Paradigmenwechsel auf dem Büroimmobilienmarkt – Es wird enger

CATELL A | MARKET TR ACKER NOVEMBER 2015
market tracker november 2015
Paradigmenwechsel auf dem B
­ üroimmobilienmarkt –
Es wird enger und innovativer!
Die 14 europäischen Bürohochburgen kannten in den letzten 15 Jahren nur eine Richtung: nach oben.
­Bestände und Nachfrage stiegen ebenso an wie die Zahl der Bürobeschäftigten. Genauso kontinuierlich stieg
aber auch die Leerstandsquote. Was steckt hinter diesem Strukturbruch? Und was bedeutet das für den
Markt heute?
Selbst in dynamischen Aufschwungphasen wie in 2000-2001,
2005-2007 und 2012-2014 konnten leerstehende Büroflächen in
der quantitativen Analyse kaum mehr umgewidmet und einer
Drittverwendung zugeführt werden. Im Klartext heißt das: Die
Immobilien kommen wirtschaftlich und technisch immer
schneller am Ende ihres Lebenszyklus an. Unabhängig von der
Nachfrage gestaltet sich die lang­fristige Vermietung solcher
Flächen für die Eigentümer zunehmend schwierig. Dabei ist die
Nachfrage grundsätzlich da: Angesichts der relativ schwachen
Bautätigkeit in den vergangenen Jahren fällt es vielen Unternehmen heute schwer, an ihren Standorten moderne F
­ lächen zu
finden, da das aktuelle Bestandsangebot nicht mehr den gewandelten Anforderungen der Unternehmen entspricht.
Catella Research geht davon aus, dass sich der strukturelle
Leerstand in den Metropolen weiter erhöhen wird, da der
Anteil an veralteten und nicht mehr marktgängigen Flächen
TABELLE 1: LEERSTANDSRATE UND BÜROFLÄCHENNUTZUNG
IN EUROPÄISCHEN METROPOLEN
Büroflächennutzung*
in 1000 m² (netto)
Leerstandsrate in %
­Standorte
Stockholm
Kopenhagen
Helsinki
Berlin
Frankfurt
Düsseldorf
München
Hamburg
Madrid
Barcelona
Paris ­(Central)
Lyon
London
(­Central)
Luxemburg
Durchschnitt
*
2000
2014
∆ ppt
2000
2014
∆%
6,2
2,4
3,0
9,8
2,0
3,8
0,4
3,1
1,4
2,2
0,8
2,9
10,0
10,3
11,0
7,4
12,6
10,7
5,9
7,4
12,2
15,5
9,6
6,0
+3,8
+7,9
+8,0
-2,4
+10,6
+6,9
+5,5
+4,3
+10,8
+13,3
+8,8
+3,1
9.087
7.686
6.723
11.911
8.045
5.929
11.305
9.152
5.377
2.893
15.126
3.665
10.121
8.032
7.561
13.798
9.038
6.727
12.853
10.658
7.339
3.502
15.642
4.498
+11,4
+4,5
+12,5
+15,8
+12,3
+13,5
+13,7
+16,5
+36,5
+21,1
+3,4
+22,7
2,6
0,8
3,0
6,5
5,5
9,3
+3,9
+4,7
+6,3
Büroflächennutzung = Bürobestand – Leerstand 12.055
1.658
7.901
12.891
2.646
8.950
+6,9
+59,6
+17,9
Quelle: Catella Research
Catella ist ein europaweit führender Financial Advisor und Asset
Manager für die Bereiche Property, Fixed-Income und Equity.
Wir nehmen eine führende Position im Immobiliensektor ein,
mit einer starken lokalen Präsenz in Europa mit rund 500 Mit­
arbeitern in 12 Ländern.
weiter zunimmt. Gleichzeitig wird sich die Nachfrage nach
Büroflächen strukturell verändern. Gründe sind vor allem
Kosten­einsparungen, die temporäre Nutzung von Flächen
sowie der Übergang zu modernen Arbeitsformen in den Unternehmen.
Dies wird folgende Entwicklungen nach sich ziehen:
Umnutzung von leerstehenden Bürohochhäusern zu Wohnhochhäusern: Der latente Wohnungsmangel auf den europäischen Märkten verstärkt diesen Prozess.
Aufsetzen von Bürokonzepten wie Mixed-use oder Arbeitslandschaften: Konzepte mit dem Anspruch, die Koordinaten
des zukünftigen Arbeitens darzustellen (zentrale Lage, mixeduse-Charakter, temporäre Nutzung der Arbeitslandschaft =
shared/coworking spaces) gewinnen an Attraktivität.
