Versteckspiel gegen die Platzhirsche

UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Versteckspiel
gegen die
Platzhirsche
NTT
: Der japanische Konzern greift in aller
Stille Wettbewerber wie die Deutsche
Telekom an – ein Schlachtplan mit
dem Fernziel 2020.
W
enn Telekommunikationskonzerne mit ihren Sparten für Unternehmenskunden auf anderen
Kontinenten expandieren, dann machen sie
selten die ganz großen Sprünge. Ob der USRiese AT&T, der französische Exmonopolist Orange oder die Deutsche-TelekomSparte T-Systems – im Prinzip arbeiten alle
nach dem gleichen Schema: Sie rollen ihr
Netz über die Grenzen hinaus aus, eröffnen
Knotenrechner und Verkaufsbüros in den
wichtigsten Ländern. Teure Übernahmen
ausländischer Konkurrenten bleiben die
Ausnahme. Das vorrangige Ziel besteht darin, Unternehmen weiter zu bedienen, die
im Inland bereits zu den Kunden zählen.
Denn die wollen im Ausland den gleichen
Ansprechpartner haben wie daheim.
Ein Unternehmen macht das jedoch anders:
der japanische Telekomriese NTT mit seinen vier Sparten Datenübertragung, IT-Lösungen, IT-Sicherheit und Mobilfunk. Die
Geschäftsbereiche gehen in Europa völlig eigenständige Wege. Dadurch hat es NTT in
Deutschland zu einem kaum durchschaubaren Firmenimperium gebracht, das den übrigen Spielern aber erheblich Geschäft abnimmt.
Bielefeld beschäftigen inzwischen mehr als
5000 Mitarbeiter. NTT gehört damit zu den
stärksten Konkurrenten der Deutschen Telekom im Großkundengeschäft. Fast alle
deutschen Autobauer und Banken arbeiten
mit mindestens einer NTT-Gesellschaft zusammen.
In diesem Tempo soll es in den nächsten
Jahren weitergehen. „Wir sondieren den
Markt und bereiten uns auf potenzielle
Übernahmen von attraktiven Marktteilnehmern vor“, sagt Swen Rehders, seit Sommer
2015 Deutschlandchef der IT-Sparte NTT
Data in München. Auch Frank Brandenburg,
Chef von NTT Com Security – der ITSicherheitssparte – im benachbarten Ismaning, schließt Zukäufe in den nächsten
Monaten nicht aus.
Der Aufstieg der Japaner in die Beletage der
deutschen IT- und Telekombranche verläuft vergleichsweise leise. NTT erhält lange die Marken der geschluckten Unternehmen, darunter die des Frankfurter Rechenzentrumsbetreibers e-shelter, des weltweiten IT-Dienstleisters Dimension Data im
benachbarten Bad Homburg, des Düsseldorfer Spezialisten für mobile Bezahlsysteme net mobile oder die des Bielefelder SAPDienstleisters Itelligence. Allein in Europa
gaben die Japaner seit 2007 mehr als fünf
Milliarden Euro für Akquisitionen aus.
Europäische und US-amerikanische Wettbewerber integrieren übernommene Firmen in der Regel innerhalb von eineinhalb
Jahren und heben die Kostenvorteile, die
sich durch Zusammenlegung ergeben. NTT
hingegen hält die Erwerbungen an der lan-
Lange Leine
NTT-Konzernchef
Unoura lässt gekauften Firmen ihre
Eigenständigkeit
Rasantes Wachstum in Deutschland
Offizielle Zahlen für Deutschland
veröffentlicht NTT nicht. Aber
durch Zukäufe ist Japans
Branchenprimus in Deutschland in den vergangenen
Mitarbeiter
Jahren schneller gewachsen
beschäftigen die
als jeder andere TelekomNTT-Gesellschaften in
und IT-Anbieter. Interne
Deutschland
NTT-Berechnungen gehen davon aus, dass der Angreifer aus
dem Fernen Osten 2015 spartenübergreifend erstmals in den Kreis der hiesigen
Umsatz-Milliardäre aufgestiegen ist. Diverse Tochtergesellschaften in München,
Ismaning, Bad Homburg, Frankfurt und
5000
Japanischer Perlenfischer
Welche IT-Anbieter NTT in Deutschland
gekauft hat (Preis in Millionen Euro)
2007 Itelligence (Bielefeld)
150
2008 Cirquent (München) 1
2009 Integralis (Ismaning)
60
2009 net Mobile (Düsseldorf)
39
2011 Bankverein Werther
(Werther)
28
2015 e-shelter (Frankfurt/M.) 800
1 keine Angabe; Quelle: NTT, eigene Recherchen
gen Leine. Konzernchef Hiroo Unoura verzichtet ausdrücklich darauf, ins operative
Geschäft einzugreifen. „Wir führen übernommene Unternehmen behutsam an unsere Gruppe heran“, sagt der deutsche NTTData-Chef Rehders, der zuvor für EDS,
Siemens IT Solutions & Services und Atos
arbeitete. Die Deutschlandchefs der NTTGesellschaften treffen sich lediglich alle
zwei bis drei Monate zu einem mehr oder
weniger informellen Meinungsaustausch.
„Wir streben bestmögliche Zusammenarbeit
an. Aber alles ist getragen von dem Respekt,
dass jeder sein eigenes Geschäft machen
kann“, sagt Rehders. Keiner der Manager
maße sich an, Deutschlandchef der NTTGruppe zu sein.
Unter Wert verkauft
Der Auftritt unter verschiedenen Namen
und in der Manier eines unabhängigen Mittelständlers hat seinen Preis: „Die Stärke unserer Gruppe in Europa erschließt sich nicht
direkt auf den ersten Blick“, sagt Manager
Rehders. Und auch NTT-Datensicherheitschef Frank Brandenburg gibt zu: „In der
Außendarstellung machen wir uns kleiner,
als wir tatsächlich sind.“
Möglicherweise ist das Understatement
aber Teil eines Versteckspiels und nur ein
erster Schritt. Denn 2020 finden die
Olympischen Sommerspiele in
Tokio statt, bei denen NTT sich
als einer der Großsponsoren
der Weltöffentlichkeit präsentieren will. Eine teure Werbeoffensive lohne sich nach Ansicht
von NTT-Manager Brandenburg nur, wenn bis dahin alle
erworbenen Firmen gemeinsam unter der
Dachmarke NTT aufn
treten.
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WirtschaftsWoche 6/5.2.2016
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