Predigt vom 2. August 2015, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun Predigt: Das Beste für unser Land (Jer 29,7) Wir waren diesen Sommer wie viele andere auch im nahen Ausland in den Ferien. Ins Ausland zu fahren ist heutzutage für die meisten Schweizer etwas nicht sehr Aussergewöhnliches. Ich vermute, dass fast alle von uns schon mindestens einmal im Ausland gewesen sind, sei es für Ferien, einen Besuch oder wegen der Arbeit. Soweit ich weiss, war jedoch noch niemand von uns im Ausland in Gefangenschaft. Selbst wenn es eine Freiheitsstrafe wäre, stelle ich mir das schlimm vor. Man ist an einem Ort, an dem man nicht sein will, und ist in seinem Leben mehr oder weniger eingeschränkt oder jedenfalls nicht vollkommen frei. Und vor allem: man ist fern der Heimat, fern seines gewohnten Umfelds, weg von allen Freunden, der eigenen Kultur, muss sich vielleicht sogar an einen völlig anderen Lebensstil gewöhnen. Der Prophet Jeremia musste damals mit ansehen, wie ein Teil seines Volkes verschleppt wurde. Sie mussten ins Exil nach Babylonien (dem heutigen Bagdad). Sie hatten dieses Exil durch Untreue Jahwe gegenüber selbst verschuldet. Dennoch habe ich persönlich Mitleid mit diesen Menschen, wenn ich mich versuche in ihre Lage zu versetzen. Sie lebten nun inmitten ihrer Feinde, einem heidnischen Volk. Sie konnten nicht mehr über alles selbst entscheiden, wenn sie auch einen Grossteil ihres Lebens selbst gestalten konnten. Sie hatten etwa keinen Tempel mehr, der für sie wie nichts anderes stand für die Gegenwart Jahwes. Es wurde eine andere Sprache gesprochen, die Bräuche waren anders, es wurde fremden Göttern gedient. Diesen Israeliten in der Gefangenschaft schrieb Jeremia einen Brief. Obschon sie sich in einer herausfordernden Situation befanden, forderte er sie auf, das zu tun, was fast alle Menschen überwiegend tun: Häuser bauen, Äcker bestellen und ernten (heute würden wir ergänzen: Kranke pflegen, Software entwickeln, Maschinen bauen, Büroarbeit erledigen, ...) und Kinder gebären, die dann irgendwann heiraten und die Kette der Generationen fortsetzen. Und dann heisst es da noch: LUT Jeremia 29:7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl. Im ersten Moment tönt das wie eine starke Zumutung. Jetzt leben diese Menschen im Feindesland – und nun sollen sie auch noch das Beste suchen für ihr Umfeld! Ich möchte das auf unsere Situation beziehen, d.h. den Vers für mich, für uns heute lesen. Ein Gedanke dazu: Wenn wir im täglichen Leben und Wirtschaften an das Gemeinwohl denken, brechen wir mit mächtig wirkenden Leitgedanken. In der heutigen Welt- und Wirtschaftsordnung gilt nämlich gerade die gegenteilige Grundhaltung: Jeder denkt an sich und behauptet, das wird dann schon allen zugutekommen.1 In der biblischen Zeit ist diese individualistische Ethik undenkbar. Der Leitgedanke des Alten Testaments lautet: „Es ist genug für alle da, wenn auf Gott vertraut wird und an die Grundbedürfnisse aller gedacht wird, die in diesem Lande leben.“ Dieser Leitgedanke ist eine Art, wie Gottes Licht in dieser Welt leuchtet. Wenn wir nun für unsere Stadt beten und ihr Bestes suchen, dann lassen wir damit dieses göttliche Licht in unserer Umgebung leuchten, dann machen wir Gott durch unsere Taten bekannt und loben ihn. Wir kommen vom 1. August her, von unserem Nationalfeiertag. Für mich immer ein besonderer Tag, auch wenn wir ihn gestern nicht besonders gefeiert haben. Ich stehe dazu: Ich liebe unser Land! Ich bin gerne Schweizer. Es ist mir bewusst, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber das hindert mich nicht daran, ein Fan unserer Nation zu sein. Wir leben hier in einem Land, in dem Frieden herrscht. Viel Menschen leben im Wohlstand, haben keinen materiellen Mangel. Das sind Privilegien, die wir hier geniessen! Ich lade Euch jetzt ein, dass wir unserem Gott gemeinsam danken für alles, was wir hier haben. Denn wir können ja nichts dafür, dass wir in diesem Teil der Welt geboren sind oder jetzt hier leben dürfen. 1 Frei nach Adam Smith, dem Begründer der klassischen Nationalökonomie. Er gilt als Begründer der Freien Marktwirtschaft. Infos z.B. in Wikipedia. Email: [email protected] 1 Predigt vom 2. August 2015, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun [Gebetszeit] Mit all diesem Schönen könnten wir einfach zufrieden sein. „Es geht mir ja gut, was will ich noch mehr?“ Wir wissen jedoch, dass es nicht ganz allen Menschen in der Schweiz so gut geht. Wir wissen auch, dass manche Dörfer, Städte, Institutionen, diakonische Werke usw. vor schwierigen Aufgaben stehen. Es gibt auch in unserem Land Nöte und Probleme, die gelöst werden müssen. Deshalb gilt auch für uns, auch wenn wir hier nicht im Exil, sondern in der Heimat sind, wenn wir nicht Gefangene, sondern Freie sind: LUT Jeremia 29:7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl. Bitte überlegt: Was ist denn „das Beste“ für unsere Stadt oder unser Dorf? Und dann konkret: Was könnten wir, was könntest Du dazu beitragen, dass es dort, wo Du lebst, (noch) besser wird? Beten können wir alle und wir werden das dann auch noch tun. Aber manchmal gilt es auch sich konkret zu engagieren. Gerne sammle ich nun und schreibe auf, was Euch in den Sinn kommt für unseren Wohnund Lebensort. [Sammeln der Vorschläge] Was von diesen Vorschlägen könnte „Deine Sache“ sein? Wofür willst Du Dich in nächster Zeit konkret einsetzen, allein oder gemeinsam mit anderen? Damit dies keine Alibiübung bleibt, bitte ich Dich: Nimm Dir etwas vor und versuche es in den nächsten drei Wochen umzusetzen. Genial wäre, wenn Du hier im Gottesdienst davon berichten könntest. Nun lade ich Euch noch einmal ein, für unsere Stadt, unser Dorf und auch unser Land zu beten. Für die Ideen, die wir jetzt notiert haben, aber auch für unsere Politiker, Wirtschaftsleute usw. die in unserer Gesellschaft grosse Verantwortung tragen. [Gebetszeit] Handeln und beten: diese beiden gehören zusammen. Jeremia mahnt hier, dies beides zu tun. Das Licht Gottes leuchten zu lassen, indem wir beten, aber auch, indem wir handeln. Darauf liegt denn auch Segen und Wohlergehen. Amen. Einige ergänzende Bibeltexte zum selber nachlesen: 1. Timotheus 2,1ff Hiob 41,10 Jeremia 7,1-15 Einige Fragen, z.B. für den Hauskreis: Was ist „der Stadt Bestes“? Sammle Ideen zum Wohl Deiner Stadt, Deines Dorfes, Deiner Umgebung (wie oben beschrieben). Was kannst Du selbst umsetzen? Was packst Du in den kommenden drei Wochen an? Email: [email protected] 2
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