6a GrEStG - Baker & McKenzie

Steuerrecht
Deutschland
Januar 2016
Aktuelle Entwicklungen zur Grunderwerbsteuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern
(§ 6a GrEStG)
Mit der Einführung des § 6a GrEStG (sog. "Konzernprivileg") hat der
Gesetzgeber bekanntlich das Ziel verfolgt, "die Bedingungen für
Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicher und
mittelstandsfreundlicher" auszugestalten (BT-Drs. 17/147, S. 10). Die
Finanzverwaltung hat sich in zwei gleichlautenden Ländererlassen vom
1. Dezember 2010 (BStBl I 2010, 1321) sowie vom 19. Juni 2012 (BStBl I 2012,
662) mit der Auslegung des § 6a GrEStG befasst und sich insgesamt für eine
restriktive Anwendung der Vorschrift ausgesprochen. In der jüngeren
Vergangenheit sind mehrere finanzgerichtliche Entscheidungen ergangen,
die sich überwiegend gegen die Ansicht der Finanzverwaltung stellen und
derzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig sind. Der BFH hat das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) im November 2015 zudem
aufgefordert, den anhängigen Revisionsverfahren beizutreten. Die
Revisionsverfahren betreffen insbesondere die Auslegung des Begriffs des
"herrschenden Unternehmens", die Geltung der Vorbehaltensfrist bei
Umwandlungen zur Neugründung sowie die Geltung der Nachbehaltensfrist
bei Aufwärtsverschmelzungen. Bemerkenswert ist, dass der BFH die
Steuerbefreiung des § 6a GrEStG unter dem Gesichtspunkt einer möglichen
Beihilfe unionsrechtlich für problematisch hält.
Die Grunderwerbsteuer erschwert seit jeher Restrukturierungen im Konzern und
kann dazu führen, dass wirtschaftlich sinnvolle oder notwendige Maßnahmen
unterbleiben müssen ("Umwandlungshindernis"). Vor diesem Hintergrund schuf der
Gesetzgeber mit § 6a GrEStG im Jahr 2009 eine besondere
Grunderwerbsteuervergünstigung, die Grundstücksübertragungen im Rahmen von
bestimmten konzerninternen Restrukturierungen (z.B. Verschmelzungen)
privilegieren sollte.
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Steuerrecht
Voraussetzungen für die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer ist allerdings, dass
an dem begünstigten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes
Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen
abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen
abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Als abhängige Gesellschaften gelten
wiederum nur solche, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das
herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang
("Vorbehaltensfrist")
und
fünf
Jahren
nach
dem
Rechtsvorgang
("Nachbehaltensfrist") unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils
mittelbar zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist.
Nach Erlass der beiden gleichlautenden Ländererlasse sind jedoch mehrere
finanzgerichtliche Entscheidungen ergangen, die sich überwiegend gegen die
Ansicht der Finanzverwaltung stellen und nunmehr beim Bundesfinanzhof
anhängig sind. Die Revisionsverfahren betreffen im Wesentlichen drei
Fragestellungen:
1. Muss es sich bei dem "herrschenden Unternehmen" i.S.d. § 6a GrEStG
um einen Unternehmer i.S.d. § 2 UStG handeln?
2. Ist die Vorbehaltensfrist bei Ausgliederungen zur Neugründung
Voraussetzung für die Anwendung des § 6a GrEStG?
3. Gilt die Nachbehaltensfrist auch für den Fall der Verschmelzung einer
abhängigen Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen?
1.
Begriff des "herrschenden Unternehmens"
§ 6a GrEStG setzt voraus, dass an dem begünstigten Rechtsvorgang
ausschließlich ein "herrschendes Unternehmen" sowie ein oder mehrere
abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Unstreitig ist, dass das Gesetz bezüglich
der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine abhängige Gesellschaft von
einem Rechtsträger i.S.d. § 6a GrEStG "beherrscht" wird, an die Kapitalbeteiligung
des Rechtsträgers (mindestens 95%) und an die Dauer dieser Kapitalbeteiligung
(mindestens fünf Jahre) anknüpft. Offen ist hingegen, welche Voraussetzungen
erfüllt sein müssen, damit ein Rechtsträger auch als "Unternehmen" i.S.d. § 6a
GrEStG qualifiziert. Die Finanzverwaltung greift insoweit auf den
umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG zurück und
versagt die Steuerbefreiung, wenn der betreffende Rechtsträger kein eigenes
umsatzsteuerrechtliches Unternehmen betreibt (z.B. im Falle einer reinen
Holdinggesellschaft).
