Berliner Zeitung - Weyand schreibt

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Berliner Zeitung · Nummer 95 · 23./24. April 2016
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Bildung
Ein ständig lernendes System
Auch Berater brauchen erfahrene Berater: junge Beratungsfirmen mit neuen Geschäftsmodellen zum Beispiel
V ON J ÜRGEN H OFFMANN
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ie dachten, ich hätte einen an
der Waffel.“ Als Giso Weyand
sich im Alter von 15 Jahren selbstständig machte, erregte er viel Aufsehen. Kein Wunder. Wann hatte es
schon einmal einen Jungunternehmer in diesem Alter gegeben, der als
Marken-Berater Geld verdienen will.
Mitte der 90er beriet Giso
Weyand zunächst Unternehmen in
seiner Region, im Westerwald. Ernst
genommen wurde er zunächst
kaum. „In dieser Zeit habe ich viel
gelernt“, erinnert sich der 1,90 Meter große Mann. „Vor allem, wie
wichtig es ist, von seiner Sache
überzeugt zu sein und auf Augenhöhe zu bleiben, egal, was passiert.“
1996 kam Weyand mit den damaligen Größen der deutschen Beraterund Trainerszene in Kontakt. Er war
fasziniert von deren „vielschichtigen Persönlichkeiten, ihrem komplexen Denken und ihrer Feinfühligkeit“.
Nischen und Besonderheiten
Der heute 36-Jährige beschloss, einen großen Teil seiner Arbeit auf
diese Gruppe von Kunden auszurichten – und war damit der erste
Berater-Berater Deutschlands. Mittelständischen Consultant-Firmen
und Einzelkämpfern helfen, Nischen im Markt zu finden, ihre Besonderheiten ins rechte Licht zu rücken und damit messbaren geschäftlichen Erfolg zu erzielen – das
sind bis heute Weyands Stärken.
Ende der 90er-Jahre arbeitete der
Jungunternehmer vornehmlich als
Markenberater für New-Economy-
letzten 20 Jahren immerhin 50 Beratungsunternehmen in die Top-Drei
ihrer Tätigkeitsfelder gebracht, weitere 900 beraten.
In der nächsten großen Wirtschaftskrise 2008 veränderten sich
viele Arbeitsprozesse in Unternehmen: Beraterverträge wurden immer häufiger von den Einkaufsabteilungen verhandelt, Entscheider
zogen sich zurück und neue Kommunikationskanäle
entstanden.
„Wir mussten auch unsere Arbeitsweise für Kunden grundlegend hinterfragen“, berichtet Weyand. „In einem schnellen, hyperkomplexen
Markt kann man nicht einfach einen Marketingplan erarbeiten und
dann ein Jahr exekutieren. Vielmehr
ist ein ständig lernendes System gefragt.
Und man muss Hilfe zur Selbsthilfe entwickeln, nicht alles dem
Kunden abnehmen, sondern ihn
anleiten.“
Companys. Er entwickelte eigene
Ansichten über Markenführung:
Eine Marke ist für ihn ein „lebendes
Gebilde“. Wer behaupte, mit Patentrezepten Marken machen zu können, „der lügt“.
Die Haltung eines Lernenden
brachte Weyand als Berater nach
Berlin, als Personal-Branding-Experte zweier Politik-Spitzenkandidaten. „Eine interessante Erfahrung“, sagt er heute, die er allerdings
nicht
unbedingt
wiederholen
müsse: „Dann lieber gleich selbst etwas gestalten.“
Durststrecken mitmachen
Der Absturz der Dotcom-Branche
nach der Jahrtausendwende und die
folgende Wirtschaftskrise trafen
auch die Consulting-Branche. In
dieser Zeit habe er begriffen, was es
heißt, „Kunden wirklich zur Seite zu
stehen, täglich neue Lösungen zu
erarbeiten und auch Durststrecken
mitzumachen“. Und ihm sei klar geworden, „dass es nicht sinnvoll ist,
mein eigenes kleines Unternehmen
beliebig zu erweitern“.
Damals wie heute wählt Weyand
sehr genau aus, für wen er arbeitet
und für wen nicht. „Von 250 Anfragen pro Jahr wähle ich maximal
zehn Neukunden. Das ist wie in einer Boutique: Ich weiß, was meinen
Kunden steht und was nicht. Ich
kenne die Moden, und wir überlegen gemeinsam, wo es sich lohnt
mitzumachen und wo nicht.“
Seine Kunden zeichnen sich, so
der Berater der Berater, „durch einen eigenen Stil in Strategie, Geschäftsmodell und Marke aus“. Wissen muss er es. Weyand hat in den
Strategien erarbeiten
P RI V AT
„Berater-Berater“. Giso Weyand war der Erste seines Fachs in Deutschland.
Gibt es für ihn noch Neues im Markt
für Berater? Weyand lächelt: „Es
wird jetzt erst richtig spannend.
Viele junge Beratungsfirmen mit
neuen Geschäftsmodellen kommen, etablierte Unternehmer regeln ihre Nachfolge.“ Gleichzeitig
würden viele Beratungsleistungen
zur Selbstverständlichkeit. „Gute
Berater lassen sich schnell finden.
Fast überall ist einer, der 80 Prozent
der Leistung für 50 Prozent des Honorars anbietet. Darauf müssen die
Premium-Anbieter eine Antwort
haben.“
Berater Weyand will den Consultants dabei helfen: „Wer ambitio-
nierte Ziele hat, persönlich oder als
Unternehmen, den unterstütze ich
gerne.“
Gemeinsam erarbeite man zunächst eine Positionierungsstrategie oder passe die bestehende an.
Dann finde man Marktnischen und
neue Formen der Vergütung. Und
schließlich setze man gezielt Marketing, PR und Vertrieb um: „Das ist
ein Schulterschluss für ein gemeinsames Ziel.“
Billig ist der Berater-Berater
nicht. „Ich werde nach Wert bezahlt“, erläutert er. „Nutze ich einem Berater viel, so steigt auch
mein Honorar.“
Genügend Zeit nehmen
Seit fünf Jahren hat Giso Weyand
wieder seine Aktivitäten außerhalb
der Beratungsbranche verstärkt. Er
unterstützt etablierte Familienunternehmen ebenso wie Start-ups bei
deren Marke und Künstler mit deren Personenmarken. Die Vernetzung der Arbeit sei wichtig: „Ich
lerne viel von anderen Branchen für
uns Berater. Und das brauchen wir
auch, um nicht zu sehr im eigenen
Saft zu braten.“
Was sind die größten Probleme
deutscher Consultants? „Die meisten Berater haben wenig Zeit und
verzichten deshalb auf eine gezielte
Bearbeitung des Marktes.
Das ist ein Fehler: Wer ambitionierte Ziele verfolgt, stößt irgendwann an Grenzen – bei der Honorarhöhe, Mitarbeiterzahl oder bei Kundenprojekten. Oder ist abhängig
von einzelnen Großkunden. Solche
Grenzen zu überwinden, ist mein
Job.“