vor Persönliche Interessen der allem die Gewalt, die in die Region Politiker*innen hinein getragen wurde, hat nachhaltig den sozialen Frieden in den GeGladys Aurora López ist mit dem meinden, vermutlich für die nächsten Unternehmen Inversiones La Aurora Jahrzehnte, zerstört." selbst am Bau mehrerer Wasserkraftwerke auf Lenca-Territorium betei- DESA hat die Arbeiten am Wasserligt. José Asención Martinez, Mit- kraftprojekt auch nach Berta Cáceglied der Koordination des COPINH, res' Ermordung fortgesetzt. Rosalina lebt in der Gemeinde El Potrero im Dominguez, Bewohner*in der GeMunizip Santa Elena. Dort wurden meinde Rio Blanco, berichtet: "Wir bereits zwei Aktivisten ermordet, die haben verlangt, dass sie sich zurücksich gegen Wasserkraftprojekte en- ziehen, weil wir keine weiteren Togagiert hatten: "Politiker in unserem ten in unseren Gemeinden wollen. Land sind an den Wasserkraftprojek- Wenn wir den Fluss entlang laufen, ten beteiligt. Deswegen erwarten wir bedrohen uns die Leute der Nachbarkeine Gerechtigkeit von den Politi- gemeinde mit Gewehren." Das Unkern und den honduranischen Auto- ternehmen DESA hat durch Verspreritäten", meint Martínez. chen und Geldzahlungen eine tiefe Spaltung unter den Bewohner*innen Er beschuldigt auch den ehemaligen der Region hervorgerufen. Zudem Chef der honduranischen Umweltbe- bezahlt es bewaffnete Männer, die hörde SERNA, Rigoberto Cuellar entlang des Flusses patrouillieren. Cruz, unberechtigt Lizenzen für Wasserkraftprojekte vergeben zu haben: "Er hat die Lizenzen auf illegi- Übergriffe auf internationale time und illegale Weise an diejenigen Menschenrechtsbeobachter*innen verteilt, die sie haben wollten. Aber statt bestraft zu werden, ist er jetzt als Teilnehmer*innen eines internatiostellvertretender oberster Staatsan- nalen Solidaritätstreffens wurden aus walt geschützt." dem Hinterhalt angegriffen, als sie Mitte April den Fluss besuchten. "Es kam zu gewalttätigen Übergriffen Rückzug der Finanziers durch von der DESA angeheuerte Auftragsmörder. Sie haben uns verInternationale Geldgeber wie die bal bedroht, sie hätten bereits Berta holländische Entwicklungsbank umgebracht und sie hätten den Bewww.schattenblick.de Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick fehl, weitere Personen aus der Koordination des COPINH und aus der Gemeinde Rio Blanco zu töten. Sie respektieren das Leben von niemandem, auch dann nicht, wenn sich viele Menschenrechtsbeobachter*innen vor Ort befinden", erzählt José Asención Martínez. Wahrheit und Gerechtigkeit im Mordfall Berta Cáceres zu erreichen, ist nicht nur für die Angehörigen und den COPINH wichtig, sondern auch für all jene Gemeinden, die gegen ähnliche Projekte wie Agua Zarca auf ihren Territorien kämpfen, wie Tomás Gómez betont: "Sie haben sie auch mit der Absicht umgebracht, alle anderen Wasserkraftprojekte und Bergbauprojekte auf indigenem Lenca-Territorium und in Honduras durchzusetzen. Berta Cáceres ist ein Symbol, eine Kämpferin, die sich nie verkauft oder gebeugt hat." Mitglieder des COPINH sind weiterhin akut bedroht. So berichteten Aktivist*innen, am 9. Mai aufdem Weg nach Tegucigalpa von einem Militärfahrzeug verfolgt worden zu sein, das versucht habe, sie von der Straße zu drängen. EUROPOOL / BÜRGER / MELDUNG Internationale Presseagentur Pressenza Büro Berlin Die Besetzung des Athener City Plaza Hotel: wird die Solidarität siegen? Nachricht aus der Redaktion Athen, 17. Mai 2016 Athen, Griechenland - 17.05.2016. Es war ein Hotel, das von den griechischen Behörden geschlossen worden war und der Betreiber meldete Bankrott an. Die Abwicklung des Geschäftes dauert immer noch an, um beides, die Löhne an die Belegschaft sowie die Miete an den Eigentümer, auszuzahlen. Eine