Suizidalität: am Leben (ver-) zweifeln Saarbrücken Hisham Abu Zahra Psychologe www.abuzahra.de 16.10.2015 1 Tabu Suizidalität Erfahrungen mit der Suizidalität Löst Schuld, Scham, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Angst, Wut und Ärger aus Unangenehme Gefühle werden abgewehrt, verleugnet, verdrängt Über Suizidalität kann nur schwer gesprochen werden. Enttabuisierung heißt, diese Sprachlosigkeit zu überwinden www.abuzahra.de 16.10.2015 2 Suizide in Deutschland 1983-2013 www.abuzahra.de 16.10.2015 3 Anzahl Suizide 2013 nach Lebensalter www.abuzahra.de 16.10.2015 4 Suizide Saarland 2014 Gesamt 112 (Männer: 88 Frauen: 24 14 12 10 8 6 4 2 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90+ bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis 9 14 19 24 29 34 39 44 49 54 59 64 69 74 79 84 90 1 Männer Impulsiver Entschlossener Härtere Methoden, mit geringer Chance auf Rettung Nach Verlust der Partnerin oft emotionales/soziales Nichts Das Glück der Männer hängt mehr an den Frauen als umgekehrt. Suchen weniger Hilfsangebote und nehmen diese schlechter an Schwierigkeiten Gefühle zu erkennen und zu benennen Letale Triade: impuls. Aggressivität/Alkohol (Drogen)/Depression www.abuzahra.de 16.10.2015 6 Frauen Diagnose Depression 3x so hoch 3-4 x präsenter in Beratungsstellen Oft einzige Ansprechpartnerin des Ehemanns /hält soziales Netzt zusammen Frauen leiden häufig unter dysfunktionalen Beziehungen (Alkohol/häusliche Gewalt) Doppelbelastung/alleinerziehend/Pflege von Angehörigen Höchste Rate an Suizidversuchen www.abuzahra.de 16.10.2015 8 Suizide pro 100.000 2013 nach Lebensalter www.abuzahra.de 16.10.2015 9 Suizidalität älterer Menschen 36 % der Suizide betrifft Menschen die älter als 65 Jahre sind 20% der Gesamtbevölkerung ist älter als 65 Jahre Kreis Saarbrücken 22-24% www.abuzahra.de 16.10.2015 10 Risikofaktoren im Alter • Körperliche Erkrankungen (chronisch, Schmerz, lebensbedrohlich) • Psychische Erkrankungen (Depression, Sucht, dementielle E.) • Abnahme der Selbständigkeit • Zunahme der Pflegebedürftigkeit • Finanzielle Verluste • Suizidales Verhalten in der Familie Der Körper wird zum „Organisator der Psyche“ (Heuft und Schneider 1999) www.abuzahra.de 16.10.2015 11 Erkennen • Weniger depressives Kernsyndrom • Häufig: körperl. Beschwerden, Gereiztheit, Unruhe, Konzentrationsstörung, larvierte Depression • Verweigerung der Nahrungsaufnahme • Verweigerung/Überdosierung von Medikation Aufsuchen des Hausarztes in der Woche des Suizides (45%) (Juurlink et. al. 2004) www.abuzahra.de 16.10.2015 12 Präventive Maßnahmen für ältere Menschen Schulung und Sensibilisierung von Hausärzten, Pflegekräften (gatekeeperFunktion) Medikamente mit geringer toxischer Potenz, geringe Packungsgröße Sensibilisierung der Bevölkerung, Hilfsangebote Stärkung der Integration von Jung und Alt Beratung und Hilfe erreichbar oder aufsuchend Vernetzung der Akteure www.abuzahra.de 16.10.2015 13 Jugendliche und junge Erwachsene 50% der 10 bis 14 jährigen geben an Suizidgedanken zu haben oder gehabt zu haben Höchste Anzahl von Suizidversuchen in der Altersklasse Suizid ist 2. häufigste Todesursache Familiäre Risikofaktoren (Kinder psychisch kranker Eltern, broken-home, Armut) Traumatische Krisen, Lebensveränderungskrisen www.abuzahra.de 16.10.2015 14 Maßnahmen junge Menschen ABS Regel: Achten auf Anzeichen, in Beziehung bleiben, sag es Jemandem