DIEZEIT DIE ZEIT im Taschenformat. Jetzt für Ihr Smartphone! Mit 4 Seiten ZEIT für Österreich PREIS ÖSTERREICH 4,80 € 101158_ANZ_10115800005367 [P].indd 1 15.01.16 09:12 WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR www.zeit.de/apps 4. MAI 2016 No 20 15.01.16 09:11 101159_ANZ_10115900005368 [P].indd 1 Die Kunst des Redens Wie fesselt man das Publikum? Warum reden Frauen anders als Männer? Wo endet Rhetorik, und wo beginnt Propaganda? WISSEN »Merkel hat aus mir einen deutschen Ai Weiwei gemacht« Das erste Gespräch mit Jan Böhmermann nach seiner Staatsaffäre Feuilleton, Seite 41 Jetzt am Kiosk! Der neue ZEIT Studienführer mit dem UniRanking des Centrums für Hochschulentwicklung »I have a dream«. Diesen legendären Satz hat der Bürgerrechtler Martin Luther King oft gesagt; hier fotografiert bei einer Rede am 25. März 1965 in Montgomery/Alabama. © S. F. Somerstein/Getty Images FREIHANDELSABKOMMEN Rauschendes Abschiedsfest Peter Kümmel beim großen Jazzkonzert für Barack Obama im Weißen Haus BUNDESLIGA Angst vor dem Volk Geld gewinnt Merkel will TTIP im Eilverfahren durchbringen, doch wer es retten will, sollte die Verhandlungen jetzt stoppen VON PETRA PINZLER »Red Bull« vor dem Aufstieg: Wie ein Leipziger Retortenclub der Romantik schadet und den Fußball bereichert VON MARTIN MACHOWECZ V A on allen Möglichkeiten, mit denen eine Regierung auf die Veröffentlichung von Geheimdokumenten reagieren kann, ist die denkbar schlechteste, einfach so weiterzumachen wie bisher. Denn dann breitet sich Misstrauen im Land aus, und es wächst die Wut auf »die da oben«, die auf »uns hier unten« schon lange nicht mehr hören. Kaum ein internationales Abkommen ist so um stritten wie die geplante transatlantische Frei handelsvereinbarung TTIP; selten stießen Wirtschaftsverhandlungen auf eine so breite Ablehnung von Linken wie Konservativen. Nun hat Greenpeace einen geheimen TTIP-Vertragsentwurf enthüllt, der alle dunklen Ahnungen übertrifft. Und wie reagiert die Bundeskanzlerin? Angela Merkel will den Vertragsabschluss mit den USA nun noch beschleunigen. Damit vergrößert sie die Vertrauenskrise, in der die Politik ohnehin steckt. Weltweit müsste »made in the USA-EU« zum Qualitätssiegel werden Erst in der vergangenen Woche hatte Merkel gemeinsam mit US-Präsident Barack Obama vehement für TTIP geworben: Das Handelsabkommen werde Wohlstand bringen und auf keinen Fall europäische Errungenschaften gefährden. Nun ist klar: Die USA üben mehr Druck auf die Europäer aus als bisher bekannt. Sie wollen den Verbraucherschutz in der EU lockern; die Europäer sollen mehr Gen-Food und Hormonfleisch kaufen; die europäischen Grenzwerte für Pesti zide in der Landwirtschaft sollen weniger streng sein. Noch ist der Vertrag nicht fertig verhandelt, noch stehen im Entwurf vor allem die Wünsche beider Seiten. Und doch zeigt die Veröffentlichung der Geheimdokumente, dass bei den Verhandlungen etwas grundsätzlich falsch läuft. Eigentlich wollen die Europäer und die Amerikaner ja das größte, modernste und weitreichendste Abkommen aller Zeiten schließen. Was aber genau verhandelt wird, soll möglichst lange geheim bleiben. Die Öffentlichkeit erfährt bis heute nur bruchstückhaft, um was es geht. Selbst Bundestagsabgeordnete dürfen Vertragsentwürfe nur in einem speziellen Leseraum in Berlin einsehen – und hinterher nicht darüber sprechen, was sie dort gelesen haben. Das ganze Prozedere vermittelt nur eine Botschaft: Die Regierungen misstrauen ihren Bürgern. Wen wundert es da, wenn im Gegenzug die Bürger den Politikern immer weniger trauen? Dabei liegt die Stärke westlicher Demokratien doch in Offenheit und Diskussion. Bei jedem Gesetz, das