Gruppe von Leuten überlegte sich etwas scheinbar einfaches: So lange viele Räume leer stehen, die bereit sind als Unterkunft zu dienen, so wie dieses geschlossene Hotel, warum müssen dann Flüchtlinge auf den Strassen, Plätzen und in provisorischen Lagern oder militärischen Einrichtungen, in denen ernsthafte Mängel bestehen und armselige Lebensbedingungen herrschen, leiden? Das City Plaza Hotel, so wie alle besetzten Häuser, erfreut sich keihttps://www.npla.de/poonal/mutmassliche-verwicklungen-von-mili- nerlei legalen Status. Es gab eine große und kontroverse Diskussion, taers-und-politikerinnen-in-denob die Besetzung rechtmäßig sei mordfall-berta-caceres/ und viele waren unentschlossen. Da gibt es diejenigen, die die offen* sichtliche Schwäche des Staates Quelle: poonal - Pressedienst lateinamerika- und Europas wahrnehmen, Menschen aufzunehmen, die in unsere nischer Nachrichtenagenturen Länder kommen, um vor KonflikHerausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. ten zu fliehen, diejenigen, die sehen, dass Tausende von Menschen Köpenicker Straße 187/188, in Zelten leben, in den Häfen oder 10997 Berlin in den Strassen (Asylsuchende und Telefon: 030/789 913 61 auch Griechen, die durch die Krise E-Mail: [email protected] abgestürzt sind) und gleichzeitig Internet: http://www.npla.de Dutzende leerer, geschlossener und verlassener Gebäude existieren, und http://www.schattenblick.de/ diejenigen, denen die Absurdität infopool/politik/ausland/ dieser Situation und der scheinbapala1572.html ren Unfähigkeit der griechischen URL des Artikels: Seite 6 www.schattenblick.de Regierung, die neuen Zeichen der Zeit wahrzunehmen, klar wird. Jetzt bewirtet das besetzte Hotel Asylsuchende in jeglichem Sinne. Es kümmert sich um Essensversorgung, Hygiene, Unterkunft, Betreuung der Kinder, es gibt einen Frisör und einen gewissen Schutz gegen das Wetter und andere für die Gesundheit gefährlichen Bedingungen. Damit die Menschen wieder einmal durchatmen können und die nächsten Schritte in ihrem Leben organisieren können. Alles wird zur Verfügung gestellt durch Freiwillige, Frauen und Männer, kein bezahltes Personal. Alles, was den Gästen gegeben wird, kommt aus Spenden von Menschen, die auf Bitten des Hauses über Webseiten und soziale Medien reagieren. Gleichzeitig möchte das Haus ein lebendiger Ort des Planens, Organisierens und der solidarischen Aktion in Bezug auf die Flüchtlinge und andere Themen, die große Teile der Bevölkerung betreffen, sein. Die Unterstützer des City Plaza Hotels gingen letzten Sonntag wegen der neuen Sparauflagen der Regierung auf die Strasse. Sie fertigten ein Plakat an und organisieren offene Treffen und dies ist erst der Anfang. Niemand weiß, was die Zukunft des Hauses bereithält. Es gibt Beispiele aus anderen Ländern, in denen bestimmte besetzte Häuser unter besonderen Umständen und zu bestimmten Zwecken von den lokalen Gemeinschaften und Behörden angenommen wurden. Wird das auch Do, 19. Mai 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick für das Athener City Plaza Hotel der Fall sein? MUSIK / REPORT / INTERVIEW Eines ist sicher: In extremen Situationen, wenn viele Leben in Gefahr sind, entwickelt die Gesellschaft Reaktionen, die über das hinausgehen, was wir gewöhnt sind, und manchmal sind diese Reaktionen positiv. City Plaza wird in der Geschichte unseres Landes verbleiben als eine Aktion, die gleichzeitig illegal wie auch überragend ist, mit allem was dieses Wort beinhaltet. Und wenn der Staat nicht fähig ist, einen Kompromiss zwischen dem Schutz des besetzten Hauses und dem Schutz der Rechte der Gebäudebesitzer zu finden, wird dies unweigerlich zur einen oder zur anderen Richtung kippen. Es ist deutlich, dass