Herrn Dr. Norbert Walter-Borjans Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundesrates 11055 Berlin Ausschließlich per E-Mail Düsseldorf, 12.01.2016 613/515 Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (BR-Drs. 631/15) Sehr geehrter Herr Dr. Walter-Borjans, wir begrüßen das mit dem Gesetz verfolgte Ziel, das deutsche Besteuerungsverfahren technisch, organisatorisch und rechtlich zu modernisieren, um es effizienter zu gestalten. Die dazu vorgestellten Überlegungen zur notwendigen technischen Weiterentwicklung und zur Entlastung der Steuerpflichtigen sind zum Teil sehr positiv, wie z.B. die allgemeine Fristverlängerung bei beratenen Steuerpflichtigen. Ferner begrüßen wir, dass mit dem Regierungsentwurf einige unserer Anregungen zum Referentenentwurf aufgegriffen wurden. Dennoch bleiben weiterhin wichtige Kritikpunkte unberücksichtigt. Insbesondere erwecken die vorgesehenen Änderungen noch immer vielfach – wie auch schon im Diskussions- und Referentenentwurf – den Eindruck, dass vor allem die Maßnahmen gesetzlich geregelt werden sollen, die zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Erleichterungen und Verbesserungen für den Steuerpflichtigen bzw. seinen Berater finden sich hingegen deutlich weniger. Nachbesserungsbedarf besteht u.E. unverändert bei folgenden Themen: Untersuchungsgrundsatz, Fristverlängerung bei Vorabanforderungen, Verspätungszuschlag, Schreib- oder Rechenfehler bei der Erstellung einer Steuererklärung und Datenschutz. Seite 2/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin Im Einzelnen nehmen wir wie folgt Stellung: Zu § 88 AO-E Untersuchungsgrundsatz Petitum: Die Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erhaltenen Daten sollten grundsätzlich von der jeweiligen Finanzbehörde, die sie erlassen hat, veröffentlicht werden, soweit sie nicht die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden. § 88 Abs. 3 Satz 3 AO sollte dazu wie folgt positiv formuliert werden: „3Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden sind von der sie erlassenden Finanzbehörde zu veröffentlichen, soweit dies sie nicht die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte.“ Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Nach § 88 Abs. 3 AO-E sollen die obersten Finanzbehörden der Länder für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erhaltenen Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen sollen allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeitsund Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden können. Die Weisungen sollen nicht veröffentlicht werden dürfen, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Damit soll nach der Gesetzesbegründung verhindert werden, dass Steuerpflichtige ihr Erklärungsverhalten an solchen Anweisungen ausrichten (vgl. BR-Drs. 631/15, S. 81). Vor dem Hintergrund der vorgesehenen Regelung im Zusammenhang mit den zukünftigen Risikomanagementsystemen sowie Verwaltungsanweisungen über Art und Umfang der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erscheint es fraglich, ob die verfassungsrechtlich geforderte Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet wird. Dass die Kenntnis derartiger Weisungen der Finanzverwaltung für die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eines konkreten Einzelfalles maßgeblich ist, ergibt sich selbst aus der Gesetzesbegründung (vgl. BRDrs. 631/15, S. 81), wonach eine Weitergabe dieser Weisungen an u.a. Gerichte – verfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprechend – unverändert zulässig ist. Die Vorlage der Weisungen erst im finanzgerichtlichen Verfahren führt aber dazu, dass weder das eigentliche Veranlagungs- noch ein Einspruchsverfahren Seite 3/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin inhaltlich zielgerichtet und effektiv durchgeführt werden können. Der Steuerpflichtige wird ggf. häufig gehalten sein, den Gerichtsweg zu beschreiten. Dies dürfte der Zielsetzung einer Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz entgegenstehen. Es ist daher u.E. aus verfassungsrechtlichen sowie Transparenzgründen geboten, die Weisungen grundsätzlich zu veröffentlichen, jedoch nur, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht konkret gefährden würde; zudem sollte nur die die Weisung erlassende Behörde die Veröffentlichung vornehmen können. Zu § 109 AO-E Verlängerung von Fristen, § 149 AO-E Abgabe von Steuererklärungen Petitum: Eine Fristverlängerung sollte bei Vorabanforderungen von Steuererklärungen weiterhin verschuldensunabhängig bleiben. § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO-E sollte dazu gestrichen werden: „(2) 1Absatz 1 ist 1. in den Fällen des § 149 Absatz 3 auf Zeiträume nach dem 28. Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres und 2. in den Fällen des § 149 Absatz 4 auf Zeiträume nach dem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt nur anzuwenden, falls der Steuerpflichtige ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten. Zumindest sollte die Frist zum Befolgen der Vorabanforderung nach § 149 Abs. 4 Satz 3 AO-E von drei auf sechs Monate verlängert werden, um übermäßige Belastungen abzumildern: „3Ferner dürfen die Finanzämter nach dem Ergebnis einer automationsgestützten Zufallsauswahl anordnen, dass Erklärungen im Sinne des Absatzes 3 vor dem 28. Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres mit einer Frist von drei sechs Monaten nach Bekanntgabe der Anordnung abzugeben sind.“ Seite 4/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Die Möglichkeit einer automationsgestützten Zufallsauswahl nach § 149 Abs. 4 Satz 3 AO-E, die Finanzämter anordnen können und auf deren Basis Steuererklärungen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Bekanntgabe der Anordnung abzugeben sind, sog. Vorabanforderung, kann beim steuerlichen Berater im Einzelfall zu Belastungsspitzen führen, wenn mehrere Mandanten gleichzeitig kurzfristig zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert werden. Dies gilt insbesondere im Zusammenspiel mit den vorgesehenen eingeschränkten Möglichkeiten für eine Fristverlängerung nach § 109 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO-E. Eine Fristverlängerung soll – im Gegensatz zur geltenden Rechtslage – bei Vorabanforderungen nur möglich sein, wenn „der Steuerpflichtige ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten“. Nach der Gesetzesbegründung soll für das Vorliegen einer „unverschuldeten Verhinderung“ auf die Grundsätze für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, § 56 FGO) abgestellt werden (vgl. BR-Drs. 631/15, S. 88). Danach werden Gründe wie Arbeitsüberlastung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe „in der Regel nicht zu einer Fristverlängerung führen“ (BRDrs. 631/15, S. 88) können. Diese Regelung ist für die Praxis schwer handhabbar, weil unklar bleibt, welche Gründe für eine Fristverlängerung in Frage kommen. Es sollte daher bei einer verschuldensunabhängigen Fristverlängerung bei Vorabanforderungen bleiben. Verschärft wird dieses Problem durch die nach unserer Ansicht zu kurze Frist zum Befolgen der Vorabanforderung von nur drei Monaten nach § 149 Abs. 4 Satz 3 AO-E. Der steuerliche Berater hat bei Eingehen einer entsprechenden Anordnung Vorkehrungen zu treffen, die einen angemessenen zeitlichen Rahmen benötigen (z.B. Kontaktaufnahme mit dem Mandanten, Auswertung von Unterlagen). Sofern an der verschuldensabhängigen Fristverlängerung festgehalten werden, sollte zur Abmilderung von Belastungen der steuerberatenden Berufe zumindest die Frist von drei auf sechs Monate verlängert werden. Zu § 152 AO-EO Verspätungszuschlag Petitum: Im Hinblick auf die umfangreichen Änderungen bei Verspätungszuschlägen sollte die Regelung des § 152 Abs. 2 bis 5 AO-E abgemildert werden. Hierzu sollte insbesondere bei Steuerfestsetzungen auf 0 € der ständigen BFHRechtsprechung gefolgt und von einem Mindestbetrag abgesehen werden. Seite 5/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin § 152 Abs. 3 AO-E sollte dazu um folgende Ausnahme in einem neuen Satz 3 ergänzt werden: „(3) 1Der Verspätungszuschlag beträgt vorbehaltlich des Satzes 2, des Absatzes 6 und des Absatzes 11 Satz 2 für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 10 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. 2Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 50 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. 3In Fällen der Nullfestsetzung finden die Sätze 1 und 2 keine Anwendung.“ Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Ob ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird, steht gemäß § 152 Abs. 1 AO-E grundsätzlich im Ermessen der Finanzverwaltung. In den Fällen des § 152 Abs. 2 AO-E soll, wenn die Steuererklärung nicht innerhalb der Fristen des § 149 AO-E abgegeben wird, jedoch künftig zwingend ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Der relative Höchstbetrag für einen Verspätungszuschlag von 10 % der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrags nach § 152 Abs. 2 Satz 1 AO wird gestrichen. § 152 Abs. 3 bis 5 AO-E sieht zudem feste Beträge für die Verspätungszuschläge vor, während die Finanzverwaltung bisher eine in ihrem Ermessen stehende Bandbreite nutzen konnte. Diese Änderungen führen für die Finanzverwaltung „zu einer erheblichen Verringerung des Verwaltungsaufwands“ (BR-Drs. 631/15, S. 96), stellen jedoch für die Steuerpflichtigen deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage dar. Durch die Aufgabe der Ermessensentscheidung in Fällen des § 152 Abs. 2 AO-E können tragfähige Gründe des Steuerpflichtigen für die verspätete Abgabe nicht mehr berücksichtigt werden. In Kombination mit festen Mindestverspätungszuschlägen von 10 € bzw. 50 € nach § 152 Abs. 3 bis 5 AO-E wirkt dies insbesondere bei Steuerfestsetzungen auf 0 € (vgl. BRDrs. 631/15, S. 97) nachteilig und widerspricht ständiger BFH-Rechtsprechung. Diese sah bislang vor, dass bei einer Nullfestsetzung kein Verspätungszuschlag erhoben wurde (vgl. BFH, Urteil vom 26.06.2002, IV R 63/00 m.w.N.). Die nun vorgesehene Verschärfung kann u.E. nicht mit der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten (vgl. BR-Drs. 631/15, S. 97) gerechtfertigt werden. Zur Erfüllung dieses Seite 6/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin Zweckes könnte auch eine für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung, z.B. der Verzicht auf Festsetzung eines Verspätungszuschlags, getroffen werden. Zu § 165 AO-E Vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung der Steuerfestsetzung Petitum: Für eine vorläufige Steuerfestsetzung sollte nicht nur auf eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, sondern auch auf Beschlüsse der Europäischen Kommission Bezug genommen werden. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AO-E sollte daher wie folgt geändert werden: „2a. sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union oder eines Beschlusses der Europäischen Kommission ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann,“ Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AO-E soll ein Steuerbescheid auch vorläufig ergehen können, wenn sich aufgrund einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Bedarf einer gesetzlichen Neuregelung ergeben kann. Die Regelung lässt unberücksichtigt, dass auch die Europäische Kommission den Gesetzgeber durch Beschluss auffordern kann, eine nationale Regelung zu ändern, zu ergänzen oder zu erlassen. Zu § 173a AO-E Schreib- oder Rechenfehler bei Erstellung einer Steuererklärung Petitum: Anstelle einer eigenständigen Korrekturvorschrift für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung in § 173a AO-E, sollten diese Neuerungen in den bereits bestehenden § 129 AO aufgenommen werden. Dabei sollte der Anwendungsbereich auf Korrekturmöglichkeiten für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen erweitert werden, die die Steueranrechnung betreffen. Sollte an einer eigenständigen Regelung in § 173a AO-E festgehalten werden, sollte zumindest auch eine andere „ähnliche offenbare Unrichtigkeit“ wie in § 129 AO die Korrektur ermöglichen: „Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder fehler, Re- Seite 7/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin chenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.“ Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Die Korrekturmöglichkeit eines Steuerbescheids aufgrund von Schreib- und Rechenfehlern in der Steuererklärung soll separat in § 173a AO-E geregelt werden. Der geltende § 129 AO erfasst hingegen nur Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts – also nicht dem Steuerpflichtigen – unterlaufen sind. Grundsätzlich begrüßen wir, dass eine Korrekturmöglichkeit für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen vorgesehen werden soll. Gleichwohl halten wir es nicht für sinnvoll, diese Fehler in einer eigenständigen Korrekturvorschrift zu regeln. Unseres Erachtens ist keine Sonderregelung für die Korrektur notwendig. Eine Korrekturmöglichkeit nach § 129 AO für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen, die die Steueranrechnung, d.h. den Abrechnungsteil eines Steuerbescheides betreffen, setzt nach bisheriger Rechtslage voraus, dass das Finanzamt diese Fehler erkennen konnte und sich die Fehler somit „zu eigen“ gemacht