Gewoehnliche Differentialgleichungen Wintersemester 2014/15 Dozent: Prof. Dr. Gittel Erstellt von: Dominik Vietinghoff und Chiara Hergl Gewoehnliche Differentialgleichungen Rechte Dieses Skript entstand im Jahr 2014/2015 begleitend zu der Vorlesung ’Gewöhnliche Differentialgleichung’. Wir müssen darauf hinweisen, dass es Fehler enthalten kann und entschuldigen uns dafür, wenn diese auftreten. Der Inhalt des Skriptes ist Eigentum von Prof. Dr. Gittel, der diese Vorlesung gehalten hat und darf daher nicht an Dritte weiter gegeben werden. Wir freuen uns immer über Verbesserungen und Vorschläge, also meldet euch doch bei uns, wenn ihr Fehler findet, damit wir diese beheben können. Dominik und Chiara 2 Gewoehnliche Differentialgleichungen Literatur Gewöhnliche Differentialgleichungen Hans-Peter Gittel Mathematik, Wirtschaftsmathematik Universität Leipzig Wintersemester 2014/2015 Mathematisches Institut Literaturhinweise 1. Amann, H.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. De Gruyter 1983 2. Grüne, L., Junge, O.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Vieweg 2009 3. Heuser, H.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Teubner 1989 4. Kamke, E.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Akademische Verlagsgesellschaft 1962 5. Walter, W.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Springer 1990 6. Wirsching, J.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Teubner 2006 Ergänzende Literatur mit MATHEMATICA: 1. Kofler, M., Gräbe, H.-G.: Mathematica: Einführung, Anwendung, Referenz, 4. Auflage. Addison-Wesley 2002 2. Strampp, W., Ganzha, V.: Differentialgleichungen mit Mathematica. Vieweg 1995 3 Gewoehnliche Differentialgleichungen Tabelle einiger Grundintegrale Z xn+1 +c (n 6= −1, n ∈ Z, für n < −1 ist x 6= 0) n+1 Z xα+1 xα dx = +c (α 6= −1, α ∈ R, x > 0) α+1 Z ln x + c für x > 0 dx = = ln |x| + c (x 6= 0) ln(−x) + c für x < 0 x Z ax ax dx = +c (a > 0, a 6= 1) ln a Z cos x dx = sin x + c Z sin x dx = − cos x + c Z dx = tan x + c (x 6= π2 + kπ, k ∈ Z) cos2 x Z dx = − cot x + c (x 6= kπ, k ∈ Z 2 sin x Z cosh x dx = sinh x + c Z sinh x dx = cosh x + c Z dx = tanh x + c 2 cosh x Z dx = − coth x + c (x 6= 0) 2 Z sinh x dx √ = arcsin x + c (|x| < 1) 2 1 − x Z dx = arctan x + c 1 + x2 Z √ dx √ = ln(x + 1 + x2 ) + c 1 + x2 Z √ dx √ (|x| > 1) = ln |x + x2 − 1| + c x2 − 1 Z 1 x + 1 dx +c (|x| = 6 1) = ln 1 − x2 2 x − 1 xn dx = 4 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Gewoehnliche Differentialgleichungen Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 8 1.1 Grundbegriffe, Beispiele: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.2 Wichtige Probleme im Zusammenhang mit gewöhnlichen DGL: . . . . . . . 13 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 17 2.1 DGL mit getrennten Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.3 Exakte Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.4 Implizite DGL 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze 38 3.1 Raum der stetigen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelöf . . . . . . . . . . . . 48 3.3 Existenzsatz von Peano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3.4 Existenzsatz von Cauchy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.4.1 Hilfssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.5 Fortsetzung von Lösungen zu DGL-Systemen und Abhängigkeit von Parametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung 73 4.1 Lineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.2 Lineare DGL-Systeme mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . 79 6 Gewoehnliche Differentialgleichungen Inhaltsverzeichnis 4.3 Lineare DGL n-ter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4.3.1 Anwendung auf lineare DGL n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten aj . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.4 Schwingungs-DGL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5 Qualitative Theorie 106 5.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.2 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.3 Methode von Ljapunoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung 1 Einführung 1.1 Grundbegriffe, Beispiele: Ein Ausdruck der Form F(x, y, y ′, y ′′, . . . , y (n))=0 (⋆) heißt implizite gewöhnliche Differentialgleichung (DGL) n-ter Ordnung Hier: F- gegebene Funktion von (n+2)-Variablen (D(F)) ⊆ Rn+2 , y = y(x), y ′ = . . . , y (n) = dn y dxn dy , dx gesuchte Funktion mit ihrer gew.Abb. bis zur n-ten Ordnung. Unter Lösungen von (⋆) verstehen wir n-mal stetig diffbare Funktion y = y(x) für x ∈ I (z.B. I= (a,b)), sodass F(x, y(x), y ′(x), . . . , y (n)(x))=0 ∀ x ∈ I gilt sowie (x, y(x), . . . , y (n) (x)) ∈ D(F). Ist F linear in allen Variablen außer in x, so heißt die DGL (⋆) linear. Ist (⋆) nach y (n) aufgelöst, d.h. (⋆) ⇔ y (n) =f(x, y, y ′, . . . , y (n−1)) (⋆⋆) , so nennt man die DGL in expliziter Form oder Normalform (f- geg. Fkt mit D(f ) ⊆ Rn+1 . Andernfalls heißt DGL (⋆) in impliziter Form Beispiele: i) (y ′)2 + x = 0 (implizite, nichtlineare, gewöhnliche DGL 1.Ordnung) ii) y ′′ = y ′y (explizite, nichtlineare, gewöhnliche DGL 1.Ordnung) iii) y ′′′ = 4ex y ′ − sinh x (explizite, lineare, gewöhnliche DGL 3.Ordnung) 8 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung iv) aber!: 2 ∂2u + ∂∂xu2 ∂x21 2 = 0 (keine gewöhnliche DGL, sondern partielle DGL 2.Ordnung für ges.Fkt. u = u(x1 , x2 )) Bsp. für das Auftreten von DGL 1. Ein Massenpunkt bewege sich entlang der x-Achse. Wenn man die Geschwindigkeit v(t) zu jeder Zeit t ∈ [t0 , t1 ] kennt, so ergibt sich das Weg-Zeit-Gesetz x = x(t) für diesen Massenpunkt durch dx =⇒ x(t) = x(t0 ) + = v(t) Haupts. DIR dt Z t t0 dx (τ )dτ = x(t0 ) + dt Z t v(τ )dτ (v-stetig) t0 2. Eine ebene Kurve sei definiert durch die Bedingung, dass ihr Anstieg in jedem Punkt gleich der Summe der Koordinaten des Punktes ist. Suchen wir Kurven mit der Darstellung y = y(x), so lautet diese Bed. y ′ = dy dx = x+y? 3. Organischer Wachstum einer Pflanze: y(t)-Pflanzenhöhe zur Zeit t ≥ 0 Differentielles Wachstumsgesetz: y ′(t) = g(y(t)) (1) (Herleitung:y(t + ∆t) − y(t) = ∆t · g(y(t))| : ∆t und lim∆t→0 ) Bemerkung Ähnliche Gesetze gelten für Wachstum (oder auch für Zerfall) von Populationen, (radioaktiven) Materialien , . . . 9 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung Einfache Fälle von (1): a) g = const = g0 , Lösung von (1): y(t) = y(t0 ) + tg0 b) g(y) = ay (1)⇒ y ′ = ay (2) Behauptung: Sei y = y(t) diffbar und y(t) > 0 und genüge der DGL (2) ∀t ∈ [t0 , t1 ], so gilt : y(t) = Ceat für t ∈ [t0 , t1 ] Beweis: Setze z(t) = ln y(t), dann dz dt = y(t) = ez(t) = Ceat (C = ec > 0) dz dy · dy dt = 1 y (2) · y ′ = a ⇒ z(t) = at + c Bedeutung des Wachstumsparameter a : a > 0 ⇒ Pflanze wächst, a < 0 ⇒ Pflanze geht ein Kennen wir zum Zeitpunkt t = t0 die Höhe y(t0 ) = y0 , so ergibt sich die Konstante C ∈ R aus: y0 = y(t0 ) = Ceat0 ⇒ C = y0 e−at0 y(t) = y0 ea(t−t0 ) Damit haben wir das Anfangswertproblem (AWP): y ′ (t) = ay(t), t ∈ [t0 , t1 ] gelöst. AW: y(t0 ) = y0 Allgemeine betrachtet man folgendes AWP zu DGL (⋆⋆): Gegeben seien (n + 1) reelle Zahlen (x0 , y0 , y1, . . . , yn−1 ) ∈ D(f ), f → R Gesucht: Fkt. y = y(x), n-mal stetig diffbar für x ∈ (x0 − α, x0 + α), α > 0, sodass y (n) (x) = f (x, y(x), y ′(x), . . . , y (n−1) (x)) für x ∈ (x0 − α, x0 + α) gilt und die AW: y(x0) = y0 , y ′(x0 ) = y1 , . . . , y (n−1)(x0 ) = yn−1 erfüllt sind. 10 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung 1.2. Geometrische Deutung Die DGL: y ′ = f (x, y) bedeutet, dass jedem Punkt (x, y) ∈ D(f ) ⊆ R2 eine Richtung f (x, y) zugeordnet wird. Es entsteht ein sogenanntes Richtungsfeld der DGL (3) 11 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung Lösen der DGL (2) heißt geometrisch ein solche Kurve y = y(x) zu bestimmen welche ins Richtungsfeld zu (2) "hineinpasst", d.h. in jedem Kurvenpunkt muss der Tangentenvektor mit dem vorgegebenen Richtungsvektor parallel sein. Beim Lösen der AWP muss die gesuchte Kurve noch zusätzlich durch einen vorgegebenen Punkt verlaufen. Beispiel: y ′ = e−x − 2y 12 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung 1.2 Wichtige Probleme im Zusammenhang mit gewöhnlichen DGL: a) Explizite Lösungsverfahren für spezielle Typen von DGL (elementare Integrationsmethoden) b) Allgemeine Existenzsätze Bsp.: (y ′ )2 + 1 = 0 hat keine reelle Lösung. c) Eindeutigkeit von Lösungen 1. Bsp.: y ′ = y 2, y(0) = 0 (1) Behauptung: Ist y = y(x) eine Lösung des AWP für x ∈ [0, x1 ], so muss y ≡ 0 gelten. Beweis Für x ∈ [0, x1 ] : y(x) = Rx (1) y ′(ξ)dξ + y(0) = 0 y 2 (ξ)dξ 0 Sei M = max |y(x)|, dann gilt: x∈[0,x1 ] Rx |y(x)| ≤ M Zx (2) |y(x)| ≤ |y 2(ξ)|dξ ≤ M 2 x 0 |y(x)| ≤ Zx |y 2 (ξ)|dξ ≤ Zx M3 0 |y(x)| ≤ Zx 0 0 x2 (M 2 ξ · | y(ξ) |)dξ = M 3 |{z} 2 ≤M x3 ξ2 | y(ξ) |dξ ≤ M 4 2 |{z} 2·3 ≤M .. . (vollst.Ind.)(0!) xn n! (Mx)n =0 lim |y(x)| ≤ M lim n→∞ n→∞ n! | {z } |y(x)| ≤ M n+1 |y(x)| 13 (2) Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung ⇒y≡0 2. Bsp.: y ′ = y 2/3 , y(0) = 0 Dieses AWP hat 2 Lsg. nämlich y ≡ 0 und y(x) = ( x3 )3 für x ≥ 0 Erg.: In 1.Bsp ist Lösung eind., im 2. nicht. Warum? y ′ = f (x, y) d) Näherungsverfahren (zum Lösen des AWP y(x0 = y0 ) in I = [x0 , x1 ]): i) Differenzenverfahren: Ersetzte Differentialquotient durch Differenzenquotient. Dazu Unterteilung von I durch Teilpunkte: x0 < x1 < · · · < xn = x0+a y Eulerscher Polygonzug b y1 y0 b b b b b x0 x1 x2 x3 x0 + a = xn x Ermittlung von Näherungswerten yk der gesuchten Funktion y in xk gemäß der rekursiven Vorschrift: yk+1 −yk xk+1 −xk = f (xk , yk ) ⇒ yk+1 = yk + (xk+1 − xk )f (xk , yk ), k = 0, . . . , n − 1 ii) Sukzessive Approximation: AWP (3) ⇔ Integralgleichung (IGL) y(x) = y0 + Zx f (ξ, y(ξ))dξ x0 Approximation: y(x) = y0 + Bsp.: y ′ = y, y(0) = 1 Rx f (ξ, y(ξ))dξ (Iterationsfolge) x0 14 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung ≡1 Rx z }| { y0 (x) ≡ 1, y1(x) = 1 + y0 (ξ) dξ = 1 + x y2 (x) = 1 + Rx 0 0 Rx y1 (ξ)dξ = 1 + (1 + ξ)dξ = 1 + x + 0 Mittels vollständiger Induktion: yn (x) = 1 + x + n→∞ −−−→ ex für alle x ∈ R x2 2 x2 2 +···+ xn n! für n ∈ N iii) Potenzreihenmethode: Ansatz für Lösung y = y(x) als Potenzreihe (PR) um den Entwicklungspunkt x0 ∞ P y(x) = a0 + a1 (x − x0 ) + a2 (x − x0 )2 + · · · = an (x − x0 )n n=0 Ist f ebenfalls in eine PR entwickelbar, so ergibt sich durch Einsetzen auf linker und rechter Seite eine PR. Koeff. an ergeben sich dann durch Koeffizientenvergleich. Frage: Unter welchen Bedingungen konvergiert die Verfahren i) - iii) gegen eine Lösung des AWP? e) Qualitatives Verhalten der Lösungen: • stetige Abhängigkeit von AW und anderen Parametern in der DGL • Stabilität, Verhalten im Großen 15 Gewoehnliche Differentialgleichungen 1 Einführung Eulersche Polygonzüge 16 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2.1 DGL mit getrennten Variablen Eine DGL der Form y ′ (x) = (hier: f (x, y) = g(x) h(y(x)) heißt DGL mit getrennten Variablen g(x) ) h(y) Ex.- und Eind.-satz Sei g stetig auf (a, b), h stetig auf (c, d) sowie h 6= 0 auf (c, d). Ist (x0 , y0 ) ∈ (a, b) × (c, d), so existiert ein (a′ , b′ ) ⊆ (a, b), so dass das AWP zu (G) eindeutig lösbar ist. Genauer heißt das: 1) x0 ∈ (a′ , b′ ), (x, y(x)) ∈ (a′ , b′ ) × (c, d) 2) y ′(x) = g(x) h(y(x)) für alle x ∈ (a′ , b′ ) 3) y(x0 ) = y0 Beweis: a) Sei y : (a′ , b′ ) → R eine stetig diffbare Fkt. mit 1)-3): ⇒ h(y(x))y ′(x) = g(x) für alle x ∈ (a′ , b′ ) Rx Rx ⇒ h(y(ξ))y ′(ξ)dξ = g(ξ)dξ (∗) x0 x0 17 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Sind G(x) := Rx g(ξ)dξ und H(y) = x0 H(y0) = 0, so lässt sich (⋆) schreiben: Ry h(η)dη die Stammfunktion mit G(x0 ) = 0, y0 H(y(x)) = G(x) (⋆⋆) Nach Voraussetzung ist G′ = g 6= 0 auf (a, b) G ist streng monoton. Damit ex. die Umkehrfunktion H −1 und (⋆⋆) ist äquivalent zu y(x) = H −1 (G(x)) # Schlussfolgerung: Jede Lösung des AWP zu (G) hat notwendigerweise diese Gestalt und ist folglich eindeutig b) Test, dass y geg. durch # das AWP löst i) y(x0 ) = H −1 (G(x0 )) = H −1 (0) = y0 ii) dy (x) dx = dH −1 (G(x)) dG · dG dx = 1 H ′ (H −1 (G(x))) # · G′ (x) = 1 g(x) h(y(x)) Schematischer Lösungsweg (formal!) 1.) Trennung der Variablen: 2.) Unbestimmte Int.: R dy dx = h(y)dy = g(x) h(y) R ⇒ h(y)dy = g(x)dx g(x)dx + c 3.) Einarbeitung der AW y(x0 ) = y0 (⇒ Bestimmtung von c): 4.) Auflösen nach y = y(x), falls möglich. Ohne 3.) allgemeine Lösung, wenn keine AW geg. Beispiel: y ′ = − xy , y(1) = 1 1. Schritt: ydy = −xdx 18 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2. Schritt: R R ydy = − xdx ⇒ y2 2 2 = − x2 + c ∨ x2 + y 2 = 2c (⇒ allgemeine Lösungen sind Kreise um (0, 0)) 3. Schritt: x = 1 : 12 + y(1)2 = 2c ⇔ 1 + 1 = 2c ⇔ c = 1 √ 4. Schritt: y 2 + x2 = 2 ⇒ y = ± 2 − x2 Wegen AW y(1) > 0 ist y(x) = √ 2 − x2 die Lösung 19 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Eine Differentialgleichung, welche sich leicht auf eine Differentialgleichung mit getrennten Variablen zurückführen lässt, ist die Eulerhomogene DGL: y dy =f (EH) dx x mit gegebener stetiger Funktion f: I ⊆ R → R Bemerkung Differentialgleichung (EH) wird oft als homogene DGL bezeichnet. ACHTUNG! Verwechslungsgefahr mit lin. hom. DGL (2.2) Manchmal bezeichnet man (EH) auch als Ähnlichkeits-Differentialgleichung. Da bei einer Ähnlichkeitstransformation x̃ = αx, ỹ = αy, α > 0 gilt: f x̃ỹ = f y x Im Richtungsfeld zu (EH): Allen Geraden y = mx ist der gegebene Anstieg des Richtungsfeldes gleich h(m) Mit der Substitution z(x) := auf: y(x) ,x x 6= 0 lässt sich (EH) transformieren (EH) y ′ = (xz)′ = z + xz ′ = f (z) (EH) ⇔ z ′ = dz dx = f (z)−z x (EH’) Das ist DGL in den getrennten Variablen x, z dz ( dx = g(x) h(z) mit g(x) = x1 , h(z) = 1 ) f (z)z Aus einer Lösung z = z(x) von (EH’) ergibt sich die Lösung zu (EH) aus y = y(x) = x · z(x). Insbesondere besitzt das AWP zu (EH): f (y) x ′ y = eine eindeutige Lösung, falls das entsprechende AWP zu (EH’) ein y(x0 ) = y0 deutig lösbar ist, das ist gemäß des Existenz-und-Eindeutigkeit-Satzes zu (EH’) dann der Fall, wenn x0 6= 0 und f ( xy00 ) 6= y0 x0 ist. Bemerkung i) Wegen Stetigkeit von f folgt f y x − y x 6= 0 in einer Umgebung U(x0 , y0 ) 20 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung ii) Gilt f y0 x0 = y0 , k0 so z0 = y0 , x0 f (z0 ) = z0 z ′ (x0 ) = 0. Dann löst z(x) = const = c = y0 x0 die Differentialgleichung (EH’), also ist y = cx Lösung zu (EH) Beispiel y 1.) xy ′ = y − x − xe− x , y(1) = 0 Schritt 1: Transf. auf DGL mit getrennten Variablen: y Setze z = xy ⇒ y ′ = z + xz ′ = xy − 1 − e− x = z − 1 − e−z (= f (z)) 1 + e−z , z(1) = y(1) = 0 6= −1 − 1 = f (0) z′ = − 1 x Schritt 2: Lösen der DGL für z dx dz a) Variablentrennung: 1+e −z = − x R dz R dx b) Integration: 1+e = − ln |x| + C −z = − x R ez dz R dz NR: 1+e−z = 1+ez = ln |1 + ez | = ln(1 + ez ) 1 ⇒ 1 + ez = eC |x| = C1 x mit beliebiger reeller Konstante C1 6= 0 c) Auflösung nach z: z = ln( Cx1 − 1) d) Anfangswert einarbeiten: 0 = z(1) = ln( C11 − 1) ⇒ C1 = 2 Schritt 3: Rücksubstitution: y = y(x) = xz(x) = x ln( x2 − 1) 2.) Scheinwerfer L-punktförmige Lichtquelle im Koordinatenursprung Gesucht ist ein Spiegels S welcher alle einfallenden Lichtstrahlen so reflektiert, dass die ausgehenden Strahlen parallel zur x-Achse verlaufen Aus Symmetriegründen soll S eine Rotationsfläche sein, welche durch Rotation einer erzeugenden Kurve y = y(x) mit y > 0 um die x-Achse entsteht. 