82 | 83 Forsthaus Friedrichsruh Welt im Wald In Friedrichsruh bei Hamburg liegt das kulinarische Tor zur Welt: International erfahrene Küchenverrückte entführen staunende Gäste in ein Fürstentum des guten Geschmacks. Text: Kathrin bro ckmann · Fotos: Gunther eim ers 84 | 85 Forsthaus Friedrichsruh Der Wald steht dunkel, die Scheinwerfer streifen wogendes Grün, als der Wagen auf der Kieszufahrt knirschend zum Stehen kommt. Die Autotür knallt, und dann ist da – Stille. Für Städter ganz schön schräg, dieses plötzliche Nichts. Nein, da ist doch etwas: ein Rauschen und Raunen, das sind der Sachsenwald und die Schwarze Au, die ihn durchströmt. Das sind die wilden Tiere, die im Schutz der Dämmerung tun, was sie tun müssen. Aber darüber liegt leise Musik. Wer ihr folgt, sieht im sanften, warmen Schimmer ein weißes Haus stehen. Es steht so da, als hätte es schon immer da gestanden, so, als könnte es gar nicht anders. Geweihe zieren die Holzfront, grün gestrichene Giebel verheißen Gemütlichkeit. Freude kommt auf, schnell rein da! Die Diele erfüllt jedes Versprechen: warme Farben, viel Holz, alte Fotos und so. Aber was ist das, dieser knallorangefarbene Gipshirsch an der Wand? Der ist ja wohl nicht ernst gemeint! Nun aber nichts wie rein ins eigentliche Restaurant. In den großzügigen Räumen findet man zum Glück wieder viel beruhigendes Grün, imposante Kamine und Jagdtrophäen von damals, als Otto von Bismarck noch im Sachsenwald jagte. Der Traditionalist ist beruhigt – und wird gleich wieder gehörig aufgeschreckt. Die Speisekarte ist so anders: gebackener Kürbissalat mit Ricotta, Jakobsmuscheln mit Artischockenpüree. Die Chefin, so hört man, ist zwar eine von Bismarck, aber Italienerin! Und in der Küche steht ein Koch aus – wo? Aus Argentinien? Und serviert mit seiner bunten Truppe aus aller Welt Sashimi mit Pak Choi und Gazpacho mit Wassermelone – klingt wild! Und spätestens jetzt keimt der Zweifel: Ist hier wirklich alles so Wald? Traditionell ja, altbacken nein: Um die Inneneinrichtung kümmert sich Hausherrin Samantha von Bismarck persönlich. Bequeme Möbel, freundliche Farben und ein Anklang von skandinavischem Design passen gut in das schöne alte Forsthaus. Nein, das sei alles kein Zufall, nicht der Gipshirsch und nicht die Vielfalt auf der Speisekarte, bestätigt Samantha von Bismarck, die mit Gregor, dem Ururenkel des einstigen Reichskanzlers, verheiratet ist. Bevor sie an der Seite ihres Mannes in den Sachsenwald zog, hat Samantha viel von der Welt gesehen: In Italien geboren und in der Schweiz zur Schule gegangen, dann studierte sie in den USA und drehte Dokumentarfilme in Indonesien, bevor es sie nach Los Angeles zog, um dort weiter Filme zu machen. Ist der Sachsenwald da, bei aller Schönheit, nicht etwas einseitig? „Eben nicht! Ich habe hier so viele Menschen aus allen möglichen Ländern kennengelernt. Sie alle wohnen hier draußen. Das ist großartig!