Aktuell 22/2015 - Deutscher Richterbund

Ausgabe 22/2015
02.09.2015
Volksentscheid zur Gerichtsreform in Mecklenburg-Vorpommern
Richterbund und „Pro Justiz“ werben für ein „Ja“
Stralsund. Am 6. September können rund 1,34
Millionen Wahlberechtigte in Mecklenburg-Vorpommern
über die Gerichtsstrukturreform entscheiden. Der
Richterbund Mecklenburg-Vorpommern und der Verein
„Pro Justiz“ hatten den Volksentscheid durch ein
Volksbegehren
herbeigeführt,
um
die
Reform
abzuwenden. Die Landesregierung hat bereits acht
Amtsgerichte
geschlossen
oder
zu
Zweigstellen
umgewandelt – drei weitere Standorte sollen folgen.
Zuletzt wurde das Amtsgericht Wolgast geschlossen,
was eine Woche vor dem Volksentscheid Anlass zum
Schlagabtausch gab: Die Reformgegner trugen das Amtsgericht bei einem
Protestmarsch symbolisch zu Grabe, der Richterbund rief dazu auf, die
Schließung mit einem „Ja“ beim Volksentscheid rückgängig zu machen.
Landesjustizministerin Uta-Maria Kuder verteidigte die Reform – kleine
Amtsgerichte seien nicht in der Lage, die zügige Bearbeitung von Verfahren zu
gewährleisten. Dirk Simon, der Sprecher des Richterbundes, hält solche
Aussagen für „irreführend und spekulativ“. Der Richterbund und der Verein
„Pro Justiz“ hatten deshalb einen Eilantrag beim Landesverfassungsgericht in
Greifswald gestellt, um der Landesregierung negative Wahlwerbung zu
untersagen. Das Landesverfassungsgericht lehnte den Antrag am heutigen
Mittwoch ab. Während des laufenden Abstimmungsverfahrens ein bestimmtes
Verhalten von Beteiligten durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu
unterbinden, komme nur bei Verstößen von außerordentlichem Gewicht in
Betracht, so die Verfassungsrichter. Axel Peters, Vorsitzender des
Landesrichterbundes, sieht aber weiterhin einen hohen Informationsbedarf bei
der Bevölkerung: „Die amtlichen Benachrichtigungen und Wahlzettel werden
von vielen Bürgern als verwirrend empfunden.“
Die Reformgegner laden am 3. September in Stralsund zum Demokratiefest
ein. Neben Informationen zum Volksentscheid soll es dabei auch ein
Rahmenprogramm mit Musik, Tanz und Theater geben.
Iván Velásquez Gómez
Vorbildwirkung für die Bekämpfung der Korruption in Lateinamerika
Berlin. Der Träger des Menschenrechtspreises des DRB,
Iván Velásquez Gómez, kann beeindruckende Erfolge
bei der Bekämpfung der Korruption in Lateinamerika
vorweisen. Laut einem Bericht der österreichischen
Tageszeitung Der Standard, leistet Velásquez als Chef
der UN-Kommission gegen die Straffreiheit in
Guatemala (CICIG) so gute Arbeit, dass mittlerweile die
Nachbarstaaten Mexiko, El Salvador und Honduras
ebenfalls die Hilfe der Vereinten Nationen in Anspruch
nehmen wollen. Der kolumbianische Jurist Velásquez
leitet die Kommission seit zwei Jahren. Wegen seiner
Ermittlungen im Korruptionsskandal „La Línea“ mussten die guatemaltekische
Vizepräsidentin Roxana Baldetti und mehrere Minister zurücktreten.
Inzwischen steht auch der Präsident Guatemalas, Otto Pérez, unter Druck.
Nach monatelangen Protesten der Bevölkerung hob der Kongress am
1. September die Immunität des Staatschefs auf. Wie die Nachrichtenagentur
dpa berichtet, werfen die CICIG und die Generalstaatsanwaltschaft Pérez vor,
an der Spitze des Korruptionsringes zu stehen, der Unternehmen gegen
Schmiergeldzahlungen erlaubt haben soll, Waren zollfrei zu importieren.
Velásquez hatte sich zuvor als Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof der
Republik Kolumbien einen Namen gemacht, als er kriminelle Verbindungen
hoher Amtsträger und Politiker zu paramilitärischen Gruppen untersuchte.
Etwa sechzig kolumbianische Kongressabgeordnete wurden aufgrund seiner
Ermittlungen verurteilt. Er erhielt zahlreiche Morddrohungen und legte sein
Amt als Koordinator der Kommission zur Untersuchung von Verbindungen
zwischen Paramilitärs und Politik am Obersten Gerichtshof Kolumbiens im
Herbst 2012 nieder. Im gleichen Jahr wurde er vom Deutschen Richterbund
für seine Tätigkeit mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet.
Deutsche Richterzeitung - Septemberausgabe
Status der Staatsanwälte – E-Justice – Kurt Schrimm im Interview
Berlin. „Unabhängig oder an den Fäden der Politik?“ In
der Septemberausgabe der Deutschen Richterzeitung
geht es um den Status der Staatsanwälte. Der Rücktritt
von Generalbundesanwalt Harald Range hatte das
Thema in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die
Auseinandersetzung mit Bundesjustizminister Maas in
der Affäre um die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org
machte die Zwitterrolle der Staatsanwälte zwischen
Exekutive und Judikative deutlich. Nun fordern
Unionspolitiker in der Deutschen Richterzeitung eine
ernsthafte Diskussion über Reformen: „Es gilt meines
Erachtens darüber zu diskutieren, wie sich das Weisungsrecht so regeln lässt,
dass es transparenter und überprüfbar ausgeübt werden kann“, sagte der
CDU-Rechtsexperte Patrick Sensdorf. „Das sollte im Interesse aller Beteiligten
liegen.“ Ähnlich äußert sich Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow
(CDU): „Der jüngste Fall zeigt, wie sensibel das Thema juristisch und politisch
ist.“ Das Titelthema greift auch die Rechtsjournalistin Claudia Venohr in ihrem
Gastkommentar auf. Sie fordert, über das Spannungsverhältnis von
Legalitätsprinzip und Weisungsgebundenheit nachzudenken: „Ist es nicht
höchste Zeit, den Verdacht endlich auszuräumen, dass justizfremde Zwecke
einen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft haben könnten?“
Ein weiterer Schwerpunkt der Septemberausgabe ist das Thema E-Justice.
Ministerialdirektor Robert Bey, der im sächsischen Justizministerium die
Abteilungen Straf- und Zivilrecht, sowie EDV und das Projekt E-Akte leitet,
gibt einen Überblick zur Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit
den Gerichten in den Bundesländern. Wolfram Viefhues, aufsichtführender
Richter am Amtsgericht a. D. und Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes
des Deutschen EDV-Gerichtstages, schildert die Chancen der E-Akte.
Im Interview blickt Kurt Schrimm auf 15 Jahre als Leiter der Zentralen Stelle
der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen zurück. Kurz
vor seinem Abschied in den Ruhestand spricht er über den Fall Oskar Gröning,
die
Schlussstrichmentalität
in
der
Justiz,
seine
Recherchen
in
südamerikanischen Archiven und über die Zukunft der Zentralen Stelle.
Redaktion: Annelie Kaufmann, Sven Rebehn
Mitarbeit: Konstantin Hoffmann
Bild 1: Richterbund Mecklenburg-Vorpommern/ Verein Pro
Justiz e.V.
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