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Schieflage, was nun ? Ganz konsterniert und ein biss‐
chen empört war Inhaber‐
Geschäftsführer N. Gerade hat‐
te ihm seine Hausbank eröff‐
net, dass sie nicht bereit sein würde, die bestehende Kredit‐
linie zwecks Finanzierung der neuen Maschine auszuweiten, die er zur Abwicklung des eben hereingenommenen Großauf‐
trags so dringend benötigte. Vielmehr wünschte sie von ihm die kurzfristige Vorlage des letzten Jahresabschlusses für das Mittelstandsunternehmen mit rund 5 Mio € Umsatz, das Geschäftsjahr war immerhin schon seit 5 Monaten zu Ende. Dabei war er sich gerade vor wenigen Tagen mit seinem Steuerberater über die seiner Ansicht nach zu konservativen Bestandsbewertungen in die Haare geraten und konnte des‐
halb auch seiner Bank nicht sagen, wann der Abschluss fer‐
tig werden würde. Und mit den monatlichen aktu‐
ellen Betriebsergebnissen konnte er auch nicht dienen, die Buchhalterin war seit 10 Wochen krank, alles war lie‐
gengeblieben. Die Bank war vorsichtig gewor‐
den, die Inanspruchnahme hat‐
te den früher vereinbarten Kontokorrent‐rahmen seit eini‐
ger Zeit längst überschritten. Herr N. war enttäuscht: hatte die Bank kein Vertrauen mehr in seine Leistungen? Fünf vor zwölf sei es, hatten sie ihm gesagt. Bankwechsel! schoss es ihm durch den Kopf. Das Kon‐
kurrenzinstitut hatte ihm doch schon vor Jahren einmal Avan‐
cen gemacht. Allein, die Terminvereinbarung verlief unerfreulich; aktuelle Bilanzen, Monatsergebnisse, Vermögensgutachten und 3‐
Jahresplanung sollte er mit‐
bringen. Da merkte Herr N., dass er ein Problem hatte, es ging nicht mehr so weiter. Die Betriebsleistung stimmte eigentlich schon lange nicht mehr; das F+E Vorhaben hatte er neulich persönlich einge‐
stellt, da der hoffnungsvolle Jungingenieur als Fertigungslei‐
ter gebraucht wurde. Die Mit‐
arbeiter, die auf zwei ausste‐
hende Löhne warteten, grüß‐
ten ihn nur noch mürrisch. Acht gute Leute hatten zum Mo‐
natsende gekündigt. Die lang‐
jährigen Lieferanten lieferten weiterhin zuverlässig, aller‐
dings hatte kürzlich ein Haupt‐
lieferant nach Vorkasse gefragt, der Einkäufer konnte das An‐
liegen noch einmal mit der Drohung abwimmeln, die Be‐
zugsquelle zu wechseln. Man hatte sich daraufhin auf eine Scheckübergabe bei Lieferung verständigt. Wenn er ehrlich wäre, müsste er sich auch eingestehen, dass er eigentlich in den letzten Monaten kaum noch seine Kunden besucht hatte, zu viel Zeit wurde benötigt, um Re‐
klamationen abzuwenden und Terminüberschreitungen zu erklären. Eigentlich war er in‐
nerlich nur noch in Verteidi‐
gungsstellung. Kein Wunder, schließlich hatte er gegenüber der Bank den Kontokorrentkredit persönlich verbürgt, sein ganzes Vermö‐
gen steht dahinter, seine Fami‐
lie. Ein guter Bekannter, dem er sich anvertraut hatte, empfahl ihm einen erfahrenen Krisen‐
berater und die Dinge nahmen ihren Lauf: In der Besprechung mit dem Steuerberater ergaben sich bei einer kritisch‐ehrlichen Unter‐
nehmensbetrachtung sowohl im Anlage‐ als auch im Umlauf‐
vermögen zum Teil beträchtli‐
che Abwertungen. Zusammen mit den bisher im laufenden Geschäftsjahr angefallenen operativen Verlusten ergab sich sogar ein erheblich negatives Eigenkapital. Die Suche nach stillen Reserven führte selbst im Immobilienbereich und un‐
ter Going‐concern‐Gesichts‐