21 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung In einem Punkt (x, y) auf der gesuchten Kurve gilt: Einfallswinkel α=Ausfallswinkelβ (Reflextionsgesetz) y=y(x)T β ψ α φ b L S ψ = β (Stufenwinkel) y x = tan (Anstieg der Tangente T ) tan(ψ) = y ′(x) = dy dx (Tangentanstieg) φ = ψ + α = 2ψ (Außenwinkelsatz) ⇒ y x = tan(2ψ) = 2 tan(ψ) 1−tan2 (ψ) = 2y ′ 1−(y ′ )2 y − y(y ′)2 = 2xy ′ ⇔ (y ′ )2 + 2 xy y ′ − 1 = 0 q 2 y ′ = − xy ± xy2 + 1 Weil y(x) > 0 sein soll, betrachten wir DGL y ′ = − xy + q x2 y2 +1 q Diese DGL ist eine Eulerhomogene DGL mit f (z) = − 1z + 1 + Standardsubstitution z = y x 1 z2 welche sich mittels lösen (ր ÜA) ′ =1 Ohne Subst.: √x+yy x2 +y 2 p d ⇒ dx ( x2 + y 2 ) p √ R ⇒ x2 + y 2 = dx = x + c ⇔ y 2 = 2cx + c2 also y = 2cx + c2 Ergebnis: Erzeugende Kurve ist ein Parabelstück. Deshalb wird für S ein Parabelstück verwendet. Mit L in ihrem Brennpunkt. 22 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2.2 Lineare Differentialgleichungen Die DGL y ′(x) = a(x)y(x) + s(x) (L) heißt DGL 1. Ordnung. Ist s(x) ≡ 0, so heißt (L) homogen andernfalls inhomogen y ′ (x) = a(x)y(x) (LH) heißt die zu (L) gehörende homogene DGL, s = s(x) Störfunktion Für lineare DGL gilt das Superpositionsprinzip i) Sind y1 , y2 Lösungen der homogenen DGL (LH), so ist auch jede Linearkombination c1 y1 + c2 y2 mit c1 , c2 ∈ R wieder eine Lösung von (LH), denn (c1 y1 + c2 y2 )′ = c1 y1′ + c2 y2′ = c1 (−ay1 ) + c2 (−ay2 ) = −a(c1 y1 + c2 y2 ) ii) Ist y1 Lösung von (LH) und y0 Lösung von (L), so ist die Summe y0 + y1 eine Lösung der inhomogenen Gleichung (L), denn (y0 + y1 )′ = y0′ + y1′ = −(ay0 + s) − ay1 = −a(y0 + y1 ) − s iii) Sind y0 , ỹ0 Lösungen der inhomogenen DGL (L), so ist auch die Differenz y0 − ỹ0 eine Lösung von (LH), denn (y0 − ỹ0 )′ = y0′ − ỹ0′ = −(ay0 + s) + (aỹ0 + s) = −a(y0 − ỹ0 ) 23 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Existenz und Eindeutigkeit für lineare DGL 1.Ordnung Seien a, s stetig auf dem Intervall I ⊆ R dann gilt: 1. Die homogene DGL (LH) hat die allgemeine Lösung (dh. jede Lösung von (LH) lässt sich so darstellen): x Z yH (x) = C exp a(ξ)dξ = CeA(x) (AH) x0 für x, x0 ∈ I A(x) = Rx x0 a(ξ)dξ ! 2. Die allgemeine Lösung y = y(x) der inhomogenen DGL (L) lautet y(x) = ys (x) + yH (x). Wobei ys eine spezielle Lösung von (L) und yH allgemeine Lösung aus 1) 3. Eine spezielle Lösung ys von (L) erhält man durch den Ansatz ys (x) = C(x)eA(x) mit einer zu bestimmenden stetig differenzierbar Funktion C: I → R y ′ = ay + sin I 4. Das Anfangswertproblem zu (L): y(x0 ) = y0 mit x0 ∈ I, y0 ∈ R hat eine eindeutige Lösung, Beweis Die Ansatzmethode in 3) heißt auch Methode der “Variation der Konstanten”: Man fasst in der allgemeinen Lösung (AH) yH von (LH) die Konstante C als von x abhängige Funktion auf und versucht dieses C durch einfache Integration zu ermitteln. Bew. zu 1) Eine Lösung von (LH) erhält man durch Trennung der Variablen R R dy (LH) dy = ay ⇒ dy = adx, für y 6= 0 y ln |y| = A(x) + C1 24 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung |y(x)| = eC1 eA(x) ⇒ y(x) = CeA(x) mit bel. C ∈ R Für jede andere Lösung ỹ(x) von (LH) setzen wir ỹ(x) = z(x)eA(x) (LH) ⇒ ỹ ′ = z ′ eA(x) + zeA(x) A′ (x) = a(x)z(x)eA(x) ⇒ z ′ (x) = 0 ∧ z(x) = const. | {z } =a(x) Beweis zu 2): Ausdruck (A) ist Lösung von (L) nach dem Superpositionsprinzip ii). Für eine Lösung y von (L) gilt nach dem Superpositionsprinzip iii): y − ys löst (LH). Aus 1) folgt die Behauptung. Beweis zu 3): Aus (S): ys′ (x) = C ′ (x)eA(x) + C(x)eA(x) a(x) | {z } =ys (x) Einsetzten in (L): C (x)e ′ A(x) + a(x)ys (x) = a(x)ys (x) + s(x) ⇒ C ′ (x) = s(x)e−A(x) Beweis zu 4): Allgemeine Lösung von (L) ist nach 1)-3): y(x) = Rx s(ξ)e−A(ξ) dξeA(x) + CeA(x) x0 Anfangswert y(x0 ) = y0 ist erfüllt, falls y0 = 0 + CeA(x0 ) = Ce0 = C Rx ⇒ y(x) = s(ξ)e(A(x)−A(ξ)) dξ + y0 eA(x) x0 x x Z Z Zx y(x) = y0 exp a(t)dt + s(ξ) exp a(t)dt dξ x0 | {z x0 =U (x,x0 ) y(x) = y0 U(x, x0 ) + Rx ξ } s(ξ)U(x, ξ)dξ x0 Beispiel y′ = y x + x3 , y(1) = 0 25 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 1. Schritt.: Lösung der zugehörigen hom DGL: y ′ = R dy R dx = x ⇒ ln |y| = ln |x| + C1 y dy dx = y x ⇒ |y| = eC1 · |x| ⇒ yH = Cx mit C ∈ R 2. Schritt.: spezielle Lösung yS der inhomogenen DGL Ansatz: yS (x) = C(x)x yS′ = C ′ x + C = yS (x) = yS x + x3 = Cx x x4 3 + x3 = C + x3 ⇒ C ′ = x2 ⇒ C(x) = x3 3 ⇒ 3. Schritt.: Allg. Lösung der inhomogenen DGL: y(x) = yS (x) + yH (x) = x4 3 +C 4. Schritt.: Einarbeiten des AW: 0 = y(1) = 1 3 + C · 1 ⇒ C = − 13 Lösung des AWP: y(x) = 31 (x4 − x) Bernoullische DGL Eng verwandt mit der linearen DGL 1.Ordnung ist die Bernoullische DGL: (B) y ′(x) = a(x)y(x) + b(x)y α (x) α ∈ R fest Spezialfälle: α = 0 α=1 (L) (LH) Existenz und Eindeutigkeitssatz zu (B) Seien α 6= 0, 1 und a, b stetig auf I ⊆ R, dann besitzt das Anfangswertproblem zu (B) mit Anfangswert y(x0 ) = y0 , y0 > 0, x0 ∈ I genau eine Lösung. Diese Lösung ergibt sich 26 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung durch die Substitution (∗) z(x) := y(x)1−α , wobei die Funktion z einer linearen Differentialgleichung 1.Ordnung genügt. Bemerkung Für α ∈ Z\{0, 1} gilt obiger Satz auch für y0 < 0 Beweis Aus (∗): z ′ = (1 − α)y −αy ′ (∗) Einsetzen in (B): z ′ = (1 − α)y −α(ay + by α ) = (1 − α)(ay 1−αby 0 ) = (1 − α)az + (1 − α)b Das ist die inhomogene lineare DGL für z. Aus Existenz und Eindeutigkeitssatz für (L) 1 folgt Aussage für z und durch Rücktransformation y(x) = z(x) 1−α die Aussage für y. Beispiel Wachstum einer Bakterienpopulation (ր s. Bsp. aus 1.1) Sei P (t) die Größe einer Bakterienpopulation zur Zeit t ≥ 0. Annahme: Vermehrung ist proportional zu P (t) und dem Zeitintervall ∆P = P (t + ∆t) − P (t) = αP (t)∆t mit α Prop.-Fak. ∆t → 0 : dP dt = αP (t) (Wachstums-DGL) Lösung: P (t) = P (0) eαt → +∞, falls P0 > 0 | {z } =P0 D.h. hemmungslos beschleunigte Vermehrung für große Zeiten. I.A. unrealistisch. Anderes Modell: α := γ |{z} Geburtenrate − |{z} τ T odesrate Verhulst (1838): Ersetzung des “Todesanteils” −τ P in Wachstums-DGL durch −τ P 2 ⇒ (Log) dP = γP − τ P 2 dτ 27 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung (Logistische-DGL) γ, τ > 0 (Konst) (Log) ist Bernoullischer DGL mit α = 2 Setze z(t) = P (t)1−2 = R dz = τ − γz ⇒ dt 1 P (t) dz dt dz τ −γz = R = − P 21(t) dP = − P 21(t) (γP (t) − τ P 2 (t)) dt dt − γ1 ln |τ − γz| = t + C1 ⇒ z(t) = Anfangswert: z(0) = 1 P (0) = 1 P0 τ γ + Ce−γt ⇒C= Diskussion der Lösung: F (t) → γP0 τ P0 +0 γ−τ P0 γP0 = γ τ ⇒ P (t) = 28 1 z(t) = γP0 τ P0 +(γ−τ P0 )e−γt Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2.3 Exakte Differentialgleichungen phys. Motivation ~ = (P, Q) ein elektrisches Feld in der x − y-Ebene. Dabei habe E ~ ein Potential U, Sei E ~ =-grad U = −∇U = −(Ux , Uy ) = − ∂U , ∂U d.h. E ∂x ∂y ⇔ P (x, y) = Ux (x, y), Q(x, y) = Uy (x, y) Äquipotentiallinien L={(x, y) ∈ R2 |U(x, y) = c} sei so, dass sie sich stückweise mittels stetig diffb. Fkt. y = y(x) darstellen lassen. Differentieren nach dy = 0 für x ∈ I x: Ux + Uy dx y : Ux dx + Uy = 0 für y ∈ I dy P dx + Qdy = 0 (ED) dy dh. P (x, y) + Q(x, y) = 0 (E) dx (Relation in den Differentialen dx, dy) F (x, y) dx + Q(x, y) = 0 dy Satz Sei (E) bzw. (ED) exakt auf R. Dann sind die Lösungen von (E) (bzw. die von x abhängigen Lösungen von (E)) gegeben durch y = y(x) mit F (x, y(x)) = const. für x ∈ (a, b) Beweis i) Sei y = y(x) eine Lösung von (E). Setze Ψ(x) = F (x, y(x)) = Ψ′ (x) = d F (x, y(x)) dx = (E) (G) dy = 0 ⇒ Ψ(x) = const. für x ∈ (a, b). Fx (x, y(x)) · 1 + Fy (x, y(x))y ′(x) = P + Q dx ii) Sei umgekehrt y eine stetig diffbare Fkt. mit F (x, y(x)) = 0. Wie in Motivation liefert die Differentiation dieser Relation nach x diese Differentialgleichung (E). 29 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Exaktheits-Test: Seien P, Q stetig diffbar auf R. Dann ist die Differentialgleichung (E) (bzw. (ED)) genau dann exakt, falls die Integrabilitätsbedingungen für (P, Q) erfüllt sind: (IB) Py = Qx auf R Beispiel i) cos x + y + (x + y 2 ) y ′ = 0 | {z } | {z } =P =Q Py = 1 = Qx ⇒ Differentialgleichung exakt ii) cos x + y 0 (x + y 2 ) y ′ = 0 | {z } | {z } =P =Q Py = 2y 6= Qx = 1 für y 6= 1 2 ⇒ Differentialgleichung nicht exakt Bemerkung i) Wegen Äquivalenz von Exaktheit und (IB), kaum (IB) auch zur Def. der Exaktheit von (E) benutzt. werden. ii) Die Differentialgleichnug (E) bzw (ED) ist exakt ⇔ P dx+Qdy das totale Differential dF einer Funktion F : R → R ist, dh. dF = P dx + Qdx iii) (E) bzw. (ED) ist exakt ⇔ Kurvenintegral | {z } (2. Art) R P dx + Qdy ist wegunabh. C Im Beweis b) haben wir einen "bequemen"Weg von (x0 , y0 ) nach (x, y) gewählt, nämlich achsenparallel von (x0 , y0 ) nach (x, y0 ) und dann achsenparallel von (x, y0 ) nach (x, y) 30 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Existenz und Eindeutigkeitssatz zu (E) Sei (E) eine auf R exakte Differentialgleichung und Q(x0 , y0 ) 6= 0 für (x0 , y0) ∈ R. Dann P + Q dy = 0 in R dx eine eindeutige Lösung y = y(x) für hat das Anfangswertproblem: y(x0 ) = y0 x ∈ (x0 − ǫ, x0 + ǫ), ǫ > 0 Diese ergibt sich durch Auflösen von F (x, y) = F (x0 , y0 ) nach y, wobei F eine Stamm- funktion zu (E) ist. 31 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Was kann man tun, falls (IB) nicht erfüllt ist? Differentialgleichung (E) ist äquivalent zu M(x, y)P (x, y) + M(x, y)Q(x, y) dy = 0 (EM) dx falls M : R → R nirgends verschwindet Frage: Kann man M so wählen, dass die neue äquivalente Differentialgleichung (EM) exakt ist? D.h. für stetig diffbare M muss für die neuen Koeffizienten von (EM) die Int.-Bedingung gelten: P̃ := MP, Q̃ := MQ P̃y = Q̃x in R Somit muss M der partiellen Differentialgleichung (MP )y = (MQ)x ⇔ M(Py − Qx ) = QMx − P My (M) in R genügen. Eine solche Funktion M heißt Eulerscher Multiplikator oder integrierender Faktor zur Ausgangsdifferentialgleichung (E). Dabei benötigen wir nicht alle Lösungen der Differentialgleichung (M), sondern suchen solche M, bei denen (M) sich als gewöhnliche Differentialgleichung ergibt, etwa M als Funktion von x bzw. y bzw. xy bzw. x + y usw. (Beachte: M ≡ 1 ist Mult. ⇔ die Differentialgleichung (E) war bereits exakt) Beispiel x x 4 2 + 3 + 2 y′ = 0 y y | {z } |{z} =P Py = =Q x −8 y3 , Qx = 2 y ⇒ Py 6= Qx Suche Multiplikator M = M(x, y) zu (⋆) der Form M(x, y) = V (xy) , V R → R in den zwei unaghängigen Variablen x, y 32 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung ⇒ Mx = yV ′ (xy), My = xV ′ (xy) Einsetzen in (M): V (−8 yx3 − y2 ) = 2x yV ′ y −V (8x + 2y 2) = (2xy 3 − 4x2 y − 3xy 3 )V ′ − (4 yx2 + 3)xV ′ · y3 −2V (4x + y 2) = −xy(−2y 2 + 4x + 3y 2)V ′ = −xy(y 2 + 4x)V ′ ⇒ xyV ′ (xy) = 2V (xy) Somit muss V = V (r) der gewöhnliche DGL V ′ (r) = 2r V (r) für r ∈ I genügen. R dV R 2dr = ⇒ ln |V | = 2 ln |r| + C ⇒ V (r) = C1 r 2 mit C1 ∈ R V r Ergebnis: Der Multiplikator M(x, y) = V (xy) = (xy)2 leistet das Gewünschte. x x (⋆) ⇔ (4 2 + 3)(xy)2 + 2 (xy)2 y ′ = 0(∗∗) y y {z } | {z } | =P̃ =4x3 +3x2 y 2 =Q̃=2x3 y Allgemeine Lösung von (⋆⋆) bzw (⋆): 1. Schritt: Test auf Exaktheit: P̃y = 6x2 y = Q̃x ⇒ (⋆⋆) ist exakt 2. Schritt: Stammfunktion F̃ zu (⋆⋆): R R F̃ (x, y) = Q(x, y)dy = 2x3 ydy = x3 y 2 + φ̃(x) F̃y = Q̃ gesichert) Bestimme φ̃ so, dass F̃x = P̃ F̃x = 3x2 y 2 + φ̃′ (x) = 4x3 + 3x2 y 2 ⇒ φ̃(x) = 4x3 ⇒ φ̃(x) = x4 + C ⇒ Stammfunktion F̃ (x, y) = x3 y 2 + x4 + C 3. Schritt: Auflösung nach y F̃ (x, y) = const. ⇔ x3 y 2 + x4 = C̃ q 1 |y| = |x| C̃x − x3 q p 4 1 C̃ 3 y = x c − x für 0 < x < C̃, C̃ > 0 33 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung y= − x1 q C̃ x − x3 für x < − p 4 C̃, C̃ > 0 oder x < 0 für C̃ < 0 2.4 Implizite DGL 1. Ordnung Wir betrachten die DGL F (x, y, y ′) = 0 (IMP) F ist def. für (x, y, p) ⊆ Ω ⊆ R3 und stetig diffbar bezüglich aller 3 Variablen. 1. Weg: Auflösung von (IMP) nach y und Anwendung bekannter Methoden für expl. DGL 2. Weg: Suche Lösung von (IMP) als Kurven in der x − y-Ebene in Parameterdarstellung. Sei y = y(x) eine Lösung von (IMP), welche auf I ⊆ R 2-mal stetig differenzierbar und y ′′(x) 6= 0 für x ∈ I Sei p = y ′(x), x ∈ I. Die Funktion y ′ : I → R besitzt Umkehrfunktion, da y ′′ (x) 6= 0 Diese werde mit x = x(p) bezeichnet. Es gilt y ′(x(p)) = p für alle p ∈ y ′(I) Wir suchen Kurven, x = x(p) und y = y(p), welche eine Lösung von (IMP) ergeben. (IMP) ⇒ F (x(p), y(p), p) = 0 Diff nach p: Fx · NR: dx (Fx dp dx dp + Fy · dy dp + Fp · 1 = 0 dy dp = dy (x(p)) dx = p dx dp dp dx Fp (x(p), y(p), p) = − Fx (x()p, y(p), p) + pFy (x(p), y(p), p) d y(x(p)) dp + p · Fy ) = −Fp ⇔ dx dp = dy Fp (x(p), y(p), p) =− dp Fx (x()p, y(p), p) + pFy (x(p), y(p), p) Diese Auflösung ist möglich, falls Fx + pFy 6= 0 in Ω gilt und System von 2 gewöhnlichen Differentialgleichungen 1. Ordnung. Diese liefern eine Kurve x = x(p), y = y(p), wodurch sich durch Auflösen von x = x(p) nach p eine Funktion p = p(x) ergibt. ⇒ y(x) := y(p(x)) löst dann die Differentialgleichung (IMP) (Nachrechnen!) 34 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Bemerkung i) Gegebenfalls muss geprüft werden, ob durch die Annahme Fx + pFy 6= 0 Lösungen von (IMP) verloren gegangen sind. ii) Diese Lösungsmethode heißt ’Integration der Differentialgleichung durch Differentiation’ (Rezept: Betrachte y ′ = p als Parameter und differentiere (IMP) nach p) iii) In Spezialfällen reduziert sich das System (#) auf gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung für eine gesuchte Funktion. 