ERASMUS-Erfahrungsbericht Ein Auslandssemester an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim Im Wintersemester 2012/13 verbrachte ich im Rahmen des ERASMUS-Programms ein Auslandssemester in Trondheim. Die NTNU bot sich als Gasthochschule an, da das dortige Lehrprogramm (insbesondere was die Physische Geographie betrifft) sehr auf die nordischen Klimate zugeschnitten ist und ich zum damaligen Zeitpunkt mit einem Masterstudiengang der polaren Klimawissenschaften liebäugelte. Darüber hinaus hat mich schon seit jeher die nordische Lebensart und natürlich die beeindruckende Landschaft fasziniert. Vorbereitung: Mit meiner Planung begann ich schon im Winter 2011. Zuvor hatte ich verschiedene Kurse in skandinavischen Sprachen besucht, um mir kleine Einblicke in Land und Kultur zu holen und auszuloten, was für mich am attraktivsten wäre. Ich habe sowohl Finnisch als auch Schwedisch und natürlich Norwegisch gelernt. Nachdem ich mich für Norwegen entschieden hatte, wurde mir die Wahl der Gastuni abgenommen, bestand doch für das damalige akademische Jahr der einzige Vertrag mit der NTNU in Trondheim. Anfang 2012 habe ich mich also beworben. Als Zweitwahl gab ich Göteborg an, als Drittwahl Oulu in Finnland. In der Bewerbung musste ich neben einem Motivationsschreiben auch darlegen, wie ich plane mich sprachlich auf den Aufenthalt vorzubereiten. Ich habe also Semesterparallel sowohl einen Einsteigerkurs Norwegisch an der Volkshochschule, sowie später einen Kurs für Fortgeschrittene vom Fremdsprachenzentrum absolviert. Die vielleicht wichtigste Frist brach an, nachdem ich die Zusage-Mail bekam und bis Mitte Juli meine Annahmeerklärung einreichen musste. Über das Kursangebot der NTNU informierte ich mich vorab im Internet. Die neuen Vorlesungsverzeichnisse werden erst relativ spät herausgegeben, man muss sich tatsächlich bei der Auswahl darauf konzentrieren, welche Kurse in einjährigem Rhythmus, also zwei Semester zuvor bereits angeboten wurden. Die Auswahl auch englischsprachiger Kurse ist relativ groß. Trotz vorbereitender Sprachkurse würde ich auch wirklich nur denjenigen empfehlen, Kurse auf Norwegisch zu wählen, die der Sprache vergleichsweise flüssig mächtig sind. Für einen EILC, also einen Intensiv-Sprachkurs vor Semesterbeginn bewarb ich mich ebenfalls (letztendlich musste ich ihn trotz zugesagten Stipendiums aufgrund von Platzmangel an der NTNU doch selbst bezahlen). Eindeutige Empfehlung: bewerbt Euch unbedingt für einen solchen EILC-Kurs. Selbst die etwa 200€, falls man sie selbst zahlen muss, sind gut investiert. Engagierte Uni-Mitarbeiter und Freiwillige führen Euch in das Norwegische Leben ein. Der ganze Sprachkurs wird da schon mal zur Hüttenwanderung in die Berge oder zum Klettern mitgenommen. Die Freundschaften, die ich dort gleich zu Beginn schloss, halten bis heute. Universität und Studium: Die NTNU ist über mehrere Campus in der ganzen Stadt verteilt. Die größten sind Gløshaugen (mit den technischen und Ingenieursstudiengängen) und Dragvoll (Geisteswissenschaften). Die Medizin sowie die Marinen Technologien besitzen ebenfalls eigene Gebäude in der Stadt. Meine Kurse fanden überwiegend in Dragvoll statt, da Geographie auch in Trondheim zu den Geisteswissenschaften gezählt wird. Jedoch hatte ich auch einen Kurs in Gløshaugen. Die beiden Campus liegen etwa 10 Minuten Busfahrt voneinander entfernt. Die Anmeldung zu den Kursen erfolgt über das universitätsinterne Intranet und geht problemlos von statten. Sofern ein Kurs Kenntnisse voraussetzt, ist einen Absprache mit dem Dozenten notwendig. Ich belegte z.B. einen Master-Kurs in ”Slope Systems” – also der Geographie von Hangsystemen. Der unterrichtende Professor entschied, dass meine Kenntnisse aus Bremen ausreichend waren und schaltete die Anmeldung frei. Insgesamt absolvierte ich in Trondheim 32,5 Credit-Points. Die Kurse sind üblicherweise mit 7,5 bzw. 15 CP gekennzeichnet. Ich belegte drei Kurse á 7,5 CP sowie den Sprachkurs, der für 10 CP zählte. Überrascht war ich beim ersten Anblick meines Stundenplans, denn nachdem der Sprachkurs ja schon zu Beginn des Semesters absolviert worden