im Herzen vieler Menschen, so wie all die Handlungen des "Gebens" zeigen, die Solidarität andauernd nach neuen Wegen sucht, sich auszudrücken. In gewissem Sinne hat die Solidarität immer gewonnen. Hip-Hop Straßenklassenfest - in der Sprache der Leute ... Derbst im Gespräch ... und im Sound der Straße Klassenfest gegen Staat und Kapital am 30. April 2016 in Hamburg Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ * Derbst Foto: © 2016 by Schattenblick (SB) Auf dem Hamburger Klassen- fest war der Rapper Derbst in seinem Quelle: Element, steht doch die streitbare Internationale Presseagentur Auseinandersetzung mit den herrPressenza - Büro Berlin schenden Verhältnissen und ihre Johanna Heuveling Überwindung zur Aufhebung aller E-Mail: [email protected] Klassengegensätze im Mittelpunkt seines persönlichen wie künstleriInternet: www.pressenza.com/de schen Anliegens. Ob solo oder zusammen mit S. Castro - die politische Position ist klar und entschieden, und das a capella für die im nordsyrischen http://www.schattenblick.de/ Rojava im Kampf gegen den IS geinfopool/europool/buerger/ fallene Internationalistin Ivana Hoffebme0056.html mann zeigt, daß Hip-Hop ohne große Mittel Menschen bewegen kann, wenn nur die Botschaft stimmt. Nach seinem Auftritt beantwortete Derbst dem Schattenblick einige Fragen. Do, 19. Mai 2016 www.schattenblick.de Schattenblick (SB): Derbst, wie lange machst du schon politischen Rap? Derbst: Ich habe damit 2009, kurz vor meinem 16. Geburtstag angefangen. Zwei Jahre später machte ich Tracks, bei denen ich noch Ernst Busch gesampelt habe und sehr plakativ war. Als ich dann bei Ruhrpott Illegal, einem Label aus Gladbeck, unter Vertrag war, gab es eine Phase, in der ich so ein bißchen aus den Augen verloren habe, warum ich das mache, weil ich mit Leuten unterwegs war, die es mir nicht anders vorgegeben haben. In diesen Kreisen hat man sehr viel Wert auf Geld gelegt. Leider habe ich das erst mitbekommen, nachdem ich den Vertrag schon unterschrieben hatte. Dann gab es verschiedene Komplikationen und komplette Besetzungswechsel in Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick dem Label, wo ich es nur noch mit Leuten zu tun hatte, die zu politischen Themen anders standen als ich. Da mußte ich erst einmal rauskommen. Jetzt bin ich mit neuem Namen und neuen Projekten so weit, daß ich wieder zum Ursprung zurückkomme und eigentlich das mache, was ich immer schon machen wollte, nämlich politischen Rap sowohl für die Straße als auch für jedermann. Es soll etwas sein, mit dem sich die Leute einfach als Hip-HopKultur identifizieren können und kein reines conscious-political Antifa-Ding drin sehen. Ich will, daß sich auch Leute meine Lieder anhören können, die sich selber noch nicht so tief mit solchen Themen auseinandergesetzt haben. SB: Allerdings hast du beim Auftritt ist. Ich kann mich jedenfalls nicht mit S. Castro auch klare klassen- erinnern, im Spiegel gelesen zu hakämpferische Parolen benutzt. ben, daß der Hitler-Stalin-Pakt auch aus einer anderen Perspektive beDerbst: Ja, das sind die Songs, bei trachtet werden kann. Dann ist es denen ich weiß, daß sie von Genos- auch nicht überraschend, daß viele sen gehört werden, die schon länger Jugendliche zwar sagen, ich habe dabei sind und sich darin einfach Bock auf Befreiung, aber mit den wiederfinden. roten Fahnen will ich nichts zu tun haben, weil ich schon in der Schule SB: Meinst du, daß es heute unter Ju- gelernt habe, daß das nicht gut ist. gendlichen tatsächlich so etwas wie Das zeigt, daß sich die Leute nicht eine Abneigung gegen linke Rhetorik mit dem Thema auseinandergesetzt gibt, obwohl damit auch Inhalte ver- haben. SB: In deinen Stücken reflektierst du auch subjektive