durchs Parlament geht, wird in der Regel ein Entwurf formuliert, über den man streiten kann – und soll. Der Entwurf wird veröffentlicht; dann tauschen Befürworter und Gegner ihre Argumente aus. Wenn alles gut läuft, ist das fertige Gesetz besser als der Entwurf. Wenn nicht, kann das Parlament das Gesetz ablehnen. Oder, nach der nächsten Wahl, mit anderen Mehrheiten ein neues schreiben. All das war bei TTIP nicht vorgesehen. Schlimmer noch: Wenn Details aus den Verhandlungen bekannt wurden, bestätigten sie die Ängste der Bürger, dass Standards gesenkt und Regeln geschleift werden sollen. Widerspruch war nicht vorgesehen. Das ist so, als wollte die Bundesregierung das Grundgesetz ändern – und im Parlament würde über die Details nie gesprochen, weil die einen sie nicht kennen und die anderen nicht über sie reden dürfen. Kein Wunder, dass die meisten Deutschen TTIP ablehnen. Bitter ist das, weil TTIP trotz aller Kritik eine Chance bietet. Gerade eine Exportnation wie Deutschland braucht offene Märkte und faire globale Regeln. Europa und die USA könnten diese Regeln gemeinsam ja tatsächlich viel besser definieren als China oder Russland. Nur müssten sie strengere Regeln zum Schutz von Klima, Umwelt, Sozialstandards und Verbraucherrechten dabei nicht als Last begreifen, sondern als gemeinsame Vision. Sie müssten »made in the USA-EU« zum Qualitätssiegel machen. Unter Zeitdruck geht das nicht, jetzt weniger denn je. Denn die Amerikaner werden auf die Veröffentlichung des Textes eher frostig reagieren und noch weniger Zugeständnisse machen. TTIP rettet man nicht, indem man möglichst schnell zu Ende verhandelt, wie Angela Merkel es will. Wer TTIP retten will, sollte die Verhandlungen jetzt stoppen – und von vorn beginnen. Unabhängig vom vermeintlichen Zeitdruck durch die amerikanischen Präsidentschaftswahlen oder die nächste Bundestagswahl. Und vor allem: ohne Angst vor den eigenen Bürgern. Zur Geheimhaltung siehe auch Wirtschaft, S. 31 www.zeit.de/audio m Wochenende wird sich, wenn keine Wunder mehr geschehen, der deutsche Fußball fundamental verändern. Der mit österreichischem Limonadengeld finanzierte Fußballclub RB Leipzig kann in die Erste Bundesliga aufsteigen. Für traditionsbewusste Fans ist das gleichbedeutend mit dem Untergang des Feierabendlandes. Ein Retortenverein, ein »Konstrukt« ohne Tradition – gegründet, um Werbung für den Red-Bull-Konzern zu machen – wird den Sprung nach ganz oben geschafft haben. Die Proteste dürften gewaltig sein. Dabei bedeutet der Aufstieg von RB Leipzig nicht den Untergang des Fußballs. RB Leipzig macht ihn nicht ungerechter. Sondern gerechter. Die Entscheidung des Brauseverkäufers Dietrich Mateschitz, vor sieben Jahren die Lizenz eines Fünftligisten am Leipziger Stadtrand zu übernehmen, war politisch raffiniert. Drei Viertel aller Deutschen interessieren sich für Fußball. Und doch gibt es keinen anderen Gesellschaftsbereich, in dem der Osten bis heute so diskriminiert ist. In der ersten Liga spielt kein Ost-Club, in der zweiten neben RB Leipzig lediglich Union Berlin. Dynamo Dresden steigt zwar gerade dorthin auf, aber wird auf Jahre hin Not haben, die Klasse zu halten. In den alten Ländern sind die Vereine dagegen reich. Nordrhein-Westfalen hat, wie die neuen Länder, gut 17 Millionen Einwohner – aber fünf Erstligavereine. Clubs, die klug wirtschaften, dominieren. Wer oben ist, kassiert Fernsehprämien und bleibt oben. Wer unten ist, kommt nicht hoch. So sind die Verhältnisse im deutschen Fußball unverrückbar. Unverrückbar westdeutsch. Im Grunde betreibt der Konzern auch nur eine andere Form von »Aufbau Ost« Großunternehmen gibt es im Osten nicht – also