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VL-9-23. April 2012-R.3.119
Was ist der Mensch?
Andreas Brenner
FS-12
1
J.-P. Sartre (1905-1980)
„Das Unglück ist, dass ich mein Gesicht nicht
sehe – oder wenigstens nicht zuerst. Ich trage es
vor mir her wie eine Vertraulichkeit, die ich nicht
kenne, und es sind im Gegenteil die anderen
Gesichter, die mich über mein Gesicht belehren.“
(Die Transzendenz des Ego, S. 328)
2
J.-P. Sartre (1905-1980)
„Das Gesicht wirft sich vor sich selbst nach vorn in den
Raum und in die Zeit. Wenn man diese Eigenschaft
Transzendenz nennt, die der Geist hat, sich zu
überschreiten; sich selbst zu entgehen, um sich dort zu
verlieren, außerhalb seiner selbst, irgendwo, aber
anderswo, dann ist es der Sinn eines Gesichtes, die
sichtbare Transzendenz zu sein.“
(J.-P. Sartre, Transzendenz des Ego, S. 333)
3
Emanuel Lévinas
(1906-1995)
4
Emmanuel Lévinas (1906-1995)
„Das Antlitz ist Not. Die Nacktheit des Antlitzes ist
Not und in der Direktheit, die auf mich zielt, ist es
schon inständiges Flehen. Aber dieses Flehen
fordert.“
(Die Spur des Anderen)
5
Emmanuel Lévinas (1906-1995)
„Und dadurch kündigt sich die ethische
Dimension der Heimsuchung an (…)
Die Heimsuchung besteht darin, sogar die
Ichbezogenheit des Ich umzustürzen, das Antlitz
entwaffnet die Intentionalität die es anzieht.“
(Die Spur des Anderen)
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Emmanuel Lévinas
„Du sollst nicht töten, ist das erste Wort des
Antlitzes.“
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Der Mensch glaubt und hofft
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1. Glaube und Selbstverständnis
Glaube als Wissen um die Transzendenz
Glaube als Selbstvergewisserung
- intellektuell
- leiblich („Furcht und Zittern“)
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2. Ein Grund zu glauben
Blaise Pascal (1623-1662)
„Wenn sie (diese Philosophien) euch auf Gott als
Ziel verwiesen haben, so nur deshalb, um euren
Hochmut auszubilden; sie haben euch auf den
Gedanken gebracht, dass ihr Gott durch eure
Natur ähnlich und ebenbürtig wäret.“
(Pascal, Gedanken)
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2. Ein Grund zu glauben
„Seitdem der Mensch das wahre Glück verloren
hat, kann ihm alles gleichermaßen als solches
erscheinen, sogar seine eigene Vernichtung
obwohl sie doch Gott, der Vernunft und der
Natur zugleich so sehr widerspricht.“
(Pascal, Gedanken)
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2. Ein Grund zu glauben
„Man muß also handeln, als wäre man allein. Und
würde man dann prunkvolle Häuser bauen usw.?
Man würde ohne Zögern die Wahrheit suchen.
Und wenn man das ablehnt, beweist man, dass
man die Wertschätzung der Menschen höher
achtet als die Suche nach der Wahrheit.“
(Pascal, Gedanken)
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2. Ein Grund zu glauben
„Wenn man alles der Vernunft unterordnet, wird
unsere Religion nichts Geheimnisvolles und
Übernatürliches haben.
Wenn man gegen die Prinzipien der Vernunft
verstößt, wird unsere Religion absurd und lächerlich
sein.“
(Pascal, Gedanken)
Glaube vernunftmäßig geboten!
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2. Ein Grund zu glauben: Engel
Engel:
die reinen Vernunftwesen
geheimnisvoll
Begleiter des Menschen
Vor-Bild des Menschen
(Andrei Pleṣu, Andrei: Das Schweigen der Engel)
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3. Glaube unter den Bedingungen der Moderne
Spirituelle Suchbewegung als anthropologische
Konstante:
• Sinnerwartung des Glaubens
• Mystik des Alltags: Musik, Sport, Entertainment
• Mystik im Sinne von Sammlung (Tugendhat)
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4. Glaube und Angst
„Von allen Bäumen des Gartens darfst du
essen, doch vom Baum der Erkenntnis
von Gut und Böse darfst du nicht essen;
denn sobald du davon isst, wirst du
sterben.“
(1. Mos)
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Sören Kierkegaard (1813-1855):
Glaube und Angst
„Die Angst fliehen kann er nicht, denn er liebt sie;
eigentlich lieben kann er sie nicht; denn er flieht sie.“
(Sören Kierkegaard)
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4. Glaube und Angst
„Das Wovor-der-Angst ist das In-der-WeltSein als solches.
(…)
Wovor die Angst sich ängstigt, ist das In-derWelt sein selbst.“
(Martin Heidegger)
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4. Glaube und Angst: Sorge
„Das beruhigt-vertraute In-der-Welt-sein ist ein Modus
der Unheimlichkeit. Das Un-zuhause muss existentialontologisch als das ursprünglichere Phänomen begriffen
werden.