Eindrücke und Erlebnisse. Orientierst du dich dabei in deiner Sprache an lyrischen bzw. literarischen Vorbildern, zumal du früher Ernst-Busch-Lieder gecovert hast? Derbst: Mittlerweile nehme ich mir eher ein Beispiel an Leuten, die einfach Rap machen in Deutschland, wie zum Beispiel Celo & Abdi und Haftbefehl aus dem Azzlack oder von politischen Rappern. Bei der Sprache ist es mir wichtig, nicht zu Traditionen zurückzukehren, in denen jedes zweite Wort Proletariat oder Hammer und Sichel lautet. Vielmehr versuche ich vom Vokabular her möglichst direkt und so zu sprechen, wie es die Leute tun, die die heutigen Verhältnisse unmittelbar zu spüren bekommen. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, der im Hafen arbeitet, wird er mir mit Sicherheit nichts von politischer Ökonomie erzählen, sondern davon, wie es ist, jeden Tag gefickt zu werden. So etwas würden Leute, die sich politisch korrekt ausdrücken, niemals sagen, obwohl es inzwischen eine ganz normale Formulierung ist. Das ist nur ein Beispiel dafür, daß ich versuche, die heutige Sprache miteinzubeziehen und nicht in alten Traditionen steckenzubleiben. Seite 8 knüpft sind? Die Frage der Klasse beispielsweise geht ja auf eine gesellschaftliche Widerspruchslage zurück. Derbst: Das Traurige dabei ist, daß einerseits gepredigt wird, daß imperialistische Kriege gut für die Menschheit sind, während andererseits jede Form von kämpferischer Rhetorik im Politischen abgelehnt wird. Ich kann mich noch erinnern, daß mein Geschichtslehrer einmal erzählt hat, daß man die KPD insofern mit der NSDAP vergleichen könne, als beide Fackelzüge hatten. Diese Sicht hängt sicherlich mit unserer Bildung in diesem System zusammen. Man macht an absolut leeren und oberflächlichen Merkmalen fest, daß alles, was mit Hammer und Sichel in Verbindung steht, schlecht www.schattenblick.de A Capella für eine in Rojava gefallene Genossin Foto: © 2016 by Schattenblick SB: Versuchst du, in deinen Texten auch ein Bewußtsein zu schaffen für Widersprüche oder Leute für den Internationalismus zu interessieren? Derbst: Ja, ich versuche auf jeden Fall, hier und da Inhalte klarzumachen, aber die Frage ist doch, auf welche Weise sich Zusammenhänge so konkret wie möglich beleuchten lassen. Wenn ich etwa zu einem Arbeiter sage, dein Kollege, der mit dir zusammen am Fließband steht, ob es jetzt ein Türke, Deutscher oder Pole ist, hat mit dir weit mehr zu tun als dein deutscher Chef, dann ist das für ihn sofort verständlich. Daher versuDo, 19. Mai 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick che ich, Klassenverhältnisse an nachvollziehbaren Beispielen zu erklären. Daß ihnen ihr Chef den Mehrwert ihrer Arbeit wegnimmt, muß in die Sprache der Leute übersetzt werden, indem man ihnen zum Beispiel sagt, die Materialien, aus denen du das und das zusammenbaust, kosten nur wenig, ist es nicht seltsam, daß das fertige Produkt dann so teuer ist und du so wenig daran verdienst. Diese Vermittlungsarbeit muß man leisten. ist, gut war. Ich persönlich habe weder eine Pro- noch eine Contra-Einstellung zur DDR. Dennoch glaube ich definitiv, daß daraus etwas Gutes hätte werden können. Meine Mutterlinie hingegen hat schon vor der Wende Westfernsehen geguckt und sich danach über den Zusammenbruch der DDR gefreut. Kurioserweise hatte ich noch Jahre nach der Wende eine Jugendweihe. SB: Du lebst jetzt in Hamburg. Hast SB: Auf welche Weise bist du politi- du davor in Ostdeutschland gewohnt? siert worden? Derbst: Ich lebe schon lange im WeDerbst: An einem bestimmten Punkt sten. Wir wohnten in der Nähe von Jein meinem Leben bin ich bei meinen na, sind aber, als ich acht Jahre alt war, Eltern Hals über Kopfausgezogen und ins Ruhrgebiet gezogen. habe