krankenhaus-reform? - St. Marien

KRANKENHAUS-REFORM?
SO NICHT!
Für eine Krankenhaus-Reform,
die wirklich hilft
Vorwort
Unser Gesundheitswesen findet weltweit hohe Anerkennung. Die rund 2.000 Krankenhäuser bundesweit
tragen dazu maßgeblich bei. Sie stehen rund um die
Uhr an 365 Tagen für alle Notfälle bereit und sie sind
nah bei den Menschen, im städtischen wie im ländlichen Raum. 1,2 Mio. qualifizierte und engagierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichern die medizinische Leistungsfähigkeit und die hohe Qualität der
Versorgung von 40 Mio. Patientinnen und Patienten im
Jahr.
Die Krankenhäuser stehen vor großen Herausforderungen und Problemen. Der demografische Wandel,
der medizinische Fortschritt und die steigenden Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger auf der einen,
zunehmende Personalengpässe, hohe Belastungen
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und anhaltende
finanzielle Nöte auf der anderen Seite gefährden den
Fortbestand des Erreichten und eine positive
Weiterentwicklung zum Wohle der Patientinnen und
Patienten. Der Gesetzentwurf für die KrankenhausReform verkennt vollständig die Lage in Deutschlands
Krankenhäusern und gibt auf die großen Zukunftsfragen keine Antworten. Er liefert keine Lösungen für
Probleme, die den Krankenhäusern am meisten unter
den Nägeln brennen und – was noch schlimmer ist –
zum Teil werden diese noch verschärft. Wo Hilfe drauf
steht, sind in Wirklichkeit neue Lasten drin.
Die maßgeblichen Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser werden von der Gesetzgebung bestimmt.
Nach zahlreichen Reformansätzen in den vergangenen
Jahren brauchen wir jetzt endlich eine KrankenhausReform aus einem Guss, die die Probleme dauerhaft
löst. Wir brauchen eine tatsächlich am Wohl des
Patienten orientierte Krankenhaus-Reform, die diesen
Namen verdient, und damit eine Reform, die insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer
Krankenhäuser wieder die Luft zum Atmen gibt.
Die vorliegende Broschüre erläutert, wie das Gesetz am
Ende aussehen muss, damit die Krankenhäuser sich
auf das konzentrieren können, was sie gerne leisten –
gute und qualitätsgesicherte Medizin für alle.
Thomas Reumann, Landrat
Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft
| 03
Die wirklichen Probleme
der deutschen Krankenhäuser
Sicherung des Personals
Die Personalkosten für die 1,2 Millionen Beschäftigten
und ihr jährlicher Anstieg müssen mit den Einnahmen
aus den gesetzlich geregelten Budgets gedeckt werden
können. Das ist nicht der Fall und wird durch die Reform noch verschlechtert.
Investitionen für die Zukunftssicherung
Seit Jahren wird die Substanz der Krankenhäuser
ausgezehrt. Statt notwendiger 6 Milliarden Euro pro
Jahr für Investitionen – ein von Bund und Ländern
anerkannter Bedarf – werden nur 2,7 Milliarden bereitgestellt. Die Reform bringt keine grundlegende
Änderung der Investitionsmisere.
Sicherung der medizinischen Leistungsfähigkeit
Der Behandlungsbedarf der Bevölkerung steigt seit
Jahren. Die demografische Entwicklung und der
medizinische Fortschritt führen zu steigenden Anforderungen. Dafür müssen ausreichend zusätzliche
Mittel bereitgestellt werden. Die Reform sieht aber
überzogene Kürzungen vor.
Verbesserung der Patientenorientierung
Seit Jahren steigt die bürokratische Belastung des
Personals. Es bleibt weniger Zeit für Patienten. Die
Reform bringt eine neue Bürokratie- und Kontrollflut
in die Krankenhäuser.
Sicherung der Notfallversorgung
Die Ambulanzen der Krankenhäuser sind überlaufen.
Die Vergütungen sind nicht ansatzweise kostendeckend. Die Reform bringt auch hier keine wesentliche
Hilfe.
