Predigt 17.10.2015 Jubiläum Förderverein Hospiz Porz St. Bartholomäus Liebe Festgemeinde, das heutige Jubiläum darf uns mit Stolz und Dankbarkeit erfüllen. Vor 25 Jahren haben wir unseren Förderverein gegründet. Ich hatte die Freude und Ehre, damals bei der Vereinsgründung beteiligt zu sein. In den 80er Jahren wurden viele Gewohnheiten und Verhaltensweisen im öffentlichen Leben diskutiert und neu bewertet – auch eine Frucht der 68er Studentenrevolte. Damals wurde das Thema Tod und Sterben noch ganz verdrängt. Wenn es die eigene Familie betraf, dass ein lieber Mensch todkrank war und im Sterben lag, waren diese Familien noch sehr auf sich selbst gestellt. Sicher standen einem Verwandte und Freunde zur Seite. Aber wir waren noch weit entfernt davon, dass es öffentliche Einrichtungen und Dienste gab, wie das heute selbstverständlich ist. Die meisten Menschen starben in Krankenhäusern und Altenheimen. Zu Hause gepflegt wurden immer weniger Menschen. In den Krankenhäusern wurden Sterbende gerade in den letzten Stunden des Lebens häufig in Ärztezimmern, Bädern, Abstellkammern oder auf Fluren abgestellt. Man wollte den Tod eines Mitmenschen anderen ersparen, man glaubte, das keinem anderen zumuten zu dürfen. Ich habe das 1983 selbst im Krankenhaus erlebt, als abends um 23 Uhr ein Mann aus unserem Dreier-Zimmer herausgefahren wurde. Er lag im Sterben. Der Pfleger wusste, dass ich Pfarrer war. Ich fragte, ob der Mann nicht hier bleiben könne. Es war kein Verwandter da. Er solle doch jetzt nicht allein gelassen werden. Aber der Pfleger sagte, nur, es tue ihm leid, er habe seine Vorschriften, die er beachten müsse. Der Mann starb einige Stunden später. Vermutlich allein. Der Tod war ein Tabu. Einerseits die normalste Sache der Welt. Jedes Leben hat ein Ende. Aber das zu erleben, an sich heranzulassen, meinte man, niemandem zumuten zu sollen. Das Sterben und der Umgang mit Toten war eine Spezialangelegenheit von Ärzten, Pflegern, Schwestern, Rettungssanitätern und Feuerwehrleuten, soweit es Unfälle betraf. Und von Pfarrern, Pfarrerinnen und Bestattern. Kurz vor dem Advent 1989 – ich erinnere mich noch sehr gut – lud Pastor Feldhoff ins Pfarrheim hier in Urbach ein zu einem Abend mit dem Thema: „Wie können wir Sterbenden und deren Familien besser helfen?“ Schwester Johanna Oberholz begann den Abend mit einer sehr einfühlsamen Meditation zur Begleitung Kranker am Lebensende und zum christlichen Bild des Todes. Der Gedankenaustausch unter den etwa 50 Teilnehmern war sehr intensiv. Am Ende wurden Namen und Adressen notiert, weitere Treffen verabredet. Es war die Geburtsstunde unseres Vereins. Die Gründung erfolgte dann etwa 9 Monate später. Im Jahr 1990. Hospizhäuser gab es nur ganz wenige in Deutschland. Der Name Hospiz – ein alter Name in der Geschichte – war den meisten Menschen unbekannt. In Zeitungen oder im Fernsehen kam das Thema nie vor damals. Wir waren im Rheinland – das dürfen wir mit Stolz sagen – Pioniere auf diesem Gebiet. Lohmar, Chorweiler im Kölner Nordwesten, Recklinghausen. Das waren die Hospize, die es damals gab. Wir nahmen Kontakt auf. Zunächst waren unsere Ideen, Hoffnungen und Pläne ganz auf ein Haus ausgerichtet. Wir merkten sehr schnell, dass das ohne großen Sponsor oder Finanzier im Rücken erst in vielen Jahren zu verwirklichen war. So gingen wir zunächst daran, Helferinnen und Helfer auszubilden und Familien zu Hause zu entlasten. Damit pflegende Angehörige einmal in Ruhe einige Stunden Zeit hatten zu Besorgungen und Erholungspausen. Dann hatten wir das große Glück und Geschenk, dass Karl-Heinz Range sich mit ganzer Kraft in unseren Vorstand eingebracht hat. Mit allen Kontakten und Kenntnissen und Verbindungen, die er beruflich hatte. Ich kann jetzt nicht alle Einzelheiten erzählen, die Predigt soll ja noch andere Dinge ansprechen. Im Laufe von Jahren, auch durch unsere Porzer MItwirkung, entstanden Ämter, Dienste, Netzwerke, öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema der Hospizarbeit. Am Ende hatten wir nicht nur Familien besucht und ein Haus errichtet, dank der großzügigen Hilfe dieser Pfarrgemeinde, die damals noch St. Bartholomäus hieß, hatten wir ein Grundstück. Und wir haben viel geworben, auf der Straße, vor Möbelmärkten, bei Sporttunieren. Überall lösten wir Vorstandsmitglieder uns ab, führten Gespräche, sprachen die Leute an, sammelten Spenden und waren in wenigen Jahren zu einer beachtlichen Mitgliederzahl gekommen. Der Erfolg war motivierend. Die Zahl der Ehrenamtlichen, die sich ausbilden ließen, war von Anfang an erfreulich groß. Das Interesse der Porzer Öffentlichkeit an unserem Verein war groß. Und wir haben immer viel dafür getan, dass unsere Arbeit bekannt wurde, auch unter Ärzten, Altenheimen und den umliegenden Krankenhäusern, durch Vorträge und Veranstaltungen in den Kirchengemeinden. