SEIT 1848 MITTWOCH, 11. MAI 2016 · PREIS: 2,20 EURO · NR. 20.860*** · DIEPRESSE.COM Juniorpartner ÖVP in Doppelmühle THEMEN Regierung. Mitterlehner steckt in der Koalition mit der SPÖ fest, das erhöht die ÖVP-Ängste. Es fehlt eine Mehrheit für Schwarz-Blau, Neuwahlen wären hochriskant. Vorerst soll daher ein neuer Koalitionspakt her. VON KARL ETTINGER UND IRIS BONAVIDA Wien/Salzburg. Diese Situation kommt langgedienten Spitzenpolitikern der ÖVP bekannt vor. Viele halten es nur noch mit zugehaltener Nase als Juniorpartner in der rotschwarzen Koalition aus. Selbst für eine stille Duldung einer schwarzen Minderheitsregierung durch Heinz-Christian Straches FPÖ reicht jedoch die Stärke von Schwarz und Blau im Nationalrat nicht aus. Bei Neuwahlen droht ein Abrutschen hinter die FPÖ. ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, der nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann mit der Führung der Amtsgeschäfte betraut worden war, ging daher schon vor der Sitzung des ÖVP-Bundesparteivorstands am Dienstagnachmittag in Salzburg in die Offensive: Er möchte den neuen SPÖ-Chef, der bis spätestens kommenden Dienstag feststehen soll, de facto einen neuen Regierungspakt diktieren. Mögliche Szenarien offenbaren ein strategisches Problem für die Volkspartei. 1 FILM Frauen, die von Freiheit träumen Frankreich, Anfang der Siebzigerjahre: Sie sind zu früh dran mit der Liebe. Den Hauptfiguren Carole und Delphine bringt „La belle saison – eine Sommerliebe“ nicht das ersehnte Glück. S. 21 EU-PARLAMENT Die seltsamen Freunde der FPÖ Die FPÖ bildet mit anderen Rechtsparteien eine Fraktion im EU-Parlament. Es ist eine Gruppe mit teilweise extremen Positionen, die v. a. Geld und Macht zusammenhalten. S. 8 Keine Mehrheit für einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau und eine FPÖ-Duldung. Die SPÖ bereitet ÖVP-Politikern extreme Kopfschmerzen. Die Flucht aus der rotschwarzen Regierung bei einem neuen SPÖ-Vorsitzenden ist praktisch nicht möglich, weil ÖVP (50) und FPÖ (39) für eine Mehrheit im Nationalrat zumindest die Hilfe des Teams Stronach (fünf Abgeordnete) brauchten, um auf die notwendigen 93 Mandate im Parlament zu kommen. Damit fehlt für einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau, dem FPÖ-Obmann Strache gar nicht zustimmen würde, eine fixe Basis. In der ÖVP überlegen manche, so ist zu hören, ein Stillhalteabkommen bei einer schwarzen Minderheitsregierung mit FPÖDuldung bis zur nächsten Nationalratswahl 2018, samt Abmachung für Schwarz-Blau oder Blau-Schwarz danach. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka winkt mit Hinweis auf die Mehrheitsverhältnisse ab: „Es ist einfach absurd.“ Unter dem amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer ist eine derartige Variante noch einen Tick unrealistischer. Ob FPÖ-Kandidat Norbert Hofer tatsächlich Bundespräsident wird und dies zulässt, wird erst am 22. Mai endgültig feststehen. Der neue Bundespräsident wird dann erst ab dem 8. Juli 2016 im Amt sein. GLOSSE ZENTRALMATURA Kleinere Pannen und Kritik 2 Neuwahlen wollen weder SPÖ noch ÖVP, auch wenn sie sich das gegenseitig vorhalten. Rot wie Schwarz droht bei vorzeitigen Neuwahlen auf Bundesebene nach dem Abschied von Werner Faymann und wegen der breiten Unzufriedenheit der Bevölkerung eine Wahlschlappe. Daran hat keiner Interesse. Dennoch bezichtigen einander die rotschwarzen Regierungspartner gegenseitig, Neuwahlen anzupeilen. Vorarlbergs Landeshauptmann, Markus Wallner, schätzt die Gefahr/Chance von Neuwahlen mit 50 zu 50 ÖVP-Beratungen am Tag eins nach dem Abgang von Bundeskanzler Werner Faymann: Klubobmann Reinhold Lopatka und Parteichef Reinhold Mitterlehner (von links) vor Beginn des ÖVP-Bundesvorstands in Salzburg. [ APA ] VON ULRIKE WEISER Der Mann nach Faymann W er folgt Werner Faymann? Die Antwort steht aus, fix ist aber schon jetzt, wer nicht: eine Nachfolgerin. Der interimistische SPÖ-Chef, Michael Häupl, spricht nur von einem Nachfolger. Jetzt könnte man