35 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung Spezialfälle 1. Betrachte y = G(x, y ′) (1) (d.h. (IMP) ist nach y aufgelöst) hier: F (x, y, p) = y − G(x, p) Lösungsmethode angewandt auf (1): y(p) = G(x(p), p) Differentiation nach p: Betrachte dy dp = dy dx · dx dp dy dp = Gx dx + Gp dp = p dx dp ⇒ p dx = Gx dx + Gp dp dp (1⋆ ) dx Gp (x(p), p) = dp p − Gx (x(p), p) gewöhnliche Differentialgleichung 1. Ordnung für x als Funktion von p, falls p 6= Gx (x, p) ist. bzw. dp dx = p−Gx (x,p(x)) Gp (x,p(x)) gewöhnliche Differentialgleichung 1. Ordnung für p als Funk- tion von x. Durch Einsetzen in (1) erhält man y(p) = G(x(p), p), d.h. y als Funktion von p bzw. y(x) = G(x, p(x)), d.h. y als Funktion von x Besonders einfach wird das Verfahren bei DGL vom Typ: y = xf (y ′) + g(y ′) (Also G(x, p) = xf (p) + g(p), Gp = xf ′ (p) + g ′(p), Gx = f (p)) ⇒ 1∗ lautet: dx xf ′ (p) + g ′(p) falls f ′ (p) 6= p = dp p − f ′ (p) Das ist eine lineare inhomogene DGL 1. Ordnung für x = x(p) Beispiel: y = 2xy ′ + ey ′ 1. Schritt: Setze y ′ = p : y = 2xp + ep Differentiation nach p : dy dp = 2 dx p + 2x + ep dp 36 Gewoehnliche Differentialgleichungen 2 Elem. Int-Methoden für DGL 1. Ordnung 2. Schritt: DGL für x = x(p) : dy dp = p dx = 2p dx + 2x + ep dp dp p dx = −2x − ep dp dx dp = 2p x − p1 ep 2.a) Lin. DGL: dx dp = − 2p x ⇒ R dx x = −2 R ⇒ ln |x| = −2 ln |p| + C1 ⇒ xh (p) = dp p C p2 für p 6= 0 für p > 0 oder p < 0 2.b) Spezielle Lsg. der inhom. DGL. C(p) p2 C ′ (p) dxs = dp p2 xs (p) = ⇒ − 2 C(p) = − p2 xs (p) − p1 ep p3 ⇒ C ′ (p) = −pep ⇒ C(p) = (1 − p)ep 2.c) Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: x(p) = xs (p) + xh (p) = ep (1 p2 − p + Ce−p ) 3. Schritt: Einsetzen in DGL: y(p) = 2x(p)p + ep = p2 (C + ep ) − ep Bemerkung 2 Für den Fall f ′ (p) = p ergibt sich die Differentialgleichung y = x( p2 /β) + g(p) (Clairautsche Differentialgleichung, welche eine besondere Behandlung erfordert) 2. Betrachte x = H(y, y ′) (d.h. (IMP) ist nach x aufgelöst) hier :F (x, y, p) = x−H(y, p) Lösungsmethode angewendet auf x(p) = H(y(p), p), Differentiation nach p : Hy dy + Hp dp ⇒ dy dp = p dx = pHy dy + pHp dp dp ⇒ dy pHp (y(p), p) (2∗ ) = dp 1 − pHy (y(p), p) gewöhnliche Differentialgleichung 1.Ordnung für y als Funktion von p 37 dx dp = Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze 3.1 Raum der stetigen Funktionen Wiederholung Sei (M, d) ein metrischer Raum, V ⊆ M und X ein Banachraum, d.h. ein vollständiger normierter Raum. Mit Norm k · k (z.b. X = R, Rn , C, ...) Definition i) f : V → X heißt stetig in x0 ∈ V ⇔ ∀(xn )n ⊆ V : lim xn = x0 : lim f (xn ) = n→∞ n→∞ f (x0 ) ∈ X ii) Eine Folge (fn )n von Funktionen fn : V → X konvergiert (punktweise) auf V gegen f : V → X, falls lim fn (x) = f (x) gilt, ∀x ∈ V . n→∞ d.h. ∀ε∃n0 = n0 (ε, x) ∈ N : kfn (x) − f (x)k < ε, ∀n ≥ n0 iii) Folge (fn ) konvergiert gleichmäßig auf V gegen f , falls ∀ε > 0 ein n0 = n0 (ε) ∈ N0 existiert, sodass ||fn (x) − f (x)|| < ε ist für alle n ≥ n0 und alle x ∈ V (GK) 38 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkung a) Gleichmäßige Konvergenz einer Funktionenfolge (FF) ist eine “stärke” Eigenschaft als punktweise Konvergenz. D.h. aus gleichmäßiger Konvergenz ⇒ punktweise Konvergenz. Aber: Umkehrung gilt i.A. nicht b) Bei gleichmäßiger Konvergenz ist in ε − n0 -Abschätzung das n0 unabhängig von x ∈ V Hier bedeutet die gleichmäßige Konvergenz einer Funktionenfolge (fn ) gegen f , dass ab einem gewissen Index n0 alle Funktionswerte fn (x) in den ε-Schlauch um f liefen. Beispiel n Betrachte fn : [0, 1] → R, definiert durch fn (x) = x 0 für x ∈ [0, 1) n lim fn (x) = lim x = n→∞ n→∞ 1 für x = 1 Die Funktionenfolge (fn ) konvergiert auf [0, 1) punktweise gegen 0, jedoch nicht gleich- mäßig, denn andernfalls gibt es n0 = n0 ( 21 ) mit |fn (x) − 0| = xn < alle x ∈ [0, 1) Speziell: xn0 < ≤ ⇒ lim x→1 1 2 für alle n ≥ n0 und 1 2 1 2 x<1 |{z} =1n0 =1 Aber: Funktionenfolge (fn ) konvergiert jedoch gleichmäßig auf jedem Intervall [0, r] mit 0 < r < 1, denn |fn (x) − 0| = xn ≤ r n < ε für n > n0 (ε) = 39 ln ε ln r und alle x ∈ [0, r] Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Gleichmäßig konvergente Funktionenfolgen 1. Stetigkeit der Grenzfunktion Sei (fn ) gleichmäßig konvergent und V und alle fn stetig auf V gegen f . Dann ist auch die Grenzfunktion f stetig auf V . Beweis (’3ε-Trick’) Benutzte das ε − δ-Kriterium für Stetigkeit. Sei ε > 0, x0 ∈ V ||f (x) − f (x0 )|| = ||(f (x) − fn0 (x)) + (fn0 (x) − fn0 (x0 )) + (fn0 (x0 ) − f (x0 ))|| ≤ ||(f (x) − fn0 (x))|| +||(fn0 (x) − fn0 (x0 ))|| + ||(fn0 (x0 ) − f (x0 ))|| | {z } {z } | (GK) (GK) < ε < ε) Wegen Stetigkeit fn0 in x0 ∈ V gilt: ||fn0 (x) − fn0 (x0 )|| < ε ∀ x ∈ V mit d(x, x0 ) < δ(ε, n0(ε)) = δ̃(ε) ⇒ ||(f (x) − fn0 (x))|| + ||(fn0 (x) − fn0 (x0 ))|| + ||(fn0 (x0 ) − f (x0 ))|| < ε {z } | {z } | {z } | <ε (GK) < ε (GK) < ε) Bemerkung Umkehrung des letzten Satzes ist im Allgemeinen falsch, d.h. aus Stetigkeit der Grenzfunktion muss nicht die gleichmäßige Konvergenz von (fn ) folgen. Gegenbeispiel fn : [0, 1] → R, fn (x) = nx 1+n2 x2 Für x = 0 : fn (0) = 0 → 0 für n → ∞ Für 0 < x ≤ 1 : fn (x) = nx n2 x2 ( 1 +1) n2 x2 d.h. lim fn (x) = 0, also f ≡ 0. → 0 für n → ∞ n→∞ n·1/n Jedoch ist (fn ) nicht gleichmäßig konvergent auf [0, 1], denn |fn ( n1 )−f ( n1 )| = | 1+n 2 /n2 −0| = 1 2 für jedes n ∈ N ⇒ nicht gleichmäßig konvergent. 40 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Fazit: Um gleichmäßige Konvergenz (fn ) zu erhalten, müssen zusätzliche Bedingungen erfüllt ∞ P sein, z.B. bei Funktionenreihen fn (x) mit fn : I → R I ⊆ R n=0 Majorantenkriterium für gleichmäßige Konvergenz von Funktionenreihen: Gilt |fn (x) ≤ cn | für alle x ∈ I und n ∈ N0 = {0} ∪ N und ist P konvergiert fn gleichmäßig auf I. P cn konvergent, so Beweis: (Über Cauchy-Kriterium für Konvergenz von Reihen) k P Sei sk (x) := fn (x) n=0 |sk (x) − sm (x)| = | k P n=m+1 fn (x)| ≤ für k > m > n˜0 (ε) und alle x ∈ I k P cn < ε (⋆) |fn (x)| ≤ n=m+1 n=m+1 | {z } k P ≤cn D.h. (sk (x)) ist für festes x ∈ I eine Cauchy-Folge in R ⇒ (sk (x)) ist konvergent, d.h. ∃ s(x) := lim sk (x) k→∞ k → ∞ in (⋆): |s(x) − sm (x)| ≤ ε für m > n˜0 (ε) und alle x ∈ I D.h. (sm )∞ m=0 konvergiert auf I gleichmäßig gegen s. Beispiel P∞ 1 n=1 n2 sin(nx), x ∈ R Reihe konvergiert gleichmäßig auf R, denn | n12 sin(nx)| ≤ Majorante liefert Behauptung. ∞ P 1 Weiterhin ist f (x) := sin(nx) stetig auf R n2 =1 41 1 n2 · 1 und P 1 n2 konvergente Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkung Kriterium gilt auch für fn : I → C Anwendung des Majoranten-Kriteriums: i) Potenzreihen (PR): ∞ P Die PR an (z − z0 )n , an ∈ C habe einen Konvergenzradius ̺ > 0. n=0 Dann wissen wir, dass diese PR ∀ z ∈ C mit |z − z0 | < ̺ absolut konvergiert. Nach obigem Majoranten-Kriterium konvergiert diese PR auch gleichmäßig auf Ur (z0 ) = {z ∈ C : |z − z0 | ≤ r} falls 0 < r < ̺ ist, denn wählt man z̃ so, dass |z0 − z̃| = r ist, so folgt: P an (z̃ − z0 )n konvergiert absolut und ∀z ∈ Ur (z0 ) hat man |an (z − z0 )n | = |an || n P (z − z0 ) | ≤ |an |r n = |an ||z̃ − z0 |n und |an ||z̃ − z0 |n konvergiert. | {z } ≤r ii) Fourierreihen (FR): Wir betrachten ∞ a0 X + (an cos(nx) + bn sin(nx)), an bn R, x ∈ [−π, π] (FR) 2 n=1 (trigonometrische Reihe) Satz Konvergiert P |an | + |bn |, so konvergiert (FR) gleichmäßig auf [−π, π] und die Grenz- funktion ist stetig und kann 2π-periodisch auf R fortgesetzt werden. 42 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Beweis |an cos(nx) + bn sin(nx)| ≤ |an | | cos(nx)| +|bn | | sin(nx)| Anwendung des Majoranten| {z } | {z } ≤1 ≤1 Kriteriums und 1) liefert Behauptung 2. Integration von Funktionenfolgen 2 0 <x≤1 n fn (x) = 2n − n2 x 1 < x ≤ 2 n n n2 x 0 ≤ x < n1 R1 0 n→∞ fn (x)dx = 1 −→ 1 Berechnung der Grenzfkt. f von (fn ) Für x = 0 fn (0) = 0 → 0 = f (0) 2 x ⇔ x > n2 : fn (x) = 0 → 0 = f (0) R1 R1 D.h. f (x) = 0 ∀x ∈ [0, 1] ⇒ 0 = f (x)dx 6= lim fn (x)dx n→∞ 0 0 R Frage: Wann darf man lim und ...dx vertauschen? Für x > 0 : Wähle n > n→∞ Satz über Vertauschbarkeit von Grenzwertbildung und Integration Sei (fn ) gleichmäßige konvergent auf I ⊆ R, fn : I → R stetig. Rx Rx Weiterhin sei Fn (x) := f (t)dt, f (x) = limn→∞ fn (x), F (x) := f (t)dt für x ∈ [a, b]. a a Dann gilt: (Fn ) konvergiert gleichmäßig auf I und lim Rb n→∞ a Fn (b) → F (b) für n → ∞) fn (t)dt = Rb lim fn (t)dt(⇔ a n→∞ Beweis |fn (t) − f (t)| ≤ max |fn (t) − f (t)| < ε nach (GK) ∀n ≥ n0 (ε) und ∀t ∈ [a, x], x ∈ [a, b] t∈[a,x] (Beachte Stetigkeit von fn , f ) 43 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Rx Rx Rx |Fn (x) − F (x)| = | (fn (t) − f (t))dt| ≥ |fn (t) − f (t)| dt < ε dt = ε(x − a) < ε(b − a) {z } a a | a (1) <ε für n ≥ n0 (ε) und alle x ∈ [a, b] ⇒ Gleichmäßige Konvergenz von (Fn ) Anwendung Berechnung der Fourierkoeffizienten an , bn in (FR) aus der Grenzfunktion ∞ P f (x) = a20 + an cos(nx) + bn sin(nx) n=1 44 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Satz Konvergiert die (FR) gleichmäßig auf [−π, π] gegen die Grenzfunktion f = f (x), so haben die Koeffizienten in (FR) notwendigerweise die Gestalt : 1 an = π Zπ f (x) cos(nx)dx , n ∈ N0 Zπ f (x) sin(nx)dx , n ∈ N −π 1 bn = π −π Beweis (Anwendung der Vertauschbarkeit von Int. und Limes) f (x) = a0 2 ∞ P + (an cos(nx) + bn sin(nx)) konvergiert gleichmäßig auf [−π, π] n=1 Multiplikation mit cos(mx): ∞ P cos(mx)f (x) = a20 + (an cos(nx)+bn sin(nx)) cos(mx) konvergiert ebenfalls gleichmäßig ⇒ Rπ n=1 f (x) cos(mx)dx = −π Fallunterscheidung: Rπ m=0: f (x)dx = −π a0 2 a0 2 Rπ cos(mx)dx+ −π dx + ∞ P (an n=1 hauptung m ∈ N : − Rπ −π f (x) cos(mx)dx = πam ⇒ Behauptung (an n=1 −π Rπ ∞ P a0 2 | Rπ Zπ −π Rπ cos(nx) cos(mx)dx+bn −π =0 sin(nx) cos(mx)dx) −π cos(nx)dx + bn {z Rπ } | Zπ −π sin(nx)dx) = {z =0 a0 2 · 2π ⇒ Be- } ∞ P cos(mx)dx + (an πδmn + bn · 0) = 0 + am π = {z } n=1 −π | =0 Multiplikation mit sin(nx) (statt cos(mx)) liefert bn . Bemerkung i) an , bn in (FR) heißen die Fourierkoeffizienten von f Frage: an , bn existieren auch für riemannintegrierbares f . Wann konvergiert dann diese Fourierreihe und wann gegen f ? (ր Literatur, ÜA) 45 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze ii) Die Menge {cos(nx), sin(nx)|n ∈ N} ∪ {1} bildet ein Orthogonalsystem bezüglich des Rπ Skalarprodukts hf, gi := f (x)g(x)dx (f, g stetig) −π hcos(mx), cos(nx)i = πδmn m, n ∈ N hsin(mx), sin(nx)i = πδmn m, n ∈ N hsin(mx), cos(nx)i = 0 Sei (M, d) ein metrischer Raum, V ⊆ M kompakt, X ein Banachraum (vollständiger normierter Raum) mit Norm || · ||X Definition C(V, X) := {f : V → X|f stetig} Sei x ∈ V . Dann ist die Abbildung x 7→ ||f (x)||X für f ∈ C(V, X) stetig (wegen Stetigkeit der Norm || · ||X und hat ein Maximum auf V ) d.h. ∃ max(||f (x)||X ) =: ||f ||C(V,X) (1) Satz Der Raum C(V, X) bildet zusammen mit || · ||C(V,X) ein Banachraum Beweis a) C(V, X) ist ein lin. Vektorraum mit (αf + βg)(x) := αf (x) + βg(x) für x ∈ V, α, β ∈ | {z } ∈X R(∈ C), f, g ∈ C(x) b) ||.||C(V,X) ist Norm: ||.||X i) ||f ||C(V,X) = 0 ⇔ max ||f (x)||x = 0 ⇔ ||f (x)||X = 0 ∀x ∈ V ⇔ f (x) = 0 ∀b ∈ V x∈V (1) ii) ||λf ||C(V,X) = max ||λf (x)||X = max |λ|||f (x)||X = |λ|||f ||C(V,X) für λ ∈ R(∈ C) x∈V iii) ||f + g||C(V,X) x∈V (1) = max ||f (x) + g(x)||X x∈V ≤ max(||f (x)||X + ||g(x)||X ) x∈V ≤ max ||f (x)||X + max ||g(x)||X = ||f ||C(V,X) + ||g||C(V,X) x∈V x∈V 46 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze c) Nachweis der Vollständigkeit: Sei (fn ) eine Cauchyfolge aus C(X, V ), d.h. zu jedem ε > 0 ∃n0 = n0 (ε) ∈ N, sodass ||fn − fm || < ε ∀n, m ≥ n0 Gemäß (1): max ||fn (x) − fm (x)||X < ε (2) x∈V D.h. für ein festes x ∈ V ist (fn (x)) einen Cauchyfolge in X, da X vollständig ist, konvergiert (fn (x)) gegen f (x) in X, d.h. lim ||fn (x) − f (x)||x = 0 n→∞ Daraus folgt mit Grenzübergang m → ∞ in (2) lim ||fn (x) − fm (x)||X = ||fn (x) − f (x)||X ≤ ε ∀n ≥ n0 (3) m→∞ ⇒ ||fn − f ||C(V,X) := max ||fn (x) − f (x)||X ≤ ε x∈V Aus (3) folgt: (fn ) konvergiert gleichmäßig in X gegen f S.über St. der Grenzfkt. ⇒ gegen f . f ist stetig auf V , d.h. f ∈ C(V, X) und (fn ) konvergiert in C(V, X) Bemerkung i) Konvergenz in C(V, X) ⇔ gleichmäßige Konvergenz auf V bezüglich || · ||X ii) Ist p : V → R eine stetige Funktion, so ||f ||′ := max(ep(x) ||f (x)||X ) (4) x∈V p eine äquivalente Norm auf C(V, X), dann ist e : V → R eine stetige reellwertige Funktion und hat auf V ein Minimum und Maximum, d.h. ∃c1 , c2 > 0 : 0 < c1 ≤ ep(x) ≤ c2 , ∀x ∈ V ⇒ c1 ||f (x)||X ≤ ep(x) ≤ c2 ||f (x)||X . Maximumbildung liefert dann die Behauptung c1 ||f ||′ ≤ ||f ||C(V,X) ≤ c2 ||f (x)||′ 47 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze 3.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelöf Wir betrachten das AWP für ein explizites System von gewöhnlichen Differentialgleichungen 1. Ordnung y1′ = f1 (x, y1 , . . . , yn ), y1 (x0 ) = y10 y2′ = f2 (x, y1 , . . . , yn ), .. . y2 (x0 ) = y20 yn′ = fn (x, y1 , . . . , yn ), yn (x0 ) = yn0 Hier sind n Funktionen f1 , . . . , fn definiert auf Ω ⊆ Rn+1 geg. sowie eine Anfangsstelle x0 ∈ R und n AW y10 , . . . , yn0 ∈ R Gesucht: n Funktionen y1 , . . . , yn welche stetig differenzierbar auf I ∋ x0 sind und (AWP) genügen in I. Abkürzung des AWP in Vektorschreibweise: Setze f = (f1 , . . . , fn ), y = (y1 , . . . , yn ), y 0 = (y10, . . . , yn0 ), y ′ = (y1′ , . . . , yn′ ) (AWP) ⇔ y ′ = f (x, y), y(x0) = y 0 Um (AWP) zu lösen in I = [x0 − α, x0 + α], α > 0 schreiben wir als äquivalente Integralgleichung: y(x) = y 0 + Zx f (ξ, y(ξ))dξ (IGL) x0 x∈I Dabei sei f stetig auf Q := {(x, y) ∈ R1+n ||x − x0 | ≤ a, ||y − y 0 || ≤ b} mit a ≥ α, b > 0. 48 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Äquivalenzsatz Ein auf I stetige Funktionsvektor y ist genau dann Lösung von (AWP) in I, wenn y die (IGL) in I erfüllt. Beweis a) Sei y Lösung von (AWP) Dann ist f (x, y(x)) stetig für x ∈ I Rx Rx Hauptsatz der Dif.- und Int.-Rechnung liefert: y|xx0 = y ′(ξ)dξ = f (ξ, y(ξ))dξ ⇒ x0 (IGL) x0 b) Sei umgekehrt y Lösung von (IGL), so ist nach Hauptsatz der Dif.- und Int.- Rechnung Rx f (ξ, y(ξ))dξ diffbar bzgl. x ∈ I x0 ⇒ y ′ (x) = d (y 0 dx + Rx x0 F (ξ, y(ξ))dξ) = f (x, y(x)) für ein x ∈ I Weiterhin folgt aus (IGL): y(x0 ) = y 0 + 0) = y 0 49 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkung Betrachte Q := {(x, y) ∈ R1+n | |x − x0 | ≤ a, ||y − y 0 || ≤ b} In (IGL) ordnet die rechte Seite T [y] def. durch Zx 0 T [y](x) := y + f (ξ, y(ξ))dξ (OP) x0 n jedem y ∈ C(I, R ) wieder ein Element aus C(I, Rn ) zu, vorausgesetzt f ∈ C(Q, Rn ) und y ∈ N := {w ∈ C(I, Rn ) | ||w(x) − y 0|| ≤ b, ∀x ∈ I} (Hier ist || · || die Maximumsnorm auf Rn , d.h. ||y|| = max |yi | i=1,...,n Folglich lautet (IGL): y = T [y] Fixpunktgleichung (FP) D.h. (AWP) ist äquivalent zu einer Fixpunktgleichung für Operator/Abbildung T in N GLeichung (FP) kann gelöst werden mittels des Banach’schen Fixpunktsatzes (ր Ana II) Dieser besagte: Sei N eine abgeschlossene Teilmenge, des vollständigen metrischen Raumes (M, d) und T eine kontraktive Abbildung von N in N. Dann existiert genau ein Fixpunkt z ∈ N von T. Wir wenden diesen Satz auf T an und erhalten den: Satz von Picard-Lindelöf: Sei x0 ∈ R, y 0 ∈ Rn und f ∈ C(Q, Rn ) mit ||f (x, y)|| ≤ M ∀ (x, y) ∈ Q. Weiterhin genüge f auf Q einer Lipschitz-Bedingung: ||f (x, y) − f (x, ỹ)|| ≤ L||y − ỹ|| für (x, y), (x, ỹ) ∈ Q. (Hier sind L, M unabhängig von x, y, ỹ) Dann besitzt (AWP) eine eindeutig bestimmte Lösung y : I = [x0 − α, x0 + α] → Rn mit α := min{a, Mb } Beweis Wir müssen zeigen: i) T [N] ⊆ N 50 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze ii) T ist kontraktive Abbildung auf N, d.h. ||T [y] − T [ỹ]||C(I,Rn) ≤ q||y − ỹ||C(I,Rn) mit einem q ∈ (0, 1), ∀y, ỹ ∈ N iii) N abgeschlossen bezüglich || · ||C(I,Rn ) (folgt unmittelbar aus Definition von N) Wir wählen als Norm auf C(I, Rn ) die äquivalente Norm ||w||′ = max(e−L|x−x0| · ||w(x)||) x∈I (⇒ ||w(x)|| ≤ e L||x−x0 || ||w|| (1) ) ⇒ (iii) ′ zu i): Sei y ∈ N ||T [y](x) − y 0 || ≤ max | Rx i=1,...,n x 0 (OP ) = || Rx f (ξ, y(ξT dξ)|| = x0 max | Rx i=1,...,n x 0 |fi (ξ, y(ξ))|dξ| ≤ M|x − x0 | ≤ Mα ≤ M Mb = b fi (ξ, y(ξ))dξ| ⇒ T [y] ∈ N (OP ) zu ii): ||T [y](x) − T [ỹ(x)]|| | Rx x0 = x0 | fi (ξ, y(ξ)) − fi (ξ, ỹ(ξ))| dξ| | {z } ≤L||y(ξ)−ỹ(ξ)|| Rx || (f (ξ, y(ξ)) − f (ξ, ỹ(ξ)))dξ|| (1) ⇒ ||T [y](x) − T [ỹ(x)]|| ≤ max | Rx i=1,...,n x 0 ≤ max i=1,...,n LeL|ξ−x0 | ||y − ỹ||′ dξ| Sei x ≥ x0 : ||T [y](x) − T [ỹ](x)|| ≤ L ỹ|| ≤ (eL(x−x0 ) − 1)||y − ỹ||′ Rx x0 ξ=x eL(ξ−x0 ) dξ||y − ỹ||′ = L L1 eLξ−x0 |ξ=x ||y − 0 Analog für x < x0 . Insgesamt erhält man: e−L|x−x0 | ||T [y](x) − T [ỹ](x)|| ≤ e−L|x−x0 | |eL|x−x0| |||y − ỹ||′ {z } | Für x ∈ I ist |x − x0 | ≤ α |1−e−L|x−x0 | |||y−ỹ||′ 1 ≥ e−L|x−x0| ≥ e−Lα ⇒ 1 − e−L|x−x0| ≤ 1 − e−Lα Somit: e−L|x−x0| ||T [y](x) − T [ỹ](x)|| ≤ (1 − e−Lα )||y − ỹ||′ ˜ ≤ q||y − ỹ||′ mit Maximumsbildung über x ∈ I liefert dann ||T [y] − T [y]|| q = 1 − e−Lα ∈ (0, 1) 51 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkung 1. Der Banach’sche Fixpunktsatz liefert die Konvergenz der sukzessiven Approximation yk+1 := T [yk ], d.h. (App) yk+1(x) = y 0 + Zx f (ξ, yk (ξ))dξ x0 k = 0, 1, 2, . . . gegen den Fixpunkt y von T , also gegen die Lösung des AWP. Diese Konvergenz ist Konvergenz in C(I, Rn ) also gleichmäßige Konvergenz auf I. Hier wählen wir als Startfunktion y 0 die konstante Funktion y0 (x) = y 0 Beispiel y ′ = y 2 + x2 mit y(1) = 1 | {z } =:f (x,y) y0 (x) ≡ 1 Rx Rx (App) y1 (x) = 1 + (ξ 2 + y0 (ξ)2 )dξ = 1 + (ξ 2 + 1)dξ = 1 (App) Rx 1 Rx x3 3 +x− 1 3 2 y2 (x) = 1 + (ξ 2 + y1 (ξ)2 )dξ = 1 + (ξ 2 + ( ξ3 + ξ − 13 )2 )dξ 1 1 2. Zur Erfüllung der Lipschitz-Bedingung bezüglich y für gegebene Funktion f : Q → Rn Ist f im Inneren von Q int(Q) diffbar bezüglich y1,...,n und sind die partiellen Ablei ∂f ∂f tungen ∂yi gleichmäßig beschränkt auf Q, d.h. ∂yi (x, y) ≤ K ∀(x, y) ∈ Q so ist diese Bedingung erfüllt. (Insbesondere ist (⋆) erfüllt bei stetig diffbaren f auf Q) 52 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Beweis Benutze den Mittelwertsatz der Differentialrechnung g(t) := fi (x, ỹ + t(y − ỹ)), t ∈ (0, 1) |fi (x, y) − fi (x, ỹ| = |g(1) − g(0)| = g ′(t̃)(1 − 0) = | n P j=1 ∂fi (x, ỹ ∂yj n ∂f P i | (...)