hat. Diese Voraussetzung ist insbesondere bei elektronischer Übermittlung einer Steuererklärung regelmäßig nicht erfüllt. Auch die vorgesehene Neuregelung § 173a AO-E bietet insoweit keine Korrekturmöglichkeit. In § 129 AO sollte daher auch eine Korrekturmöglichkeit für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen eingeführt werden, die die Steueranrechnung betreffen. § 173a AO-E bezieht sich lediglich auf Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen, erfasst jedoch nicht auch andere „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ wie § 129 AO. Nach der Gesetzesbegründung zählt das schlichte Vergessen eines Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in die Steuererklärung ausdrücklich nicht zu den von § 173a AO-E erfassten Schreib- und Rechenfehlern (vgl. BR-Drs. 631/15, S. 106). Stattdessen wird auf das Urteil des BFH vom 10.02.2015 (IX R 18/14) verwiesen, wonach ein solcher Fehler nicht grundsätzlich grob fahrlässig i.S.d. § 173 Abs.1 Nr. 2 AO ist. Auf diese Weise versucht die Gesetzesbegründung, Fälle „ähnlicher offenbarer Unrichtigkeiten“ dem Anwendungsbereich des § 173 AO zuzuordnen. Unseres Erachtens ist dies jedoch nicht ausreichend. Das zitierte Urteil erfasst lediglich den Fall des schlichten Vergessens des Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in die entsprechende Anlage zur Einkommensteuererklärung. Darin liege Seite 8/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin ein unbewusster – mechanischer – Fehler, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen könne, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuererklärungsdaten abnehme. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählten zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkämen und mit denen immer gerechnet werden müsse; sie seien jedenfalls dann nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden seien. Der Begriff der „ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten“ geht jedoch über diese Fehler hinaus und umfasst z.B. auch: Fehler in der Sachverhaltsermittlung, Nichtberücksichtigung feststehender oder mitgeteilter Tatsachen, wenn der Grund hierfür auf Unachtsamkeit beruht und offen zutage liegt, Ablese-, Auswertungs- oder Übertragungsfehler, Übersehen von Erklärungen des Steuerpflichtigen oder von Behörden, Programmfehler. § 173a AO-E ist daher insbesondere auch aus Gründen der Rechtssicherheit um „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ zu ergänzen. Zur Gesetzesbegründung: Datenschutz Petitum: Da auf europäischer Ebene vor 2018 keine einheitlichen datenschutzrechtlichen Mindestbestimmungen gelten werden, sollten bereits zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ab 01.01.2017 bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz in der AO ergänzt werden. Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist von der grundlegenden Idee geprägt, elektronische Kommunikation und Datenverarbeitung in Zukunft verstärkt im Besteuerungsverfahren nutzen zu wollen. Gleichwohl fehlen im Regierungsentwurf bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz, insbesondere Regelungen zum Auskunftsanspruch des Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten und Regelungen zu den sog. sonstigen Rechten von Betroffenen. Das Fehlen entsprechender Regelungen wird, wie schon im Referentenentwurf, damit begründet, dass die Beratungen auf Ebene der Europäischen Union zur sog. Datenschutz-Grundverordnung kurz vor ihrem Abschluss stehen (vgl. BR-Drs. 631/15, S. 55). Eine klare und umfassende Regelung zum Datenschutz ist u.E. jedoch sofort erforderlich; die EUDatenschutz-Grundverordnung sollte nicht abgewartet werden. Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens soll bereits am 01.01.2017 in Kraft Seite 9/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin treten (Artikel 20 Abs. 1), die EU-Datenschutz-Grundverordnung gilt hingegen erst zwei Jahre nach ihrer Verabschiedung und Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (Artikel 91 Entwurf Datenschutz-Grundverordnung, KOM(2012) 11 endgültig vom 25.01.2012), also frühestens ab 2018. Eine Gesetzeslücke von über einem Jahr nicht ist u.E. hinnehmbar. Weitere Anpassungen der AO: Verbindliche Auskunft Anspruch auf verbindliche Auskunft ab 5.000 € Wert des Interesses Petitum: Wie bereits in unseren Stellungnahmen vom 02.02.2015 zum Diskussionsentwurf sowie vom 23.09.2015 zum Referentenentwurf vorgetragen, möchten wir erneut den Vorschlag unterbreiten, in § 89 AO, z.B. in einem neuen Absatz 2a, einen Anspruch auf verbindliche Auskunft (einschließlich Lohnsteueranrufungsauskunft) des Steuerpflichtigen einzuführen, wenn der Wert des Interesses einen Betrag von 5.000 € (Kleinbetragsgrenze) übersteigt. Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: Derzeit steht eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO im Ermessen der Finanzverwaltung. Immer häufiger ist in der Praxis zu beobachten, dass verbindliche Auskünfte entweder mit sehr großer zeitlicher Verzögerung oder sogar gar nicht mehr erteilt werden. Dieser Umstand führt zu einer enormen Planungsunsicherheit für die Steuerpflichtigen. Solange die Finanzverwaltung an einer kostenpflichtigen verbindlichen Auskunft festhält, sollte dem Steuerpflichtigen auf der anderen Seite auch ein Rechtsanspruch auf eine verbindliche Auskunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zugesprochen werden. Dies käme dem Ziel einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen einen entscheidenden Schritt näher. Unentgeltliche verbindliche Auskunft in Fällen der Selbstveranlagung Weiterhin sollte geprüft werden, ob eine verbindliche Auskunft jedenfalls dann vom Finanzamt wieder unentgeltlich erteilt wird, wenn Vorgänge gegeben sind, bei denen der Steuerpflichtige im Wege der Selbstveranlagung Maßnahmen der Steuerverwaltung durchführt (z.B. Lohnsteueranrufungsauskunft, Umsatzsteuervoranmeldungen, Kapitalertragssteueranmeldungen, Datenübermittlung durch Dritte). Seite 10/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin Bestimmung der zuständigen Finanzbehörde bei ertrag- und umsatzsteuerlicher Organschaft Petitum: In § 89 Abs. 2 AO sollte für verbindliche Auskünfte in Zusammenhang mit Fragen der ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft eine ausschließliche Zuständigkeit der für den (künftigen) Organträger zuständigen Finanzbehörde bestimmt werden. Problem und Begründung für die vorgeschlagene Lösung: In Fragen der ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft können nach der aktuellen Regelung des § 89 Abs. 2 AO sowohl die Finanzbehörde des (künftigen) Organträgers als auch die der (künftigen) Organgesellschaft(en) für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig sein. Ohne eine von den Finanzbehörden zu treffende Zuständigkeitsvereinbarung muss der Steuerpflichtige den Antrag auf verbindliche Auskunft an mehrere Finanzbehörden richten. Hieraus folgt nicht nur das Risiko divergierender Entscheidungen, sondern auch eine Vervielfachung der Auskunftsgebühr in ein und derselben Fragestellung. Sprachliche Anpassungen Der gesetzlichen Neuregelungen sollten einheitliche und eindeutige Begrifflichkeiten verwenden: „Weisungen“ In § 88 Abs. 3 AO-E wird von „Weisungen“ gesprochen, während in § 88 Abs. 4 Satz 3 AO-E „allgemeine Weisungen“ erwähnt sind und in § 156 Abs. 3 Satz 2 AO-E von „bundeseinheitlichen Weisungen“ ausgegangen wird. Wir regen an, noch einmal zu überprüfen, ob tatsächlich eine sprachliche Unterscheidung zwischen diesen „Weisungen“ getroffen werden soll. Unserer Ansicht nach bestehen keine Gründe dafür. Um Missverständnisse und Unsicherheiten zu vermeiden, sollte daher nur von „Weisungen“ gesprochen werden. Stichtage und Fristen Der Gesetzentwurf stellt an manchen Stellen auf den Stichtag 28.02. ab (z.B. in § 109 Abs. 2 Satz 2 AO-E, § 149 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO-E), an anderen Stellen wird neben dem 28.02. ausdrücklich für Schaltjahre auf den 29.02. hingewiesen (z.B. § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO-E) und an wieder anderen Stellen wird eine 14monatige Frist erwähnt, die auf Ende Februar abzielt (z.B. § 152 Abs. 2 AO-E). Seite 11/11 zum Schreiben vom 12.01.2016 an den Finanzausschuss des Bundesrates, Berlin In allen genannten Fällen dürfte stets der letzte Tag des Monats Februar gemeint sein. Klarstellend sollte eine einheitliche Sprachregelung gefunden werden, die dieses Verständnis zum Ausdruck bringt und Missverständnisse vermeidet. Wir wären sehr dankbar, wenn Sie unsere Anregungen in Ihren anstehenden Beratungen im Finanzausschuss berücksichtigen. Selbstverständlich stehen wir für ein vertiefendes Gespräch zu diesen Themen jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Dr. Kelm Rindermann, RA StB Fachleiterin Steuern und Recht
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