keine potenten Sponsoren. In Hessen hat selbst ein Underdog wie Darmstadt 98 die Zentrale eines Weltkonzerns vor der Haustür, die des Pharmariesen Merck nämlich. Dass ein Ost-Tradi tionsverein aus eigener Kraft den Anschluss an Vereine aus Stuttgart oder Hamburg schafft, ist so wahrscheinlich wie ein Gewinn der WM durch das Team von San Marino. Und nun die Revolution: Eine Firma ändert einfach etwas an den Verhältnissen von oben und unten. Allüberall profitierte Ostdeutschland seit Feuilleton, Seite 43 PROMINENT IGNORIERT 1990 von Westhilfen. Jetzt behebt ein österreichischer Großkonzern nach demselben Mechanismus von »Aufbau Ost« die letzte Ungerechtigkeit, und das soll das große Problem sein? Ja, was für ein Sturm da aufbrandet! Anhänger von »Traditionsvereinen« schmieren den Leipziger Fans Buttersäure in den Block, wünschen ihnen auf Plakaten Tod und Krankheit. Dabei war die Entscheidung von Red Bull für Leipzig auch deshalb klug, weil diese Gegend den Fußball liebt. Beim Spiel der DDR-Auswahl gegen die der Tschechoslowakei wurde 1957 in Leipzig mit 110 000 Zuschauern der bis heute gültige deutsche Rekord aufgestellt. Hier wurde auch der DFB gegründet. Also sagt Leipzigs Trainer Ralf Rangnick, dass Leipzig eine »absolute Bereicherung« für die erste Liga wäre: »stimmungsmäßig, fantechnisch, vom Stadion her«. RB Leipzig hat mit den höchsten Zuschauerschnitt der zweiten Liga. Auf den Tribünen anderer Investoren-Vereine, in Wolfsburg oder Leverkusen, mag man sich Erfrierungen holen. In Leipzig erlebt man die Hitze des Herzens. Dennoch ist etwas dran am Einwand jener Fußballnostalgiker, die RB Leipzig für den Beleg dafür halten, dass die schönen alten Zeiten vorbeigehen: Wenn nur einer viel Geld in die Hand nimmt, schafft er es auch nach oben. Darin wohnt große Beliebigkeit. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Leipzig ist nicht die Ursache dieser Entwicklung, sondern ihr Symptom: Mit dem Erfolg des Fußballs als Sportart für breite Schichten ist er interessant geworden für all jene, die mit Werbung viele Menschen erreichen wollen. Die Oberkörperfrei-Romantik, der archaische Männlichkeitssport verabschieden sich in die unteren Ligen. In Leipzig dagegen sieht man Woche für Woche Tausende Kinder im Stadion. Da ist der Fußball wirklich ein Produkt – ein Familienprodukt. Ist das nicht auch romantisch? Kluge Menschen wie der TV-Kommentator Marcel Reif haben erkannt, welche Chance dem Aufstieg von RB Leipzig noch innewohnt: Hier entstehe ein Konkurrent für die Bayern, sagt Reif. Dem Fußball könne RB die Spannung zurückbringen, die im Meisterschaftsrennen zuletzt fehlte. Das wäre gut für alle: Bayern, die endlich wieder gefordert sind. Und Nichtbayern, die wieder mitfiebern können. www.zeit.de/audio Heldentod Ein Marder hat im Europäischen Kernforschungszentrum (CERN) einen Kurzschluss verursacht. Die Supermaschine schaltete sich ab. Die Protonen dort rasen je Sekunde 11 000-mal durch die 27 Kilometer lange Röhre. Der Marder, der sein Können schon an simplen Autos unter Beweis gestellt hatte, suchte die größere Herausforderung. Dass er dabei den Heldentod fand, wird in die Annalen der Mardergeschichte eingehen. GRN. kl. Fotos: Thomas Rabsch/laif; F1online Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon +49-40 / 32 80 ‑ 0; E-Mail: [email protected], [email protected] ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de Abonnement Österreich, Schweiz, restliches Ausland DIE ZEIT Leserservice, 20080 Hamburg, Deutschland Telefon +49-40 / 42 23 70 70 Fax +49-40 / 42 23 70 90 E-Mail: [email protected] o N 20 7 1. J A H RG A N G C 7451 C 20 A 4 190745 104708
© Copyright 2024 ExpyDoc