Anlagen Aktuell Finanzmärkte im Blickpunkt 26. Februar 2016 Öl: Preisrutsch ohne Ende? Der Ölpreis ist jüngst auf ein 12-Jahrestief gefallen – trotz oder gerade wegen der zuletzt verschärften Rhetorik zwischen den beiden Ölgiganten und Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran. Der Konflikt zwischen diesen beiden Ländern dürfte den Preiskrieg am Ölmarkt aufrechterhalten. Die Kartellmacht der OPEC wird durch die Spannungen weiter geschwächt und das Überangebot am Ölmarkt wird fortbestehen. Die Ölpreise bleiben 2016 gedrückt – akzentuiert vom starken USD und von den schwachen Emerging-Markets-Währungen. Nach der massiven Korrektur der letzten Wochen erscheint aber vorübergehend eine technische Gegenreaktion möglich, die im Rohstoff bereich erfahrungsgemäss kräftig ausfallen kann. Angebotsreaktion lässt auf sich warten voran der OPEC-Staaten, übertroffen (Grafik 1). Aber auch Die enttäuschende Preisentwicklung im Energiesektor zähl- ausserhalb der OPEC lässt die Angebotsreaktion auf das nied- te für die meisten Marktteilnehmer, die mit einer kräftigen rige Preisumfeld auf sich warten. Selbst die US-Ölförderung Preiserholung gerechnet hatten, wohl zu den grössten Über- erweist sich teils aufgrund von Sondereffekten, teils dank raschungen der letzten Monate. Die Ursache für den Preis- kostensenkenden Effizienzgewinnen im Schieferölsegment einbruch, der sich allein seit Mitte 2015 auf fast 50% beläuft, als sehr widerstandsfähig. Nachdem die US-Ölförderung – liegt in einer kräftigen Angebotsausweitung. Denn die Nach- gut 55% hiervon entfallen auf die Schieferölförderung – im frage nach Öl hat sich bedingt durch den niedrigen Preis recht Frühjahr 2015 ein 43-Jahreshoch von rund 9.6 Millionen rege gestaltet – so wie zuletzt 2010. Doch das Nachfrageplus Fass pro Tag (mbd) erreicht hatte, ist sie zuletzt lediglich um wurde noch einmal vom stark ausgeweiteten Angebot, allen 200 Tausend Fass pro Tag gesunken. Für 2016 erwartet die Grafik 1: OPEC-Förderung und Öl-Lagerbestände der OECD jahrzehntelang am Ölmarkt für einen Förderausgleich sorgte und nun mit seiner rekordhohen Ölförderung von weit über 10 mbd das Überangebot speist, und der kriegsgebeutelte Irak. 36500 6 4 2 0 –2 –4 –6 –8 –10 34500 32500 30500 28500 26500 24500 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 22500 OPEC-Förderung (in Tausend Fass pro Tag) OECD-Lager (% vs. Vj., rechte Skala) Letzterer fördert mehr trotz Präsenz der Terrormiliz IS, die selbst zu Dumpingpreisen Öl von unter 20 USD/Fass verkauft. Saudi-Arabien wiederum dürfte gemäss seinem Ölminister keinerlei Produktionskürzungen vornehmen, wenn der Iran, sein Erzfeind, der ebenfalls die Vorherrschaft in der Region anstrebt, an den Ölmarkt zurückkehrt. Im Gegenteil: Bei einer Rückkehr des Irans dürfte der seit Sommer 2014 von Saudi-Arabien initiierte Preiskrieg in eine nächste Runde gehen. Hierzu beitragen dürfte wohl auch das auf den Weltmarkt gelangende US-Ölangebot, nachdem das Energieexportverbot Quelle: Zürcher Kantonalbank in den USA aufgehoben wurde. Marktrückkehr des Irans Internationale Energieagentur (IEA) ebenfalls nur einen sehr Die seit vier Jahren bestehenden Öl-Sanktionen des Wes- moderaten Rückgang von weiteren 600 Tausend Fass pro Tag. tens gegenüber dem Iran wurden Mitte Januar aufgehoben. Anders als die (Neu-)Investitionen im Energiebereich, die in Binnen weniger Monate sollten die Ölexporte des Irans von Nordamerika ab Anfang 2015 regelrecht eingebrochen sind, derzeit sanktionsbedingt lediglich 1.1 mbd auf 2 mbd hoch- geht die Ölförderung kaum zurück. Laut Studie des IWF kann gefahren werden können. Experten gehen davon aus, dass es denn auch bis zu 5 Jahre dauern, bis die um 1% reduzier- mithilfe westlicher Investoren innerhalb weniger Jahre die ten Investitionsausgaben im Energiebereich die Produktion Fördermenge von 4.6 mbd aus der Zeit vor