punkten letztendlich zu der Erkenntnis, dass eigentlich eine Überschuldung gegeben ist, die beseitigt werden muss! Die monatlichen Ergebnisrech‐
nungen wurden mit Hilfe der Wir richten Unternehmen neu aus
hauseigenen BWA aktualisiert, das Steuerbüro entsandte ei‐
nen Mitarbeiter zur zeitweili‐
gen Verstärkung der Buchhal‐
tung. Es zeigte sich, dass alle nachgeholten Monatsergebnis‐
se negativ waren. Der im An‐
schluss erstellte Liquiditätsplan machte klar, dass ohne Bereit‐
stellung neuer Mittel die Ge‐
sellschaft in Kürze zahlungsun‐
fähig sein würde. Der Berater identifizierte die Verlustquellen in nahezu allen Unternehmensfunktionen: Hauptursache waren jedoch die Arbeitsabläufe in der Ferti‐
gung. Hier war das Auftragsvo‐
lumen zurückgegangen, eine Anpassung der Mannschaft nicht in gleichem Maße erfolgt. Die hierarchisch tiefgestaffel‐
ten Abläufe waren in Unord‐
nung geraten, da Maschinen wegen Reparaturbedarfs nicht mehr ‐ wie von der Arbeitsvor‐
bereitung vorgesehen ‐ einge‐
setzt werden konnten, schlim‐
mer noch, viele Aufträge waren für diese hochproduktiven Ma‐
schinen kalkuliert worden und mussten nun mit erheblich größerem Aufwand in die Ein‐
zelfertigung verlagert werden. Die Mitarbeiter warteten auf Anweisungen. Der junge Ferti‐
gungsleiter war überfordert, da man ihn auflaufen ließ; kein Wunder bei ausstehenden Löhnen. Zu oft war den Mitar‐
beitern versprochen worden, dass nunmehr Geld in den Be‐
trieb fließt, um zu reparieren, zu investieren. Sogar auf ihr Weihnachtsgeld hatten sie da‐
für verzichtet. Vertrieb fand nicht mehr statt, das war Chefsache gewesen, aber der Chef hatte in letzter Zeit andere Sorgen gehabt. Die Angebotskalkulationen stimm‐
ten nicht mehr mit den tatsäch‐
lichen Verhältnissen überein, man rechnete mit veralteten Vorgaben. Die Aufträge der Stammkunden kamen gottsei‐
dank weiterhin regelmäßig, man hatte jedoch den Ein‐
druck, sie bestellten nur die unattraktiven Artikel, es war kaum ein „schöner Auftrag“ dabei ‐ wohl auch, weil unter Preis verkauft worden war. Bei einem großen Teil der Aufträge waren die zugesagten Liefer‐
termine bereits überschritten, zum Teil waren sie nicht einmal angearbeitet. Der Betrieb lag voller unfertiger Teile. Der Sachbearbeiter im Einkauf bestellte das Material auf‐
tragsbezogen, manchmal nur kleine Mengen ‐ aus Geld‐
knappheit, ohne Skonto. Kurzum, in einem Sanierungs‐
bericht analysierte der Berater die vorgefundenen Defizite und definierte Maßnahmen zur Beseitigung: Sofortmaßnahmen zur Scha‐
densbegrenzung in den laufen‐
den Aufträgen, herausziehen der Verlustaufträge zur Nach‐
verhandlung, vorziehen der am weitesten angearbeiteten Auf‐
träge zur Fertigstellung, sofor‐
tige Instandsetzung der wich‐
tigsten Bearbeitungsmaschi‐
nen, dafür muss der neue Fir‐
menwagen von Herrn N. noch warten. Betriebsversammlung und Ein‐
bindung des Betriebsrates: der Berater war dabei, als Herr N. erstmals dem Betriebsratsvor‐
sitzenden die Probleme offen darlegte, nichts Neues für den erfahrenen Mitarbeiter, der seinerseits auf die lange ange‐
mahnte Veränderung drängte. Auch die vorgeschlagene Per‐
sonalanpassung in der Produk‐
tion bei gleichzeitiger Umstel‐
lung auf Inselfertigung und Gruppenarbeit mit Prämien‐
lohn stieß trotz einiger Entlas‐
sungen auf einhellige Zustim‐
mung. Das Umstellen der Ma‐
schinen entsprechend einer neuen prozessorientierten Fab‐