“, erzählt Samantha lächelnd. Einer dieser Menschen ist Daniel Argañaraz. Daniel hat sich schon um die halbe Welt gekocht: Aus Argentinien, wo er sich auf französische Küche spezialisierte, ging es über die USA nach Barbados in ein Luxusresort, wo er für Promis wie Bruce Willis oder Donna Karan kochte. Von dort nahm er viele Ideen der Raw-Food-Küche mit nach Notting Hill, dann zog es ihn nach Boomtown Istanbul, es folgten Mallorca, Valencia und Ibiza. Wie vereint man so viel Wirbel mit einer Frau, die Yogalehrerin ist? Eben – gar nicht. Da kam das Forsthaus im stillen Wald wie gerufen. Die Weltläufigkeit von Gastgeberin und Koch bei gleichzeitiger Begeisterung für den Sachsenwald hat für den Gast im Forsthaus Friedrichsruh ungeahnt angenehme Folgen. Denn auf der Speisekarte finden sich durchaus Wildgerichte, wie man es im größten Wald Schleswig-Holsteins erwartet. Der Besucher 86 | 87 Forsthaus Friedrichsruh Stilvoll statt spießig: Wer in Friedrichsruh feiert, hat viele Optionen. Neben dem Forsthaus locken eine reetgedeckte Jagdhütte am Stangenteich oder der Marstall für gleich 250 Personen. Heiraten kann man direkt vor Ort in der Bismarckschen Kapelle. kann sich zum Beispiel an einer klassisch geschmorten Wildschweinkeule gütlich tun. Aber viel aufregender sind die ungewöhnlichen Zubereitungsarten, mit denen Daniel Argañaraz die Gäste überrascht: Sein Graved Wildschwein mit Limettenmarinade ist frisch, überhaupt nicht schwer und abgerundet komponiert. Ebenfalls vom Wildschwein sind der Schinken und die BBQ-Ribs auf der Forsthausplatte. Das Waldbeerenchutney und die getrockneten Tomaten sind ihre äußerst anregenden Begleiter. Daniel frischt auf verblüffende Weise norddeutsche Klassiker mit asiatischen und mediterranen Zutaten auf. Er und seine ebenfalls internationale Küchencrew – unter anderem mit Chef de Partie Gift Muchena aus Simbabwe – arbeiten aber auch mit Kräutern und Blättern des Waldes und räuchern Maispoulardenbrust und Lachsforelle selbst. Und seine Art Gemüse zuzubereiten, ist so einfach wie wunderbar. Jens Manzel, den Samantha von Bismarck im Frühling als Gastro- und Veranstaltungsprofi in die Betriebsleitung holte, nickt bestätigend: Vielfalt ist hier Konzept. Aber vor allem sollen sich die Gäste auf unkomplizierte Weise wohlfühlen: „Wir haben das Glück, sehr viele Räume zu haben. Wir können Veranstaltungen in eigenen kleinen Welten in der Größenordnung von zwölf bis 250 Personen organisieren. Aber wer einfach nach dem Waldspaziergang mit Hund und in matschigen Gummistiefeln zum Kaffeetrinken vorbeikommt, ist genauso willkommen.“ „Wir sind ein Ausflugslokal“, betont auch Samantha von Bismarck. „Und genau das wollen wir auch sein. Wir wollen gerade auch Familien ansprechen. Draußen oder drinnen schlemmen? Nun ja, das entscheidet in Schleswig-Holstein sowieso oft Petrus. Im Forsthaus wird auf jeden Fall zu jeder Jahreszeit etwas geboten, von Barbecue im Sommer über Martinsgans im Herbst bis zum Grünkohlessen im Januar. Ich habe selber Kinder und finde es toll, wenn die Kleinen auf dem Fußboden herumrobben und mit Lego spielen.