| |yj − ỹj | ≤ K · n max |yj − ỹj | = K · n||y − ỹ|| j=1,...,n j=1 ∂yj | {z } leqK 53 für die reelle Funktion + t̃(y − ỹ)(yj − ỹj )| ≤ Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze 3.3 Existenzsatz von Peano Wir konstruieren für eine Lösung des AWPs: y ′ = f (x, y), y(x0)0y 0 (AWP) Näherungslösungen mittels Differenzenverfahren. Dabei sei x ∈ [x0 , x0 + α] und Z = Z (m) eine Zerlegung von I, d.h.: Z : x0 < x1 < x2 < · · · < xm = x0 + α y x ∈ Ik := [xk , xk+1 ] Pk+1 b P2 y2 b P0 y0 y1 b Pk x b b P1 x0 x1 x2 xk xk+1 b Pn x x0 + α = xm In xk wird der Differentialquotient y ′ (xk ) ersetzt durch den Differentenquotienten ⇒ y(xk+1 − y(xk ) = f (xk , y(xk )) (DQ) xx+1 − xk | {z } k=0,...m−1 Damit erhält man ein rekursives System zur Berechnung der Werte y(xk ) =: yk in den m + 1 Unterteilungspunkten von I: y0 = y 0 gegeben durch die Anfangswerte y1 = y0 + (x1 − x0 )f (x0 , y0 ) .. . yk+1 = yk + (xx+1 − xk )f (xk , yk ) (RS) 54 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Durch die Punkte Pk = (xk , yk ) (k = 0, . . . , m − 1) wird ein Polygonzug gelegt. Dieser heißt Euler-Cauchyscher Polygonzug und wird als Näherung für die exakte Lösung des (AWP) betrachtet. Gleichung für Polygonzug: y (m) (x) = yk + (x − xk )f (xk , yk ) (x ∈ Ik ) Bequem ist es, diese Formel in folgender Form zu schreiben: Rx Sei F (n) (x) = f (xk , yk ) für x ∈ Ik , so y (m) (x) = yk + F (m) (ξ)dξ bzw. xk y(x) = y0 + Zx F (m) (ξ)dξ (ECP) x0 Beispiel Verwendet man eine äquidistante Zerlegung Z von I, d.h. xk+1 − xk = h, so xk+1 = x0 + h(k − 1), h = |Ik | = |I| m = α m In diesem Fall hat das Rekursionssystem die einfache Gestalt yk+1 = yk + hf (xk , yk ) Man bezeichnet h als Schrittweite des Differenzenverfahrens. Beispiel y ′ = x + y, y(0) = 0 in I = [0, 2] Existenzsatz von Peano Es gelten alle Vorraussetzungen des Satzes von Picard-Lindelöf, mit Ausnahme der Lipschitzbedingung, d.h. es seien x0 ∈ R, y 0 ∈ Rn und f : Q → Rn gegeben, mit Q = {(x, y) ∈ R1+n | |x − x0 | ≤ a, ||y − y 0|| ≤ b}, f stetig auf Q mit ||f (x, y)|| ≤ M für (x, y) ∈ Q, a, b > 0. 55 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Dann ∃ Intervall I = [x0 , x0 + α] mit α := min(a, Mb ), so dass das (AWP) eine stetig differenzierbare Lösung y : I → Rn besitzt. Beweis n i) Konstruiere eine Folge von Näherungslösungen (y (m) )∞ m=1 ⊂ C(I, R ) mit E.-C.- Polygonzüge, wobei die maximale Intervalllänge ∆(m) = ∆(Z (m) ) = gegen 0 konvergiert. max k=0,...,m−1 |Ik | Damit die obige Konstruktion überhaupt ausführbar ist, muss noch überprüft werden, dass (x, y (m) (x)) ∈ Q gilt für x ∈ I. Das erfolgt durch vollständige Induktion nach k. IA: Für k = 0 : ||y0 − y 0 || = 0 ≤ b IS: Sei ||y (m) (x) − y 0|| ≤ b x ∈ [x0 , xk ] = ||y (m)(x) − y 0|| || Rx x0 (ECP ) F (m)(ξ) dξ|| ≤ = Rx x0 ||yk + Rx xk k−1 S Il l=0 F (m) (ξ)dξ − y 0 || = ||y0 + x0 ||F (m) (ξ)||dξ Aus Def. von F (m) folgt ||F (m) (ξ)|| = ⇒ ||y (m) (x) − y 0|| ≤ Rx x0 Rx F (m) (ξ)dξ − y 0 || = max ||f ( xl , yl )|| ≤ M | {z} l=0,...,k−1 ∈Qnach IV Mdξ = M(x − x0 ) ≤ mα ≤ M, Mb = b ∀x ∈ [x0 , xk+1 ] ii) Anwendung des Satzes Arzela-Ascoli: n Sei (gm )∞ m=1 ⊂ C(I, R ) eine gleichgeradig-stetige Funktionenfolge, welche der Un- gleichung ||gm ||C(I,Rn) ≤ K für alle m ∈ N genügt (gleichmäßige Beschränktheit). Dann ∃(gm′ ) ⊆ (gm ) Teilfolge, welche auf I gleichmäßig gegen eine Grenzfunktion g ∈ C(I, Rn ) konvergiert. (Bew. s. Ana II) Wiederholung Dabei hieß gleichgeradige-Stetigkeit von (gm ) folgendes: (gm ) gleichgeradig-Stetig in x̃ ∈ I, wenn: ∀ε > 0 : ∃δ = δ(ε) > 0 : ||gm (x) − gm (x̃)|| < 56 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze ε, ∀x ∈ I : |x − x̃| < δ ∧ ∀m ∈ N (gn ) heißt gleichgeradig-Stetig auf I, falls (gn ) gleichgeradig-Stetig, ∀x ∈ I ist. Wir zeigen jetzt gleichgeradige Stetigkeit, der Näherungslösungen (y (m) ) x Rx (ECP ) R Sei x, x̃ ∈ I,||y (m) (x) − y (m) (x̃)|| = || F (m) (ξ)dξ|| ≤ | ||F (m) (ξ)||dξ| ≤ M|x − x̃| Wählt man zu ε > 0 ein δ = δ(ε) = x̃ ε , M y (m) (x̃)|| < ε für |x − x̃| < δ. x̃ so folgt aus letzer Ungleichung ||y (m) (x) − Anwendung des Satzes von Arzela-Ascoli liefert wegen ′ ′ ||y (m) − y 0 || ≤ b (aus i)) für ein x ∈ I eine Teilfolge (y (m ) ) ⊂ (y (m) ) mit lim y (m ) = ′ m →∞ y ∈ C(I, R ) gleichmäßig auf I n iii) Nachweis, dass Grenzfunktion y aus ii) Lösung des (AWP) ist: Rx ′ ′ y (m ) (x) = y 0 + F (m ) (ξ)dξ x0 m′ → ∞ : y(x) = y 0 + lim Rx m→∞ x ′ F (m ) (ξ)dξ 0 ′ Wir müssen folglich noch die gleichmäßige Konvergenz von (F (m ) ) gegen f (·, y(·)) auf ′ I zeigen. Wegen gleichm. Konvergenz ∃m1 (δ) : ||y(x) − y (m ) (x)|| < δ für m′ ≥ m1 (δ) und alle x ∈ [x0 , x0 + α] ′ 1) ⇒ d2 < ε ⇒ ||F (m ) (x) − f (x, y(x))|| < 2ε für m′ ≥ max{m0 (δ), m1 (δ)} =: m̃0 (ε) 57 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkungen i) Satz von Peano gilt analog für [x0 − α, x0 ] ii) Weiß man zusätzlich, dass die Lösung von (AWP) eindeutig ist, so konvergiert die gesamte Folge (y (m) ) gleichmäßig auf [x0 , x0 + α] gegen diese Lösung. (Übung). 3.4 Existenzsatz von Cauchy Ziel: Konstruktion von Lösungen zu (AWP) in der Gestalt konvergenter Potenzreihen (PR). Es gibt 2 Möglichkeiten zur Bestimmung der Koeffizienten einer Potenzreihe für Lösung y: a) Setze y als Potenzreihe an und Einsetzen von y in f (x, y) liefert nach Koeffizientenvergleich das Ergebnis. b) Berechnung aller Ableitungen von y aus (AWP) und Aufstellen der Taylorreihe Beispiel: y ′ = ex − y 2 , y(0) = 0 a) Ansatz: y(x) = ∞ P an xn n=0 y(0) = 0 ⇒ a0 = 0 ∞ ∞ P P in DGL: y ′ = nan xn−1 = n=1 n=0 xn n! − (a1 x + a2 x2 + ...)2 Koeffizientenvergleich: x0 : 1 · a1 = 1 ⇒ a1 = 1 x1 : 2 · a2 = 1 ⇒ a2 = x2 : 3 · a3 = x3 : 4 · a4 = 1 2 1 6 1 2 − a21 ⇒ a3 = − 16 5 − 2a1 a2 ⇒ a4 = − 24 Ergebnis: y(x) = x + 21 x2 − 16 x3 − 5 4 x 24 ± ... 58 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze b) y(0) = 0 aus (AW) y ′(0) = e0 − y 2(0) = 1 (DGL) Sukzessives diffenrenzieren der (DGL) liefert: y ′′ (x) = ex − 2yy ′ ⇒ y ′′ (0) = 1 − 2 · 0 = 1 . y ′′′ (x) = ex − 2y ′2 − 2yy ′′ ⇒ y ′′′ (0) = 1 − 2 · 1 − 2 · 0 = −1 .. ∞ (n) P 2 3 y (0) n Taylorreihe: y(x) = x = x + x2 − x6 ... n! n=0 Frage: Konvergieren diese Reihen? Wir betrachten das (AWP): y ′ = f (x, y) mit y(0) = 0 (A) für gesuchte Funktion y = y(x), x ∈ (−ε, ε), ε > 0. Dabei sei f eine Analytische Funktion in x, y, das heißt f (x, w) = ∞ X bpq xp w q (1) ((PR) in 2 Variablen) p,q=0 und für die Koeffizienten gelte |bpq | ≤ M̺−(p+q) (2) für alle p, q = 0, 1, ..., ∞ mit M ≥ 0 fest und ̺ > 0. 3.4.1 Hilfssatz Unter der Voraussetzung (2) gilt: 1) Für |x| < ̺, |w| < ̺ konvergiert die Doppelreihe (1) bei beliebiger Anordnung der Summanden absolut und (1) liefert eine stetige Funktion von (x, w) 2) f aus (1) ist beliebig oft diffbar nach x und w für |x|, |w| < ̺ Die partiellen Ableitungen von f können durch gliedweises differenzieren gewonnen 59 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze werden, wobei die sich ergebenden Potenzreihen für die selben (x, w) (absolut) konvergiert 3) Sei y(x) = ∞ P n=1 an xn für |x| < σ ≤ ̺ absolut konvergent mit so lässt sich f (x, y(x)) als Potenzreihe in x darstellen. ∞ P n=1 |an ||x|n < ̺ für |x| < σ, Beweis zu 1) (Analog zu Potenzreihen in einer Variablen) Sei 0 < ̺1 < ̺. Dann gilt für |x|, |w| ≤ ̺1 : q ∞ ∞ p q ∞ ∞ X (1) P P P P P ̺1 q ̺1 ̺1 ̺1 p q M ̺ ∞ |bp,q ||x| |w| ≤ = M = ̺ ̺ ̺ n=0 p+q=n n=0 p+q=n q=0 p=0 | {z } geom. Reihe 2 M 1−1̺1 <∞ ̺ Behauptung folgt aus Großem Umordnungssatz und der gleichm. Konvergenz dieser Potenzreihe nach Majorantenkriterium zu 2) Für jedes feste w mit |w| < ̺1 kann f als konv. PR in x dargestellt werden. P (x, w) = ppq pxp−1 w q Für |x| < ̺ ist f folglich diffbar. nach x mit ∂f ∂x p,q = ∞ P p bp+1,q (p + 1)x w q p,q=0 ZZ Diese PR konv. für |x|, |w| ≤ ̺1 p q (2) (p+1)|bp+1,q ||x| |w| ≤ (p+1)M̺−(p+1+q) ̺p1 ̺q1 ≤ ∞ P 1) erhält man eine konv. Majorante, weil ( x) = p=0 für |x| < 1 (Diff. geom. Reihe) 60 (p+1)M̺−1 1 ∞ P p ′ p q ̺1 ̺ ̺1 ̺ wie unter 1 1 (p + 1)xp = 1−x = 1−x 2 p=0 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Satz von Cauchy Sei f (x, w) = ∞ P bpq xp w q (1) p,q=0 und für die Koeffizienten gelte |bpq | ≤ M̺−(p+q) (2) für alle p, q = 0, 1, ..., ∞ mit M ≥ 0 fest und ̺ > 0. Dann ∃ eine bestimmte analytische Lösung y ′ (x) = f (x, f (x)), y(0) = 0 ̺ für |x| < σ mit σ = min(̺, 4M ) also y lässt sich für |x| < σ in eine Potenzreihe entwickeln ∞ X (3) y(x) = an xn entwickeln, wobei |y(x)| < ̺ gilt. n=0 Beweis Nach dem Hilfssatz genügt es zu zeigen, dass PR (3) für |x| < σ konvergiert mit < ̺ und y(0) = a0 = 0 dn y (0) dxn = dn−1 f (x, y(x))|x=0 dxn−1 ∞ P n=1 |an ||x|n = n!an , n = 1, 2, ..., n (4) Dann ist y = y(x) auf (3) die Lösung unseres AWP, weil (3) identisch ist mit Taylorreihe von y um x0 = 0 a) Anwendung von (4): a0 = 0 (1) a1 = y ′(0) = f (0, y(0)) = b00 |{z} =0 a2 = 21 y ′′ (0) = 12 (fx (0, 0) + fw (0, 0)y ′(0)) = 21 (b10 + b01 · b00 ) a3 = 61 y ′′′ (0) = 16 (fxx (0, 0) + 2fxw (0, 0)y ′(0) + fww (0, 0)y ′(0)2 + fN (0, 0)y ′′(0)) = 16 (b20 + 2b11 b00 + b02 b200 + b01 21 (b10 + b11 b00 )) Dieses System liefert die rekursive Berechnung von an aus a1 , . . . , dn−1, also aus den gegebenen Koeffizienten bpq mit p + q < n Dabei treten nur Addition und Multiplikation auf. Wir schreiben das in der Form an = ϕ(a1 , . . . , dn−1, bpq | p + q < n) (5) 61 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze b) Dabei gilt folgendes wichtige Majorantenprinzip: ∞ P Ist b̃pq xp w q eine Majorante zu (1), d.h. |bpq | < b̃pq für alle p, q = 0, 1, ... und werden p,q=0 die Koeffizienten ãn analog zu (5) bestimmt, so gilt |an | ≤ ãn , d.h. ∞ X ỹ(x) := ãn xn (6) n=0 ist Majorante zu (3), denn |an | = |ϕ(a1 , ..., an−1 , bpq | p+q < n)| ≤ ϕ(|a1 |, ..., |an−1 |, |boq | |p + q| < n) (Struktur von ϕ und Dreiecks-ungl.) ≤ ϕ(ã1 , ..., ãn−1 , b̃pq | p + q < n) = ãn c) Wir wählen eine einfache Majorante für f aus (1): ∞ P f˜(x, w) = M( x̺ )p ( w̺ )q (Majoranteneigenschaft erfüllt wegen (2)) =M p,q=0 ∞ P x p (̺) ( w̺ )q p=0 q=0 ∞ P =M· 1 1 1− x 1− w ̺ ̺ für |x|, |w| < ̺ Die PR (6) liefert damit ein Lösung des AWP z ′ = f˜(x, z), z(0) = 0 (7) falls (6) konvergiert für |x| < σ ≤ ̺ Bestimmung der Lösung von (7), d.h. Lösung durch Trennung der Variablen z− z2 2̺ dz dx Rz (1 0 = M(−̺ ln(1 − x̺ )) M , z(0) = (1− x )(1− z̺ ) ̺ Rx dξ − ̺ζ )dζ = M 1− ξ ̺ 0 = 0 q z 2 − 2̺z = 2M̺2 ln(1 − x̺ ) ⇒ z = ̺ ± ̺ 1 + 2M ln(1 − x̺ ) Nur − erfüllt den AW q ⇒ z = ̺ − ̺ 1 + 2M ln(1 − x̺ ) d) Wir müssen untersuchen, für welche x die errechnete Lösung z = z(x) in PR entwickelbar ist mit |z(x)| < ̺ Ist dies nachgewiesen, so liefert z(x) eine Majorante ỹ(x) zur gesuchten Funktion ∞ ∞ Majorantenprinzip P P y = y(x) mit der Eigenschaft |y(x)| ≤ |an ||x|n ≤ ãn |x|n = z(|x|) ≤ ̺ für |x| < σ n=0 62 n=0 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Es ist ln(1 + u) = ∞ P n=1 (−1)n n+1 u n+1 |u|(1 + |u| + |u2| + . . . ) = |u| 1−|u| für |u| < 1 ⇒ | ln(1 + u)| = |u(1 − 12 u + 13 u2 ± . . . )| ≤ ≤ 2|u| (8)für u ≤ 1 2 (wegen |x| < σ ≤ Somit |2M ln(1 − x̺ )| = 2M| ln − x̺ | ≤ 4M |x| ̺ ≤ 4M ̺ ̺ 4M (wegen |x| < σ ≤ ̺ ) 2M ̺ ) 4σ Somit besitzt z eine PR-Entwicklung für |x| < σ (binomische Reihe) √ z(x) z(x) 1− 1+1< ̺ < 1⇒ ̺ <1 Bemerkungen i) Die Bedingung (2) an die Koeffizienten von f in (1) ist gegeben, falls f für |x|, |w| < R, R > 0, konvergiert, denn für |x|, |w| < ̺ < R sind die Koeffizienten in (1) be- schränkt, d.h. es existiert M ≥ 0 mit |bpq xp w q | ≤ M ⇒ bpq ≤ M̺−(p+q) ⇒ (2) ii) Der Fall allgemeiner Anfangswerte: y(x0 ) = y0 , x0 , y0 ∈ R lässt sich einfache Transformation auf betrachteten Fall zurückführen. Nämlich: Neue Variable x̃ := x − x0 , ỹ(x̃) = y(x̃ + x0 ) − y0 ) ⇒ ỹ(0) = 0 und d ỹ dx̃ = y ′ (x̃ + x0 ) = f (x̃ + x0 , y(x̃ + x0 )) = f (x̃ + x0 , ỹ(x̃) + y0 ) =: f˜(x̃, ỹ(x̃)) Besitzt f eine PR-Entwicklung. der Form f (x, w) = ∞ P p,q=0 so gilt f˜(x̃, w̃) = ∞ P p,q=0 bpq x̃ w̃ mit w̃ = w − y0 p q bpq (x − x0 )p (w − y0 )q iii) Die obigen Behauptungen gelten auch für DGL-Systeme 1. Ordnung unter Verwendung der gleichen Beweismethode (ր Literatur) 63 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Allgemeiner Existenzsatz von Cauchy Im DGL-System yi′ = fi (x, y1 , . . . , yn ), yi (0) = yi0 (⋆) für i = 1, . . . , n seien die rechten Seiten fi in PR in (1 + n) Variablen entwickelbar. D.h. n P Q fi (x, w1 , . . . , wn ) = bpq1 ...qn (x − x0 )p (wj − yj0)qj für |x − x0 |, |wi − yi0 | < R für i = 1, . . . , n. p,q1 ,...,qn =0 j=1 Dann ∃n analytische Funktionen yi = yi (x) = ∞ P n=0 ain (x − x0 ) mit eindeutig bestimmten Koeffizienten ain , welche das AWP (⋆) für |x − x0 | < σ lösen mit geeignetem σ > 0 64 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Alle bisherige Existenzsätze bezogen sich auf AWP zu Systemen von expliziten DGL 1. Ordnung: yi′ = fi (x, y1 , ..., yn ), i = 1, ..., n (S1) Damit ergeben sich aber auch die analogen Sätze für explizite DGL höherer Ordnung, bzw. Systeme solcher Gleichungen, z.B.: y (n) = f (x, y ′, y ′′ , ..., y (n−1) ) (Dn) ist äquivalent zum DGL-System der folgenden Bauart: Setze yi (x) := y (i−1) (x) für i = 1, ..., n, dann gilt yi′ = yi+1 für i = 1, ..., n − 1 (Dn) yn′ = f (x, y1 , ..., yn ) 3.5 Fortsetzung von Lösungen zu DGL-Systemen und Abhängigkeit von Parametern Bisher: Nur lokale Existenzsätze, d.h. Existenz der Lösungen nur in einer kleinen Umgebung von x0 Frage: Wie weit kann die Lösung fortgesetzt werden? Definition Sei y = y(x) mit D(y) = (a, b), y = y(x) mit D(y) = (c, d) 2 Lösungen der DGLSystem (S1) (y ′ = f (x, y)). Dann heißt y eine Fortsetzung von y, falls (a, b) ⊃ (c, d) und y(x) = y(x)∀x ∈ (c, d). Eine Lösung von (S1) heißt maximal falls sie keine echte Fortsetzung besitzt. 