Bernd Hamacher „Was wollte er? Das ist der Norden“ – Zur literarischen Topographie Thomas Manns und Theodor Storms In seinem Essay über Theodor Storm aus dem Jahr 1930 konstruiert Thomas Mann Storms Autorschaft als diejenige eines dezidiert norddeutschen, ja „nordgermanischen“ Dichters. Vor der Kontrastfolie des Schweizers Gottfried Keller gewinnt Mann die zentralen Komponenten einer solchen Autorschaft, die über den konkreten Fall hinaus in zweierlei Hinsicht von grundsätzlicher Bedeutung sind: zum einen für eine kulturgeographisch fundierte Künstlertypologie, zum anderen als Hintergrund für die eigene Verortung innerhalb der kulturellen Koordinaten in der Endphase der Weimarer Republik. Im ersten Teil meines Vortrags werde ich Thomas Manns Bestimmung von Storms Autorschaft in seinem Essay und das darin enthaltene Bild des Nordens rekonstruieren. Im zweiten Teil werde ich Storms eigene Bezugnahmen auf den Norden und damit die Frage untersuchen, ob und inwiefern man auch bei ihm von der Konstruktion einer imaginären literarischen Topographie sprechen kann. Die daraus gewonnenen Befunde werden einerseits zu Manns essayistischer Verortung Storms in Bezug gesetzt. Andererseits werde ich versuchen, im abschließenden dritten Teil des Vortrags ein Gesamtbild von Thomas Manns kultureller Geographie zu zeichnen. Seine wichtigsten Standortbestimmungen stammen ebenso wie der Strom-Essay aus der Zeit der Weimarer Republik. Neben Tonio Kröger und dem Zauberberg sowie Seitenblicken auf weitere Texte des Gesamtwerks stehen daher der Vortrag Lübeck als geistige Lebensform (1928) und – dem Storm-Essay zeitlich und konzeptionell unmittelbar verbunden – die Novelle Mario und der Zauberer (1930) im Zentrum der Argumentation.
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