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser erste Satz des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist mehrfach auf der Internetseite unseres Vereins genannt. Das ist so etwas wie ein Leitwort: „Jeder Tag eines Menschen ist wertvoll. Ganz gleich, was ein Mensch noch zu leisten in der Lage ist, ob er noch gesprächsfähig ist. Jeder Tag des Lebens hat seine Würde.“ Darum wollen wir Menschen Liebe und Nähe schenken, wollen sie eben nicht allein lassen, wie ich das eben von früher erzählte. Die Liebe Gottes zu jedem Menschen soll durch unsere Hilfe ein Gesicht bekommen. Das Gebot Jesu „Die Liebe zu Gott besteht darin, dass Du Deinen Nächsten lieben sollst wie Dich selbst“ steht über unserem Leben, über unseren Kirchen. Dieses Gebot ist Ansporn und Auftrag. Aber es ist eben keine bloße Arbeitsaufforderung. Es ist eingebettet in die Zusage Gottes, dass sein Segen über jedem Lebensweg steht – und zwar bis zum letzten Atemzug. Und darüber hinaus in alle Zukunft, in alle Ewigkeit. „Alles hat seine Zeit“ – diesen Satz aus dem Predigerbuch der Bibel haben wir als Leitwort für diesen Gottesdienst geplant. Die Zeit des Lebens umfasst jeden Tag. Jede Stunde hat ihre Würde. Und auch das Leben jedes Schwerkranken ist würdevoll, trotz aller Beschwernisse. Wir sollen und können Gottlob heute fast alle Schmerzen den Menschen nehmen. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen fordern, der Mensch solle ganz allein bestimmen, wann und wie er sterben will, ist es wichtig zu betonen, dass das Leben ein Geschenk ist, nicht von mir bestimmt. Das Leben ist nicht ein Apparat, den man nach Belieben mit Gift ausschaltet, wenn man nicht mehr will. Jedes Hospiz, jede palliativmedizinische Hilfe ist ein Lichtpunkt, um zu zeigen, wie würdevoll und liebevoll und meist schmerzfrei das Leben zu Ende gehen kann. Ich habe über viele Jahre mit vielen Sterbenden sprechen können. Der Tod war oft schwer anzunehmen, vor allem natürlich bei den Jüngeren. Aber sie waren alle beeindruckt von der Ruhe und der Schönheit des Hauses und der liebevollen Betreuung aller Mitarbeitenden. Würden mehr Menschen wissen und erleben, wie kostbar die Tage im Hospiz von den meisten Sterbenden empfunden wurden, würde die Diskussion um die Sterbehilfe anders verlaufen. Wir haben hier in der Hospizarbeit auch eine wichtige öffentliche Aufgabe, in dieser Diskussion uns einzubringen. Wenn jeder auf Bestellung und nach Termin aus dem Leben gehen wollte, wie er das meint für sich fordern zu sollen, bedürfte es letztlich keiner Hospizarbeit mehr. Dann würde unsere Gesellschaft aber auch völlig seelenlos und lieblos werden. Die meisten Menschen haben den Wert der Hospize erst erkennen können, als sie unsere Häuser von innen erlebt haben. Als Freunde oder Familienangehörige hier lagen. Ich habe nie in 25 Jahren erlebt, dass irgendjemand nicht Hochachtung gehabt hätte und tiefe Dankbarkeit empfunden hätte, dass es solche Häuser gibt. Und dazu auch die vielen Angebote zu Entlastungen zu Hause, zu Wanderungen, Gesprächen, offener Sprechstunde, Gesprächen auch nach dem Tod der Angehörigen. Ich bin im Rückblick auf 35 Jahre Pfarramt in Porz sehr dankbar, dass ich diesen Weg mitgehen konnte, dass mein Glaube gestärkt wurde durch die Besuche und die Mitarbeit im Vorstand. Dass ich auf diesem Weg vielen Menschen begegnet bin, die mich sehr bereichert haben. Meinen herzlichen Dank für alle, die seit 1990 für diesen Verein aktiv waren und ihn unterstützt haben, möchte ich auch in dieser Predigt ausdrücken. Ich müsste jetzt viele Namen nennen, aber erlauben Sie mir, dass ich doch zwei Namen heraushebe: Karl-Heinz Range und Hans Florin. Möge die Arbeit weitergehen mit der hohen Motivation, mit der alle im Verein und im Hospiz bei der Sache sind. Gottes Segen und Liebe begleitet uns dabei. „Alles hat seine Zeit. Das Geborenwerden und das Gehen. Das Lachen und das Weinen. Der Kummer und der Trost. Die Stunden der Einsamkeit und das Spüren und Erleben der Gemeinschaft.“ Über allem steht das Licht der Liebe Gottes. Amen.
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