65 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Bemerkung ’y’ ist Lösung von (S1) heißt immer, dass auch (x, y(x))∈ D(f ) ∀x ∈ (a, b) gilt. | {z } ⊆R1+n Damit hängt die Frage der Fortsetzbarkeit an dem Definitionsbereich D(f ) der gegebenen Funktion f . Satz über maximale Lösung: Sei G ⊆ R1+n ein Gebiet (also eine nichtleere offene und zusammenhängende Menge), f : G → Rn . Ferner genüge f auf jeder kompakten Teilmenge K ⊆ G einer Lipschitzbe- dingung bezüglich y, d.h. ||f (x, y) − f (x, y)|| ≤ L||y − y|| für alle (x, y), (x, y) ∈ K. Dann gelten: i) Das AWP y ′ = f (x, y), y(x0) = y 0 mit (x0 , y 0) ∈ G hat eine maximale Lösung y. ii) Ist zusätzlich G beschränkt und f gleichmäßig beschränkt auf G, d.h. ||f (x, y)|| ≤ M für (x, y) ∈ G. So gilt für die maximale Lösung y = y(x) mit D(y))(α, β): Es existieren die Grenz- werte lim y(x) =: v, lim x → β − 0y(x) =: w wobei (α, v)(β, w) ∈ ∂G x→α+0 Man sagt auch die Lösung kann bis zum Rand fortgesetzt werden. Beweis 1. Nach Satz von Picard-Lindelöf ist folgendes Anfangswertproblem: y ′ = f (x, y), y(x) = y eindeutig lösbar, falls (x, y) ∈ G (beliebig) gilt. Daraus folgt: Sind y (1) , y (2) 2 Lösungen des ursprünglichen Anfangswertproblems, so muss gelten y1 (x) = y2 (x)∀x ∈ D(y1 ) ∩ D(y2) mit D(y1), D(y2) ∋ x0 Sei V die Menge aller Lösungen y ′ ... mit D(y) = (αy , βy ) Setze α := inf αy , β := sup βy y∈V y∈V 66 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Ist x ∈ (α, β), so ∃ nach Konstruktion eine Lösung y mit x ∈ D(y). Wegen der oben gezeigten Eindeutigkeit hängt der Wert y(x) nicht von der speziellen Lösung y ab. Definieren wir y := y(x), so erhalten wir die maximale Lösung gemäß der obigen Konstruktion. 2. G ist beschränkt ⇒ −∞ < α < β < ∞ Rx Weiterhin y(x) = y0 + f (ξ, y(ξ))dξ (IGL) x0 Wegen gleichmäßiger Beschränktheit von f gilt somit: ||y(x) − y(x̃)|| Zx̃ || f (ξ, y(ξ))dξ || ≤ M|x − x̃| = x | ≤| Rx̃ x {z } ||f (ξ,y(ξ))||dξ| Mittels Cauchy-Kriterium für Konvergenz von Folgen, ergibt sich die Existenz der Grenzwerte v, w(α, v), (β, w) sind Häufungspunkte der Menge G. Würde (α, v) in G liegen, so ∃ eine stetige Funktion ỹ = ỹ(x) mit der Eigenschaft: Rx ỹ(x) = y0 + f (ξ, y(ξ))dξ ∀x ∈ [α, x0 ] x0 Das Anfangswertproblem y ′ = f (x, y), y(α) = v besitzt eine Lösung in Umgebung von α. Das ist dann eine Fortsetzung von y und im Widerspruch zur Maximalität von y ⇒ (α, v) ∈ ∂G (analog (β, w)) Motivation für Parameterabhängigkeit Beschreibt man praktische Prozesse mittels gewöhnlicher DGL, so sind die eingehenden Daten (Koeffizienten, Anfangswerte) mit Messfehlern behaftet. Hinzu kommen Idealisierungsfehler durch mathematische Modellierung. Somit läuft die Lösung eines AWP zu diesen DGL Gefahr, durch die eingehenden Fehler von der Realität abzuweichen. Die mathematische Lösung muss dabei bei “kleinen Eingangsfehlern” nur geringe Abweichungen in den Ergebnissen vorweisen. Das ist gesichert, bei “stetiger Abhängigkeit der Lösungen 67 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze von den Parametern und Eingangdaten”. Wir betrachten das parameterabhängige AWP: y ′ = f (µ, x, y), y(x0) = y 0(µ) (AWPµ) Hier ist µ = (µ1 , ..., µl ∈ Rl ein Parametervektor. Satz über die Abhängigkeit von Parametern Sei x0 aus R, y 0 ∈ Rn , a, b > 0, Q := {(x, y) ∈ R1+n | |x − x0 | ≤ a, ||y − y 0 || ≤ b} l Q [cj , dj ] × Q =: Q1 ⊆ R1+n+l und µi ∈ [cj , dj ], j = 1, ..., l, ||f (µ, x, y)|| ≤ M, ∀(µ, x, y) ∈ j=1 f genüge einer Lipschitzbedingung bezüglich y auf Q1 Für die Lösung y = y(µ, x) von (AWPµ), mit x ∈ [x0 − σ, x0 + σ] =: I, σ > 0 hinreichend klein, gilt: i) l Q [cj , dj ] × I ∋ (µ, x) 7→ y(µ, x) ∈ Rn ist stetig (mit anderen Worten y von (AWPµ) j=1 hängt stetig von (x, µ) ab. ii) Sei f im inneren von Q differenzierbar, bezüglich aller Variablen bis zur Ordnung p ≥ 1 und sei y 0 differenzierbar bezüglich µj bis zur Ordnung p ≥ 1, dann ist auch y differenzierbar bezüglich (µ, x) bis zur Ordnung p. Die Abbildung von y können bestimmt werden durch formale Differenziation des DGL-Systems und der Anfangswerte bezüglich µ bzw. x. Dabei ergeben sich lineare DGL-Systeme für diese Ableitungen. 68 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Beispiel y ′ = µ(x3 − x)y 3 + y 2, y(0) = 1 ∂y = ∂µ (x, 0) gesucht: ∂y(x,µ) ∂µ µ=0 dy = y 2 , y(0) = 1 1.) Lösung des AWP für µ = 0 : dx y x y R dη R = dξ ⇒ − η1 1 = x ⇒ 1 − y1 = x η2 1 0 ⇒ y(x, 0) = 2.) Differentialgleichung für 1 1−x ∂y (x, 0): ∂µ Differentiation der Ausgangs-DLG nach µ: ∂y ′ ∂µ ∂y ∂y = (x3 − x)y 3 + µ(x3 − x)3y 2 ∂µ + 2y ∂µ d ∂y ( (x, 0)) dx ∂µ ∂y = (x3 − x)y(x, 0)3 + 0 + 2y(x, 0) ∂µ (x, 0) Abkürzung: η(x) := dη 1.) = dx ∂y (x, 0) ∂µ 1 3 (x3 − x)( 1−x ) + 2 x +x = − (1−x) 2 + 2 η 1−x (lineare DGL. 1. Ordnung für η) 2 η 1−x AW für η: Differentiation der Ausgangs-AW nach µ: η(0) = Allgemeine Lösung der DGL: η(x) = C (1−x)2 AW ⇒ C = 0 ⇒ ∂y (x, 0) ∂µ − ∂y (0, 0) ∂µ =0 2x3 +3x2 6(1−x)2 3 2 +3x = − 2x 6(1−x)2 (Entwicklung der Lösung y = y(x, µ) des Ausgangs-AWP nach dem Parameter µ: y(x, µ) = y(x, 0) + ∂y (x, 0)µ ∂µ + ... = 1 1−x 3 2 +3x − µ 2x + ...) 6(1−x)2 69 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Beweis des Satzes über stetige Abhängigkeit von Parametern: zu i) Seien µ ∈ l Q (cj , dj ) und y = y(x, µ) die Lösung des AWPs: j=1 y ′ = f (µ, x, y), y(x0 ) = y 0(µ) (AWPµ) für x ∈ [x0 − σ, x0 + σ] = I Wir zeigen y(µ, x) −→ y(µ, x) konvergiert gleichmäßig auf I für hinreichend klei- nes σ > 0, wenn µ → µ (⇒ Behauptung i)) ∀(µ, x, y) ∈ Q1 , (µ, x, ỹ) ∈ Q1 gilt: ||f (µ, x, y)|| ≤ M mit einer positiven Konstan- ten M. ||f (µ, x, f ) − f (µ, x, ỹ)|| ≤ L||y − ỹ|| mit einer positiven Konstante L Aus IGL (äquivalent zu (AWPµ)) folgt: Rx Rx y(µ, x) − y(µ, x) = y 0(µ) − y 0 (µ) + f (µ, ξ, y(µ, ξ))dξ − f (µ, ξ, y(µ, ξ))dξ = x0 x0 Rx y 0 (µ) − y 0(µ) + (f (µ, ξ, y(µ, ξ)) − f (µ, ξ, y(µ, ξ))dξ+ Rx x0 x0 (f (µ, ξ, y(µ, ξ))) − f (µ, ξ, y(µ, ξ))dξ ||y(µ, x) − y(µ, x)|| ≤ ||y 0(µ) − y 0 (µ|| | {z } + ≤δ Stetigkeit von y 0 bez.µfür||µ−µ||<̺(δ) | Z0 x0 | | Rx x0 ||f (µ, ξ, y(µ, ξ)) − f (µ, ξ, y(µ, xi)|| dξ + {z } ≤L||y(µ,ξ)−y(µ,ξ)|| ||f (µ, ξ, y(µ, ξ)) − f (µ, ξ, y(µ, ξ))|| dξ| {z } | <δ Stetigkeit von f bez.µ,für ||µ−µ||<̺(δ) ⇒ ||y(µ, x) − y(µ, x)|| < δ(1 + σ) + | Rx x0 2δ + L|x − x0 |∆ L max ||y(µ, ξ) − y(µ, ξ)|| dξ| ∀x ∈ I ξ∈I | {z } < =:∆ C(IRn 1 ⇒ ∆ < 2δ + Lσ∆ < 2δ + 21 ∆ für 0 < σ < min(2, 2L ) ⇒ ||y(µ, x9 − y(µ, x)|| = ∆ < 4δ für ||µ − µ|| < ̺(δ) für beliebige δ > 0 70 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze zu ii) Wer zeigen die Existenz von ∂y (x, µ) ∂µ für ein q ∈ {1, . . . , l} Dazu setzen wir z(x, h) := y(x, µ + hej ) − y(x, µ), ej = (0, . . . , |{z} 1 , . . . , 0) jte Stelle ZZ ∃ lim z(x,h) ∀z ∈ I h n→0 IGL für z : zi (x, h) (AWPµ) = Rx zi (x0 , h)+ fi (µ+f ej , ξ, y(µ+hej , ξ))−f (µ, ξy(µ, ξ))dξ, y 0 (µ + hej ) − y 0(µ) = Rx R1 zi (x0 , h) + ( x0 0 zi (x0 , h) = x0 z(ξ,h) }| { z d f (µ + she , ξ, s (y(µ + he , ξ) − y(µ, ξ)) + y(µ, ξ)) ds)dξ j j i ds | {z } Pi (s) NR: d P ds i = ∂fi h ∂µj n P + k=1 Damit genügt z dem DGL-System: zi′ (x, h) = n P ∂fi z h(µ ∂yk k + shej , ξ, y(µ + hej , ξ)) aik (x, h)zk (x, h)h+bi (ξ, x)h bzw. k=1 n zk d zi X = aik (x, h) bi (x, h) für i = 1, . . . , n (lin. DGL-System 1.Ord(⋆) dx h h k=1 nung für hz ) mit aik (x, h) = bi (x, h) = R1 0 R1 0 ∂fi (µ ∂yk + shej , x, sz(x, h) + y(µ, x)ds ∂fi (µ ∂µj + shej , x, sz(x, h) + y(µ, x)ds (i, x = 1, . . . , n) Für (⋆) sind die Voraussetzungen über die stetige Abh. der Lösung vom Parameter h erfüllt, somit ∃ lim zi (x,h) h =: ui (x). Der Funktionenvektor u = (u1 , . . . , un ) gen P nügt dabei dem DGL-System (h→0 in (⋆)): u′i = aik (x, 0)uk + bi (x, 0) h→0 n P k=1 k=1 ∂f (µ, x, y(y, x)) ∂yk + ∂f (µ, x, y(µ, x)) ∂µj 71 Gewoehnliche Differentialgleichungen 3 Allgemeine Existenz- und Eindeutigkeitssätze Ergebnis: ∂y (x, µ) existiert und genügt dem DGL-System (AWPµ) differenziert bezüglich ∂µj | {z } =u µj ∂y (x0 , µ) ∂µj zi (x0 ,h h h→∞ = u(x0 ) = lim = ∂y 0 (µ) ∂µj 72 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung 4 Lineare DGL-Systeme und lineare DGL höherer Ordnung 4.1 Lineare Systeme Das System: y1′ (x) = d11 (x)y1 (x) + a12 (x)y2 (x) + · · · + a1n (x)yn (x) + s1 (x) y2′ (x) = a21 (x)y1 (x) + a22 (x)y2 (x) + · · · + a2n (x)yn (x) + s2 (x) .. . yn′ (x) = an1 (x)y1 (x) + an2 (x)y2 (x) + · · · + ann (x)yn (x) + sn (x) mit geg. Funktionen ajk , sj heißt lineares DGL-System 1. Ordnung. Mit der Koeffizientenmatrix A(x) = (ajk (x))j,k=1,...,n und dem AbsolutgliedvektorStörung s (x) 1 .. s(x) = . schreibt sich (S) für den gesuchten Funktionenvektor y = y(x) = sn (x) y (x) 1 .. . in der Form yn (x) y ′ = A(x)y + s(x) (S) Das zu (S zugehörige homogene lineare DGL-System lautet y ′ = A(x)y (SH) 73 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Ist s 6= 0 in (S), so heißt System (S) inhomogen Wortwörtlich lässt sich das Superpositionsprinzip für lin. DGL 1. Ordnung auf System (S) übertragen. Existenz und Eindeutigkeitssatz für lin. DGL-Systeme Sind ajk sj stetige Funktionen auf I = [a, b] und sei x0 ∈ I, Anfangswertproblem: y 0 ∈ Rn , so besitzt das y ′ = A(x)y + s(x), y(x0 ) = y 0 eine eindeutige Lösung y auf I, denn mit f (x, y) = n P A(x)y + s(x) gilt: ||f (x, y) − f (x, ỹ)|| = ||A(x)(y − ỹ)|| = max | ajk (x)(yk − ỹk | also ||f (x, y) − f (x, ỹ)|| ≤ max n P j=1,...,n k=1 I ∧ ∀y, ỹ ∈ Rn j=1,...,n k=1 |ajk (x)| |yk − ỹk | ≤ n · max ||ajk ||C(I) ||y − ỹ|| ∀x ∈ j,k=1,...,n | {z } | {z } ≤||y−ỹ|| =:L D.h. rechte Seite von (S) genügt einer Lipschitzbed. bez. y unabh. von x und unabh. von y 0, x0 mit der gleichen Lipschitz-Konst. L (weiter S.v. Picard-Lindelöff) Beispiel e2x −ex sind linear unabh. auf [−10, 10], denn Nullrelation , z2 (x) = z1 (x) = 2x x 2e e −c1 ex + c2 e2x 0 = C1 Z1 (x) + c2 z2 (x) = c1 ex + 2c2 e2x 0 −c1 c2 −1 1 c 0 = 1 = speziell für x = 0 : c1 2c2 1 2 c2 0 Dieses alg. lin. GLS für c1 , c2 hat die Koeff-det −1 1 = −2 − 1 = −3 6= 0 und folglich nur die Lösung c1 = c2 = 0 1 2 74 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Kriterium für Fundamentalsysteme Sind die Koeffizienten ajk in (SH) stetig auf I, so gilt: n Lösungen y1 , . . . , yn ∈ C 1 (I, Rn ) zu (SH) sind genau dann ein FS, wenn ihre Wronski-Determinante W (y1 , . . . , yn ) = det y = y11 . . . y1n .. .. . . wenigstens an einem Punkt k0 ∈ I nicht verschwindet. yn1 . . . ynn 75 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Beweis des Struktursatzes zu a) Existenz eines FS y1 , ..., yn ∈ C 1 (I, Rn ) Sei ej der j-te Einheitsvektor im Rn , I = (e1 , ..., en ) Nach dem Existenz und Eindeutigkeitssatz für (S) existiert eine Lösung des AWP: y ′ = A(x)y, y(x0) = ej für x0 ∈ I Diese Lösung bezeichnen wir mit yj , j = 1, ..., n Dann für w(x) = det (y1 , ..., yn ) (x) = det(Y )(x)gilt: Krit. f. FS w(x0 ) = det(I) = 1 6= 0 =====⇒ y1 , ..., yn sind linear unabhängig zu b) Sei yh eine beliebige Lösung des homogenen DGL-Systems (SH) auf I Für einen Wert x0 ∈ I setzen wir yh (x0 )=: y 0 Mit einem FS y1 , ..., hat das lineare yn c y (x ) . . . y1n (x0 ) 1 11 0 . .. . .. .. ... algebraische Gleichungssystem Y (x0 )c . = y 0, c ∈ Rn cn yn1 (x0 . . . ynn (x0 ) für c hat eine eindeutig bestimmte Lösung c̃ (det(Y (x0 )) 6= 0) Mit diesem c̃ bildet ỹ(x) := Y (x)c̃ = c̃1 y1 (x) + ... + c̃n yn (x) Dann ist ỹ ∈ C 1 (I, Rn ) und eine Lösung von (SH) nach dem Superpositionsprinzip. Damit lösen ỹ und yh das gleiche AWP zu (SH) mit AW y(x0 ) = y 0 Wegen eindeutiger Lösbarkeit dieses Anfangswertproblems muss ỹ(x) = yh (x), ∀x ∈ I sein. ⇒ Behauptung (ASH) zu c) Formel (AS) ergibt sich wieder aus dem Superpositionsprinzip. zu d) Ansatz für eine spezielle Lösung ys des inhomogenen DGL-Systems (S): ys (x) = c1 (x)y1 (x) + c2 (x)y2 (x) + ... + cn (x)yn (x) (A) = Y (x)c(x) ⇒ ys′ (x) = Y ′ (x)c(x) + Y (x)c′ (x) Einsetzen in (S): |{z} Y ′ c + Y c′ = AY c + s AY Damit ist der Funktionenvektor ys genau dann eine Lösung von (S), wenn gilt: Y c′ = s ⇔ c′ = Y −1 s 76 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung D.h. c = c(x) lässt sich durch einfache Integration berechnen c(x) Rx = Y −1 (ξ)s(ξ)dξ, wobei Integration stets komponentenweise zu verstehen ist. x0 Bemerkung i) Aus Beweis zu d): ys (x) = y(x) Rx y −1 (ξ)s(ξ)dξ = Rx y(x)y −1(ξ)s(ξ)dξ x0 x0 ii) Die Lösungsmenge des homogenen DGL-Systems (SH) bildet ein n-dimensionalen linearen Unterraum span{y1 , . . . , yn } des Vektorraums C(I, Rn), die von (S) einen entsprechenden affinen Unterraum iii) (n + 1) Lösungsvektoren von (SH) sind stets linear abhängig. Beispiel Gesucht: Lösung (y1, y2 ) des AWP y1′ = y2 + 1 y2′ = −y1 mit y1 (0) = 1, y2 (0) = 2 1. Schritt Finden eines FS: y1′′ = y2′ + 0 = −y1 ⇒ 2y1′ y1′′ = −2y1 y1′ ⇒ d (y ′ )2 dx 1 d 2 = − dx y1 (y1′ )2 = A − y12 p ⇒ y1′ = ± A − y12 , A > 0, A = B 2 , B ∈ R R arcsin( yB1 ) = √ dy21 2 = ± dx = ±x + D ⇒ y1 (x) = B sin(D ± x) B −y1 ⇒ y1 (x) = B sin(D) cos(x) ± B cos(D) sin(x) ′ y2 = = −B sin(D) sin(x) cos(D) sin(x) y1 ± B y1 cos(x) sin(x) + c2 für beliebige Konstanten c1 , c2 ∈ R ⇒ = c1 y2 − sin(x) cos(x) Ein FS für das homogene DGL-System y1′ = y2 , y2′ = −y1 (⋆) ist gegeben durch 77 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung cos(x) sin(x) , − sin(x) cos(x) cos(x) sin(x) = cos2 (x) + sin2 (x) = 1 6= 0 Es gilt w(x) = det − sin(x) cos(x) 2. Schritt allgemeine Lösungvon (⋆): cos(x) sin(x) + c2 y h = c1 − sin(x) cos(x) 3. Schritt spezielle Lösung zum Ausgangs-DGL-System: cos(x) sin(x) + c2 (x) Ansatz: ys (x) = c1 (x) − sin(x) cos(x) ′ ′ (x) cos(x) + c (x) sin(x) c c (x)(− sin(x)) + c (x) cos(x) 2 2 1 + 1 ⇒ ys′ (x) = ′ ′ c1 (x)(− sin(x)) + c2 (x) cos(x) c1 (x)(− cos(x)) + c2 (x)(− sin(x)) −c1 (x) sin(x) + c2 (x) cos(x) + 1 = −(c1 (x) cos(x) + c2 (x) sin(x)) ′ ⇒ c1 cos(x) + c′2 sin(x) = 1 −c′2 sin(x) + c′2 cos(x) = 0 (linear abhängiges GLS für (c′1 , c′2 ) ⇒ c′1 = cos(x), c′2 = sin(x) c1 = sin(x), c2 = − cos(x) 0 ⇒ ys (x) = −1 4. Schritt allgemeine Lösung zum Ausgangs-DGL-System: y1 (x) = ys (x) + yh (x) y(x) = y2 (x) ⇒ y1 (x) = c1 cos(x) + c2 sin(x) y2 (x) = −c1 sin(x) + c2 cos(x) − 1 mit beliebigen Konstanten c1 , c2 ∈ R 5. Schritt Einarbeitung der Anfangswerte ⇒ 1 = c1 cos(0) + c2 sin(0) ⇒ c1 = 1 ⇒ 2 = −c1 sin(0) + c2 cos(0) − 1 ⇒ c2 = 3 78 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung ⇒ Lösung des AWP: y1 (x) = cos(x) + 3 sin(x); y2 (x) = − sin(x) + 3 cos(x) − 1 Problem Bestimmung eines Fundamentalsystems für das homogene DGL-Systems. (FS ex. gemäß Struktursatz, Beh. a)) Für allgemeine lineare DGL-Systeme ist dies im Allgemeinen nicht explizit angebbar. Jedoch funktioniert es bei Koeffizientenmatrizen A mit konst. Einträgen. 4.2 Lineare DGL-Systeme mit konstanten Koeffizienten Ein homogenes lineares DGL-System 1.Ordnung mit konstanten Koeffizienten hat die Gestalt: y ′ (x) = Ay (K) ⇔ y1′ (x) = a11 y1 (x) + · · · + a1n yn (x) ′ y (x) = a21 y1 (x) + · · · + a2n yn (x) 2 .. . y n′ (x) = a y (x) + · · · + a y (x) 1 n1 1 nn n mit reellen (komplexen) konst. Koeffizienten ajk , j, k = 1, . . . , n, A = (ajk ) Bsp. Radioaktive Zerfallsreihe Radioaktive Ausgangssubstanz S1 zerfällt in S2 , S2 zerfällt in S3 , . . . z.B. U 238 zerfällt über 13 radioaktive Zwischenstufen in stabiles Blei. Sei λi > 0 die λ λn−1 λ Zerfallskonstante von Si : S1 →1 S2 →2 S3 → · · · → Sn zugehöriges DGL-System für mi = mi (t) (Masse der Substanz Si ) zur Zeit t ≥ 0 79 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung dm1 dt = −λ1 m1 dm1 dt = λ1 m1 − λ2 m2 −λ1 0 m (Herleitung: m2 (t + ∆t) m 1 1 . λ −λ 1 2 . d .. = m2 (t)0λ1 m1 (t)∆t − λ2 m2 (t)∆t) dt .. = . . . .. mn m n . 0 λn−1 0 dmn−1 = λn−2 mn−2 − λn−1 mn−1 dt dmn = λ m n−1 n−1 dt AW: m1 (0) = M m2 (0) = · · · = mn (0) = 0 80 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Satz Eine Fundamentalmatrix Y = Y (x) ist gegeben durch Y (x) = eAx = exp(Ax) := ∞ P k=0 (Ax)k 1 k! · Diese Matrix-Potenzreihe heißt Matrix-Exponentialfunktion und konvergiert absolut für x ∈ R, A − n × n-Matrix bezüglich einer geeigneten Matrixnorm. Hier (Ax)0 = I Beweis i) Konvergenzaussage s.