Ob der Begriff des "herrschenden Unternehmens" i.S.d. § 6a GrEStG tatsächlich
einen Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne voraussetzt, wurde bereits in
mehreren finanzgerichtlichen Entscheidungen thematisiert. Während das FG
München die Frage in seinem Urteil vom 23. Juli 2014 (4 K 1304/13, rkr.)
offengelassen hat, mussten das FG Hamburg, das FG Münster und das FG
Niedersachsen Stellung beziehen.
Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 26. November 2013 (3 K 149/12, rkr.)
entschieden, dass die umsatzsteuerrechtliche Definition des Unternehmers zur
Auslegung des Begriffs des "herrschenden Unternehmens" in § 6a GrEStG
maßgeblich ist und dass sich der begünstigte Rechtsvorgang gegenständlich auf
das unternehmerische Vermögen des herrschenden Unternehmens beziehen
muss. Dieser Auffassung hat sich das FG Münster mit Urteil vom 15. November
2013 (8 K 1507/11 GrE, Rev. eingelegt, BFH II R 50/13) angeschlossen. In beiden
Fällen wurde die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG versagt, weil Anteilseigner
der abhängigen Gesellschaft(en) eine natürliche Person war, die die Anteile an den
abhängigen Gesellschaften in ihrem Privatvermögen hielt.
Das FG Niedersachsen ist dieser Rechtsauffassung mit Urteil vom 9. Juli 2014 (7
K 135/12, Rev. eingelegt, BFH II R 63/14) entgegengetreten. Nach Ansicht des FG
Niedersachsen ergibt sich die Definition des "herrschenden Unternehmens"
unmittelbar aus § 6a GrEStG selbst. Da das Gesetz die Begriffe "herrschendes
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Unternehmen" und "abhängige Gesellschaften" als Gegensatzpaar verwende,
liege ein herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG immer dann vor, wenn
von ihm ein oder mehrere Gesellschaften i.S.d. § 6a GrEStG abhängig seien.
Das FG München hat sich im Jahr 2014 ebenfalls mit der Frage der
unternehmerischen Tätigkeit i.S.d. § 6a GrEStG befasst. In seinem Urteil vom 23.
Juli 2014 (4 K 1304/13, rkr.) ließ das Gericht zwar grundsätzlich offen, ob der
Begriff des "Unternehmens" i.S.d. § 6a GrEStG einen Unternehmer im
umsatzsteuerlichen Sinne voraussetzt und ob die Vorbehaltensfrist auch bei
Ausgliederungen zur Neugründung gilt. Allerdings versagte es dem Kläger die
Steuerbegünstigung, weil das herrschende Unternehmen im Rahmen der
Ausgliederung sein gesamtes Vermögen übertragen hatte und infolge der
Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit des herrschenden Unternehmens
i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG die fünfjährige Nachbehaltensfrist nicht mehr eingehalten
werden konnte. Implizit setzt es damit offenbar trotzdem die umsatzsteuerliche
Unternehmereigenschaft voraus.
2.
Vorbehaltensfrist bei Abspaltung / Ausgliederung zur Neugründung
Weitere Voraussetzung für die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ist, dass das
herrschende Unternehmen an den "abhängigen" Gesellschaften innerhalb von fünf
Jahren vor dem Umwandlungsvorgang zu mindestens 95% ununterbrochen
beteiligt war. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Vorbehaltensfrist
grundsätzlich auch bei Umwandlungen zur Neugründung (z.B. Abspaltung,
Ausgliederung) zwingend einzuhalten mit der Folge, dass die Steuervergünstigung
des § 6a GrEStG in diesen Konstellationen regelmäßig keine Anwendung findet.
Nur für den Fall, dass eine Gesellschaft aus einer anderen Gesellschaft im Wege
der Umwandlung entstanden ist, an der die Muttergesellschaft bereits seit
mindestens fünf Jahren eine Mindestbeteiligung von 95% hält, will die
Finanzverwaltung die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ausnahmsweise
gewähren (sog. "verbundgeborene" Gesellschaft, Tz. 4 des gleichlautenden
Ländererlasses vom 19. Juni 2012, BStBl I 2012, 662).