alles hinter mir gelassen. Ich mußte auf einmal alleine klarkommen. SB: Dann hast du die Aufmärsche der Das hat mir weit mehr gebracht als all Nazis nach der Wende nicht mehr didie Jahre, in denen ich bei meinen El- rekt miterlebt. tern behütet lebte und irgendwie Theorie gelesen habe. Ich wußte von den Derbst: Davon habe ich nur aus GeBegriffen her, wer der Feind und was sprächen mit meinen Großeltern erschlecht ist an den Arbeitsverhältnis- fahren, die teilweise noch heute polisen, aber ohne Vollzeit gearbeitet zu tisch unterwegs sind. Einige Familihaben, hätte ich das nicht aus einem enangehörige versuchen selbst jetzt praktischen Anspruch heraus für mich noch im hohen Alter, über eine Miterkennen können. Deswegen versuche gliedschaft in der Linken etwas zu ich in meinen Texten auch rüberzu- verändern. Sie haben mir auf jeden bringen, welche Dinge ich erfahren Fall berichtet, was in Freital und Heidenau bzw. Plauen, das nicht so weit und nicht nur gelesen habe. weg ist von Jena, alles abgegangen ist. SB: Du wurdest in Ostdeutschland ge- Ein Erlebnis hatte ich jedoch. Als ich boren. Hast du noch eine Art von nach Jahren wieder das erste Mal zu Besuch bei meiner Familie war, hörte DDR-Sozialisation erfahren? ich - wir saßen gerade am KüchenDerbst: Das ist bei mir ein zwei- tisch - vom Fenster her Jugendliche schneidiges Schwert. Väterlicherseits aufder Straße gröhlen. Ich fragte, was waren alle Parteimitglieder, die abso- das ist. Nazis, sagten sie. Mein Onkel lut hinter der DDR standen und noch wäre mit mir rausgegangen, wenn es heute der Ansicht sind, daß der sozia- irgend etwas gebracht hätte. Aber es listische Staat unter Umständen nicht waren zu viele, da konnte man nichts kaputt gegangen wäre, wenn es machen. Honecker nicht gegeben hätte. Wie auch immer, aufjeden Fall spielt der SB: Wie würdest du die aktuelle Anti-Stalinismus mit hinein in die Ge- deutschsprachige Hip-Hop-Szene beneration vor dem Mauerfall, was sich werten, etwa auch mit Blick auf die auch daran zeigt, daß am Ende die Ba- Antilopengang, um die es zeitweilig sis weggebrochen ist. Egal, wie teil- etwas Streit gegeben hat? weise argumentiert wird, die grundsätzlichen Widersprüche lassen sich Derbst: Mit der Antilopengang habe nicht verleugnen, auch wenn man dar- ich mich nicht im besonderen auseinauf beharrt, daß alles, wie es gewesen andergesetzt. Ich kenne einige Songs Do, 19. Mai 2016 www.schattenblick.de von ihnen, die mir aber musikalisch nicht zusagen. Aber insgesamt denke ich, daß in letzter Zeit durchaus Bewußtsein ins Deutschrap-Lager gekommen ist. Während nach 2000 vor allem Savas vorherrschte, der in seinen Texten rein auf den Battle-Rap setzte, hat in den letzten sechs oder sieben Jahren vermehrt der AzzlackRap Einzug gehalten in der Szene. Dieser echte Straßen-Rap kommt von Leuten, die in Ansätzen zeigen, daß sie bestimmte Logiken in diesem System verstanden haben. Zum AzzlackRap zählen heute in erster Linie Haftbefehl, Celo & Abdi und Olexesh. Beim Letzteren finden sich Zeilen wie Intégration, non monsieur, attention, révolution! Darin steckt natürlich keine inhaltliche Fülle, und doch sind es Ansätze, an denen man merkt, daß die Leute sich Gedanken machen. Ihre Eltern sind vor zwei oder drei Generationen hierher gekommen mit Perspektiven und Wünschen, vielleicht wollten sie einfach nur ein gutes Leben haben, und dann wurden sie in irgendwelche heruntergekommenen Ghettos gesteckt. Jetzt will man ihnen ihre Wohnungen wieder wegnehmen, weil andere Leute aufeinmal finden, daß es schick ist, so zu leben. Die Migranten haben keine Hoffnung mehr. Natürlich gibt es auch solche, die sich völlig eindeutschen und alles von ihrer eigenen Kultur vergessen. Und dann behaupten