Einführung in die diachrone Sprachwissenschaft [email protected] Minne f. ‘Liebe’ (heute nur noch altertümelnd oder scherzhaft), ahd. minna ‘helfende, fürsorgliche, auch religiöse Liebe, Zuneigung, Gedenken, Eifer,Verlangen’ (8. Jh.), mhd. minne ‘freundliches Gedenken, freundschaftliche, sinnliche, religiöse Liebe, Zuneigung’, auch ‘Beischlaf, Geliebte, Abschiedstrunk’ Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. Unter der Linde an der Heide, wo unser beider Bett war, da könnt ihr finden schön gebrochen Blumen und Gras. Vor dem Walde in einem Tal, tandaradei, sang die Nachtigall lieblich. Jenaer Liederhandschrift entstanden um 1300 Wizlaw „Loibere risen“ http://www.youtube.com/watch?v=8VG4S3w3 Nzs Loibere risen von den boimen hin zu tal, des stan blot ir este. Blomen sich wisen daz se sint verturben al, schoone was ir gleste. Sus twinget de rife maniger hande wurzel sal, des bin ich gar sere betrübet. Nu ich zu grife sinte der winder ist so kal des wirt newe froide geübet Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Fater unser, thu thar bist in himile, Got vater unser, da du bist in dem himelriche gewaltic alles des dir ist, si giheilagot thin namo, geheiliget so werde din nam, queme thin rihhi, zuo müeze uns komen daz riche si thin uuillo, din. so her in himile ist, so si her in Din wille werde dem gelich hie uf erdu, unsar brot tagalihhaz gib uns hiutu, der erde als in den himeln, des gewer unsich. inti furlaz uns unsara sculdi, nu gip uns unser tegelich brot und so uuir furlazemes unsaren swes wir dar nach dürftic sin. sculdigon; inti ni gileitest unsih in costunga, Vergib uns allen sament unser schulde, uzouh arlosi unsih fon ubile. Tatian also du wilt, daz wir durch dine hulde vergeben der wir ie genamen dekeinen schaden, swie groz er si: vor sünden kor so mache uns vri und loese uns ouch von allem übele Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Fater unser, thu thar bist in himile, Got vater unser, da du bist in dem himelriche gewaltic alles des dir ist, si giheilagot thin namo, geheiliget so werde din nam, queme thin rihhi, zuo müeze uns komen daz riche si thin uuillo, din. so her in himile ist, so si her in Din wille werde dem gelich hie uf erdu, unsar brot tagalihhaz gib uns hiutu, der erde als in den himeln, des gewer unsich. inti furlaz uns unsara sculdi, nu gip uns unser tegelich brot und so uuir furlazemes unsaren swes wir dar nach dürftic sin. sculdigon; inti ni gileitest unsih in costunga, Vergib uns allen sament unser schulde, uzouh arlosi unsih fon ubile. Tatian also du wilt, daz wir durch dine hulde vergeben der wir ie genamen dekeinen schaden, swie groz er si: vor sünden kor so mache uns vri und loese uns ouch von allem übele Vom Althochdeutsche zum Mittelhochdeutschen Abschwächung der Nebensilben Verkürzung der Endungen Synkope/Apokope abgeschwächter Endungsvokal wird nach Kurzer, auf Liquid (/r/ oder /l/ endender Wurzelsilbe aufgegeben) faran – *faren – varn (im Wortinneren = Synkope) faru - *fare – var (am Wortende = Apokope) Vom Althochdeutsche zum Mittelhochdeutschen Auslautverhärtung wird graphisch umgesetzt (<b>, <d>, <g> <p>, <t>, <k> Graphische Kennzeichnung des Umlauts (Sekundär- und Restumlaut) - Wurzelvokal zeigt in den Formen, in denen Ahd. „i“ folgte, den mhd. Umlaut Sekundärumlaut: dort wo ahd. noch kein Umlaut /a/ zu /e/ wegen lautlicher Umgebung z.B. ahd. maht, Pl. mahti mhd. mähte Restumlaut: o-ö, ô-œ, u-ü, û-iu [ü:], uo-üe z.B. ahd. wurfil - würfel Vom Althochdeutsche zum Mittelhochdeutschen Kontraktion age/ege ei (gesaget – geseit) Vom Althochdeutsche zum Mittelhochdeutschen Umlaut (im Plural): Während er im ahd. rein phonologisch bedingt ist, bekommt er im mhd. eine Funktion in der Morphologie, um den Wegfall der alten Endungen auszugleichen. (bruoder - brüeder) Der analytische Sprachbau wird weiter verstärkt. beispielsweise das verstärkte Hinzutreten von Personalpronomina und Artikeln (aus Hilfskonstruktionen mit Demonstrativa und Numerals): ahd. hilfu > mhd. ich hilfe, ahd. zungun, zunguono, zungom, zungun > mhd. die zungen, der zungen, den zungen, die zungen. Starke Verben Infinitiv 1. Pers. Sing. Ind. Präs. 1. u. 3. Pers. Sing. Ind. Prät. 1. u. 3. Pers. Plur. Ind. Prät Part. Prät. I.a b rîten zîhen rîte zîhe reit zêh riten zigen geriten gezigen II.a b biegen bieten biuge biute bouc bôt bugen buten gebogen geboten III.a b binden werfen binde wirfe bant warf bunden wurfen gebunden geworfen IV. nemen nime nam nâmen genomen V. geben gibe gap gâben gegeben VI. varn var vuor vuoren gevarn VII. râten râte riet rieten gerâten Starke Verben Konjunktiv über Umlaut: Präs: ich nime – ich nëme (<ë> = Umlaut /e/, <e> = altes (Ablaut-) /e/ Prät: ich nam – ich næme nur 1./2. Pers. Präs. Plural Formengleich (wir nëmen, ir nëmet) Schwache Verben Nebensilbungabschwächung und Verkürzung der Endungen keine Klasseneinteilung über Suffixe mehr möglich Vokalwechsel in Stammsilbe wird Klassenunterscheidendes Merkmal Verben ohne Rückumlaut (ih lege, ih legete; er suochet – er suochtete) (kurzwurzlige jan-Verben, ôn- und ên- Verben) Verben mit Rückumlaut (ez brennet – ez brannete; er offenbæret – er offenbârete, er antwürtet – er antwurtete, ez brüeter – ez bruetete, er hœret – er hôrete, ez briutet – ez brûtete, er dröuwet – er drouwete) zwei Klassen: ehemalige ôn, ên und kurzwurzlige jan-Verben (kein Rückumlaut) z.B. legen, ehemalige langwurzlige jan-Verben (Rückumlaut) Schwache Verben Unterschied Indikativ/Konjunktiv kaum noch zu erkennen – nur 3.Per.Sg.Präs. zeigt Unterschied: er/sie/ez saget (Ind.) – er/sie/ez sage (Konj.) Substantive synchron keine zweifelsfreie Zuordnung möglich, Abschwächung und Verkürzung der Endungen 1. Klasse: ehemals schwache n-Klasse alle drei Genera -en Endung außer im Nom. Sg. (der bote, des boten etc.) 2. Klasse: ehemals starke ô-Klasse nur Feminina en-Endung nur im Gen. und Dat. Pl. (Nom. Pl.: die gebe, Gen. Pl.: der geben) Substantive 3. Klasse: 4. Klasse ahd. Neutra u. Maskulina der a-Stämme (wort - wort, tac - tage) sowie i-Plurale ohne umlautfähigen Wurzelvokal (rint – rinder) Maskulina und Feminina mit umlautfähigem Wurzelvokal (ehemalige i-Klasse: gast - geste) Umlaut wird auch hier zum deutlichsten Klassenmerkmal, weil durch Abschwächung der Endungen diese nicht mehr zu unterscheiden sind! Vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen 1) Nhd. Diphthongierung mhd. Langmonophthonge: î > ei, iu [y:] > eu , û > au z.B. mhd. mîn niuwez hûs – nhd. mein neues Haus 2) Nhd. Monophthongierung mhd. Diphthonge: ie > [i:], uo > [u:], üe > ü [y:] z.B. mhd. liebe guote brüeder – nhd. liebe gute Brüder 3) Senkung mhd. Diphthonge durch Öffnung des ersten Vokals: ei > ai, ou > au, öu > eu / äu z.B. mhd.: ein, boum, tröume – nhd. ein (= ain), Baum, Träume 4) Nhd. Dehnung mhd. Kurzvokale in offener Silbe (Silbe endet mit dem Vokal): z.B. mhd. gĕ-ben – nhd. g[e:]-ben 5) Nhd. Kürzung mhd. Langvokale in geschlossener Silbe (Silbe endet mit einem Konsonanten): z.B. mhd. hêr-lich – nhd. herr-lich Was hat es mit Tristan und Isolde auf sich???
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