der Sanktion weit um 0.4% schrumpfen lassen. Aber auch andere grosse Nicht- übertroffen wird. Da das wirtschaftlich am Boden liegende OPEC-Produzenten wie Kanada und Russland verzeichneten Land unbedingt Deviseneinnahmen benötigt, wird der Iran 2015 keine Produktionseinbussen. Im Gegenteil: Russland so viel Öl wie möglich auf den Weltmarkt bringen – zumal stellte 2015 sogar einen neuen Rekord von über 10 mbd auf. die Grenzkosten seiner Ölförderung auf unter 10 USD/Fass Denn die schwachen Währungen von RUB resp. CAD ma- geschätzt werden. chen zumindest einen Teil des Ölpreiszerfalls wett. 2016: Überschussangebot bleibt bestehen Keine Kartellmacht mehr am Ölmarkt Bereits ohne den Iran fördert die OPEC derzeit über Schon vor der verschärften Rhetorik zwischen Riad und Tehe- 33 mbd – mindestens 1.5 mbd mehr, als es die globale Nach- ran konnte am letzten OPEC-Treffen Ende 2015 keinerlei Ei- frage verlangt. Die Folge sind neue rekordhohe Öllagerbestän- nigung betreffend eine Quotenkürzung erzielt werden, die für de innerhalb der OECD und insbesondere in den USA (Gra- eine Ölpreiserholung notwendig ist. Spätestens nach diesem fik 1). Gemäss IEA dürften diese 2016 kaum abgebaut werden, Misserfolg kann die OPEC wohl kaum mehr als «durchschla- da das Überangebot am Ölmarkt bestehen bleibt. Denn: Die gendes» Kartell bezeichnet werden. Denn vor dem Hinter- Nicht-OPEC-Ausbringung geht zwar leicht (um 0.6 mbd) zu- grund der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region, rück und die (Benzin-)Nachfrage steigt aufgrund der tiefen markant zunehmender (Militär-)Ausgaben sowie stark passi- Preise. Diese Effekte halten jedoch der erneuten Ausweitung vierter Budget- und Leistungsbilanzen ist jedes OPEC-Land der OPEC-Ölförderung nicht stand. Wie stark Letztere aus- daran interessiert, so viel Öl zu exportieren wie möglich – fällt, wird im Wesentlichen vom Ausmass des iranischen egal zu welchem Preis. Die OPEC produziert heute 1.5 mbd Comebacks abhängen. Wir erwarten bis zum Jahresende mehr als vor einem Jahr, was dem globalen Überangebot am einen Preis zwischen 40 und 55 USD/Fass. In jedem Fall bleibt Ölmarkt nahezu exakt entspricht. Hinter der Fördererhöhung die Volatilität sehr hoch; zwischendurch wird es auch immer der OPEC stehen vor allem zwei Länder: Saudi-Arabien, das wieder zu kräftigen technischen Gegenreaktionen kommen. Mannigfaltige Effekte des Ölpreiskollapses Abschwächung des Renminbis gegenüber dem USD die Rohstoffimporte Chinas, die somit tendenziell zurückgehen. Dies Konjunktur und Inflation lässt die Nachfrage nach Rohstoffen am Weltmarkt sinken Für die Welt als Netto-Energiekonsumenten gilt die Faust- und trägt zum Preisverfall der Rohstoffe bei. regel, dass 10 USD/Fass tiefere Ölpreise zu einem zusätzlichen BIP-Wachstum von 0.5 Prozentpunkten führen – im Andere Rohstoffe und Gold Fall von Kontinentaleuropa und Japan etwas mehr; im Fall Angebotskürzungen infolge stark gefallener Preise finden der rohstofflastigeren USA etwas weniger. Bislang fielen die auch bei den übrigen Rohstoffen erstaunlich schleppend statt. positiven Effekte sinkender Energiekosten in Form von Kauf- Dies liegt nicht nur an massiven Kostensenkungen und Wäh- kraftgewinnen und höheren Konsumausgaben insbesondere rungsabwertungen, sondern auch am günstigeren Inputfaktor in den US-Privathaushalten enttäuschend gering aus. Dage- «Energie» – der gerade im Minenbereich den entscheidenden gen senkten die Ölproduzenten rasch und massiv ihre Investi- Kostenfaktor darstellt. Je nachdem, wie energieintensiv der tionsausgaben, sodass der Effekt des Ölpreiszerfalls für den jeweilige Rohstoff produziert wird und wie ausgeprägt der Netto-Konsumenten USA nahezu verpuffte. Dies sollte sich Wettbewerbsdruck ist, wird der Kostendruck in Form von 2016 umkehren: Der Investitionseinbruch im US-Energiesek- noch einmal tieferen Absatzpreisen