Steigendes Investoreninteresse: Investoren werden sich
zunehmend an der Realisierung von Umnutzungskonzepten
und auch Neubauprojekten beteiligen wollen.
ENTWICKLUNG DER BÜROFORMEN
2015
Messbare Effekte der Digitalisierung
Bedeutungsgrad der Büroraumarten bei
umgewidmeten Bestandsbauten
Die Leerstandsraten werden steigen, neue Konzepte
gewinnen an Attraktivität
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
2020
2030
Zunehmende Zentralisierung in CBDs
Großraumbüro
Revibüro
Shared spaces
Kombibüro
Gruppenbüro
Open space Einpersonen-Zellenbüro
Quelle: Catella Research
Coworking spaces
Ihre Ansprechpartner: Dr. Thomas Beyerle
[email protected]
+49 (0)69 31 01 930-220
Carolin Gesell
[email protected]
+49 (0)69 31 01 930-275
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In den letzten 15 Jahren ist die Leerstandsrate in den euro­
päischen Metropolen zum Teil deutlich gestiegen. Einzige Ausnahme ist Berlin. Dies liegt u. E. daran, dass hier sehr viele
Büroflächen aufgrund der positiven wirtschaftlichen Zukunftserwartung und des geringen Preisniveaus nachgefragt werden.
Zudem siedeln sich zurzeit viele Start-ups in der deutschen
Hauptstadt an. Im Schnitt stieg die Leerstandsquote an allen
untersuchten europäischen Bürohochburgen um 6,3 %-Punkte.
Gleichzeitig wuchs die Büroflächennutzung (Bürobestand
abzüglich Leerstand) deutlich an: Sie stieg im Schnitt um
17,9 %. Die höchsten Wachstumsraten weisen Luxemburg und
Madrid auf, für Kopenhagen, Paris und London fallen sie am
geringsten aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass beispielsweise in London und Paris ein höherer Effizienzgrad herrscht,
wenig freie Flächen verfügbar sind bzw. die Preise sowie die
Leerstandsrate im Verhältnis zu den anderen europäischen
Großstädten sehr hoch sind.
Was bedeutet das für die Zukunft? Wenn die Flächenumsätze (Büroflächennutzung) und die Leerstandsrate konstant
steigen, ist für die europäischen Büromarktzonen eine weitere
enorme Verdichtung zu erwarten – sofern sie nicht schon an
einigen Standorten vorliegt.
Die steigenden Leerstandsraten sind die Folge eines
­grundlegenden Strukturwandels
Unsere Gesellschaft wandelt sich von einer Dienstleistungs­gesell­
schaft hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Es
entstehen neue Kommunikationsformen, aus denen sich in den
Unternehmen temporär neue Prozesse und Organisationsstruk­
turen entwickeln. Büros lösen ihre funktionalen Trennungen
auf und werden zu offenen Landschaften mit unterschiedlichen
Zonen und temporär befristetem Charakter. Für die Planung
bedeutet das ein komplexes Herangehen: Es geht nicht mehr
nur um das klassische Büro, sondern um Zonen für Kommunikation, Interaktion, Kooperation, Konzentration, Rückzug und
Entspannung oder Kontemplation. Die neuen Bürokonzepte
werden zunehmend genutzt, um Mitarbeiter zu gewinnen, zu
halten und die Unternehmenskultur insgesamt zu ­fördern.
Wir beschreiten einen Weg, quer durch Europa, auf dem Berufliches und Privates zunehmend verschmelzen. Darauf müssen
Flächen­a nbieter flexibel reagieren können. Temporäre Mietverhältnisse in vermeintlich spartanisch anmutenden Baukörpern,
dafür aber in zentralen Stadtlagen beschreiben die derzeitige
Nachfrage junger Unternehmen geradezu idealtypisch. Die
Mietzahlungsanforderung ist im harten Standortfaktorenkatalog zwar weiter unter den ersten fünf Positionen zu finden; sie
fällt aber kontinuierlich ab. Auf der anderen Seite gehen die
Flächenneuanmietungen gerade im Bereich Finanzdienstleistungen seit 2009 europaweit messbar zurück. Dies stellt ein sehr
sichtbares Zeichen des aktuellen Strukturwandels dar. FinTechs
bzw. Start-ups kompensieren die Flächenreduktion bisher nicht.