Für die Krankenhäuser bietet diese „Reform“ keine
tragfähige Lösung. Sie gibt keine Antworten auf die
existenziellen Zukunftsfragen, sondern sie vergrößert
die bestehenden Probleme.
Statt des versprochenen
Befreiungsschlags
kommt Kahlschlag.
04 |
| 05
Das sind die Fakten
Deutsche Krankenhäuser arbeiten äußerst wirtschaftlich. Das belegen aktuelle Zahlen – auch im
europäischen Vergleich.
So sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Krankenhäuser seit zehn Jahren
konstant – obwohl die Zahl der Patienten seither
massiv gestiegen ist und ein immer größerer Teil der
Einnahmen in die Personalkosten fließt.
Nach einer Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lagen
2012 die Ausgaben pro Fall in Deutschland bei 4.673
Dollar. Damit behaupten sich die deutschen Krankenhäuser nicht nur in der Qualität ihrer Leistungen,
sondern auch in puncto Wirtschaftlichkeit.
ANTEIL DER KRANKENHAUSAUSGABEN AN DEN
GKV-LEISTUNGSABGABEN RÜCKLÄUFIG
36%
2004
Krankenhausbehandlung
47,17 Mrd. Euro
bei 16,8 Mio. Patienten
Gesamt:
131,16 Mrd. Euro
35%
2014
Krankenhausbehandlung
67,86 Mrd. Euro
bei 18,8 Mio. Patienten
KRANKENHAUSLEISTUNGEN IN DEUTSCHLAND GÜNSTIGER
ALS IN DEN MEISTEN EUROPÄISCHEN LÄNDERN
Niederlande*
Schweiz
11.966
Luxemburg
Norwegen
Belgien
Spanien
Island
Frankreich
Österreich
Deutschland
Finnland
8.018
7.522
6.568
6.410
5.937
5.491
5.089
4.673
4.008
Polen
Krankenhauskosten pro Fall 2012 in Dollar
*Fallzahl aus 2010
2.701
Tschechische Republik
Quelle: OECD
5.503
Slowakei
Gesamt:
193,63 Mrd. Euro
9.657
2.282
Estland
2.095
Ungarn
1.948
Quelle: Statistisches Bundesamt; BMG
KRANKENHÄUSER ARBEITEN EXTREM WIRTSCHAFTLICH
IMMER GRÖSSERER ANTEIL DER KRANKENHAUSEINNAHMEN
FLIESST IN DIE PERSONALKOSTEN
Erlöszuwachs: 15,8 %
Personalkostenzuwachs: 17,5%
60,9%
61,5%
Personalkosten
46 Mrd. Euro
2009
Sachkosten:
29,5 Mrd. Euro
Personalkosten
54 Mrd. Euro
2013
Sachkosten:
33,8 Mrd. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt; BMG
Slowakei
Deutschland
Ungarn
Österreich
Tschechische Republik
Estland
Belgien
Irland
Frankreich
26,39
21,33
21,15
16,87
16,27
12,98
12,80
12,60
10,58
9,40
Schweiz
Dänemark
06 |
Krankenhausfälle je Mitarbeiter 2012
Anmerkung: Vollkräfte
Quelle: OECD
8,31
| 07
Kürzungen statt dringender
finanzieller Hilfen
„In unseren Krankenhäusern und
in unseren Verbänden lösen die
Pläne der Bundesregierung großen
Unmut und eine Welle von Kritik
und Empörung aus.“
Mit diesem Satz wandten sich viele Krankenhäuser vor
dem Beschluss über die Krankenhaus-Reform an das
Bundeskanzleramt. Neben den Schwachpunkten der
Reform sind für die Ablehnung vor allem die geplanten Kürzungen verantwortlich. Allein 2017 würde den
Krankenhäusern 1 Milliarde Euro entzogen:
• Die Streichung des seit 2013 bestehenden Versorgungszuschlags in Höhe von 0,8 Prozent reißt ein
Loch von 500 Millionen Euro. Dies entspricht den
Personalkosten von 10.000 Pflegekräften.
• Neue, überzogene Abschläge sind bei der Vergütung
von zusätzlichem Leistungsbedarf vorgesehen. Mit
diesen Abzügen können die Kosten nicht gedeckt
werden.