Übungsaufgabe 39 ii) Diese Matrix-Potenzreihe ist (wie bei gew. Potenzreihen) gliedweise diffbar und ∞ ∞ ∞ P P P k d 1 d 1 k k−1 k−1 (Ax) exp(Ax) = x A = A xk−1 Ak−1 = A dx k! k! (k−1)! dx k=0 k=1 k=1 | {z } kxk−1 Ak = A exp(Ax) Somit löst eAx das homogene DGL-System (K) iii) Wegen w(0) = det Y (0) = det(e0·A ) = det I = 1 folgt nach Kriterium für Fundamentalsystem die Behauptung Bestimmung eines Fundamentalsystems zu (K) Gesucht: y1 , ..., yn ∈ C 1 (R, Rn ) 1. Möglichkeit Fundamentalmatrix Y (x) = (y1 (x), ..., yn (x)) zu (K) als Matrix- Potenzreihe Bemerkung a) Lösung Y (x) = exp(Ax) = eAx ist vollkommen analog zur Lösung der linearen DGL 1. Ordnung y ′ = ay, a = const. (allg. Lösungy(x) = Ceax ) b) Rechenregeln für exp(Ax) s.ÜA 39 81 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung c) Es bleibt das Problem der expliziten Bestimmung der Matrix e(Ax) 2. Möglichkeit Anwendung der Eigenwert (EW)-Theorie von Matrizen Analog zu n = 1 machen wir für eine Lösung von (K) folgenden Ansatz: y(x) = v · eλx (∗) mit zu bestimmenden Vektor v ∈ Rn Satz Ein Funktionenvektor vom Typ (⋆) ist genau dann Lösung vom hom. DGLSystem (K), wenn λ ein Eigenwert zur Koeffizientenmatrix A und v ein zugehöriger Eigenvektor EV von A ist. Beweis (∗) y ′(x) = vλeλx in (K) eingesetzt (λv)eλx = (Av)eλx ⇔ Av = λv EV- Gleichung zum EW λ von A (EG) Bemerkung i) (EG) ⇔ (A − λI)v = 0 (homogenes lineares algebraisches Gleichungssystem für v) Dieses Gleichungssystem hat eine Lösung v 6= 0 , falls a11 − λ a12 ... a1n a21 a22 − λ . . . a2n 0=det(Aλ I) = . .. .. = Pn (λ) .. . .. . . an1 an2 . . . ann − λ 82 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Dabei ist Pn (λ) das charakteristische Polynom zu A. Dessen komplexe Nullstellen sind die n Eigenwerte λ, . . . , λn von A gezählt mit ihrer algebraischen Vielfachheit. ii) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind stets linear unabhängig. iii) Ist λ ein komplexer Eigenwert zur reellen Matrix A. Dann ist der zugehörige Eigenvektor v ∈ Cn (also auch komplex). Weiterhin ist λ auch ein Eigenwert zu A mit Eigenvektor v, denn: Av = λv ⇒ Av = λv = |{z} A v = λv =A Konstruktion eines Fundamentalsystems zu (K) 1. Fall Matrix A hat n linear unabhängige EV v1 , ...vn zu EW λ1 , ..., λn ∈ R (d.h. A ist diagonalisierbar, z.B. A = AT (symmetrisch). So bildet y1 (x) = v1 eλ1 x , ..., yn (x) = vn eλn x ein FS zu (K), denn yj ist Lösung zu (K) nach obigem Satz und w(0) = det(y1 (0), ..., yn (0)) = det(v1 , ..., vn ) 6= 0 wegen linearer Unabhängigkeit. 2. Fall Besitzt A n linear unabhängige EV v1 , ..., vn zu eventuell komplexen EW λ1 , ..., λn ∈ C Dann erhält man wie im ersten Fall ein komplexes FS yj (x) = vj eλj x (F S), j = 1, ..., n. Dabei ist ein komplexer Funktionenvektor y(x) = a(x) + ib(x) mit reellen Funktionenvektoren a(x), b(x) ∈ C1 (R, Rn ) genau dann eine Lösung des reellen DGL-Systems (K), wenn Re(y(x)) = a(x), Im(y(x)) = b(x) Lösungen von (K) sind. 83 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Hilfssatz Gelten obige Vor. an A und ist λ1 = µ + iν ∈ C, ν 6= 0 λ2 = λ1 = µ − iν, v1 = a + ib, v2 = v1 = a − ib, a, b ∈ Rn , so erhält man aus (FS) ein neues FS ỹ1 (x) = Re(x) = Re(e(µ+iν)x (a + ib)) = eµx (a cos(νx) − b sin(νx)), ỹ2 (x) = Im y1 (x) = eµx (a sin(νx) + b cos(νx)) ỹj = yj (x) für j = 3, . . . , n (ỹ1 , ỹ2 ∈ C 1 (R, Rn )) Beweis ỹ1 , ỹ2 sind wieder Lösungen von (K) und det(ỹ1 (0), ..., ỹn (0))) = det(a, b, v3 , ..., vn ) = det(a |+ {zib}, b, v3 , ..., vn ) =V1 v − 2ib, v , ..., vn ) 6= 0 |1 {z } 3 =v2 = − 2i1 det(v1 , Somit ỹ1 , ..., ỹn wieder FS. Wiederholte Anwendung dieses Hilfssatzes (Trennung in Real- und Imaginärteil) liefert am Ende ein reelles FS. Beispiel Gesucht ist FS zu: y1′ = y1 − 2y2 1 −2 0 y1′ y 1 y2′ = 2y1 − y3 ⇔ y2′ = 2 0 −1 y2 4 −2 −1 y3′ y3′ = 4y1 − 2y2 − y3 y3 | {z } =A 1 − λ −2 0 1. Schritt: EW von A : det(A − λI) = 2 −λ −1 = 4 −2 −1 − λ ! (1 − λ)(2 + λ + λ2 ) = 0 84 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung ⇔ 2 + λ + λ2 = 0 ∨ 1 − λ = 0 q 1 ⇔ λ1,2 = − 2 ± 14 − 2 = − 21 ± αi, α = √ 7 λ 2 3 =1 2. Schritt: EV von A: 2. i) λ3 = 1 : EV.-Gl.: · v3 = 1 Av a a 1 −2 0 2 0 −1 b = b ⇔ a − 2b = a ⇔ b = c c 4 −2 −1 0 ∧ 2a − c = b ⇒ 2a = c 1 EV: v3 = 0 2 1 1 2. ii) λ αi)v1 Av1 = (− 2+ 1 = − 2 + αiEV.-Gl.: a a 1 −2 0 2 0 −1 b = (− 12 + αi b c c 4 −2 −1 ⇒b= 1−(− 12 +αi) a 2 = ( 34 − α2 i)a ∧c = 2a − (− 21 + αi)b = ( 32 − αi)a Mit a = 1 3 | 2 2 3 2 + iα folgt c = | 32 + iα|2 = 2 + iα| =2 3 2 + iα ⇒ v1 = 2 4 y1 (x) = v1 eλ1 x 85 + α2 = 4 ∧ b = 3 2 2. iii) λ2 = λ1 = − 12 − αi, v2 = v 1 = 3. Schritt: komplexes FS: 9 4 − iα 2 4 α − x2 = 2 + i 0 e (cos(αx)+ 0 4 3 2 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung i sin(αx)) λ1 x y2 (x) = y1 (x) = v 1e y3 (x) = v3 eλ3 x 4. Schritt: Reelles FS: 1 = 0 ex 2 α x ỹ1 (x) = Re(y1 (x)) = e− 2 2 cos(αx) − 0 sin(αx) 0 4 3 α 2 x ỹ2 (x) = Im(y1 (x)) = e− 2 2 sin(αx) + 0 cos(αx) 0 4 1 ỹ3 (x) = y3 (x) = 0 ex 2 3 2 3. Fall (Allgemeiner Fall) Die Matrix besitzt weniger als n linear unabhängige EV. (d.h. A nicht diagonalisierbar, besitzt jedoch Jordansche Normalform) r =algebraische Vielfachheit von EW λ größer also die geometrische Vielfachheit von λ p~l (x) = ql0 x0 + ql1 x1 + ... + qll xl (#), qlh ∈ Cn Bemerkung i) y1 (x), ..., yr (x) sind linear unabhängig ⇔ p~0 (0), p~1 (0), ..., p~r−1(0) | {z } | {z } | {z } linear unabhängig sind. =q00 =q10 ii) yl löst y ′ = Ay ⇔ p′l−1 (x) + λpl−1 (x))eλx = Apl−1 (x)eλx Durch Koeffizientenvergleich mit (#): 86 =qr−1,0 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung xl−1 : (A − λI) ql−1,l−1 = 0 | {z } EV xl−2 : (A − λI) ql−1,l−2 = (l − 1)ql−1,l−1 | {z } .. . Hauptvek. zuλ von A x0 : (A − λI)ql−1,0 = ql−1,1 Gemäß Lin. Algebra (Hauptachsentransformation oder Normalformen von Matrizen) gibt stets eine Kette von l linear unabhängigen Hauptvektoren ql−1,l−1 , ql−1,l−2 , ..., ql−1,0 zu EW λ, l = 1, ..., r ((A − λI)l−h ql−1,h = 0) Bemerkung Durch Trennung in Realteil und Imaginärteil der Funktionenvektoren eines komplexen Fundamentalsystems entsteht ein reelles Fundamentalsystem (analog zu 2. Fall) 87 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Beispiel 1 −2 y FS (reell) für y1′ = y1 − y2 ; y2′ = 4y1 − 3y2 ⇔ y ′ = 4 −3 | {z } A′′ 1.Schritt EW von A 1 − λ −1 = (1 − λ)(−3 − λ) + 4 = λ2 + 2λ + 1 = (λ + 1)2 = 0 ⇔ λ = 4 −3 − λ λ1,2 = −1 1 −1 a a = − 2.Schritt EV zu λ = −1 4 −3 b b 1 a − b = −a; 4a − 3b = −b ⇒ b = 2a ⇒ EV v = (nur 1 lin. unabh. 2 EV) 1=geom. Vielfachheit (-1) < alg. Vielfachheit(=2) (-1) 3.Schritt 2. Lösung y2 zum Ausgangs-DGL-System, welche lin. uabh. von y1 (x) = 1 veλx = e−k ist: 2 α γ Ansatz: y2 (x) = + x e−x β δ γ α γ Einsetzen in DGL-System: e−x − + x e−x δ β δ α γ = A + x e−x β δ γ α Koeffizientenvergleich: x0 : = (A + I) δ β γ γ γ 1 x1 : 0 = (A+I) ← ist EV zu λ = −1 nach 2.Schritt = δ δ δ 2 88 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung 1 α 2α−β=1 lin. uabh. Vektor ist z.B. In GLS für x0 eingesetzt ✭ ✭✭✭ von 4α−2β=2 2 β 0 −1 0 1 x e−x y2 (x) = + b e−x = −1 2 2x − 1 4.Schritt reelles FS: y1 (x), y2 (x) Allgemeine Lösung ist y(x) = c1 y1 (x)+c2 y2 (x) y des Ausgangs-DGL-Systems c1 + c2 x e−x mit c1 , c2 ∈ R = 2c1 + c2 (2x − 1) 89 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung 4.3 Lineare DGL n-ter Ordnung Der Ausdruck: y (n) (x) + an−1 (x)y (n−1) (x) + · · · + a1 (x)y ′ (x) + a0 (x)y(x) (Ln ) = s(x) | {z } =:L[y](x) linearer Differentialoperator heißt lineare DGL n-ter Ordnung. s-Störung Die Gleichung (LnH) L[y] = 0 nennt man wieder die zugehörige homogene lineare DGL, (Ln ) heißt inhomogene DGL. Die DGL (Ln ) lässt sich äquivalent in ein lineares DGL-System 1. Ordnung umschreiben, indem man y = (y1 , . . . , yn )T mit yj (x) := y (j−1) (x) für j = 1, . . . , n (∗) setzt. ′ y1 = y2 ′ y = y 3 2 (Ln) ⇔ . . . ′ y = y n n−1 y ′ + an−1 yn + · · · + a1 y2 + a0 y1 = s n 0 1 0 ... 0 0 y1 y1′ 0 0 0 1 ... 0 ′ y y2 . 2 .. .. ⇔ y′ = + . .. . .. . 0 0 0 0 ... 1 ′ yn yn −a − 0 −a1 . . . . . . −an−1 s | {z } | {z } :=A ~ s(Störungsvektor) Damit übertragen sich alle Ergebnisse aus Abschnitt 4.1 auf DGL-System (S1) bzw. auf (Ln), d.h. insbesondere Superpositionsprinzip, Strukturaussagen zu den Lösungen der ho- 90 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung mogenen und inhomogenen DGL sowie Existenz- und Eindeutigkeitsaussagen. Hier übertragen sich wichtige Begriffe wie folgt: Sei a0 , ..., an−1 stetig auf einem Intervall I ⊆ R (j−1) i) p Funktionenvektoren ~u1 , ..., ~up vom Typ (⋆) (also ukj = uk , k = 1, ..., p, j = 1, ..., n − 1) sind linear unabhängig (im Vektorraum C(I, Rn ) genau dann, wenn die ersten Komponenten dieser Vektoren, d.h. die Funktionen u1 , ..., up linear unabhängig (im Vektorraum C(I)) sind. (Übung) ii) n linear unabhängige Lösungen u1 , ..., un der homogenen Differentialgleichung L[y] = 0 bilden wieder ein Fundamentalsystem (FS) (oder auch Integralbasis oder Hauptsystem) zu L[y], welches unter den Voraussetzungen an die Koeffizienten von L[y] = s steht existiert. Zur Feststellung der linearen Unabhängigkeit von u1 , ..., un benutzt man wieder die Wronski-Determinante, d.h. die Determinante der Fundamentalmatrix U mit der Fundamentalmatrix U := (~u1 , ...~un ). u1 u2 ... un ′ ′ ′ u2 ... un (∗) u1 det(U) = . .. .. =: W (u1 , ..., un ) .. . .. . . (n−1) (n−1) (n−1) u1 u2 . . . un Dabei gilt die folgende Formel: Rx − x0 Rx tr(A(ξ))dξ w(x) := W (u1(x), ..., un (x)) = w(x0 ) · e denn es galt det(U(x)) = det(U(x0 ))ex0 an−1 (ξ)dξ , x0 , x ∈ I, (vgl. ÜA), wobei tr(A) = 0 + ... + 0 − an−1 iii) Für die allgemeine Lösung u von (Ln) gilt die Darstellung: u = us + uh = us + c1 u1 + ... + cn un mit einer speziellen Lösung us der inhomogenen Differentialgleichung und einem Fundamentalsystem u1 , ..., un zur homogenen Differentialgleichung (LnH). Dabei ergibt sich ein us durch Variation der Konstanten, d.h. durch den Ansatz us (x) = c1 (x)u1 (x) + ... + cn (x)un (x) mit gesuchten Funktionen c1 (x), ..., cn (x). Bestimmung von cj mittels folgendem Differentialgleichungssystem: 91 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung u s ′ ~us = us = U~c mit ~c = (c1 , ..., cn )T .. (n−1) .us ′ ′ ~us = U ~c + U~c′ = AU~c + U~c′ = A(~us ) + U~c′ (∗) Eingesetzt in (S1): U~c′ = ~s d.h. die c′1 , ..., c′n genügen dem linearen algebraischen Gleichungssystem: u1 c′1 + u2 c′2 + ... + un c′n = 0 u′1 c′1 + u′2 c′2 + ... + u′n c′n = 0 .. (n−2) ′ (n−2) ′ (n−2 (n−1) ′ (n−1) ′ (n−1) . u1 c1 + u 2 c2 + ... + un c′n = 0 u1 c1 + u 2 c2 + ... + un c′n = s Auflösung dieses GLS mittels Cramerscher Regel: wj (x) w(x) mit w(x) = det(U(x)) = W (u1 (x), ..., un (x)) und u (x) . . . 0 . . . u (x) 1 n .. .. .. .. .. . . . . . wj (x) = (n−1) (n−1) u (x) . . . s . . . u (x) 1 n |{z} c′j (x) = j-te Spalte 4.3.1 Anwendung auf lineare DGL n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten aj y (n) + an−1 y (n−1) + · · · + a1 y ′ + a0 y = 0 (LK) Zur Bestimmung eines Fundamentalsystems gehen wir zurück zum äquivalenten DGLSystem 1. Ordnung (S1) und ermitteln die EW der zugehörigen Koeffizientenmatrix A, d.h. die NST des charakteristischen Polynoms Pn (λ) = det(A − λI) −λ 1 0 ... 0 0 −λ 1 . . . 0 .. Pn (λ) = . = (−1)n (a0 + a1 λ + · · · + an−1 λn−1 + λn ) 0 0 0 ... 1 −a − 0 −a1 . . . . . . −an−1 − λ 92 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Bemerkung Oft bezeichnet man P̃n (λ) als charakteristisches Polynom zur DGL (LK). Die NST von Pn und P̃n sind dieselben. Formal entsteht P̃n (λ) durch Ersetzung von y (j) durch λj für j = 0, . . . , n. Setzt man D := d , dx so gilt: Dy = dy dx = y ′, D j y = y (j) und (LK) ⇔ P̃n (D)[y] = 0 93 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung lineare homogene DGL n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten aj : y (n) + an−1y(n−1) +···+a1 y′ +a0 y=0 (LK) Bestimmung von FS zu (LK): charakteristische Polynom (zu (LK)) P̃n (λ) = λn + an−1 λn−1 + · · · + a1 λ + a0 Zu einer r-fachen NST von P̃n gibt es nach Übergang zum äquivalenten linearen DGL(n−1) System 1. Ordnung r linear unabhängige Lösungen ~y1 , . . . ~yr , ~yl = (yl1 , yl′, . . . , yn ) mit den ersten Komponente: y1 (x) = p10 (x)eλx , y2 (x) = p11 (x)eλx , . . . , yr (x) = p1r−1 (x)eλx (#) mit p1l (x) als Polynom höchstens l-ten Grades in x. r−1 P yl ∈ {f : R → C|f ∈ C(R, C), f (x) = αν xν eλx =: Mr−1 } ν=0 Behauptung Mr−1 ist ein r-dimensionaler Unterraum des VR C(R, C) und hat die Basis (B) u1 (x) = x0 eλ , u2 (x) = x1 eλx , . . . , ur (x) · xr−1 eλx Beweis ÜA Folgerung i) Die Funktionen y1 , ..., yr aus (#) sind linear unabhängige Funktionen aus Mr−1 und bilden folglich auch eine Basis von Mr−1 . Somit kann jede Funktion aus Mr−1 als Linearkombination der y1 , ..., yr dargestellt werden und ist nach Superpositionsprinzip eine Lösung von (LK). 94 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung ii) Die Differentialgleichung (LK) besitzt r linear unabhängige Lösungen vom Typ (B) (unter der Voraussetzung das λ r-fache Nullstelle von P̃n ist.) iii) Werden zu n (komplexen) Nullstellen von P̃n gezählt mit ihrer Vielfachheit, gemäß ii) die entsprechenden Funktionen uj konstruiert, so erhält man insgesamt ein komplexes Fundamentalsystem zu (LK). Bei reellen Koeffizienten aj erhält man daraus ein reelles Fundamentalsystem indem man Re(uj ) und Im(uj ) anstelle der komplexen uj und uj setzt Zusammenfassung NST von P̃n lin. unabh. Lösung von (LK) für komplexes FS λ ∈ C, einfach eλx λ ∈ C, r-fach eλx , xeλx , ..., xr−1 eλx NST von P̃n lin. unabh. Lösung von (LK) für reelles FS λ ∈ R, einfach eλx eλx , xeλx , ..., xr−1 eλx λ ∈ R, r-fach λ = µ + iν ∈ C, einfach Re(eµx eiνx ) = eµx cos(νx) λ = µ + iν ∈ C, r-fach eµx cos(νx), xeµx cos(νx), ..., xr−1 eµx cos(νx) λ = µ − iν, einfach λ = µ − iν ∈ C, r-fach Re(eµx eiνx ) = eµx sin(νx) eµx sin(νx), xeµx sin(νx), ..., xr−1 eµx sin(νx) Beispiel 1 y (5) + 4y (4) + 2y ′′′ − 4y ′′ + 8y ′ + 16y = 0 gesucht wird ein reelles Fundamentalsystem. 