Dr. Jens Ewen »Ironie« / im Rahmen der Sektion »Von Denkfiguren und Klischees« Schon in frühesten Rezeptionszeugnissen wird Thomas Manns Texten ein ironischer Ton attestiert. Bis heute hat sich daran nichts geändert: Sowohl in der literarischen Öffentlichkeit als auch in der Forschung wird Ironie als das charakteristischste Stilmerkmal seiner Romane und Erzählungen angesehen. Und tatsächlich stellt sich bei der Lektüre sehr schnell der Eindruck ein, dass hier mit einem Augenzwinkern erzählt wird, dass die Texte ironisch grundiert sind. Im Fall der Ironie stellt sich demnach nicht die Frage, ob dieser Allgemeinplatz der Rezeption einer kritischen Überprüfung standhält. Vielmehr muss man fragen, wie die Ironie gedeutet wird. Erstaunlicherweise kann man hier eine Kluft feststellen: So allgegenwärtig die Rede über Thomas Manns Ironie auch ist, so selten trifft man profilierte Deutungen dieses poetischen Verfahrens an. Die Fragen, welche Funktion mit ihr im TextKonzept verknüpft ist und wie sich ihre Dominanz in den verschiedenen Werkphasen erklären lässt, werden kaum gestellt. An dieser Stelle setzt der Vortrag an und deutet Thomas Manns Ironie als eine mögliche Antwort auf Moderne-Erfahrungen. Ähnlich wie auch schon die Romantiker reagiert Mann auf wissensgeschichtliche Entwicklungen in der Moderne, wenn er seine Weltdeutungen in Romanform mit Hilfe der Ironie mit einem Vorbehalt versieht. Ironisch zu erzählen bedeutet, sich dem Anspruch auf letztgültige Antworten zu verweigern und damit den philosophischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Moderne narrativ zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund kann auch Thomas Manns Einordnung in den Kontext der literarischen Moderne neu plausibilisiert werden: Nicht zuletzt die ironisierenden Text-Strategien zeigen, dass Thomas Mann im Unterschied zur großen Mehrzahl der zeitgenössischen Autoren keine Frontstellung gegen die gesellschaftliche Moderne bezieht, seine Modernität besteht vielmehr darin, sich in seinem poetologischen Selbstverständnis auf die Rahmenbedingungen der modernen Welt einzulassen.
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