Mischen ist Familiensache - Schweizer Schnaps Forum

Mischen ist Familiensache
Yann Fillioux ist bei Hennessy in siebter Generation für die perfekte Cognacmischung
mitverantwortlich
Alexander Kühn
Mit seinem schlohweissen Haar und den gütigen Gesichtszügen sieht Yann Fillioux aus wie der
Weihnachtsmann nach einem Barbierbesuch. Die Notizen, die vor ihm liegen, drehen sich aber
nicht um die Wohl- oder Missetaten von Kindern, sondern um Cognac. Um die unzähligen Glasflaschen,
die in den Regalen seines Büro stehen. Als Maître Assembleur ist der 68-jährige Franzose das Sensorium
des Hauses Hennessy. Er ist für die Mischung der Branntweine, der sogenannten Eaux de vie, zuständig.
In einer Assemblage vereint, bilden sie das, was wir gemeinhin Cognac nennen. Seit über zwei Jahrhunderten und sieben Generationen kreiert stets ein Vertreter der Familie Fillioux für die Hennessys Cognac.
Die Arbeit ist mit der eines Parfümeurs zu vergleichen, jede Mischung ist ein komplexes Potpourri.
«Für unseren Cognac verwenden wir bis zu fünfzig verschiedene, in Eichenfassern gelagerte Eaux de
vie», erklärt Yann Fillioux. Die aromatische DNA der Branntweine zu entschlüsseln, ist die
Mammutaufgabe, die vor dem finalen Akt der Assemblage steht. Denn der fertige Cognac soll ja
kein Zufallsprodukt werden. Fillioux und sechs weitere Experten treffen sich fünfmal in der Woche
jeweils um 11 Uhr, um mehrere Dutzend Spirituosen zu analysieren.
Keine Künstler, sondern akribische Aroma-Architekten
«Zuerst verschaffen wir uns mit der Nase einen Eindruck, dann mit dem Gaumen. Das Komplizierteste ist
aber, die Erkenntnisse in Worte zu fassen», erklärt der Maître Assembleur. «Wir sprechen im Komitee eine
eigene, sehr reduzierte und präzise Sprache.» Es dauert
daher zehn Jahre, bis aus einem Beisitzer ein vollwertiges
Mitglied des Comité de dégustation wird, Zuletzt durchlief
Fillioux' 37-jähriger Neffe und designierter Nachfolger
Renaud de Gironde die Ausbildung, die neben Degustieren
vor allem aus Zuhören besteht. Wie die älteren Experten
musste er lernen, die eigenen Vorlieben hinten anzustellen
und sich nach dem von seinem Onkel gepflegten HennessyStil zu orientieren.
Wer Cognacs mischt, hat sich stets mit der Tradition der
Marke auseinanderzusetzen. Ein Cognachaus kann es sich
nicht leisten, dass seine Produkte auf einmal ganz anders
schmecken. «In meinem Beruf sind keine Künstler gefragt,
die ihrer Intuition folgen, sondern akribische AromaArchitekten», betont Fillioux. Darüber hinaus brauche es die
Regelmässigkeit des fast täglichen Verkostens:
«Degustationstalent muss man pflegen.» Wie die Grunddestillate schmecken, hänge zu einem beträchtlichen Teil von
den Fässern ab, in denen sie gelagert werden: «Eaux de vie
mit einem grossen Reifepotenzial sind in alten, schon länger
verwendeten Fässern am besten aufgehoben. Brände, die ihr
Potenzial früher ausschöpfen werden, kommen in neuere
Fässer, deren Holz noch mehr Aromastoffe abgibt.»
«Das Komplizierteste ist aber, die Erkenntnisse
ih 'Worte zu fassen», sagt Maître Assembleur
Yann Fillioux
Gerne zieht Fillioux Vergleiche zwischen sich und dem
Headhunter eines Wirtschaftsunternehmens: «Er muss nicht
nur die aktuelle Qualität erkennen, sondern vor allem auch
das Entwicklungspotenzial. Hier wird es knifflig, hier fallen die
wichtigen Entscheidungen. Besonders junge Brände sind
schwierig einzuordnen.»
Die ältesten Eaux de vie, die im Gründerkeller von Hennessy lagern, stammen aus dem Jahr 1800. «Solche
Preziosen sind ungemein charaktervoll und konzentriert wie Parfums. Würde man sie pur trinken, hielte
sich, das Vergnügen in Grenzen. Im richtigen Mass sind sie für einen grossen Cognac aber Bausteine von
unschätzbarem Wert», sagt Fillioux. Es habe für ihn einen besonderen Zauber, mit Spirituosen zu arbeiten,
um die sich schon seine Urahnen kümmerten: «Man stelle sich einmal vor: 1800! Damals war die
Enthauptung der französischen Königin Marie Antoinette erst sieben Jahre her.»
Das Rohprodukt wird während 24 Stunden zweimal destilliert
Die Herstellung und Wartung der Fässer, die eine maximale Lebensdauer von 30 Jahren haben, ist eine
weitere Unterwissenschaft der Cognacproduktion: Nur das Holz der Limousin- Eiche ist den Küfern gut
genug. Die Dauben werden zunächst mindestens drei Jahre im trockenen Freien gelagert, damit sie jene
Stoffe absondern können, die einen negativen Einfluss auf den Geschmack der Eaux de vie haben könnten.
In der Fassbinderei werden die Eichenlatten schliesslich mittels Feuer erwärmt. Zum einen lässt sich das
Holz danach biegen, zum anderen entlockt ihm das Feuer duftendes Harz und Röstaromen.
Die Basis jedes Cognacs ist ein saurer, aus den Trauben der Region gewonnener Weisswein mit sieben bis
zwölf Volumenprozent. Er kommt in eine traditionelle Brennblase, die maximal 30 Hektoliter fassen darf. Je
tiefer der Alkoholgehalt des Weins ist, desto geschmackvoller wird schliesslich das Eau de vie. Anders als
bei der Herstellung von Armagnac wird das Rohprodukt während gut 24 Stunden zweimal destilliert.
Zunächst entsteht so eine Vorstufe namens Brouillis (27 bis 30 Volumenproduzent), schliesslich Feinbrand
(60 bis 72 Volumenprozent), Bonne chauffe genannt. Die spezifischegoldbraune Farbe erhält das Getränk
im Barrique, wo sich auch die Aromen von Brand und Holz vermischen.
YannFillioux zufolge gewinnen hochwertige Eaux de vie im Fass während bis zu 60 Jahren an Qualität. Dies
liegt daran, dass sich Alkohol und Wasser zwar verflüchtigen, die Bestandteile, die das Aroma in sich tragen,
aber zum allergrössten Teil im Fass bleiben. Ist der Alterungsprozess des Branntweins abgeschlossen, füllt
ihn der Kellermeister in grosse gläserne oder irdene Korbflaschen um. Dort ist er vor dem Einfluss von
Sauerstoff geschützt und verändert seinen Charakter nicht mehr.