1.Schritt: NST des charakteristischen Polynoms: P̃5 (λ) = λ5 4λ4 + 2λ3 − 4λ2 + 8λ + 16 = 0 | {z } (λ+2)3 (λ2 −2λ+2) 95 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung λ1/2/3 = −2, λ4/5 = 1 ± √ 1−2 =1±i 2.Schritt: komplexes Fundamentalsystem e−2x , xe−2x , x2 e−2x , e|(1+i)x {z } , e(1−i)x ex (cos x+i sin x) 3.Schritt: reelles FS: e−2x , x,−2x , x2 e−2x , ex cos x, ex sin x Allgemeine Lösung: y(x) = (c1 + c2 x + c3 x2 )e−2x + (c4 cos x + c5 cos x)ex , Beispiel 2 Gegeben: y ′′′ − y ′ = x − 1 Gesucht: allgemeine Lösung I) allgemeine Lösung yh der hom. DGL. y ′′′ − y ′ = 0 I.1) Charakteristisches Polynom P̃3 (λ) = λ3 − λ = λ(λ2 − 1) ⇒ NST: λ1 = 0, λ2,3 = ±1 ✚ ✚ I.1) ✚ I.3) ⇒ yh (x) = c1 e0x + c2 e(+1)x + c3 e(−1)x = c1 + c2 ex + c3 e−x II) spezielle Lösung ys der inhomogenen DGL: Ansatz: ys (x) = c1 (x) + c2 (x)ex + c3 (x)e−x mit gesuchten Funktion c1 , c2 , c3 ys′ = c′1 + c′2 ex + c′3 ex +c2 ex − c3 ex {z } | =0 ys′′ = c′2 ex − c′3 e−x +c2 ex + c3 e−x | {z } =0 ys′′′ = c′2 ex + c′3 e−x + c2 ex − c3 e−x Einsetzen in Ausgangs-DGL: c′2 ex + c′3 e−x + c2 ex − c3 e−x − (c2 ex − c3 e−x ) = x − 1 96 cj ∈ R Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung ⇒ lineares algebraisches GLS für (c′1 , c′2 , c′3 )T : c′1 + c′2 ex + c′3 e−x = 0 c′2 ex − c′3 e−x = 0 c′2 ex + c′3 e−x = x − 1 Aus Gleichungen (I) und (III): c′1 = −(x − 1) ⇒ c1 = x − x2 2 Aus Gleichungen (II) und (III): 2c′2 ex = x − 1 ⇒ c′2 = ( x2 − 21 )e−x ⇒ c2 = − x2 e−x Aus Gleichung (II): c′3 e−x = c′2 ex = ⇒ ys (x) = (x − x2 ) 2 x 2 − 1 2 ⇒ c′3 = ( x2 − 21 )ex ⇒ c3 = ( x2 − 1)ex 2 + (− x2 )e−x + ( x2 − 1)ex e−x = − x2 + x − 1 III) Allgemeine Lösung y der inhomogenen DGL: y(x) = ys (x) + yh (x) = c1 − 1 + x − x2 2 + c2 ex + c3 e−x 4.4 Schwingungs-DGL Wir betrachten die spezielle lin. DGL 2.Ordnung y ′′ + αy ′ + βy = s(x) (SCH) mit konstanten Koeffizienten α, β und stetige Störfkt. s : I → R Bemerkung DGL (SCH) tritt häufig bei Beschreibung von Schwingungsvorgängen in Physik und Technik auf, z.B. Federschwinger Lösungen zur hom. DGL (SCH) (s ≡ 0) heißen freie Schwingungen Lösungen zur inhom. DGL (SCH) (s 6≡ 0) heißen erzwungen Schwingungen 97 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Lösung der Schwingungsdifferentialgleichung a) Freie Schwingung: Reelles FS charakteristisches Polynom zu (SCH): P2 (λ) = λ2 + αλ + β q √ 2 Nullstellen von P2 : λ1,2 = − α2 ± α4 − β = − α2 ± 12 ∆ mit ∆ = α2 − 4β Reelle Fundamentalsysteme für Schwingungsdifferentialgleichung y ′′ + αy ′ + βy = 0 Sei ∆>0: ∆ := α2 − 4β e(−α+ √ ∆)x/2 , e(−α− √ ∆)x/2 (Exponentialtyp) ∆ = 0 : e−αx/2 , xe−αx/2 (Exponentialtyp) √ √ ∆ < 0 : e−αx/2 cos( −∆x/2), e−αx/2 sin( −∆x/2) Schwingungstyp α>0: α=0: α<0: ∆ < 0 : λ1/2 = − α2 ± i 2 √ gedämpfte Schwingung ungedämpfte Schwingung aufschaukelnde Schwingung −∆ ⇒ eλ1 x , eλ1 x ⇒ reelle FS: Re r λ1 x , , Imeλ1 x b) Erzwungene Schwingung: Für die inhomogene DGL (SCH) benötigt man wieder eine spezielle Lösung ys zu (SCH). Die lässt sich im Prinzip immer mittels Variation der Konstanten ermitteln. Für wichtige Typen von Störungen s(x) gelingt dies oft bequemer mittels Ansatzmethoden für ys . Wir betrachten die DGL y ′′ + αy ′ + βy = Pm (x)e(γ+iδ)x (⋆) | {z } =s(x) Hierbei sei γ, δ ∈ R, Pm (x) = Am x + Am−1 x m m−1 Koeffizienten Al , l = 0, ..., m, Am 6= 0 98 + ... + A1 x + A0 mit komplexen Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Bemerkung a) Die Ansatzmethode funktioniert insbesondere für: • Polynome (γ = δ = 0) • Exponentialfunktionen (m = 0) • Winkelfunktionen (m = 0, γ = 0, Trennung der Lösung ys in Realteil und Imaginärteil) b) Wegen der Linearität von (SCH) lässt sich bei einer Störung s = s1 + s2 zunächst ein ys1 zur Störung s1 und ein ys2 zur Störung s2 ermitteln. Dann ist ys = ys1 +ys2 eine spezielle Lösung zu (SCH) mit Störung s Satz Eine spezielle Lösung von ys zu (⋆) erhält man immer durch den Ansatz 1) ys (x) = Qm (x)e(γ+iδ)x = (Bm xm + Bm−1 xm−1 + ... + B1 x + B0 )ezx mit z = γ + iδ und zu bestimmenden Koeffizienten Bl ∈ C, falls z keine Nullstelle von P2 ist, d.h. P2 (z) 6= 0 2) ys (x) = xQm (x)ezx , falls z einfache Nullstelle von P2 ist. 3) ys (x) = x2 Qm (x)ezx , falls z zweifache Nullstelle von P2 ist. Beweis zu 1): ys′ = Q′m ezx + zQm ezx ys′′ = Q′′m ezx + 2zQ′m ezx + z 2 Qm ezx Einsetzen in (⋆): [Q′′m + 2zQ′m + αQ′m + (z 2 + αz + β) Qm ]ezx = Pm ezx , ∀x ∈ R | {z } | {z } Polynom vom Grad ≤m−1 =P2 6=0 ⇒ Bestimmung der Koeffizienten von Qm aus der Gleichheit zweier Polynome m-ten Grades mittels Koeffizientevergleich. Zum Beispiel: xm : P2 (z)Bm = Am ⇒ Bm = 99 Am P2 (z) Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung .. . ⇒ Bm−1 , ..., B0 zu 2): ys′ = Qm ezx + xQ′m ezx + zxQm ezx ys′′ = xQ′′m ezx + 2Q′m ezx + 2Q′m zxezx + 2Qm zezx + Qm z 2 xezx Einsetzen in (⋆): Q̃m ezx + (2z + α) Qm ezx + (z 2 + αz + β) Qm xezx = Pm ezx | {z } {z } | 6=0 =P2 (z)=0 mit Q̃m als Polynom vom Grad ≤ m. Somit ergibt sich wieder ein Gleichungssy- stem zur Bestimmung von Bl aus der Gleichheit zweier Polynome m-ten Grades. zu 3): ys′ = 2xQm ezx + x2 Q′m ezx + zx2 Qm ezx ys′′ = Q′′m x2 ezx + 4xQ′m ezx + 2x2 zQ′m ezx + 2Qm ezx + 4Qm zxezx + Qm z 2 x2 ezx in (⋆): + α})(Q′m x2 + 2Qm x)ezx + 2Qm ezx + (Q′′m x2 + 4Q′ x)ezx + (2z | {z {z } | Grad ≤m β )Qm x2 ezx 2 (z + αz + | {z } =0 zx = Pm e =P2 (z)=0 Wegen der Voraussetzung, dass z zweifache Nullstelle von P2 ist, d.h. z = λ1,2 = √ − α2 ± 21 ∆, also ∆ = 0 folgt z = − α2 Somit ist Bestimmung von Bl wie in 1), 2) möglich aus der Gleichheit von 2 Polynomen vom Grad m Beispiel I) Allg. Lösung y ′′ − 4y = ex 1.Schritt Allgemeine Lösung yh von y ′′ − 4y = 0 a) P2 (λ) = λ2 − 4 = 0 ⇒ λ1/2 = ±2 b) yh (x) = c1 e2x + c2 e−2x mit bel. ci ∈ R 2.Schritt Spezielle Lösung ys zur inhomogenen DGL: Ansatz: ys (x) = Aex ys′′ − 4ys = (A − 4A)ex = ex ⇒ A = − 31 ⇒ ys (x) = − 13 ex 3.Schritt Allg.Lösung y(x) = ys (x) + yh (x) = − 13 ex + c1 e2x + c2 e−2x 100 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung II) Allg. Lösung y ′′ − 4y = e2x 1.Schritt Allgemeine Lösung yh von y ′′ − 4y = 0 a) P2 (λ) = λ2 − 4 = 0 ⇒ λ1/2 = ±2 b) yh (x) = c1 e2x + c2 e−2x mit bel. ci ∈ R 2.Schritt Spezielle Lösung ys zur inhomogenen DGL: Ansatz: ys (x) = ys (x) = Ae2x ⇒ ys′′ − 4ys = (4A − 4A)e2x = e2x ⇒ Widerspruch Jetzt neuer Ansatz: ys (x) = xAe2x , ys′ = Ae2x + 2Axe2x , ys′′ = 4Ae2x + 4Axe2x ys′′ − 4ys = (4A + 4Ax − 4Ax)e2x = e2x ⇒ A = 3. y(x) = x4 e2x + c1 e2x + c2 e−2x 101 1 4 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung Anwendung auf elektrischen Schwingkreis R U∗ L C 1 1 d2 I(t) R dU(t) + + U(t) = U ∗ (t) (ES) dt2 L dt LC LC R, L, C positive Konstanten AW: U(0) = U0 , dU (0) dt = U1 (ES) ist Schwingungs-DGL y ′′ + αy ′ + βy = s mit α = R , L β= 1 , LC Charakteristisches Polynom zu (ES): P2 (λ) = λ2 + R λ+ 1 L q LC q R2 1 1 G2 (λ) = 0 ⇔ λ = λ1/2 = − R ± 4L R2 − 2 − LC = −̺ ± 2L L ̺= R , 2L ω= √ |R2 − 4L | C 2L und s = 1 U ∗ (t), LC x=t 4L C <̺ a) Freie Schwingungen (Lösungen der homogenen DGL zu (ES)) 1.Fall ∆ = R2 L2 − Dämpfung) 4 LC = 1 (R2 L2 − 4L ) C > 0 ⇔ R2 > Uh (t) = e−̺t (c1 eωt + c2 e−ωt ) lim Uh (t) = 0 t→∞ 102 4L C (großer Widerstand ⇒ starker Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung 2.Fall ∆ = 0 ⇔ R = 2 q L C Uh (t) = e−st (c1 + c2 t) → 0 für t → ∞ (analog zu 1.Fall) q 3.Fall ∆ < 0 ⇔ R < 2 CL (kleiner Widerstand ⇒ schwache Dämpfung) Uh (t) = e−̺t (c1 cos(ωt) + c2 sin(ωt)) = ce−̺t ( cc1 cos(ωt) + | {z√ } setze (c:= Wegen c1 2 c −̺t ce | {z } c2 c sin(ωt)) c2 +c2 ) 1 2 c2 2 + c = 1 gibt es ϕ ∈ [0, 2π) mit c1 c =∈ ϕ, c2 c = cos ϕ ⇒ Uh (t) = sin(ωt + ϕ) Dämpfungsfaktor Schwingungsdauer T = 2π , ω ω = 2πν-Kreisfrequenz 1 Im Fall ̺ = 0, d.h. R = 0 liegt eine ungedämpfte Schwingung Uh (t) = c sin( √LC t+ ϕ) b) Erzwungene Schwingungen (nur für den physikalisch wichtigen Fall der schwachen Dämpfung) Für beliebige Störfunktion s = 1 U ∗ (t) LC ergibt sich eine spezielle Lösung Us zu (ES) mittels Variation der Konstanten. Us (t) = e−st (c1 (t) cos(ωt) + c2 (t) sin(ωt)) Mittels Cramerscher Regel ergeben sich c′1 , c′2 (vgl. 4.3) und folglich Us (t) = −e−̺t Rt Rt −̺ξ −̺ξ cos(ωt) s(ξ)e w(ξ)sin(ωξ) dξ + e−̺t sin(ωt) s(ξ)e w(ξ)cos(ωξ) dξ 0 0 −̺t −̺t e cos(ωt) e sin(ωt) = mit Wronski-Determinante w(ξ) = −̺t (e cos(ωt))′ (e−̺t sin(ωt))′ cos(ωt) sin(ωt) −2̺t = ωe−̺t e −ω sin(ωt) ω cos(ωt) Weiter mit Cramerscher-Regel (Übung) Rt ⇒ Us (t) = ω1 s(ξ)e̺(ξ−t) sin(ω)(t − ξ)dξ 0 ⇒ U(t) = Uh (t) + Us (t) = ce−̺t sin(ωt + ϕ) + 1 ωLC Rt 0 U ∗ (ξ)e̺(ξ−t) sin(ω)(t − ξ)dξ Für spezielle periodische Störfunktionen s1 (t) = A cos(ω1 t) (mit A, ω1 gegebene reelle Zahlen) lässt sich Us mittels Ansatzmethode gemäß des letzten Satzes ermitteln. Dazu 103 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung suchen wir eine spezielle Lösung für die komplexe DGL: R dU 1 d2 U + + U = Aeiω1 t 2 dt L dt LC (ES1) (Beachte cos(ω1 t) = Re(eiω1 t ) I R 6= 0 ⇔ ̺ 6= 0 ⇒ iω1 6= λ1,2 , d.h. P2 (iω1 ) 6= 0 Ansatz: Ũs = Beiω1 t , dŨs dt = iω1 Beiωt , d2 Ũs dt2 = −ω12 Beiω1 t In (ES1) eingesetzt: −ω12 B + iω1 R B+ L ⇒B= 1 B LC ω02 −ω12 −2̺ω1 i A (ω2 −ω2 )2 +4̺2 ω2 0 1 1 mit ω0 = ⇒ √ =A √1 LC Us (t) = A (ω02 −ω12 )2 +4̺2 ω12 mit h(ω1 ) = p Re(Ũs (t)) = A · Re sin(ω1 t + ϕ1 ) mit sin(ϕ1 ) ω02 −ω12 −2̺ω1 i cos(ω1 t) + (ω02 −ω12 )2 +4̺2 ω12 2 2 ω0 −ω1 2̺ω1 , cos(ϕ1 ) = h(ω = h(ω 1) 1) i sin(ω1 t) = (ω02 − ω12 )2 + 4̺2 w12 Allgemeine Lösung zu (ES1): A U(t) = e−̺t (c1 cos(ωt) + c2 sin(ωt)) + sin(ω1 t + ϕ1 ) | {z } h(ω1 ) | {z } (1) (2) (1) - Einschwingvorgang, klingt für große t ab (2) - reine Sinusschwingung, ungedämpft mit Eigenfrequenz ω1 und Phasenverschiebung ϕ1 II R = 0 ⇔̺=0 λ1,2 = ±iω = iω0 II a) ω 6= ω1 ⇒ P2 (iω1 ) 6= 0. Dann ergibt sich Us wie in I 104 Gewoehnliche Differentialgleichungen 4 Lin. DGL-Systeme und lin. DGL höherer Ordnung ⇒ U(t) = c1 cos(ω0 t) + c2 sin(ω0 t) + A ω02 −ω12 cos(ω1 t) (0) = 0 ergibt sich: Für Anfangswerte U(0) = 0, dU dt U(t) = 2A ω02 −ω12 1 1 t) sin( ω0 +ω t) sin( ω0 −ω 1 2 Schwingung mit zeitlich veränderlicher sinusförmiger Amplitude (amplitudenmodelierte Schwingungen (Anwedung in Funktechnik)) II b) ω = ω1 ⇒ P2 (iω1 ) = 0 ⇒ Ansatz für Ũs (t) = Bteiω1 t Weiterer Weg als Übung ⇒ U(t) = c1 cos(ω0 t) + c2 sin(ω0 t) + A t sin(ω0 t) 2ω0 Resonanzfall (Erregerfrequenz = Eigenfrequenz) Für große t können beliebig große Amplituden auftreten ⇒ Resonanzkatastrophe 105 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 5 Qualitative Theorie 5.1 Grundbegriffe Sehr häufig begegnet man bei Anwendungen Differentialgleichungssystemen, in denen die unabhängige Variable (sie sei t) nicht explizit auftritt. Im zweigliedrigen Fall hat ein DGL System folglich die Gestalt: ẋ(t) := dx (t) dt ẏ(t) dy (t) dt := = F (x(t), y(t)) = G(x(t), y(t)) (AS) Ein DGL System vom Typ (AS) heißt autonomes System (Beschränkung nur auf diesen Fall) Beispiele a) lineare homogene Differentialgleichungssysteme 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten b) Räuber-Beute-Modell von Lotka-Volterra: x = R - Räuberpopulation (Füchse) y = B - Beutepopulation (Hasen) 106 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Annahme: • B ernähre sich nur pflanzlich aus einem unbeschränkten Nahrungsvorrat • R ernähre sich ausschließlich von B 107 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Ohne B würde Räuberpopulation eingehen gemäß Ṙ = −α1 R, α1 > 0 Nur bei Vorhandensein von Beutetieren ist Vermehrung von R möglich, wobei Vermehrungsrate Ṙ proportional ist dem Zusammentreffen von Räubern und Beutetieren, d.h. gleich β1 R · B Insgesamt: Ṙ = −α1 R + β1 RB analog: Ḃ (RB) = α2 B − β2 RB mit α1 , α2 , β1 , β2 positive Konstanten (RB) ist ein nichtlineares autonomes System mit: F (x, y) = −α1 x + β1 xy G(x, y) = α2 y − β2 xy In unserer qualitativen Analyse interessiert uns das Verhalten der Lösungen (x(t), y(t)) zu (AS) (für große Zeiten t) ohne die Lösungen explizit oder numerisch zu berechnen. Dazu setzen wir voraus: F, G seien bezüglich x, y in der gesamten x − y-Ebene stetig differenzierbar. Dann existiert nach Satz von Picard-Lindelöf für alle t0 , x0 , y0 ∈ R eine (lokale) ein- deutige Lösung des AWP zu (AS) mit AW x(t0 ) = x0 , y(t0) = y0 . Parameterdarstellung der Lösungskurve: (x, y) = (x(t), y(t)), t ≥ t0 . Diese heißt Phasenkurve oder auch Trajektorie des Differentialgleichungssystems (AS) durch den Punkt (x0 , y0 ). Trägt man alle Trajektorien zu (AS) in der x − y-Ebene auf, so erhält man das Phasenportrait von (AS). 1. Sei für einen Punkt (x0 , y0 ) ∈ R2 : F (x0 , y0 ) = 0 (N) G(x0 , y0 ) = 0 so ist die Lösung des zugehörigen AWP: x(t) ≡ x0 , y(t) ≡ y0 (stationäre Lösung) und auch die einzige. D.h. die Trajektorie durch (x0 , y0) schrumpft auf einen Punkt zusammen. 108 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Definition Gilt für (x0 , y0 ) ∈ R2 die Bedingung (N), so heißt (x0 , y0) ein stationärer Punkt oder Gleichgewichtspunkt (GGP) des DGL-Systems (AS) 2. Sei (ξ, η) ∈ R2 kein GGP zu (AS), d.h. F (ξ, η) 6= 0 (∨ G(ξ, η) 6= 0) Dann gilt für die Trajektorie durch (ξ, η) : t0 ⇒ ∃ Umkehrfunktion t = t(x) mit dt dx = dx (t) dt 1 ẋ 6= 0 in einer Umgebung von y = y(t(x)) =: ỹ(x), dy dy dt ẏ (AS) G(x, y) = · = = (T) dx dt dx ẋ F (x, y) Das ist eine DGL 1.Ordnung für Traj. zu (AS) in einer Umgebung des Nicht-GGP (ξ, η). Analog mit G(ξ, η) 6= Im Räuber-Beute-Modell: 1. GGP: F (x0 , y0 ) = −α1 x0 + β1 x0 y0 = 0 G(x0 , y0 ) = α2 y0 − β2 x0 y0 = 0 ⇔ x0 y0 = 0 oder − α1 + β1 y0 = 0 = 0 oder α2 − β2 x0 = 0 ⇒ 2 Gleichgewichtspunkte zu (RB): (x0 , y0 ) = (0, 0), (x0 , y0) = ( αβ22 , αβ11 ) 2. Verhalten von nicht stationären Lösungen zu (RB), d.h. von Trajektorien zu (RB) in Umgebung von (ξ, η) 6= (x0 , y0) dy = (T) lautet dx R (β1 y−α1 )dy R = y α2 y−β2 xy 2x = −α1y+β1 y α2 −β (DGL mit getrennten Variablen) −α1 x+β1 xy x (α2 −β2 )dx ⇒ β1 y−α1 ln(y)−α2 ln(x)+β2 x = const. implizite Lösung x für die Trajektorie (x, y > 0) Diese Form ist auch Lösung der Differentialgleichung schreiben in der Form: xα2 y α1 = c mit c > 0 (⋆) eβ2 x eβ1 y 109 dx dy = F (x,y) G(x,y) und lässt sich Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 3. Diskussion des Verhaltens der Trajektorien (Volterra): (⋆) ⇔ f (x)g(y) = c mit f (x) := xα2 , g(y) e β2 x = y α1 e β1 y (f ) = f ( αβ22 ) Sei Mf := max + R (f ) = f ( αβ11 ), “=” ⇔ (x, y) = ( αβ22 , αβ11 )) Mg := max + R x, y > 0 : f (x)g(y) ≤ Mf Mg a) Ist c > Mf Mg , so hat (∗) keine Lösung b) Ist c = Mf Mg , so hat (∗) eine Lösung (x, y) = ( αβ22 , αβ11 ) c) Sei c < Mf Mg . Setze c = µ · Mg ⇒ 0 < µ < Mf Gleichung f (x) = µ hat 2 Lösungen 0 < x1 < α2 β2 < x2 f (x) < µ für 0 < x < x1 oder x2 < x f (x) > µ für x1 < x < x2 (∗) ⇔ g(y) = µ Mg f (x) Diese Gleichung hat keine Lösung, falls 0 < x < x1 oder x2 < x oder eine Lösung, falls x = x1 oder x = x2 oder zwei Lösungen, falls x1 < x < x2 Für x1 < x < x2 gibt es 2 Funktionen y1 (x), y2 (x) mit 0 < y1 (x) < Aus Stetigkeitsgründen gilt: lim y1,2 (x) = x→x1 110 α1 , lim β1 x→x 2 y1,2 (x) = α1 β1 α1 β1 < y2 (x) Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 5.2 Stabilität Wir untersuchen das Verhalten von Trajektorien (x(t), y(t)) des autonomen DGL-Systems: ẋ = F (x, y), ẏ = G(x, y) (AS) in Umgebung eines GGP (x0 , y0 )(F (x0 , y0 ) = 0, G(x0 , y0 ) = 0) Definiton 1. Der Gleichgewichtspunkt (x0 , y0 ) (bzw. die stationäre Lösung x(t) ≡ x0 , y(t) ≡ y0 ) von (AS) heißt stabil, wenn ∀ε > 0∃δ(ε) > 0 : ∀ Lösungen x(t), y(t) zu (AS): p Ist (x(t1 ), y(t1)) ∈ Uε (x0 , y0 ) = {(x, y) ∈ R2 | (x − x0 )2 + (y − y0 )2 + ε} für ein gewisses t1 ∈ R, so folgt (x(t), y(t)) ∈ Uδ (x0 , y0 ) ∀t ≥ t1 2. GGP (x0 , y0 ) heißt asymptotisch stabil, wenn er stabil ist und zusätzlich: Ist (x(t1 ), y(t1 )) ∈ UR (x0 , y0 ) mit R > 0 ∧ t1 ∈ R, so folgt lim (x(t), y(t)) = (x0 , y0 ) t→∞ 3. GGP(x0 , y0) heißt instabil, falls er nicht stabil ist. Beispiel Im Räuber-Beute Modell ist der GGP(x0 , y0 ) ist der GGP(x0 , y0 ) = nicht asymtotisch stabil. Beispiel Charakterisierung des GGP (0, 0) des lin. hom. DGL-Systems ẋ x ẋ = a11 x + a12 y (KAS) = A ⇔ ẏ y ẏ = a21 x + a22 y mit konstanten Koeffizienten akl 111 α2 α1 , β2 β1 stabil, aber Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Bemerkung (KAS) kann als Linearisierung von (AS) mit F (0, 0) = 0, G(0, 0) = 0 angesehen werden, denn F (x, y) = F (0, 0) + G(x, y) = G(0, 0) + mit lim (x,y)→(0,0) ∂F (0, 0)(x) ∂x ∂G (0, 0)(x ∂x + − 0) + r1/2 (x, y) = 0, a11 = ∂F ∂y (0, 0)(y − 0) + r1 (x, y) ∂G (0, 0)(y ∂y ∂F (0, 0), a12 ∂x = − 0) + r2 (x, y) = a21 x + a22 y + r2 (x, y) ∂F ∂y (0, 0), a21 = ∂G (0, 0), a22 ∂x = ∂G (0, 0) ∂y Lösungenwerden bestimmt durch Eigenwerte und Eigenvektoren der Koeffizientenma a11 a12 trix A = a12 a22 EW: P2 (λ) = det(A − λI2 ) = (a11 − λ)(a22 − λ) − a12 a21 p Nullstellen von P2 : λ1/2 = 21 (a11 + a22 ± (a11 + a22 )2 − 4∆) mit ∆ = det A. Die sei ∆ 6= 0(⇒ (0, 0) ist einziger GGP) 1.Fall x(t) = c1 eλ1 t + c2 eλ2 t , y(t) = d1 eλ1 t + d2 eλ2 t 2.Fall wie 1. 