„Das ist nicht mehr zu ertragen“
08 |
• Bei der jährlichen Anpassung der Fallpauschalenpreise an die gestiegenen Kosten sieht das Reformgesetz neue Kürzungen vor.
Diese und weitere Verschärfungen vermitteln den Eindruck, dass CDU/CSU und SPD den Finanzierungsrahmen der Krankenhäuser so knapp wie möglich halten
wollen – obwohl bekannt ist, dass mehr als 40 % der
Krankenhäuser schon heute die Kosten nicht mehr
decken können und sich in der Verlustzone bewegen.
Nahezu alle befinden sich in einer angespannten
finanziellen Lage. Dass in dieser schwierigen Situation
neue Kürzungen vorgesehen sind, ist absolut unverständlich und löst massiven Protest aus.
Die Krankenhäuser erkennen an, dass der Gesetzentwurf in Einzelfällen auch Verbesserungen wie
Sicherstellungs-, Zentrums- und Qualitätskostenzuschläge oder das Pflegeförderungsprogramm und den
Investitionsstrukturfonds vorsieht. Dies löst aber nicht
die grundsätzlichen Unzulänglichkeiten der Krankenhausfinanzierung – und ist schon gar kein Ausgleich
für die neuen Kürzungen.
| 09
Krankenhaus-Reform – 10 Kürzungen
... obwohl jeder weiß, dass die
Krankenhäuser unterfinanziert sind
7. Absenkung
von Fallpauschalen
Die gesetzliche Vorgabe zur Absenkung der Bewertungsrelationen und damit letztlich der Fallpauschalenpreise ist für die Krankenhäuser eine zum Teil
massive Preiskürzung.
1. Wegfall des Versorgungszuschlags ab 2017
Seit 2013 werden die Landesbasisfallwerte (Punktewerte) für die Bepreisung der Fallpauschalen zusätzlich um 0,8 % erhöht. Der ab 2017 vorgesehene
Wegfall ist eine Kürzung. Die Kassen sparen ab 2017
jährlich 500 Mio. Euro.
2. Neue Preiskürzungen
Für die Verhandlungen über die Fallpauschalenpreise
gibt die Reform den Kassen drei neue Kürzungskriterien (Produktivität, Fehlbelegungsvermutung, vermutetes ambulantes Potenzial) an die Hand.
3. Neue Mehrleistungsabschläge bis 2018
Für Leistungszuwächse in 2016 werden den betroffenen Krankenhäusern noch in 2017 und 2018 25 %
Mehrleistungsabschläge abverlangt. Aus Sicht der
betroffenen Krankenhäuser eine unverhältnismäßige
Fortsetzung hoher Kürzungen.
10 |
4. Überzogen hohe Fixkostendegressionsabschläge
Im Vergleich zu den Mehrleistungsabschlägen werden
die Fixkostendegressionsabschläge deutlich höher,
deutlich länger und mit deutlich weniger Ausnahmen
versehen. Zudem werden die Abschläge nicht durch
die mit der Reform vorgesehenen Entlastungseffekte
ausgeglichen.
5. Ergänzende Fixkostendegressionsabschläge
Zusätzlich zu den landesweit festgelegten Abschlägen sollen die Kassen weitere Preisabschläge bei
bestimmten Leistungen von den Häusern verlangen
können – Kürzungen durch Rabatte.
10. Rückzahlungen für
Psychiatriestellen
Eine Ausfinanzierung der regulären Stellen hat zu
keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Tariflohnerhöhungen sind durch die gesetzlichen Deckelungen
nie vollständig in die Budgets eingeflossen. Rückzahlungen sind nicht gerechtfertigt.
8. Qualitätsabschläge
Ein höchst streitbehaftetes neues Kürzungsinstrument, das in keinem anderen Bereich des Gesundheitswesens und fast nirgendwo auf der Welt
praktiziert wird.
9. Verschlechterung der
Rahmenbedingung des
Sicherstellungszuschlags
Der Sicherstellungszuschlag soll nur noch gewährt
werden, wenn das gesamte Krankenhaus ein Defizit
vorweist. Bisher war dies keine gesetzlich verankerte
Voraussetzung.
