Anhörung der Sozialpartner im PDG zum TTIP

Anhörung in Ausschuss I des Parlamentes der Deutschprachigen Gemeinschaft
zu TTIP-TISA-CETA
Eupen, den 30.10.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Wirtschafts- und Sozialrat der deutschsprachigen Gemeinschaft vertritt
sowohl die Interessen der Arbeitgeber, als auch die der Arbeitnehmer. Bei
einem so anspruchsvollem Thema wie das transatlantische Handelsabkommen,
treten unsere unterschiedlichen Sichtweisen stärker zum Vorschein und eine
einheitliche Stellungnahme ist in dieser Materie nicht möglich.
In einem ersten Schritt werde ich ihnen als Präsident des Wirtschafts- und
Sozialrates die Stellungnahmen vorstellen, bei der beide Bänke zu einer
Übereinkunft kommen.
In einem zweiten Schritt werde ich als Bezirkssekretär der CSC die
gemeinsamen Positionen der drei Gewerkschaften in der DG zu diesem Thema
darstellen. Danach wird Ludwig Henkes die Position der AVED darstellen.
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände vertreten die Meinung, dass die DG
ihre politische Unabhängigkeit in diesem Abkommen bewahren sollte. Wir
wollen als deutschsprachige Gemeinschaft über den konkreten Textentwurf
abstimmen
können
und
weigern
uns
der
Föderalregierung
unsere
Verantwortung zur Unterzeichnung des Vertrages zu überantworten. Eine
inhaltliche Analyse über die Ausweitung des Abkommens auf die DG hin, ist für
uns der beste Weg eine vernünftige und sachliche Entscheidung zu treffen.
Die Vereinheitlichung der amerikanischen und europäischen Normen, sollte in
beiden Unionen das höchstmögliche Schutzniveau garantieren. Dies gilt sowohl
für die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechte, als auch für den Datenschutz.
Außerdem darf das Handelsabkommen nicht auf Kosten unserer Umwelt oder
Gesundheit ratifiziert werden. Auf dieser Ebene sollen gemeinsame Standards
durch eine Stärkung der Rolle der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände
angewandt und kontrolliert werden.
Ich komme nun zur gewerkschaftlichen Position in der DG.
Die USA haben nur 14 der 189 ILO-Konventionen ratifiziert und allein zwei der
acht
Kernarbeitsnormen
anerkannt:
Abschaffung
der
Zwangs-
und
Kinderarbeit. Nicht unterzeichnet sind die Normen zur Vereinigungsfreiheit
und das Recht auf Kollektivverhandlungen, welche selbst China und Indien
unterschrieben haben.
Wir müssen aus den Fehlern anderer lernen. Das vor 20 Jahren abgeschlossene
NAFTA-Abkommen zwischen Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten hat
für die Bevölkerung der drei Länder schwerwiegende Folgen. Die
Gewerkschaften sind schwächer und die soziale Ungleichheit ist in allen drei
Ländern gestiegen. Vor allem mexikanische Landwirte müssen gegen
subventionierte US-Agrarexporte Konkurs anmelden. Viele von ihnen wandern
ohne Aufenthaltsstatus in die USA aus, wo sie von Großunternehmen für
Hungerlöhne ausgebeutet werden.
Laut einer Studie von Jeronim Capaldo der Tufts University in Massachussetts,
zeichnen sich Belgien, die Niederlande und Finnland als größte Verlierer des
TTIP aus. Allein in Belgien ist mit einem Arbeitsplatzverlust von 60 000 Stellen
zu rechnen. Insbesondere für die DG befürchten wir Hemmnisse, die in kleinen
und mittleren Technologieunternehmen zu Arbeitsplatzverlusten führen.
Die Problematik des Sozialdumpings bekommen wir bereits EU-Intern nicht in
den Griff.
Eine Ausweitung des Marktes
und die Behebung der
Handelsschranken wird das Problem nur verschärfen.
In unseren Augen bedroht das TTIP die Landwirtschaft existenziell und opfert
die Qualität unserer Lebensmittel dem Gewinnstreben. Im Mai 2015 ist eine
neue
europäische
Gesetzgebung,
welche
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krebserregende
Schädlingsbekämpfungsmittel verbieten wollte, unter amerikanischen Druck
vom Tisch gefegt worden 1.
Die öffentliche Umfrage der Europäischen Kommission zu den
privaten
Schiedsgerichten hat eine Rekordteilnahme von 150 000 Antworten erreicht.
97% haben prompt dagegen gestimmt. Das Signal ist eindeutig. Statt das
Konzept der Schiedsgerichte leicht zu ändern, sollte es definitiv aus dem
Handelsvertrag genommen werden. Frau Malström sagt, es wird keine
privaten Gerichte geben. Nichts destotrotz werden ausländische und
inländische Investoren vor zwei verschiedenen Gerichtsbarkeiten stehen.
Wir bitten die Parlamentarier der verschiedenen Fraktionen zu bedenken, dass
sie alle auch von organisierten Arbeitnehmern gewählt wurden. So wie TTIP
und auch die kleine Schwester CETA sich heute präsentieren, sind sie
arbeitnehmerfeindlich, verbraucherfeindlich und gefährden Arbeitsplätze und
Arbeitsbedingungen, auch in unserer DG.
Nicht nur die Gewerkschaften in der DG und in Belgien sind gegen das
Trojanische Pferd TTIP, sondern auch der Europäische Gewerkschaftsbund und
1
Arnaud Zacharie, Nicolas Van Nuffel, Michel Cermak: Point sud, les études du CNCD-11.11.11 : Traité
transatlantique (TTIP) cartographie d’un partenariat controversé, Juni 2015.
die organisierte Zivilgesellschaft in ganz Europa. Daher möchte ich mit einer
Zitat von Barak Obama abschließen: „Wahlen allein machen noch keine
Demokratie“.
Nicht die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger an Stelle des Parlaments,
sondern ihre intensive Einbeziehung vor Entscheidungen sind der richtige Weg.
Das Parlament wird entscheiden. Ich danke ihnen für die Prozedur der
Anhörung und übergebe jetzt das Wort an Ludwig Henkes.