weitergegeben werden tor dürfte sich in dem Ausmass wie 2015 nicht wiederholen; müssen. Eine Ausnahme stellt Gold dar. Denn im Gegensatz gleichzeitig sollten die Konsumenten nun mehrheitlich von zu den meisten anderen Rohstoffen ist der Markt für «ewig nachhaltig tiefen Ölpreisen und damit Kaufkraftgewinnen haltbares» Gold ein «Bestandsmarkt», auf dem Veränderun- ausgehen, die dann auch verstärkt in die Konsumausgaben gen der laufenden Förderung, die nur ein Bruchteil des Gold- und nicht mehr überwiegend in die Ersparnisse fliessen soll- angebots ausmacht, wenig Preiseffekte haben. ten. Das BIP-Wachstum der Energiekonsumenten wird zusätzlich via Aktivierung der Handelsbilanz stimuliert. Diese Finanzmärkte positiven Effekte gilt es allerdings stark zu relativieren, wenn Sinkende Ölpreise können die Kurse von Finanzassets über der Ölpreisrückgang nicht stetig, sondern so abrupt erfolgt, diverse Kanäle beeinflussen, indirekt auch durch veränderte dass sich die Konsumenten hierauf nicht zeitnah einstellen Wachstums- und Inflationsaussichten und eine möglicher- können. Die Auswirkungen tieferer Ölpreise auf die (Head- weise veränderte Geldpolitik; beispielsweise aber auch durch line-)Konsumentenpreise, hinter denen in den Industrielän- stark in Mitleidenschaft gezogene Sovereign-Wealth-Fonds, dern typischerweise ein Warenkorb mit einem rund 10%igen die grösstenteils im Besitz erdölexportierender Staaten sind, Energieanteil steht, dürften bei Ölpreisen um 30 USD/Fass ab deren Vermögen schon 2015 – gemäss Schätzungen des Gulf dem 2. Halbjahr allmählich nachlassen. Entscheidend für den Cooperation Council – allein um 250 Mrd. USD geschrumpft weiteren Inflationsverlauf wird aber sein, dass die längerfris- sind. Ein Grossteil der Vermögen ist bekanntlich in US-Tre- tigen Inflationserwartungen «wohl verankert» bleiben. asuries angelegt, aber auch in Papieren anderer Schuldner sowie natürlich in Aktien. Eine massive und plötzliche Ver- Rohstoffwährungen, Renminbi und USD äusserung hätte dabei selbst Folgen für die Renditeentwick- Ein erstarkender USD ist tendenziell für Rohstoffe, die ty- lung am grössten und liquidesten Markt der Welt, dem US- pischerweise in USD fakturiert sind, belastend. Folglich be- Treasurymarkt – so schätzt das amerikanische Fed. Direkt steht auch empirisch eine signifikant negative Korrelation fallen die Kurseffekte des Ölpreiskollapses natürlich bei den zwischen Rohstoffpreis- und USD-Entwicklung. Denn es ist Aktien- und Anleihenkursen der Energieunternehmen sowie aus Sicht der Nicht-USD-Rohstoffexporteure attraktiv, bei ei- im US-High-Yield-Segment aus, bei dem Unternehmensanla- ner USD-Aufwertung (gegenüber ihrer heimischen Währung) gen der Fracking-Firmen rund 15% ausmachen. ihr Angebot am Weltmarkt noch einmal auszuweiten. Dies führt zu erneutem Druck auf die Rohstoffpreise und -währungen und erhöht schliesslich in einer weiteren Runde das preisbelastende Überangebot am Rohstoffmarkt usw. Im Fall des global grössten Rohstoffimporteurs, China, verteuert eine Die vorliegende Publikation dient einzig zu Informationszwecken und richtet sich ausdrücklich nicht an Personen, deren Nationalität oder Wohnsitz den Zugang zu solchen Informationen aufgrund der geltenden Gesetzgebung verbieten. Die Publikation stellt weder eine Aufforderung oder ein Angebot noch eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Anlagen oder zur Tätigung sonstiger Transaktionen dar. Die Publikation wurde von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) mit grösster Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Die ZKB bietet jedoch keine Gewähr für dessen Inhalt und Vollständigkeit und lehnt jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Informationen ergeben. www.bekb.ch Berner Kantonalbank AG / Banque Cantonale Bernoise SA
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