6. Kürzungen beim Bundesbasisfallwert ab 2020
Bislang wird der Bundesbasisfallwert als Maßstab für
die Anpassung der Landesbasisfallwerte (im Rahmen
der Konvergenz der Landespreise an den durchschnittlichen Bundespreis) durch die Grundlohnrate
weiterentwickelt. Ab 2020 soll die regelmäßig niedrigere
durchschnittliche Vereinbarungsrate für die Landesbasisfallwerte der Maßstab sein – eine Kürzung, die
insbesondere die neuen Bundesländer trifft.
„Ein Gesetz gegen die Patienten“
| 11
Personalkosten:
Finanzierungslücke
immer größer
Eine Reform, die wirklich hilft, muss die laufenden
Kosten der Krankenhäuser besser absichern. Das
geht nur, wenn unabwendbare Kostensteigerungen,
insbesondere für das Personal, bei den jährlichen
Vergütungsanpassungen voll berücksichtigt werden.
Hoch qualifizierte Arbeit in Krankenhäusern muss
gut bezahlt werden. Doch wenn die Tarifabschlüsse
den Vergütungen über Jahre davoneilen, bleibt den
Krankenhäusern kein anderer Weg, als weiter am Personal zu sparen, das schon jetzt überlastet ist. Viele
Fachkräfte scheiden vorzeitig aus dem Beruf aus, zu
wenige rücken nach. Die Attraktivität des Arzt- und
Pflegeberufs nimmt Schaden. Patienten beklagen zunehmend die fehlende Zuwendung durch Pflegekräfte
und Ärzte. Obwohl die Politik die Personalengpässe
erkennt, setzt sie weiter auf finanzielle Kürzungen.
Größter Ausgabenblock der Krankenhäuser sind die
Personalkosten, die rund zwei Drittel der Betriebskosten ausmachen. Während die Tariflöhne seit 2006
um über 25 Prozent gestiegen sind, haben sich die
Vergütungspreise für die Behandlungen der Patienten
nur um 16,2 Prozent erhöht. Diese Finanzierungslücke,
Tarifschere genannt, zwingt die Krankenhäuser zu
einem immer knapper bemessenen Personaleinsatz.
Denn Krankenhäuser dürfen nicht wie die Bahn einfach die Preise erhöhen.
„Weniger Geld für Kliniken?“
Das als Ausgleich angekündigte Pflegeförderprogramm mit rund 6.000 zusätzlichen Stellen und 330
Millionen Euro im Jahr 2018 kann nur wirksame Hilfe
bringen, wenn die Grundfinanzierung für die 1,2 Mio.
Beschäftigten der Krankenhäuser gesichert ist. Dazu
ist ein Reformgesetz erforderlich, das
Die Schere kommt dadurch zustande, dass die jährlichen Preisanpassungen per Gesetz begrenzt und
damit gedeckelt sind. Die Personalkosten steigen infolge von Tarifvereinbarungen, während die Preise für
die Krankenhausbehandlungen seit 10 Jahren deutlich
zurückbleiben. Die Finanzierungslücke beträgt inzwischen 5 Milliarden Euro und wird jedes Jahr größer.
Für dieses existenzielle Problem vieler Krankenhäuser gibt es im Gesetzentwurf keine Lösung – stattdessen sogar noch Verschlechterungen.
• hohe Tarifabschlüsse vollständig ausgleicht
• die 500 Millionen Euro aus dem Versorgungszuschlag nicht kürzt
REFORM GEFÄHRDET
ARBEITSPLÄTZE
• keine neuen Kürzungen der Landesbasisfallwerte
bei den jährlichen Preisanpassungen bringt
Die Krankenhaus-„Reform“ sieht vor, bei den
jährlichen Vergütungsverhandlungen zwischen
Krankenhäusern und Krankenkassen zusätzlich Abschläge für Produktivitätsentwicklung
einzuführen. Das heißt: Wenn einzelne Krankenhäuser ihre Produktivität erhöhen, indem
sie mehr Patienten mit dem vorhandenen oder
mit weniger Personal behandeln, führt dies zu
Vergütungskürzungen für alle Krankenhäuser.