sie, gute Beispiele für Integration zu sein, nur weil sie überhaupt nichts mehr mit dem zu tun haben, was sie einmal kulturell ausgemacht hat. Natürlich kommen solche Leute dann in führende Positionen bei den Grünen und stehen für eine gelungene Immigration in Deutschland. Dann gibt es wieder Negativ-Beispiele von Leuten, die ihr Leben lang geackert und alles getan haben, um in geregelte Bahnen zu kommen wie ihre deutschen Kollegen. Dafür, daß es nur für die Hautschule gereicht hat, können sie nichts. Im Moment gibt es immer mehr von ihnen im Deutschrap. Wir sitzen hier gerade einmal Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick 50 Meter von Reeperbahn Kareem entfernt, der auf der Bühne rappt. Er verkörpert das Leben aufHamburgs Straßen und singt davon. Das ist meiner Meinung nach weit mehr wert, als wenn irgendwelche deutschen Studentenlinken - ich will keine Namen nennen, weil ich gegen niemanden respektlos sein will - im Fachjargon über die Verhältnisse hier rappen und dann meinen, daß wir das bitte einmal kapieren sollen. SB: Dein Auftritt ist sehr dynamisch, du wirkst, als ob du unter Strom stehst. Welcher Zorn treibt dich? D: Wenn ich Texte schreibe, nehme ich mir sehr viel Zeit, um in eine bestimmte Stimmung hineinzukommen und mich wirklich von Gefühlen treiben zu lassen. Bei einer Live-Performance Einander ergänzen um der Sache willen rappe ich die Texte dann einen nach Foto: © 2016 by Schattenblick den anderen durch, weil ich weiß, was ich erzählen will. Das Feeling ist daher bei jedem einzelnen Song dasselbe. http://www.schattenblick.de/infopool/musik/report/muri0055.html Heute zum Beispiel habe ich einige Songs weggelassen, die ich eigentlich hätte spielen können und die den Leuten auch bekannt sind, aber ich fühle sie nicht mehr so, wenn ich sie spiele. SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX Ich lasse es dann, weil ich schon will, daß möglichst eine echte Wut rüberkommt. Ich mache auf der Bühne auch Irritationen des Teufels keine einstudierte Performance, weil es mir zu dumm wäre, wenn ich nicht selber hundertprozentig dahinterstehen Büßt man einen Bauern ohne posi- fertiggebracht, eine Partie mit einem kann; und dann spürt man bei mir na- tionellen Ersatz ein, so hat man die Minusturm noch zu remisieren. Nun Partie zur Hälfte bereits verloren. gut, wird man sagen, das Glück hilft türlich die volle Energie. Mit einer Figur weniger noch weiter dem Tüchtigen, und wenn man SB: Derbst, vielen Dank für das Ge- zu spielen, ist schon fast unehren- Milch lange genug schlägt, wird haft, zumindest auf hoher Schache- Sahne daraus, aber daß ein Spieler spräch. bene. Daß man aber mit einem gan- von hohem Format mit einem Mehrzen Turm in der Kreide steht und turm zuletzt noch verliert, ist sichernicht ans Aufgeben denken will, ist lich etwas Einmaliges und spottet alKlassenfest im Schattenblick: www.schattenblick.de → INFO- einfach eine Frechheit und verletzt ler Vergleiche. In der vorletzten die guten Schachsitten. Nun, so ganz Runde des Moskauer InterzonenturPOOL → MUSIK → REPORT: zwangsläufig ist es nun wieder nicht, niers hatte Alexander Beljawski geBERICHT/031: Hip-Hop Straßen- daß man mit derartig hohem Mate- gen den Holländer Van der Wiel klassenfest - Weigerung und Offen- rialnachteil verlieren muß. Nichts ist beim 22. Zug einen Turm gewonnen. so schwer, heißt es in der Schachfi- Die Stellung bot dem Nachziehensive ... (SB) INTERVIEW/053: Hip-Hop Stra- bel, wie eine gewonnene Partie zu den zwar noch einige Möglichkeiten, ßenklassenfest - Rap und Revolution gewinnen. Und kein Geringerer als von Kompensation konnte allerdings David Bronstein, dessen Haupt der nicht im mindesten die Rede sein. ... S. Castro im