sagen: Na und? So viele geeignete Kanzler in spe gibt es halt nicht, zudem haben sich Frauen wie Brigitte Ederer selbst aus dem Rennen genommen (Ederer empfand sich – obwohl gleich alt wie Gerhard Zeiler – als zu alt). Allerdings findet die Debatte nicht im luftleeren Raum statt. Sondern in einem Land, in dem es derzeit null Frauen unter den Landeshauptleuten gibt, in dem es noch nie eine Präsidentin der Arbeiterkammer oder auch der Gewerkschaft gegeben hat. Und das noch nie eine Bundespräsidentin hatte, obwohl Irmgard Griss gezeigt hat, dass die Wählerschaft für eine Frau an der Spitze prinzipiell bereit wäre. Aber ist es auch die Politik? Wenn es wirklich um Macht geht, zeigt sich, was der Soziologe Ulrich Beck „verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ genannt hat. Soll heißen: Theoretisch sind alle willens und wissen, wo es hakt. In der Praxis bleibt alles, wie es ist. Entscheidend für die erste Reihe in der Politik im Österreich des Jahres 2016 ist noch immer, ob man Bauer, Beamter oder Gewerkschafter ist. Anders gesagt: Über einen weiblichen Sebastian Kurz oder eine Wiener Bürgermeisterin werden wir noch länger nicht diskutieren. Nicht einmal in der Theorie. E-Mails an: [email protected] ein. Gleichzeitig versichern jedoch Vertreter beider Koalitionsparteien naturgemäß, man habe keine Angst vor Neuwahlen. 3 Mitterlehner, der am Dienstag den Ministerrat leitete, ging zu einer Vorwärtsstrategie über. Er stellte mit Rückendeckung der Parteigranden dem künftigen SPÖ-Vorsitzenden ÖVP-Bedingungen für eine Fortsetzung von Rot-Schwarz. Dieses ÖVP-Wunschprogramm für einen neuen, überarbeiteten Regierungspakt umfasst fünf Punkte (siehe S. 2 und 3). Details wurden bei der Sitzung des ÖVPBundesparteivorstands, der ausnahmsweise wegen der bevorstehenden Tagung der Landeshauptleute in Salzburg zusammentraf, festgelegt. Vor weiteren Entscheidungen wird dann abgewartet, wer nun tatsächlich in der SPÖ das Rennen um Parteivorsitz und Kanzlerschaft macht und damit die Faymann-Nachfolge antritt. 4 Mehr zum Thema: Leitartikel von Oliver Pink ............................. S. 2 Wilfried Haslauer im Interview .............. S. 2, 3 Mitterlehners fünf Bedingungen ........... S. 3 Was den neuen SPÖChef erwartet .... S. 4, 5 Die Tücken eines Wechsels nach Brüssel .. S. 4 Die Suche nach dem Nachfolger .............. S. 5 Die ÖBB-Bilanz von Christian Kern ........ S. 5 Mitterlehners Vorwärtsstrategie soll signalisieren, dass die ÖVP das Heft in der Hand hat. Es herrscht Angst, die ÖVP werde als Juniorpartner mit neuem SPÖ-Kanzler aufgerieben. Mitterlehners ÖVP ist damit in einer schwierigen Lage. Schwarze Politiker befürchten, sollte es nach der Klärung des SPÖ-Vorsitzes in Umfragen aufwärtsgehen, werde davon in erster Linie die Kanzlerpartei profitieren und dies dem neuen roten Regierungschef zugeschrieben. Verfällt die rot-schwarze Regierung bald in ihren alten Trott mit Dauerreibereien, nützt das erst recht wieder der FPÖ. Vorerst scharen sich die ÖVP-Landeschefs hinter Bundesobmann Mitterlehner. Hoffnungsträger Außenminister Sebastian Kurz soll nicht vorzeitig verheizt werden. In drei HTL tauchten falsche Mathematikangaben auf. Kritik gab es unter anderem an der Aufgabenstellung bei der Deutschmatura. S. 11 NATUR Hälfte der Falter gefährdet Zuerst waren es die Bienen, nun sind die Schmetterlinge dran: Die Tiere sind gefährdet, vor allem wegen Verbauung und Pestiziden. S. 9 NAVIGATOR Aktien, Fonds ..... S. 16 Sport ............. S. 19, 20 Veranstaltungen, Radio & TV S. 24, 25 Wetter ................... S. 28 Impressum ......... S. 28 24 Stunden ........ S. 28 [ Fotos: Thimfilm, APA] Weitere Infos: www.diepresse.com/spoe PREIS: Italien € 3,50. „DIE PRESSE“, 1030 Wien, Hainburger Str. 33; PF 33. ) (01) 514 14 DW 250 (Wortanzeigen), DW 193 (Anzeigen) Fax: DW 400 (Redaktion). ABO: ) (01) 514 14 DW 70, Fax: DW 71. Retouren an PF 100, 1350 Wien. Zulassungsnummer: 02Z032748T
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