Wir werden in Zukunft „enger“ arbeiten
Begleitet von Mietpreisanstieg und Digitalisierungserfordernis
werden Unternehmen künftig weniger Quadratmeter an
Bürofläche nachfragen, primär um Kosten einzusparen. Die
Arbeitsfläche pro Beschäftigtem wird in den europäischen
Bürohochburgen tendenziell sinken. Dies gilt aber zurzeit nicht
für alle Märkte: In Frankfurt, Madrid, Barcelona und Lyon
steigt die pro-Kopf-Fläche. Anzunehmende Begründung hierfür ist, dass ein im Vergleich zur Nachfrage größeres Angebot
an attraktiven Büroflächen besteht. Firmen können sich mehr
Bürofläche leisten. Insgesamt aber steigt die Bürobeschäftigtenzahl in allen untersuchten Märkten in Europa über die letzten
15 Jahre hinweg im Schnitt um 19,3 %. Der damit verbundene
Bedarf an Büro­flächen wird durch die proportionale Zunahme
des Bürobestands gedeckt.
Die Reduktion der Nutzung von Büroflächen ist Ergebnis
eines knallharten Kostendrucks. Viele Unternehmen reduzieren ihre Bürokapazitäten, um Kosten zu sparen und versuchen
gleichzeitig die Produktivität pro Arbeitsplatz zu erhöhen.
Weniger Quadratmeter pro Beschäftigtem – gilt dies als der
neue Zukunftstrend? Aktuell ja, so die Analyse der Zahlen.
Diese Entwicklung wird auch durch Innovationen („Neue
­Konzepte“) und Verhaltensänderungen („Mensch“) forciert
werden und strukturprägend wirken.
TABELLE 2: BÜROBESCHÄFTIGTE UND BÜROBESTAND IN EUROPÄISCHEN METROPOLEN
Standorte
Stockholm
Kopenhagen
Helsinki
Berlin
Frankfurt
Düsseldorf
München
Hamburg
Madrid
Barcelona
Paris (Central)
Lyon
London (Central)
Luxemburg
Durchschnitt
1)
2)
Bürofläche pro
Bürobeschäftigte2) in m²
Bürobestand1) in 1000 m²
Bürobeschäftigte in 1000
Bürobeschäftigte2) pro m²
2000
2014
∆%
2000
2014
∆%
2000
2014
∆%
2000
2014
∆%
424
289
202
570
301
215
435
438
704
472
782
245
662
128
419
510
320
259
703
334
243
503
525
791
553
822
280
776
207
488
+20,3
+10,7
+28,2
+23,3
+11,0
+13,0
+15,6
+19,9
+12,4
+17,2
+5,1
+14,3
+17,2
+61,7
+19,3
9.686
7.875
6.931
13.211
8.210
6.164
11.355
9.442
5.454
2.957
15.255
3.773
12.382
1.670
8.169
11.245
8.955
8.496
14.893
10.338
7.532
13.653
11.508
8.359
4.144
17.301
4.785
13.780
2.800
9.842
+16,1
+13,7
+22,6
+12,7
+25,9
+22,2
+20,2
+21,9
+53,3
+40,1
+13,4
+26,8
+11,3
+67,7
+26,3
21,4
26,6
33,3
20,9
26,7
27,6
26,0
20,9
7,6
6,1
19,3
15,0
18,2
13,0
20,2
19,8
25,1
29,2
19,6
27,1
27,7
25,6
20,3
9,3
6,3
19,0
16,1
16,6
12,8
19,6
-7,4
-5,6
-12,3
-6,1
+1,2
+0,4
-1,7
-2,8
+21,5
+3,3
-1,6
+7,4
-8,8
-1,3
-1,0
0,0467
0,0376
0,0300
0,0479
0,0374
0,0363
0,0385
0,0479
0,1309
0,1632
0,0517
0,0668
0,0549
0,0772
0,0619
0,0504
0,0398
0,0343
0,0509
0,0370
0,0361
0,0391
0,0493
0,1078
0,1579
0,0526
0,0622
0,0602
0,0782
0,0611
+8,0
+6,0
+14,0
+6,5
-1,2
-0,4
+1,7
+2,9
-17,7
-3,2
+1,6
-6,9
+9,6
+1,3
+1,6
Bürobestand (insgesamt) = inkl. Leerstand Im Verhältnis zur Büronutzung = Bürobestand - Leerstand
Quelle: Catella Research, PMA
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