3.Fall λ1 = λ2 = λ, x(t) = (c1 + c2 t)eλt , y(t) = (d1 + d2 t)eλt 4.Fall λ1/2 ∈ C, x(t) = eReλ1 t (cos(Imλ1 t) + c2 sin(Im(λ1 t)), y(t) = eReλ1 t (d1 cos(Imλ1 t) + d2 sin(Imλ1 t)) 5.Fall λ1/2 rein imaginär= Re(λ1 ) = Re(λ2 ) = 0 Zusammenfassung: Der GGP (0, 0) zu (KAS) ist genau dann stabil, wenn Re(λ1,2 ) ≤ 0 und assymptotisch stabil, wenn Re(λ1,2 ) < 0 Genau dann wenn T r(A) = a11 + a22 < 0 und ∆ = det(A) > 0 112 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 5.3 Methode von Ljapunoff Beschreibung des Stabilitätsverhaltens von Trajektorien (x(t), y(t)) des autonomen Systems: ẋ = dx = F (x, y) dt ẏ = dy = G(x, y) dt Motivation der Methode durch physikalisches Beispiel Elektrischer Schwingkreis: Ü + 1 R U̇ + U = 0 (ES) L LC Mit reellen positiven R, L, C (ES) ⇔ U̇ = V U F (U, V ) 1 = V̇ = − R V − LC U = L 1 R − −L V G(U, V ) LC 0 1 = 1 > 0, damit (0, 0) einziger GGP von (ES) und Wegen R > 0 ist det LC R 1 − LC − L 0 1 = −R< 0 tr L 1 R − LC − L Folglich ist (0,0) nach Satz 5.2 asymptotisch stabil. 0 1 Die potentielle Energie des Schwingkreises ist gegeben durch die elektrische Energie des Rt Rt ) dQ 1 Kondensators EC (t) = U(τ )I(τ )dτ = Q(τ (τ )dτ = 2C Q2 (t)(+const.) C dt 0 0 Die elektrische Energie des durch die Spule mit Induktivität L erzeugten magnetischen Rt Rt (τ )I(τ )dτ = L2 I 2 (t)(+const.) Feldes ist EL (t) = UL (τ ) · I(τ )dτ = L dI dt 0 0 Gesamtenergie E = E(t) zur Zeit t ≥ 0 des Schwingkreises ist folglich: E(t) = EC (t) + 113 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie EL (t) = 1 Q2 (t) 2C + L2 I 2 (t) = C 2 U (t) 2 + C2L 2 V 2 (t) | {z } U̇ 2 (t) E := E(U, V ) = C 2 U 2 + C2L 2 V 2 Energiefkt. E = E(U, V ) ist stets positiv außer im GGP (0,0) E(0, 0) = 0 (Ursprung). Lösung einer Trajektorie (U(t), V (t)) zu (ES) gilt: E(t) = E(U(t), V (t)) und C 2 LV (− R V − L 1 U) LC dE dt = ∂E U̇ ∂U + ∂E ∂V ...V = ∂E F (U, V ∂U )+ ∂E G(U, V ∂V (ES) ) = CUV + = −RC 2 V 2 ≤ 0 D.h. Längs jeder Trojaktorie von (ES) nimmt die Gesamtenergie E bei Annäherung an GGP monoton ab und erreicht ihren kleinsten Wert E(0, 0) = 0 im GGP. Diese physikalischen Betrachtungen bilden den Hintergrund für folgende Definitionen und Untersuchungen: Definition Sei (0, 0) ein isolierter Gleichgewichtspunkt des DGL-Systems (AS), d.h. in einer Umgebung in Ur (0, 0)\{(0, 0)} mit r0 > 0 hinreichend klein gibt es keine weiteren Gleichgewichtspunkte von (AS). Eine Funktion E = E(x, y) heißt Ljapunoff-Funktion (LF) zum System (AS), wenn sie in Ur (0, 0), mit r < r0 folgender Eigenschaft besitzt: i) Partielle Ableitungen existieren und sind stetig. ii) E(x, y) > 0 ∀ (x, y) ∈ Ur0 (0, 0)\{(0, 0)} und E(0, 0) = 0 (positiv definit) iii) ∂E F ∂x + ∂E F ∂x + ∂E G ∂y ∂E G ∂y (x, y) ≤ 0 für (x, y) ∈ Ur (0, 0) (0, 0) = 0 iv) Gilt in iii) statt “≤” stets “<” für (x, y) ∈ Ur (0, 0), so heißt E strenge Ljapunoff-Funktion 114 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Bemerkung 1) Ist (x0 , y0) 6= (0, 0) ein isolierter Gleichgewichtspunkt von (AS), so können die Be- trachtungen auf den Fall des Gleichgewichtspunktes (0, 0) zurückführen werden, indem substituiert x̃ = x − x0 , ỹ = y − y0 ⇒ dỹ dt dx̃ dt = dx dt = dy dt = G(x̃ + x0 , ỹ + y0 ) = G̃(x̃, ỹ) = F (x̃ + x0 , ỹ + y0 ) =: F̃ (x̃, ỹ) Hierbei ist dann G̃(0, 0) = F̃ (0, 0) = 0 2) Es ist nicht immer einfach, zu einem gegeben DGL-System (AS) eine LjapunoffFunktion (LF) zu konstruieren. Oft helfen dabei physikalische Überlegungen. 3) Für Elektischen Schwingkreis ist E = E(U, V ) = C 2 C 2L 2 U + 2 V 2 jedoch keine strenge Ljapunoff-Funktion (( ∂E F+ ∂U ∂E G)(U, 0) ∂V eine Ljapunoff-Funktion = 0 ∀ U ∈ R). Stabilitätskriterium Das DGL-System (AS) habe den isolierten Gleichgewichtspunkt (0, 0) und besitze eine Ljapunoff-Funktion E. Dann ist (0, 0) stabil. Ist E eine strenge Ljapunoff-Funktion, so ist (0, 0) sogar asymptotisch stabil. Beweis 1. Beweis der Stab. von (0,0). Sei ε > 0 und betrachten auf der Kreislinie. ∂Uε (0, 0) die LFE (Hier sei ε < r). Dann gilt: min E =: m > 0 ∂Uε (0,0) Wegen E(0, 0) = 0 und der Stetigkeit gibt es Uµ (0, 0) mit E(x, y) < m für (x, y) ∈ Uµ (0, 0)(0 < µ < ε) Sei T = {(x(t), y(t))|t ∈ R} eine Traj. von (AS), welche zu einem gewissen t1 innerhalb von Uµ (0, 0) liegt, also E(x(t1 ), y(t1)) < m dE dt = ∂E ẋ ∂x + (AS) ∂E ẏ = ∂y ( ∂E F+ ∂x ∂E G)(x(t), y(t)) ∂y fallend 115 iii) ≤ 0 d.h. E(x(t), y(t)) ist monoton Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie E(x(t), y(y)) ≤ E(x(t1 ), y(t1)) < m für alle t ≥ t1 Somit kann die Trajektorie T niemals ∂Uε (0, 0) erreichen, weil dort E(x, y) ≥ m ⇒ die Trajektorie (x(t), y(t)) ∈ Uε (0, 0)∀t ≥ t1 2. Sei jetzt E = E(x, y) eine strenge LF, so betrachten wir die Funktionen E(t) = E(x, (t), y(t)) für eine Trajektorie T = {(x(t), y(t) ∈ R2 |t ≥ t1 } mit (x(t)1 , y(t1)) ∈ Ur (0, 0) dE dt = ∂E ẋ ∂y + (AS) ∂E ẏ = ∂y ( ∂E F + ∂x iv) ∂E < 0 G)(x(t), y(y)) ∂y d.h. E : t 7→ E(t) ∈ R ist streng monoton fallend und positiv ⇒ E(t) > E(t + k) > 0 für alle k ≥ 0 ∧ t ≥ t1 k → ∞ : E(t) ≥ lim E(τ ) =: g ≥ 0 (⋆) τ →∞ ZZ g = 0 (Dann gilt für die Trajektorie T : lim (x(t), y(t)) = (0, 0)) t→∞ ii) Annahme: Sei g > 0. Wegen E(0, 0) = 0 und Stetigkeit von E gibt es eine Umgebung U̺ (0, 0) mit 0 ≥ E(x, y) < g für alle (x, y) ∈ U̺ (0, 0) Wegen (⋆) gilt nun (x(t), y(t)) 6∈ U̺ (0, 0) ∀ t ≥ t1 Auf Ur (0, 0)\U̺ (0, 0) giltP ∂E F ∂x + ∂E G ∂y ≤ max (. . . ) =: M < 0 (#) ⇒ Für Ur (0,0)\U̺ t ≥ t1 ist T ⊆ Ur (0, 0)\U̺ (0, 0) und somit E(t) = E(t1 ) + Rt ∂E t1 F+ ∂x ∂E G ∂y (#) (x(τ ), y(τ ))dτ ≤ E(t1 ) + t → ∞ : g = lim E(t) ≤ −∞ zu (⋆) 116 Rt t1 Rt t1 dE (τ )dτ dt Mdτ = E(t1 ) + M(t − t1 ) ≤ E(t1 ) + Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 1. Beispiel ẋ = −x3 + y (= F (x, y)) ẏ = −x − y 5 (= G(x, y)) 1. Schritt Berechnung der Gleichgewichtspunkte: F = 0, G = 0 ⇒ y = x3 ∧ x = −y 5 = −x15 ⇒ x(1 + x14 ) = 0 ⇒ x = 0, y = 0 Somit ist (0, 0) der einzige Gleichgewichtspunkt. 2. Schritt Konstruktion einer Ljapunoff-Funktion. Ansatz E(x, y) = αx2 + βy 2 Überprüfe Bedingung iii), iv): ∂E F ∂x + ∂E G ∂y = 2αx(−x3 + y) + 2βy(−x − y 5 ) = −2αx4 + 2(α − β)xy − 2βy 6 Wähle α = β = 1, so ist ∂E F ∂x + ∂E G ∂y = −2x4 − 2y 6 < 0 für (x, y) 6= (0, 0) und E = x2 + y 2 ist strenge Ljapunoff-Funktion. 3. Schritt Stabilitätskriterium: (0, 0) ist asymptotisch stabil. 2. Beispiel ẋ = Hx (x, y) (1) ẏ = Hy (x, y) d.h. (F, G) = grad(H) mit H ∈ C 1 (Ur0 (0, 0)), grad(H) = (0, 0) ⇔ (x, y) = (0, 0) Behauptung: E(x, y) := −H(x, y) + H(0, 0) in eine Ljapunoff-Funktion zu (1), denn ∂E F ∂x + ∂E G ∂y = −Hx Hx − Hy Hy = −(grad(H))2 ≤ 0 für (x, y) ∈ Ur0 (0, 0) \ {(0, 0)} ⇒ E(x, y) ist sogar strenge Ljapunoff-Funktion. In Ur (0, 0) ⊆ Ur0 (0, 0) hat H nur ein lokales Extremum in (0, 0), weil grad(H(0, 0)) = (0, 0) ⇒ H(x, y) < H(0, 0) für alle (x, y) ∈ Ur (0, 0)\{(0, 0)} ⇒ E erfüllt ii). 117 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Instabilitätskriterium Sei Ẽ ∈ C 1 (Ur0 (0, 0)) mit Ẽ(0, 0) = 0, E Ẽ(xn , yn ) > 0 mit {(xn , yn )} ⊆ Ur0 und lim (xn , yn = (0, 0) n→∞ Gelte weiterhin ∂ Ẽ F ∂x + ∂ Ẽ G ∂y > 0 in Ur0 (0, 0)\{(0, 0)} Dann ist (0, 0) ein instabiler GGP von (AS) Beweis Ziel: Konstruktion einer Trajektorie T , welche hinreichend nahe an GGP (0, 0) startet, jedoch für t → ∞ sich von diesem beliebig weit entfernt. Dazu wählen wir die Lösung (x(t), y(t)) des AWP: x(0) = xn , y(0) = yn zu (AS) Für Ẽ(t) = Ẽ(x(t), y(t)) gilt: Ẽ(0) = Ẽ(xn , yn ) = αn > 0 Wegen Ẽ(0, 0) = 0 und Stetigkeit von Ẽ existiert Uε (0, 0): Ẽ(x, y) < αn für (x, y) ∈ Uε (0, 0) dẼ dt (AS) + ∂∂yẼ ẏ > 0 für (x(t), y(t)) ∈ Uε (0, 0) Rt Ẽ(t) = Ẽ(0) + ddτẼ dτ ≥ Ẽ(0) = αn d.h. (x(t), y(t)) 6∈ Uε (0, 0) (2) = ∂ Ẽ ẋ ∂x 0 Für (x, y) ∈ Ur (0, 0)\Uε (0, 0) : ∂∂xẼ F + ∂∂yẼ G ≥ m > 0 (2) Rt Rt ⇒ Ẽ(t) − Ẽ(0) = ddτẼ ≥ mdτ = αn mt falls T ⊆ Ur (0, 0)\Uε (0, 0) für gewisse Zeiten. 0 0 Gilt diese Relation für alle t ≥ 0, so folgt nun lim Ẽ(t) = ∞ t→∞ Andererseits ist E auf Ur (0, 0) beschränkt ⇒ 118 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Jetzt betrachten wir (AS) in der Form: ẋ = a11 x + a12 y + f (x, y) (Fast-lineares System) (F LS) ẏ = a21 x + a22 y + g(x, y) Hier sei f (0, 0) = g(0, 0) = 0 ⇒ F (0, 0) = G(0, 0) = 0 mit F (x, y) = a11 x + a12 y + f (x, y) und G(x, y) = a21 x + a22 y + g(x, y) Das lineare DGL-System: mit A = (aij ), aij = const. ẋ x = A ẏ y heißt Linearisierung von (AS) bzw. (FLS) Bemerkung Gilt F, G ∈ C 1 (Ur0 (0, 0)) mit F (0, 0) = G(0, 0) = 0, so lässt sich (AS) in der Form (FLS) schreiben, denn (Analysis II): (0, 0) + (y − 0) ∂F (0, 0) + f (x, y) mit lim f (x,y) = 0 (∗) wobei F (x, y) = F (0, 0) + (x − 0) ∂F ∂x ∂y r r→0 p r = |(x, y) − (0, 0)| = x2 + y 2 G(x, y) = G(0, 0) + (x − 0) ∂G (0, 0) + (y − 0) ∂F (0, 0) + g(x, y) mit lim g(x,y) = 0 (∗) ∂x ∂y r r→0 Stabilitätssatz (nach Ljapunoff) Sei f, g ∈ C(Ur0 (0, 0)) und genüge der Bedingung ⋆. Wenn die Nullstellen des charakteristi a11 − λ a12 = schen Polynoms zum linearisierten DGL-System (LK): det(A−λI) = a21 a22 − λ λ2 − a11 + a22 λ + det | {zA} nur negative Realteile besitzen, so ist die GGP (0, 0) zu (FLS) =∆ isoliert und asymptotisch stabil. 119 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Beweis a) Beweis der Isoliertheit von (0, 0) indirekt. Wäre (0, 0) kein isolierter GGP, so müsste in jedem Ur (0, 0) ein weiterer GGP (xk , yk ) 6= (0, 0) von (FLS) liegen. OBdA. sei lim (xk , yk ) = (0, 0). Es ist dann für k = 1, 2 . . . : k→∞ a11 xk + a12 yk + f (xk , yk ) = 0 a21 xk + a22 yk + g(xk , yk ) = 0 Verwende Polarkoordinaten xk = rk cos ϕk , yk = rk sin ϕk mit lim rk = 0 k→∞ 1 − f (xk , yk ) k→∞ 0 → wegen (⋆) ⇒ A cos ϕk sin ϕk = rk 1 − rk g(xk , yk ) 0 Da ∆ = det A 6= 0 (weil λ= 0 kein Eigenwert zu A seindarf gemäß Voraus- cos ϕk − 1 f (xk , yk ) k→∞ 0 = A−1 rk → . Somit setzung), ist A regulär und sin ϕk − r1k g(xk , yk ) 0 lim cos ϕk = 0, lim sin ϕk = 0 im Widerspruch zu cos2 ϕk + sin2 ϕk = 1 ⇒ GGP k→∞ k→∞ (0,0) ist isoliert. b) Beweis der asymptotischen Stabilität mittels Ljapunoff-Funktion (LF) b1) Konstruktion einer LF E für (LK) a b x (quadratische Form) Ansatz: E(x, y) = ax2 + 2bxy + cy 2 = (x, y) b c y Wie sind die reellen Konstanten a, b, c zu wählen, sodass E Ljapunoff-Funktion zu (LK) wird? det(A − λI) = 0 ⇔ λ = λ1,2 = a11 +a22 2 ± q (a11 +a22 )2 4 a11 + a22 < 0 und ∆ > 0 ⇒ α := −(a11 + a22 )∆ > 0 Setze a := a221 +a222 +∆ , 2α +a11 a22 b := − a11 a212α , c := 120 a211 +a212 +∆ , 2α −∆ Re λ1,2 < 0 ⇔ dann ist E positiv defi- Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie a b eine positiv definite Matrix ist. nit, weil | {z } b c a b Hurwitz-Kriterium ⇔ >0 c a>0, b a b = 1 2 ((a2 + a2 + a2 + a2 )∆ + 2∆2 ) > 0 ist E positiv definit. Weil 21 22 12 11 4α b c ∂E (a11 x+a12 y)+ ∂E (a21 x+a22 y) = 2(ax+by)(a11 x+a12 y+2(bx+cy)(a21 x+a22 y) = ∂x ∂y · · · = −(x2 + y 2) < 0 für (x, y) 6= (0, 0) ⇒ Bedingung für LF zu (LK) erfüllt. b2) Wir zeigen, dass E aus b1) auch strenge LF zu (FLS) ist. ∂E F ∂x + ∂E G ∂y = ∂E (a11 x ∂x + a12 y) + ∂E f ∂x + ∂E (a21 x ∂y + ∂E G ∂y + a22 y) + ∂E b1) g = ∂y −(x2 + y 2) + 2(ax + by)f (x, y) + 2(bx + cy)g(x, y) Mit x = r cos ϕ, y = r sin ϕ ⇒ ∂E F ∂x = −r 2 + 2r(a cos ϕ + b sin ϕ)f + (b cos ϕ + c sin ϕ)g) Setze M = max{a, |b|, c} ∂E F ∂x ∂E G ∂y ≤ −r 2 + 2r(2M|f | + 2M|g|) p Wegen (⋆) gilt für x2 + y 2 = r mit hinreichend kleinem r die Ungleichung + |f (x,y)| r < 1 , |g(x,y)| 9M r < 1 9M ⇒ ∂E F ∂x + ∂E G ∂y r = r 2 + 4rM( 9M + r ) 9M 2 ≤ − r9 < 0 für r 6= 0 ⇒ GGP (0, 0) ist asymptotisch stabil gemäß Stabilitätskriterium Zusatz Hat das charackteristische Polynom zu A nur Nullstellen mit positiven Realteilen (⇔ a11 + a22 > 0 und ∆ > 0), so ist GGP (0, 0) zu (FLS) isoliert und instabil, denn dann ist α < 0 und somit E negativ definit. Mit Ẽ = −E folgt 2M|g|) ≥ r2 9 > 0 für r 6= 0 121 ∂ Ẽ F ∂x + ∂ Ẽ G ∂y ≥ r 2 − 2r(2M|f | + Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie Aussage des Stabilitätssatzes ist, dass asymptotische Stabilität des zugehörigen linearisierten Systems ẋ = a11 x + a12 y mit a11 = ∂F (0, 0), a12 = ∂F (0, 0), a21 = ∂G (0, 0), a22 = ∂G (0, 0) ∂x ∂y ∂x ∂y ẏ = a21 x + a22 y die asymptotische Stab. des GGP (0.0) für das nichtlineare DGL-System (AS) bewirkt. In diesem Sinne kann (AS) als kleine Störung des linearen Systems (LK) gesehen werden. Achtung Die Aussage gilt nicht bei “einfacher” Stabilität Beispiel ẋ = e−x+y − cos(x)(= F (x, y)) ẏ = sin(x − 3y)(= G(x, y)) gesucht: Gleichgewichtspunkte und deren Stabilitäts-Charakter 1. Schritt Betstimmung der Gleichgewichtspunkte F (0, 0) = e0 − cos(0) = 1 − 1 = 0 G(0, 0) = sin(0) = 0 2. Schritt Linearisierung ∂F (0, 0) ∂x = −e−x+y + sin(x)(0,0) = −1 = e−x+y (0,0) = 1 ∂G =1 (0, 0) = cos(x − 3y) ∂x (0,0) ∂G (0, 0) = −3 cos(x − 3y)(0,0) = −3 ∂y ∂F (0, 0) ∂y ⇒ linearisiertes System: ẋ = −x + y ẏ = x − 3y 122 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 3. Schritt Untersuchung des linearisierten Systems anhand der Eigenwerte λ1,2 der Koef−1 1 fizientenmatrix A = 1 −3 −1 − λ 1 = λ2 + 4λ + 2 ⇒ 0 = det(A − λI2 ) = 1 −3 − λ √ −2 + 2 < 0 √ ⇒ λ1,2 = −2 ± 4 − 2 = √ −2 − 2 < 0 ⇒ (0, 0) ist asymptotisch stabil bez. lin. DGL-System 4. Schritt (0, 0) ist asymptotisch stabil bez. Ausgangssystem gemäß Stab.-Satz Verallgemeinerung 1) Gelte die Voraussetzung des Stabilitäts-Satzes und hat eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms det(A − λI2 ) einen positiven Realteil, so ist (0, 0) instabil und isolierter Gleichgewichtspunkt 2) Aussagen des Stabilitäts-Satzes und 1) gelten auch für n-gliedrige Systeme. (Beweis: siehe Walter, S. 331 ff.) Anwendung: Lotka-Volterrasche Wettbewerbsmodell ẋ = α1 x − β1 x2 −γ1 xy = x(α1 − β1 x − γ1 y = F (x, y) | {z } β1 =α1 x(1− α x) 1 (W ) 2 ẏ = α2 x − β2 x −γ2 xy = y(α2 − β2 y − γ2 x = G(x, y) | {z } β2 =α x(1− x) 2 α2 mit positiven Konstanten αi , βi , γi Modell für 2 Populationen im Wettbewerb um eine beschränkte Ressource α1 - beschreibt Wachstum von x β1 - beschreibt Hemmung des Wachstums von durch sich selbst γ1 - beschreibt Hemmung des Wachstums von x durch y 123 Gewoehnliche Differentialgleichungen 5 Qualitative Theorie 1.GGP: F (x, y) = 0 G(x, y) = 0 ⇔ α1 α2 , ,0 (0, 0), 0, β2 β1 {z } | , (x0 , y0) als Lösung des li- hier ist mindestens eine Population ausgelöscht nearen algebraischen Gleichungssystems β1 x0 + γ1 y0 = α1 (G) γ2 x0 + β2 y0 = α2 β1 γ1 = β1 β2 − γ1 γ2 6= 0 Eindeutig bestimmt, falls γ2 β2 Untersuchung des GGP (x0 , y0 ) und dessen Stab-charakter unter den Voraussetzung: x0 , y0 > 0, d.h. gibt es einen Zustand für x und y, wo beide Populationen auf Dauer koexistieren können (asymptotisch stabil) bzw. nicht (instabil) Bemerkung Stabilität von(0, 0): Linearisiertes DGL-System an (0, 0) : ẋ = α1 x, ẏ = α2 y α1 0 ⇒ EW λ1,2 = α1,2 > 0 ⇒ (0, 0) instabiler GGP A= 0 α2 Stabilitäts-charakter von (x0 , y0 ): Transformation: u = x − x0 , v = y − y0 u̇ = (u + x0 )(α1 − β1 u − β1 x0 − γ1 v − γ1 y0 ) = (u + x0 )(−β1 u − γ1 v) = F̃ (u, v) (W)⇔ v̇ = (v + y0 )(α2 − β2 v − β2 y0 − γ2 u − γ2 x0 ) = (v + y0 )(−β2 v − γ2 U) = G̃(u, v) u̇ = −x0 β1 u − x0 γ1 v Linearisierung an (u0 , v0 ) = (0, 0) : v̇ = −y0 β2 v − y0 γ2 u −x0 β1 − x0 γ1 Stabilität von (0, 0) anhand à = −y0 γ2 − y0 β2 T r(Ã) = −x0 β1 − y0 β2 < 0 (weil x0 , y0 , β1 , β2 als positiv vorausgesetzt wurden) β1 γ1 < ⇒Instabilität (bei hohom Wettbewerbsdruck) 0 ⇔ β1 β2 < γ1 γ2 det(Ã) = x0 y0 > ⇒asymptotische Stabilität (bei geringem Wettbewerbsdruck) |{z} γ β > 2 2 >0 124
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