Die Auffassung der Finanzverwaltung wurde zwischenzeitlich vom FG Düsseldorf
in zwei Entscheidungen zumindest erstinstanzlich verworfen. Das FG Düsseldorf
hat mit seinen Urteilen vom 7. Mai 2014 (7 K 281/14, Rev. eingelegt, BFH II R
36/14) sowie vom 4. November 2015 (7 K 1553/15 GE, Rev. eingelegt, BFH II R
56/15) entschieden, dass die Grunderwerbsteuervergünstigung für konzerninterne
Umstrukturierungen bei einer Ausgliederung bzw. Abspaltung zur Neugründung im
Verhältnis zum aufnehmenden Rechtsträger nicht die Einhaltung der fünfjährigen
Vorbehaltensfrist voraussetzt. Die Vorbehaltensfrist diene der Verhinderung von
Steuerumgehungen durch missbräuchliche Gestaltungen. Bei ausschließlich
konzerninternen Vorgängen sei die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung
aber objektiv ausgeschlossen, weil infolge des Umwandlungsvorganges keine
Grundstücke aus dem Konzernverbund herausgelöst würden.
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3.
Nachbehaltensfrist bei Aufwärtsverschmelzungen
Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG setzt ferner voraus, dass das
herrschende Unternehmen an den "abhängigen" Gesellschaften innerhalb von fünf
Jahren nach dem Umwandlungsvorgang zu mindestens 95% ununterbrochen
beteiligt bleibt. Fraglich ist, ob die Nachbehaltensfrist auch im Falle einer
Aufwärtsverschmelzung der abhängigen Gesellschaft auf das herrschende
Unternehmen gewahrt ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll dies trotz
Gesamtrechtsnachfolge nicht der Fall sein. Bemerkenswert ist allerdings, dass die
Finanzverwaltung ihre noch in Tz. 5 Abs. 1 der gleichlautenden Ländererlasse vom
1. Dezember 2010 (BStBl I 2010, 1321) enthaltene gegenteilige Auffassung nicht
in den gleichlautenden Ländererlass vom 19. Juni 2012 (BStBl I 2012, 662)
übernommen hat. Das FG Nürnberg kommt in seiner Entscheidung vom 16.
Oktober 2014 (4 K 1059/13, Rev. eingelegt, BFH II R 62/14) gleichwohl zu dem
Ergebnis, dass § 6a GrEStG jedenfalls dann auf die Fälle der
Aufwärtsverschmelzung anzuwenden sei, wenn die fünfjährige Vorbehaltensfrist
eingehalten wurde. Eine Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung der
abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen sei als die intensivste
Form des "Behaltens" anzusehen und daher für die Anwendung des § 6a EStG
unschädlich.
Hinweis
Die Finanzgerichte haben sich überwiegend gegen die von der Finanzverwaltung
in ihrem gleichlautenden Ländererlass vom 19. Juni 2012 vertretene Ansicht
gestellt. Der BFH hat das BMF zum Verfahrensbeitritt aufgefordert und lässt in
seinen Beitrittsbeschlüssen vom 25. November 2015 bereits anklingen, dass die
restriktive Position der Finanzverwaltung zum Begriff des "herrschenden
Unternehmens" sowie zur Anwendung der Vor- und Nachbehaltensfristen dem
gesetzgeberischen
Zweck
der
Begünstigungsvorschrift
möglicherweise
zuwiderlaufen
könnte.
Die
grunderwerbsteuerliche
Veranlagung
von
Umstrukturierungen im Konzern sollte deshalb bis zur höchstrichterlichen
Entscheidung offen gehalten werden.
Zu beachten ist allerdings auch, dass der BFH die Steuerbefreiung des § 6a
GrEStG unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Beihilfe für unionsrechtlich
problematisch hält und das BMF aufgefordert hat, mitzuteilen, ob ein
beihilferechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt worden ist. Ein
Mitgliedstaat, der eine notifizierungspflichtige Beihilfe gewährt, ohne diese zuvor
bei der Kommission angemeldet und die Genehmigung durch die Kommission
abgewartet zu haben, verstößt gegen Unionsrecht und kann seitens der
Kommission dazu verpflichtet werden die Beihilfe (hier: gewährte Steuerbefreiung)
zurückzufordern. Sollte sich im Rahmen der weiteren Überprüfung der
beihilferechtlichen Vorschriften herausstellen, dass § 6a GrEStG gegen Art. 107
AEUV verstößt, müssen Steuerpflichtige, die sich in der Vergangenheit erfolgreich
auf § 6a GrEStG berufen konnten, mit einer nachträglichen Grunderwerbsteuerfestsetzung rechnen.
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