TARIFSCHERE
30%
gewichteter Landesbasisfallwert (inkl. Ausgleiche)
TVöD-Anstieg
25%
Δ 9 % ≈ 5 Mrd. Euro
Unterdeckung
20%
15%
10%
* inkl. Berücksichtigung von Tarifrate
und Versorgungszuschlag
5%
Damit konterkariert die Bundesregierung ihre
eigene Politik: die des Gesundheitsministeriums, das den Fachkräftemangel in Krankenhaus und Pflege durch attraktive Arbeitsplätze
verbessern will, und die des Familienministeriums, das die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie fördern will. Mehr Qualität durch
weniger Geld und Personal – diese Formel
geht nicht auf. Die von der Bundesregierung
angestrebte „Stärkung der Pflege am Bett“
kann so unmöglich erreicht werden.
Quelle: eigene Berechnungen
0%
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013*
2014*
2015*
Fazit: Tariflöhne steigen schneller als die Preisanpassung
12 |
| 13
Behandlungsbedarf steigt:
Wartezeiten und Rationierung drohen
Zu Beginn eines jeden Jahres vereinbaren die
Krankenhäuser mit den Krankenkassen die voraussichtlich zu erbringenden Leistungen. Werden mehr
Leistungen vereinbart als im Vorjahr, müssen die
Krankenhäuser in Zukunft mit erheblich höheren
Preisabschlägen rechnen als bisher.
Auch die Krankenhäuser akzeptieren, dass mehr
Behandlungsfälle nicht automatisch zu hundertprozentigen Fallkostensteigerungen führen, denn die
Fixkosten verteilen sich auf eine größere Zahl von
Fällen. Das ist die sogenannte Fixkostendegression.
Umgesetzt wurde sie bislang in Form von Preisminderungen zu Lasten aller Krankenhäuser – auch solcher,
die gar keine Fallsteigerungen hatten.
Die „Reform“ sieht vor, diesen Abzug auf die Häuser zu beschränken, die tatsächlich Mehrleistungen
erbringen. Das ist im Grundsatz zu akzeptieren. Doch
die künftigen Degressionsabschläge sind so überzogen hoch, dass die Kosten, die durch zusätzliche
14 |
Notfall-Ambulanzen:
Hoffnungslos unterfinanziert
Über die Hälfte aller ambulanten Notfälle werden
inzwischen in Krankenhäusern versorgt. Doch diese
erhalten dafür eine viel zu geringe Vergütung. Eine
neue Regelung für dieses drängende Problem sucht
man im Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes
vergeblich.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Entlastung von
40 Millionen Euro ist nur ein Tropfen auf den heißen
Stein. Dringend notwendig sind:
Die durchschnittlichen Kosten einer Notfallbehandlung im Krankenhaus betragen 120 Euro – bezahlt
werden aber nur 32 Euro. Die Differenz von 88 Euro
müssen die Krankenhäuser aus eigenen Mitteln finanzieren. Bei über 10 Millionen ambulanten Notfällen
sind das hochgerechnet rund 1 Milliarde Euro jährlich.
• als langfristig wirkende Maßnahme eine komplette
Neuordnung des ambulanten Notfallbereichs
• als Sofortmaßnahme eine deutliche Erhöhung der
Vergütungen
Leistungen entstehen, mit den gekürzten Vergütungen
nicht mehr gedeckt werden können und daher Verluste drohen. Die „Reform“ fordert hohe Preisreduzierungen über 5 Jahre und nimmt nur wenige Leistungen
davon aus. Das Risiko von mehr Erkrankungen und
Behandlungen wird einseitig auf die Krankenhäuser
abgewälzt. Krankenhäuser, die zusätzliche Patienten
behandeln müssen, werden so in Finanzprobleme
getrieben. Am Ende stehen Wartezeiten und die Rationierung medizinischer Leistungen.