(…) Die Sorge liegt als ursprüngliche Strukturganzheit
existential-apriorisch „vor“ jeder, das heißt immer schon in
jeder faktischen „Verhaltung“ und „Lage“ des Daseins.“
Martin Heidegger
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4. Glaube und Angst
„Ich bin dazu verurteilt, frei zu sein. Das bedeutet, dass
wir für unsere Freiheit keine andere Grenze als sie
selbst finden können, oder (…) dass wir nicht die
Freiheit haben, nicht frei zu sein.“
(J.-P. Sartre)
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4. Glaube und Angst
Die Angst vor dem Tode, nach Tugendhat:
Leiden an der Unabgeschlossenheit
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5. Mut zur Hoffnung
Ernst Bloch (1885-1977)
* Denken als Überschreiten
* Menschen von der Zukunft her bestimmen
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5. Mut zur Hoffnung
Ernst Bloch (1885-1977)
„Hoffnung als eine Weltstelle, die bewohnt ist, wie
das beste Kulturland und unerforscht wie die
Antarktis.“
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5. Mut zur Hoffnung
Ernst Bloch (1885-1977)
Hoffnung als Hoffnung auf Heimat,
Entwürfe der Kunst als solche
Heimatentwürfe.
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6. Der Glaube an die Ironie:
Richard Rorty
„Die Ironikerin
1. hegt
radikale unaufhörliche Zweifel an dem
abschliessenden Vokabular, dass sie gerade benutzt,
2. sie
erkennt, dass Argumente in ihrem
augenblicklichen Vokabular diese Zweifel weder
bestätigen noch ausräumen können,
3. wenn sie philosophisches Vokabular benutzt (…)
glaubt sie nicht, Kontakt zu einer Macht ausserhalb ihrer
selbst zu haben.“
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6. Der Glaube an die Ironie:
• Der Ironiker spielt mit seiner Welt: Er spielt mit den
Anderen und das dadurch, dass er zunächst mit sich
selbst spielt: Er setzt sich selbst zu den Anderen, zur
Welt in eine schräge, in eine nicht erwartete, eine
nicht vorhergesehene und damit neue Beziehung.
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6. Der Glaube an die Ironie:
Das Mittel der Ironie ist ein Machtmittel, dass erlaubt,
die Welt zu gestalten und neu zu entwerfen. Zentrum der
Neugestaltung der Welt ist dabei der Ironiker selbst. Er
hat es in der Hand, aus der Welt zu machen, was er will,
bzw. was intellektuell in seiner Macht steht.
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6. Der Glaube an die Ironie:
Der Ironiker weiss um sich und kennt sich und seine
Möglichkeiten ebenso wie die Möglichkeiten und
Erwartungen seiner Umwelt sehr gut. Dieses Wissen gibt
ihm die Mittel in die Hand, die Welt neu zu entwerfen
und sich zu ihr neu zu positionieren.
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6. Der Glaube an die Ironie:
Mittels Ironie kann man sich dem Lauf der Dinge
entziehen, der Zwangsläufigkeit entkommen und sich
befreien. Ironie erscheint in dieser Perspektive als die
einfachste und wirksamste Weise der Befreiung: Ein
Wort, und die Welt sieht anders aus, ein Wort und die
feste Ordnung wird aufgelöst und ist wieder offen.
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6. Der Glaube an die Ironie:
Vorbild: Sokrates: „Ich weiss, dass ich nichts
weiss“.
Nietzsche: Ironie als „List der Selbsterhaltung“
und eine „List der Verschmitztheit“
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6. Der Glaube an die Ironie: Nietzsche
„Was wisst Ihr davon, was könntet ihr davon
wissen, wie viel List der Selbsterhaltung, wie viel
Vernunft und höhere Obhut – und wie viel
Falschheit mir noch Not tut, damit ich mir immer
wieder den Luxus meiner Wahrhaftigkeit
gestatten darf?“ (Nietzsche, Mensch I, Vorrede I)
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6. Der Glaube an die Ironie: Nietzsche
„Die Philosophen sind allesamt Advokaten,
welche es nicht heißen wollen, und zwar zumeist
sogar verschmitzte Fürsprecher ihrer Vorurteile,
die sie „Wahrheiten“ taufen…“ (Jenseits von Gut und Böse, Aph. 5)
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6. Der Glaube an die Ironie: Nietzsche
„Wie wundervoll und neu und zugleich wie
schauerlich und ironisch fühle ich mich mit
meiner Erkenntnis zum gesamten Dasein gestellt!
Ich habe für mich entdeckt, dass die alte Menschund Tierheit, ja die gesamte Urzeit und
Vergangenheit alles eimpfindenden Seins in mir
fortdichtet, fortliebt, forthasst, fortschließt, - ich
bin plötzlich mitten in diesem Traum erwacht,
aber nur zum Bewusstsein, dass ich eben träume
und dass ich weiterträumen muss, um nicht
zugrunde zu gehen.“ (Fröhliche Wissenschaft, 54)
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6. Der Glaube an die Ironie: Nietzsche
Ironie als Existenzbewältigung
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