“ Von Kinderfreundlichkeit zeugen auch das große Klettergerüst im Garten und natürlich die Kinderkarte. „Trotz langer Tradition weht hier ein frischer Wind“, sagt Manzel. Das Forsthaus wurde im Jahr 1874 erbaut und steht seit 1990 unter Denkmalschutz. Seit über 100 Jahren ist es Gasthaus. Es war gar nicht so leicht, das Denkmalamt davon zu überzeugen, dass Orange an den Wänden nicht gleich den Odem der Geschichte erstickt. Große Popularität erlangte es in den 1930er-Jahren, als der spätere Boxweltmeister Max Schmeling hier sein Trainingsquartier aufschlug. Die Schmelinghalle ist heute einer der originellsten Räume des Lokals. Gasthäuser waren schon immer Orte der Begegnung. Menschen aus allen Himmelsrichtungen trafen sich, Kulturen berührten sich und Neues entstand. So ist es auch im Forsthaus Friedrichsruh. Jüngst war ein Herr aus Norwegen zu Gast. Beglückt über die kulinarischen Überraschungen äußerte er seine Ver blüffung. „Als er dann erfuhr, woher ich stamme, schüttelte er den Kopf“, er zählt Anita Ghafari lächelnd und mit leichtem charmanten Akzent: „Ein Koch aus Argentinien, eine Gastgeberin aus Italien und die Servicekraft aus Afgha nistan – was für ein Kulti-Multi!“ Stimmt, und ein wunderbares noch dazu. AUF EINEN BLICK: Forsthaus Friedrichsruh, Ödendorfer Weg 5, 21521 Friedrichsruh, Tel. 041 04 - 699 28 99 www.forsthausfriedrichsruh.de · Öffnungszeiten: Mittwochs bis sonntags ab 12 Uhr bis „open end“, Küchenschluss ist um 21.30 Uhr. 38 8 2 | 33 Falkenthal Seafood Gebratener Kabeljau, Pfifferlinge und Dicke Bohnen mit Estragonschaum ZUTATEN … für den Kabeljau: 600 g Kabeljaufilet mit Haut Salz 3 EL Olivenöl 3Knoblauchzehen 3Thymianzweige Pfeffer ZUBEREITUNG Die Kabeljaufilets auf Gräten kontrollieren, trockentupfen und in 150-Gramm-Stücke portionieren. Die Filets salzen und in einer heißen Pfanne auf der Hautseite 7 bis 8 Minuten in Öl, Knoblauch, Thymian anbraten, dann 30 Sekunden auf der anderen Seite braten. Zum Servieren mit Pfeffer würzen. … für die Pfifferlinge und die Dicken Bohnen: 2Schalotten 1Knoblauchzehe 200 g frische Pfifferlinge 200 g Dicke Bohnen 200 g Kirschtomaten 4 EL Olivenöl Salz, Pfeffer 10 Blätter glatte Petersilie, gehackt ZUBEREITUNG Schalotten und Knoblauch schälen und fein würfeln. Die Pfifferlinge putzen. Dicke Bohnen aus der Schale lösen und 4 Minuten in Wasser kochen, dann die Bohnen pellen. Die Kirschtomaten 10 Sekunden in Wasser blanchieren und in kaltem Wasser abkühlen lassen, dann die Tomaten häuten. Öl in einer Pfanne erhitzen, Schalotten und Knoblauch 10 Sekunden anbraten, dann die Pfifferlinge dazugeben und etwa 3 Minuten anbraten. Dicke Bohnen und Tomaten dazugeben und 3 Minuten weiter braten. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit Petersilie anrichten. (Rezept für 4 Personen) … für den Estragonschaum: 250 ml Geflügelbrühe 10 frische Estragonzweige 100 g Sahne 50 g Butter Salz, Pfeffer ZUBEREITUNG Die Geflügelbrühe mit 5 Estragonzweigen zum Kochen bringen und 10 Minuten kochen lassen. Dann die Brühe durch ein Sieb geben und mit Sahne und Butter zum Kochen bringen. Die Mischung mit den Blättern der restlichen Estragonzweige mit einem Handmixer schaumig schlagen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Anrichten Die Pfifferlinge und Dicke Bohnen in einen tiefen Teller geben, das Kabeljaufilet obendrauf setzen und den Estragonschaum drumherum geben. Zuletzt den Fisch mit Kräutern (zum Beispiel Kerbel, Basilikum oder Petersilie) garnieren.
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