rikplanung sowie die Zusam‐
menführung von Einkauf, Ver‐
sand, Lager und Qualitätssiche‐
rung sollte ohne wesentlichen Produktionsausfall an den Wo‐
chenenden geschehen, in Ei‐
genleistung, unter Anleitung des Rationalisierungsspezialis‐
ten, der auch die Mitarbeiter‐
schulung übernimmt. Die Entrümpelung der ansons‐
ten aussagefähigen EDV und die Beseitigung des Reparatur‐
staus an den Maschinen schrieben sich die Abteilungs‐
leiter auf die Fahnen. Herr N. akzeptierte die Notwendigkeit der Einstellung eines neuen Mitarbeiters für Vertrieb und Angebotskalkulation. Und last but not least: Aufräumen, Neu‐
Wir richten Unternehmen neu aus
anstrich und Überholung der Büros und Sanitäranlagen ‐ der frische Wind sollte auch äußer‐
lich sichtbar werden. Für diese Sanierungsmaßnah‐
men wurden die Kosten und die Kostenentlastungseffekte einzeln ermittelt und in die monatliche Liquiditätsplanung des laufenden Geschäfts einge‐
arbeitet, ebenso in eine monat‐
liche Plan‐Bilanz mit Plan‐GuV. Ein Maßnahmenplan ‐
abgestimmt mit den verant‐
wortlichen Mitarbeitern ‐ zeig‐
te die zeitliche Verkettung. Der Sanierungsaufwand war nicht unerheblich, frisches Kapital vonnöten, um die Maßnahmen und die seit einigen Monaten aufgelaufenen Verbindlichkei‐
ten zu bezahlen. Der Berater bescheinigte Herrn N. Sanierungsfähigkeit seines Unternehmens. Wenn die ge‐
meinsam herausgearbeiteten Korrekturmaßnahmen nur kon‐
sequent und zügig umgesetzt würden, könnte die Verlust‐
wirtschaft mit dem Ende des laufenden Geschäftsjahres ab‐
gestellt sein. Im neuen Ge‐
schäftsjahr ist allerdings erst ein mäßiger Gewinn möglich, da insbesondere die Entlastung von Personalkosten noch nicht voll greift und einige kleinere Investitionen zur Abrundung der Neuausrichtung anfallen werden. Im Jahr 2 nach Rest‐
rukturierung wäre allerdings ein sehr gutes Ergebnis mach‐
bar. Mit dieser Unterlage, den ak‐
tualisierten Bilanzen und einer minutiösen Liquiditätsbedarfs‐
rechnung geht Herr N. in Be‐
gleitung seiner Berater zu sei‐
ner Bank. Die gratuliert ihm zu seiner Aktion, nicht ohne den Hinweis, dass man ein solches Restrukturierungsprogramm von ihm ja schon seit langem erwartet habe. Herr N. ist erleichtert. Aller‐
dings werden die Verhandlun‐
gen über die Beseitigung der Überschuldung und Finanzie‐
rung des fresh money nicht einfach. Eine Erweiterung des Gesellschafterkreises wird zu‐
mindest langfristig erforderlich werden, auch, um die Nachfol‐
ge von Herrn N. beizeiten an‐
zugehen. Schließlich stimmt die Bank einer vorübergehenden Erweiterung der Kontokorrent‐
linien zu, allerdings verknüpft mit der Auflage, dass Herr N. den aufgrund der geplanten Konzentrierung auf die Kern‐
kompetenz des Unternehmens freigewordenen Betriebsteil veräußert und das Geld in die Gesellschaft einlegt. Außerdem soll er die Umset‐
zung der Restrukturierungs‐
maßnahmen entlang des Maß‐
nahmenplans in einer monatli‐
chen Berichterstattung kontrol‐
lieren und nachweisen. Dies wird Herr N. dem Berater über‐
tragen, den alle Betroffenen als objektiv, manchmal sehr unbe‐
quem, aber immer der Sache verpflichtet schätzen gelernt haben. Ein Beispiel aus der Praxis, hier mit positivem Ausgang. Dr. Detlev W. Schlebusch S+V GmbH Dr. Schlebusch + Partner Eschborner Landstr. 55 60489 Frankfurt am Main
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