Fortbildung Konsequenzen für die Beurteilung von CAM-Therapien Die vorgeschlagene operationale Definition einer wissenschaftsorientierten Medizin gestattet, einige häufig anzutreffende Differenzen zu CAM-Methoden aufzuzeigen. Auffallend häufig suchen CAM-Vertreter die Wirksamkeit ihrer Methoden nicht durch Heilung von Krankheit, geschweige denn Lebensverlängerung, sondern vor allem anhand der Veränderung von Symptomen zu belegen, die zudem subjektiv und schwer objektivierbar sind. In kontrollierten Studien ergeben sich, wenn überhaupt, nur sehr schwache Überlegenheiten im Vergleich zu einer Placebotherapie. Wegen der pathophysiologischen Heterogenität der genannten Störungen ist für eine klare Indikationsstellung in der Regel wenig gewonnen. Realistisches Ziel der meisten CAM-Methoden ist ganz überwiegend eine Verbesserung der Lebensqualität. Dies erfolgt nicht selten spontan oder ist durch Placeboanwendungen erreichbar. Placeboeffekte sind kein Schwindel, sondern objektivierbare und zunehmend mechanistisch erklärbare Folgen von Symbolen und Ritualen. Im Bereich der Symbole – mit dem Arzneimittel als Zentralsymbol konservativer Medizin – sind beispielsweise überraschende Effektänderungen auf Krankheitssymptome durch wahrheitswidrige Etikettierungen auch pharmakologisch wirksamer Substanzen belegt (Kaptschuk und Miller 2015). Irrige Überzeugungen des Therapeuten von der Wirksamkeit seiner Therapie könnten Placeboeffekte durchaus positiv verstärken. Placebos können Symptome bessern, aber heilen können sie nicht (Enck 2016). Eine Argumentationsstrategie von CAM ist, die Anwendbarkeit der Regeln einer evidenzbasierten Medizin grundsätzlich zu bestreiten. Werden aber CAM-Studien gemacht, sind sie methodisch häufig stark angreifbar. Vor allem aber bleiben negative Ergebnisse meist ohne Konsequenz. Die wissenschaftsorientierte Medizin eliminiert dagegen Methoden mit negativer Evidenz oder auch solche mit deutlicher Unterlegenheit. Prinzipiell unbegrenzt ist dagegen die Aufnahmebereitschaft für überlegene Innovationen. Wenn Wirksamkeit bewiesen wird, ist die Provenienz neuer Möglichkeiten gleichgültig (siehe Artemisinin). Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Manfred Anlauf privat: FriedrichPlettke-Weg 12 27570 Bremerhaven E-Mail: manfred. [email protected] Fon und Fax (n. Anmeldung) 0471 22679 Mobil 0170 3245021 Foto: privat keitsmodells (zum Beispiel HDL steigerndes Torcetrapib, aber kardiovaskulär nicht präventiv) wie auch von solchen mit fehlendem naturwissenschaftskonsistentem Modell und fehlender Evidenz (gilt zum Beispiel nach weitgehendem Konsens für Homöopathika). Praxis: Vogelsand 167 27476 Cuxhaven Fon 04721 42080 | Fax 04721 420825 Bücher Christiane Eichenberg, Stefan Kühne: Einführung in die Onlineberatung und -therapie Grundlagen, Interventionen und Effekte der Internetnutzung Reihe: PsychoMed compact 7 UTB 2014. ISBN: 9783825241315 kart. 32,99 Euro, E-Book 26,99 Euro Das Buch bietet einen guten Start, sich schnell einen Überblick über das Thema Onlineberatung und -therapie zu verschaffen. Es spannt einen Bogen zwischen theoretischen Grundlagen und Rahmenbedingungen, praktischer Anwendungen der modernen Medien und den wachsenden Anforderungen an die (Online-)Berater. Zielgerichtet wird der Leser in die Themenkomplexe Online-Information, -Beratung und -Therapie eingeführt. Diese werden kritisch-neutral mit Vor- und Nachteilen, unter Berücksichtigung der Evaluationen, beschrieben. Häufig finden sich Hinweise über nationale Besonderheiten. Beim Themenfeld „Auswirkun- 230 | Hessisches Ärzteblatt 4/2016 gen der Internetnutzung“ werden exzessive, dysfunktionale, selbstschädigende und deviante Nutzungsweisen behandelt. Informiert wird über Cybermobbing, Computerspielsucht, Cyperchondrie und Cyberstalking. Abgerundet wird das Buch durch die Beschreibung der wachsenden Herausforderungen an die Ausbildung der (Online-)Berater. Die Autoren stellen die geforderten Kompetenzen systematisch dar und gehen auf bestehende Curricula ein. Sie analysieren auch ethische Aspekte der Onlinebehandlung/-therapie. Nach der Lektüre ist festzustellen, dass die neuen Medien auch im Bereich „Beratung und Therapie“ großes Potenzial bieten. Allerdings dürfen diese weder unbedacht noch überkritisch Verwendung finden. Die Studienlage nimmt zu, reicht aber noch nicht aus, um jedmögliche Interventionsarten strikt patientenorientiert einzusetzen. Das Buch zeichnet sich durch einen fundierten Überblick der Studienlagen auf dem Gebiet aus. Es ist jedem zu empfehlen, der sich wissenschaftlich orientiert dem Thema nähern möchte. André R. Zolg, M. Sc. Ärztlicher Referent LÄKH
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