Anhörung Ostrandstraße: Weiter gravierende Mängel in der Planung

Dr. Hans-Heinrich Lindemann, Seb.-Bach-Str. 12, 06844 Dessau-Roßlau, 10.07.2015
Anhörung Ostrandstraße: Weiter gravierende Mängel in der Planung
Einwender fordern „Runden Tisch“ für Verkehrsplanung in Dessau
Die über 15 Jahre alte Planung der Ostrandstraße wirft weiter zahlreiche Fragen auf. Nach
Ansicht der Einwender sollte der Stadtrat überprüfen, ob die Planung fortgesetzt und weiter
Finanz- und Personalkapazität für das Projekt verwendet werden soll.
Die Anhörung, die vom 6., 7. und 9. Juli im Ratssaal stattfand, verlief in sachlicher
Atmosphäre. Allerdings gab es weiter grundsätzliche Kritik am Projekt. Nach Auffassung der
Einwender rechtfertigen die Ziele des Bauvorhabens die erheblichen Eingriffe in Natur und
Umwelt nicht. Manche Ziele – wie Lärmminderung an Karl- und Schlachthofstr., Entlastung
von Albrecht- und Kavalierstr. – können zudem auf anderem Wege erreicht werden, wie die
Asphaltierung der Karlstr. deutlich zeigt.
Die als „Ringschluß“ bezeichnete Planung ist gar kein Ringschluss; denn aus
denkmalrechtlichen Gründen durfte die Trasse nicht durch den Schillerpark und über die
Walderseestraße auf die Albrechtstraße/Roßlauer Allee geführt werden. Nach der ersten
Offenlegung der neuen Planunterlagen 2011 wurde deutlich, dass in der Wasserstadt zwei
Grundstücke in Anspruch genommen wurden, deren Eigentümer damit nicht einverstanden
waren. Deshalb plante die Stadt die Trasse dort sowie die Muldbrücke neu – diesmal mit
Ampelkreuzung statt Kreisverkehr, um das historische Deichtor in der Wasserstadt zu
schonen.
Nach der Intervention von Einwendern entschloss sich die Stadt 2013, die Unterlagen
vollständig neu auszulegen. Zu den überarbeiteten Unterlagen fand nun im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens eine erneute Anhörung statt. Im Erörterungstermin vertraten
Mitarbeiter des Tiefbauamts, des Planungsbüros sowie der Verfasser des
Naturschutzfachlichen Beitrags den Vorhabenträger. Über das Ergebnis der Anhörung
(einschließlich hunderter Einwendungen) entscheidet nun die Planfeststellungsbehörde,
nämlich das Bauordnungsamt der Stadt Dessau-Roßlau.
Dermehrere Tage dauernde Erörterungstermin erbrachte – wie schon die Anhörung im Jahre
2011 – zahlreiche grundlegende sowie Detailbedenken gegen das Vorhaben. Sie reichen von
der Ausgestaltung der Radverkehrsanlagen über fehlende Lärmschutzberechnungen zu
Verstößen gegen Vorgaben des Natur- und Artenschutzes. Der angestrebte Nutzen des
Projektes konnte trotz Verweis auf Gutachten und Zahlen in Unterlagen und Antworten auf
die Einwendungen nicht nachvollziehbar belegt werden. Schon über die Datengrundlagen
bestanden Meinungsverschiedenheiten. Konkrete Vorteile – wie die behauptete
Verbesserung der Erschließung des Gewerbegebietes Schlachthof – wurden nicht benannt.
Die auf den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) von 2005 und andere Ratsbeschlüssen
gestützten Ziele der Planung wurden als „politische Vorgaben“ und nicht verhandelbar
bezeichnet. Dagegen verwies der Anwalt der Einwender darauf, dass es sehr wohl rechtlich
überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des Projektes, nämlich „zwingende
Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ (§ 34 Absatz 3 Nr. 1
Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vorliegen. Zudem muss geprüft werden, ob
„zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder
mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen“, gegeben sind (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG).
Beides bestreiten die Einwender von der Bürgerinitiative Dessau-Natürlich Mobil (BI) sowie
vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Möglichkeiten, Verkehr
auf die Westtangente zu verlagern, sind nicht ausgereizt, die Verteilung des Verkehrs in
Albrecht- und Kavalierstr. auf andere innerstädtische Straßen ebenfalls nicht. Dabei hat der
Stadtrat 2014 – nach Vorlage entsprechender Gutachten - selbstbeschlossen, die Kavalierstr.
unabhängig vom Bau der Ostrandstraße umzugestalten.
Die Datenbasis (VEP 2005 und spätere Verkehrszählungen) sowie der Prognosehorizont für
die Verkehrszahlen (2015 bzw. 2025) sind unzureichend; ohnehin ist deutlich, dass die
Belastungen jedenfalls stagnieren und früher angenommene Zuwächst ausbleiben. Positive
und negative Wirkungen der Planung werden nicht zusammenfassend bewertet, so dass eine
Abwägung der Vor- und Nachteile erschwert ist. Vor diesem Hintergrund schlagen die
Einwender vor, die Neugestaltung der Kavalierstraße abzuwarten. Im Zuge der vorgesehenen
Neufassung des VEP, der das gesamte Stadtgebiet sowie Fuß-, Rad und öffentlichen Verkehr
umfassen soll, kann der Bedarf für die Ostrandstr. erneut geprüft werden.
Sie wenden sich zugleich gegen die weitere Nutzung von Finanz- und Personalmitteln für ein
Projekt, dessen Finanzierung nicht absehbar und dessen Nutzen zweifelhaft ist. Vor dem
Hintergrund der abnehmenden Bevölkerung sollten die – faktisch schon geschaffenen –
Prioritäten (Bauhausmuseum; Umgestaltung Kavalierstr.; Schwimmhalle)durch klare
Entscheidungen von Rat und Verwaltung nachvollzogen werden.
In der schriftlichen Erwiderung des Vorhabenträgers werden die Einwendungen durchweg
mit der Bemerkung „Den Hinweisen wird nicht gefolgt“ zurückgewiesen. Die
Planfeststellungsbehörde (Bauordnungsamt) nahm in der Anhörungzahlreiche Gedanken auf
und sicherte eine Prüfung Berücksichtigung zu. Wie vor diesem Hintergrund eine – von der
Planfeststellungsbehörde angekündigte - schnelle Entscheidung über die Planung erfolgen
soll, blieb offen.
BI und BUND sind auf die weiteren Schritte vorbereitet: Sollte die Planfeststellungsbehörde
den Bau der Straße zulassen, prüfen sie eine Klage dagegen. Die Hoffnung auf bessere
Lösungen haben sie nicht aufgegeben.