Gespräch (SB) INTERVIEW/054: Hip-Hop Stra- Lorbeer vieler Turniersiege Aber nur 19 Züge später, welch ein schmückte, hatte es beim WM- Wandel, zwang der verloren geßenklassenfest - Rap sozial ... Kampf gegen Michail Botwinnik glaubte Holländer seinen KontraCemo62 im Gespräch (SB) Seite 10 www.schattenblick.de Do, 19. Mai 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick henten in die Knie und zum Aufgeben. Hinterher machte sich ein Heer von Analytikern daran, Gewinnwege für Weiß aufzuzeigen, aber am Brett ist der Teufel immer der dritte Spieler, und mit Irritationen geizt dieser nie. jedenfalls entstand nach wildem Hin und Her schließlich die Diagrammstellung im heutigen Rätsel der Sphinx, wo Beljawski - mittlerweile besaß er nur noch einen Mehrspringer - mit nunmehr 1.Sa8-b6? den letzten Fehler beging, Wanderer. Hinweis: UMWELT / REPORT / INTERVIEW Ende Gelände - Staats- und Wirtschaftspräferenz Profit ... Annika Hagberg im Gespräch Ende Gelände 2016 Kohle stoppen, Klima schützen! Pressekonferenz des Bündnisses Ende Gelände am 11. Mai 2016 in Berlin im Vorfeld der angekündigten Aktionen zivilen Ungehorsams am Tagebau Welzow Annika Hagberg über den schwedischen Klimastandpunkt, seine Widersprüche und den braunkohleschwarzen Fleck auf der sauberen Klima-Weste ... http://www.schattenblick.de/ infopool/umwelt/report/ umri0223.html Beljawski - Van der Wiel Moskau 1982 Auflösung des letzten SphinxRätsels: Es rächte sich bitter, daß der schwarze König nicht längst rochiert hatte, denn nach Gheorghius neidlos schlechtem Zug 1...a7-a6? konnte Kasparow in alter Kombinationswut mit 2.Lc1-f4! Dc7xf4 3.Lb5xd7+ Ke8xd7 4.Td1xd5+ Kd7-c7 5.Ta1-e1 Le7-d6 - 5...Le7-f6 6.Te1-e4 mit Damenfang - 6.Td5-f5 Df4-c4 7.Te1-e4 Dc4-b5 8.Tf5xf7+ Kc7-b8 9.Te4-e6 Th8-d8 10.c3-c4 Db5-c6 11.Sf3-e5 Dc6-c8 12.Dc2-b1! generalstabsmäßig zur siegreichen Offensive übergehen. http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05840.html Do, 19. Mai 2016 Hinweis: POLITIK / REDAKTION / NAHOST Militärintervention der NATO in Libyen rollt an "Unterstützung" für Libyen dürfte ganz Nordafrika in Brand setzen http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/redakt/ nhst1459.html Hinweis: SPORT / BOXEN / MELDUNG Die Zeit des Abschieds ist gekommen Matthew Macklin beendet seine Karriere http://www.schattenblick.de/ infopool/sport/boxen/ sbxm1961.html www.schattenblick.de Seite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t__________________________________Ausgabe 1829 / Donnerstag, den 19. Mai 2016____ UMWELT - REPORT POLITIK - AUSLAND EUROPOOL - BÜRGER MUSIK - REPORT SCHACH-SPHINX DIENSTE - WETTER Ende Gelände - wo gehobelt wird ... Mutmaßliche Verwicklungen von Militärs und Politikern in den Mordfall ... (poonal) Besetzung des Athener City Plaza Hotel - Wird die Solidarität siegen? (Pressenza) Hip-Hop Straßenklassenfest - in der Sprache der Leute ... Derbst im Gespräch Irritationen des Teufels Und morgen, den 19. Mai 2016 Seite Seite Seite Seite Seite Seite 1 4 6 7 10 12 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 19. Mai 2016 +++ Vorhersage für den 19.05.2016 bis zum 20.05.2016 +++ © 2016 by Schattenblick IMPRESSUM Es riecht schon nach Gewitter, die Sonne spielt Verstecken, Sir Jean-Luc Frosch, den Ritter, den kann das nicht erschrecken. Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Elektronische Postadresse: [email protected] Telefonnummer: 04837/90 26 98 Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth ISSN 2190-6963 Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche Zwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zu veröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. 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