Die Regierung will Qualitätswettbewerb und Spezialisierung. Wenn aber Krankenhäuser infolgedessen
mehr Patienten behandeln, werden sie bestraft. Auch
wenn mehr Notfallpatienten kommen – ein absoluter
Widerspruch. Die Vergütung zusätzlicher Leistungen
muss sachgerecht und fair ausgestaltet sein. Die
Fixkostendegressionsabschläge müssen in Höhe und
Dauer deutlich gemindert werden. Notwendig sind
auch deutlich mehr Ausnahmen als bislang vorgesehen.
| 15
Investitionsstau:
Risiko für die hochwertige
Versorgung
Qualitätsoffensive:
Ja – aber ohne
Qualitätsabschläge
In keinem Bereich des Gesundheitswesens gibt es
so umfangreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen
wie in Krankenhäusern – zu einem großen Teil von
externen Einrichtungen kontrolliert. Umfangreiche
Datenauswertungen und Veröffentlichungen schaffen
größtmögliche Transparenz. Gleichwohl sehen auch
die Krankenhäuser Möglichkeiten, die Qualitätssicherung weiterzuentwickeln, und unterstützen die
von der Koalition ausgerufene „Qualitätsoffensive“.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Qualitätsabschläge verbessern die Qualität aber nicht. Es ist nicht
erkennbar, warum und wie mit diesem Instrument
eine noch bessere Qualität erreicht werden soll. Es
gibt keine Indikatoren für rechtssichere Kürzungs-
entscheidungen. Diese müssten in langwierigen und
aufwendigen Verfahren erst entwickelt werden.
Bürokratieaufwand und Geld, das besser für die
Patientenversorgung eingesetzt wäre.
In den USA, dem Ursprungsland dieses Instruments,
hat sich gezeigt, dass Patienten mit hohen Risiken und
schlechten Behandlungsprognosen Schwierigkeiten
haben, Krankenhäuser und Ärzte zu finden, die sie
behandeln. Dieser Ansatz ist deshalb falsch. Auch die
Krankenkassen lehnen das ab. Qualität und Patientensicherheit brauchen aber ausreichende Ressourcen –
personell und finanziell. Diese Mittel bereitzustellen,
wäre ein wirklicher Beitrag zur Qualitätssicherung.
„Krankenhausreformgesetz:
Schlag ins Gesicht“
Investitionen in Gebäude, Gerätetechnik und Informationstechnologie der Krankenhäuser sind per
Gesetz Pflicht des jeweiligen Bundeslandes. Doch
seit Jahren investieren die Länder zu wenig in ihre
Krankenhäuser: Dem – auch von Bund und Ländern
anerkannten – jährlichen Investitionsbedarf von
bundesweit rund 6 Milliarden Euro stehen tatsächliche Investitionen von nur 2,7 Milliarden pro Jahr
gegenüber.
Der Gesetzentwurf sieht einen „Strukturfonds“ vor,
mit dem die Schließung und Umwidmung von Krankenhäusern in ambulante Versorgungs- und Pflegezentren finanziell unterstützt wird. Dieser Fonds ist
jedoch keine Lösung für das zentrale Problem aller
Krankenhäuser: die unzureichende reguläre Investitionsfinanzierung.
16 |
Investitionen sind die Voraussetzung für Wirtschaftlichkeit, Qualität, Patientensicherheit und Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser als Träger des medizinischen Fortschritts. Die Zukunftsperspektive der
gesundheitlichen Versorgung ist gefährdet, wenn
weiter viel zu wenig Investitionsmittel bereitgestellt
werden.
Wenn, wie in anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, zu erkennen ist, dass die Bundesländer alleine die erforderlichen Mittel nicht aufbringen
können, muss der Bund ergänzende Mittel zur Verfügung stellen. Eine von Bund und Ländern konzipierte
Krankenhaus-Reform muss das Investitionsproblem
nachhaltig lösen.
MDK ALS KRANKENHAUS-KONTROLLEUR UNGEEIGNET
Die Einhaltung der Qualitätsvorgaben soll künftig
der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK)
kontrollieren. Eine von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte und dominierte Institution
würde über Vergütungen und das Fortbestehen von
Krankenhausabteilungen entscheiden.