Mitschüler, Lehrer, Eltern sensibilisieren Peer Beratung (zB U25) Chat/email Beratung Niedrigschwelliges Angebot, anonym, sofort erreichbar Förderung der psychischen Gesundheit an Schulen www.abuzahra.de 16.10.2015 15 Ziele Gesprächsraum schaffen Innere Welten offenlegen, Druck des Unausgesprochenen nehmen Tabus offen ansprechen Entlasten, Stabilisieren Ambivalenz stärken Einschätzung des Gefährdungsgrades Fachkräfte einbeziehen Vereinbarungen treffen www.abuzahra.de 16.10.2015 17 WHO: -10% bis 2020 Zugang zu Feuerwaffen, Medikamenten, Pestiziden erschweren Gatekeeper sensibilisieren (Gesundheitsdienste, Beratungsstellen) Enttabuisierung, Förderung von Angeboten in Städten und ländlichen Regionen Aufklärung an Schulen, Universitäten, Arbeitsplatz, öffentlichen Einrichtungen Suizidpräventive Medienberichterstattung www.abuzahra.de 16.10.2015 18 Universelle Präventionsstrategien (Gesamtbevölkerung) Zugang zum Versorgungssystem verbessern Psychische Gesundheit fördern Alkoholkonsum reduzieren Zugang zu tödlichen Mitteln und Methoden beschränken Sensible Medienberichterstattung www.abuzahra.de 16.10.2015 19 Paracetamol Studie Universität Oxford Kleinere Packungsgröße (16 Stk) von Paracetamol in Großbritannien Verringerung der Todesfälle durch Suizid oder ungewollter Überdosierung zw. 1989 und 2009 um 43 % Ziel: noch kleinere Abgabemengen und Senkung des Paracetamolgehalts www.abuzahra.de 16.10.2015 20 Sicherheitsnetz Münsterplattform Bern www.abuzahra.de 16.10.2015 21 Seit 1998 kein weiterer Suizidversuch www.abuzahra.de 16.10.2015 22 1987 Medienempfehlung 1997 Waffengesetz www.abuzahra.de 16.10.2015 23 Berichterstattung Medienempfehlung +Suizid ist ein Zeichen für psychische Probleme +Eingehen auf Trauer der Hinterbliebenen +Aufzeigen von Hilfsangeboten -Bericht auf Titelseite mit Foto des Ortes -monokausale Erklärungen, Romantisierung -Suizid als nachvollziehbare Reaktion Enke 2009: Anstieg der Suizide im November um das 4-fache (Hegerl et. al. 2009) www.abuzahra.de 16.10.2015 24 Selektive Präventionsstrategien (Risikogruppen) Trauma oder Missbrauch erlitten Angehörigen durch Suizid verloren Flüchtlinge, Migranten Entstigmatisierungskampagnen männerspezifisch www.abuzahra.de 16.10.2015 25 Indizierte Strategien Nachsorge nach Suizidversuch Weiterführende Hilfen nach Suizidabsichten Hochrisikogruppen (Depression, Sucht, Schizophrenien, Persönlichkeitsstörungen) www.abuzahra.de 16.10.2015 26 Modellprojekt Regensburg 2003 „Senkung der Suizide“ Spießl et.al. 4 Ebenen Programm zur Früherkennung und Behandlung von depressiven Menschen / 5 –jährige Kampagne www.abuzahra.de 16.10.2015 27 Vier-Ebenen-Programm Kongress, ärztliche Fortbildungsveranstaltungen, Lehrvideos Aufklärung Öffentlichkeit (flyer, Plakate, Funk, Fernsehen, Aktionstage, Vorträge) Einbeziehung Multiplikatoren (Schule, Feuerwehr, Apotheker, Polizisten, Altenpfleger, Arzthelferinnen) + Medienguide zur Berichterstattung an lokale Presse Angebote für Angehörige und Betroffene (Selbsthilfegruppe, psychoedukative Angehörigengruppe, Notfalladressen) www.abuzahra.de 16.10.2015 28 Ergebnisse Signifikante Reduktion der Suizidzahlen gegenüber 2002: 2003 um 46,5% 2004 um 72,1% 2005 um 33,6% 2006 um 50,3% 2007 um 42,3% www.abuzahra.de 16.10.2015 29 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.abuzahra.de 16.10.2015 30
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