Es wäre damit zu rechnen, dass ständig kleinste
oder irrelevante Qualitätstatbestände geltend gemacht würden, um Sanktionen oder Mittelkürzungen durchzusetzen. Die Krankenhäuser müssten
dem MDK Einblicke in ihre innere Organisation
bis hin zu Dienstplänen und Personalunterlagen
gewähren und so ihre Souveränität indirekt an die
Krankenkassen übertragen.
Die Überprüfung von Qualitätsvorgaben kann nur
von neutralen Institutionen vorgenommen werden,
etwa von den Landesstellen für Qualitätssicherung,
die schon seit Jahren die externe Qualitätssicherung in den Krankenhäusern durchführen. Der
MDK ist für diese Aufgabe denkbar ungeeignet.
| 17
Appell der Krankenhäuser:
Wir brauchen eine echte Reform
Es muss gelten: Ein Krankenhaus, das wirtschaftlich arbeitet und bedarfsnotwendig ist, muss unabwendbare Kostensteigerungen etwa für Personal,
Energie und Versicherungen refinanziert bekommen. Dies muss der
Maßstab sein. Wenn dies gewährleistet ist, dann ist eine gute Grundlage
für eine konsequente Patientenorientierung geschaffen.
Die Krankenhäuser appellieren an die Bundesregierung
und die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, den
Regierungsentwurf für die Krankenhaus-Reform in
folgenden zentralen Punkten zu überarbeiten:
• Sicherstellung der Finanzierung tariflicher
Personalkostensteigerungen
• Weiterführung des Versorgungszuschlags
• Konsequente Beendigung der Kollektivhaftung –
Schluss mit Kürzungen bei allen Krankenhäusern,
wenn einzelne mehr Patienten behandeln müssen.
• Keine neuen Absenkungen für Produktivität usw.
• Faire Vergütung der Leistungszuwächse – deutliche
Reduzierung des Abschlags in Höhe und Dauer
• Neue Grundlage für die kostengerechte Vergütung
ambulanter Notfallbehandlungen
• Mehr Personal und Investitionen für Qualität –
keine Qualitätsabschläge
• Nicht noch mehr Kontrollen durch den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK) und weniger Bürokratie
18 |
| 19
Stimmen der Empörung:
Die Kritik in den Medien
„Krankenhausreformgesetz:
Schlag ins Gesicht“ (17. Juli 2015)
„Brandbrief der Landräte“ (13. Juli 2015)
„Neues Gesetz kostet Klinikum
eine Million Euro“ (8. Juli 2015)
20 |
„Ein Gesetz gegen die Patienten“ (13. Juni 2015)
„Das ist nicht mehr zu ertragen“ (12. Juni 2015)
„Krankenhausgesetz: Große
Protest-Allianz formiert sich“ (26. Mai 2015)
„Weniger Geld für Kliniken?“ (7. Juli 2015)
„Ärztepräsident kritisiert
Entwurf zur Klinikreform“ (7. Mai 2015)
„Krankenhausgesellschaft und Verdi
protestieren gegen Krankenhausreform“ (24. Juni 2015)
„Ein klares „Nein“ zur
Krankenhausreform“ (7. Mai 2015)
| 21
Kampagne der Krankenhäuser
für eine bessere Reform
In Krankenhäusern überall in Deutschland informiert
die DKG über die geplante Krankenhaus-Reform und
stellt ihre Positionen dar. Zielgruppe sind Patienten,
Angehörige und das Personal.
Von der Notfall-Versorgung bis zur stationären Pflege,
von der Geburtshilfe bis zur Diagnostik und Therapie
mit modernster Medizintechnik: Die Plakatserie zeigt
22 |
zentrale Kompetenzfelder der deutschen Krankenhäuser. Sie unterstreicht das Selbstverständnis der deutschen Krankenhäuser: zu helfen und für die Patienten
da zu sein – ohne Wenn und Aber. Und sie bringt auf
den Punkt, woran die geplante Krankenhaus-Reform
krankt.
Weitere Informationen: www.ihre-krankenhaeuser.de
| 23
Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)
Wegelystraße 3, 10623 Berlin
Tel.: (030) 3 98 01-0
Fax: (030) 3 98 01-30 00
E-Mail: [email protected]