war, tauchten darin nur noch die anderen drei Kurse á zwei Stunden pro Woche auf. Das trotzdem genug zu tun war, sollte sich später herausstellen. An der NTNU wird großer Wert auf Eigenarbeit gelegt, deshalb gibt es auch in kaum einem Kurs eine Anwesenheitspflicht. Man soll seine Lernfortschritte in Eigenregie erarbeiten und ich empfehle jedem, dies auch von Anfang an umzusetzen. Die Mensa der NTNU habe ich nie besucht. Norwegen ist ein teures Land und dementsprechend stellen sich auch die Preise in der Mensa dar. Schnell ist man für ein Mittagessen mit Getränk bei Preisen von über 10 Euro angelangt. Bei weitem günstiger ist es, Großpackungen im Supermarkt zu kaufen und sich sein Essen selbst zuzubereiten. Die Zugangskarte für die Universitätsgebäude bekommt man bei der Studentenanmeldung in Gløshaugen. Damit kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einem Pin-Code in die Gebäude der NTNU gelangen. Für die Bibliothek gibt es einen eigenen Ausweis, der direkt dort beantragt wird. Das Leben in Trondheim: Trondheim ist eine äußerst studentenfreundliche Stadt. Von den knapp 180.000 Einwohnern sind ein Sechstel Studenten. Fast überall gibt es Ermäßigungen bei Vorlage des NTNUStudentenausweises. So auch bei Zugfahrten oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für fast jeden Studenten stellt sich zu Beginn seiner Zeit in Trondheim die Frage, welches Fortbewegungsmittel am günstigsten ist. Eine Busfahrkarte kostet etwa 50 Euro im Monat. Ein Fahrrad bekommt man ab 150 Euro. In den Wintermonaten jedoch fährt in Trondheim kaum jemand mit dem Rad. Die Studentendörfer liegen einige Höhenmeter höher als die Innenstadt und da in Trondheim im Winter nicht wirklich geräumt, geschweige denn Salz gestreut wird, ist es dann schwierig genug, zu Fuß nach Hause zu gelangen. Da diese Situation aber meist erst ab Mitte November eintritt, kann es sich im Herbstsemester noch lohnen, ein Fahrrad anstelle einer Buskarte zu kaufen. Man ist darüber hinaus sehr flexibel und kann in den umliegenden Bergen und Wäldern radeln gehen. Andererseits ist bei einem abendlichen Ausflug in die Innenstadt der Bus wesentlich bequemer (eine Tour in die Stadt und zurück kostet etwa 10 Euro, sofern man keine Monatskarte besitzt). Die Wohnungssuche läuft nach Annahme an der NTNU recht unkompliziert. Man muss schon bei der Anmeldung angeben, ob man in einem der Studentendörfer untergebracht werden will, oder sich selbst um eine Unterkunft kümmert. In der Stadt gibt es mehrere Studentendörfer. Das größte, in dem auch ich gelebt habe, ist Moholt. Dies ist die wahrscheinlich günstigste Weise, in Trondheim als Student zu wohnen. Die Preise für ein Zimmer in einer Vierer-WG beginnen bei etwa 400 Euro/Monat. Die Wohnhäuser in Moholt liegen an zwei Straßen: Herman-Krags-Vei und Moholt Allee. Die Wohnungen in der Moholt Allee sind vor einigen Jahren renoviert und haben Annehmlichkeiten wie eine Fußbodenheizung oder Spülmaschine. Dafür sind sie um etwa 50 Euro/Monat teurer als die Wohnungen am Herman-Krags-Vei. Der Unterschied zwischen den Wohnungen in beiden Gegenden ist erkennbar, die Moholt Allee wird von den Studenten auch gerne als „Mohollywood“ bezeichnet. Meine Wohnung lag im Herman-Krags-Vei. Vorab kann ich sagen: ich war sehr zufrieden dort. Ich hatte ein Zimmer von etwa 15 Quadratmetern. Küche und Bad teilte ich mir mit einem Deutschen, einer Litauerin und einem Chinesen. Über die Zeit entwickelte sich eine gut funktionierende Wohngemeinschaft. Oft haben wir zusammen gegessen oder auch mal Parties geschmissen. In Moholt selbst gibt es einen kleinen Supermarkt, etwa 200 Meter entfernt ein größeres Einkaufszentrum. Die Lebensmittelpreise sind erwartungsgemäß relativ hoch, Discounter sucht man in Trondheim vergeblich. Einige Lebensmittel werden nur von einem einzigen Hersteller angeboten (insbesondere Michprodukte) und man hat gar keine andere Wahl, als diese zu kaufen. Das studentische Leben in Trondheim spielt sich insbesondere in Moholt ab. Einige Gebäude haben Keller, in denen Studentenverbindungen Parties feiern, manchmal sogar mehrmals die Woche. Überhaupt gab es kaum einen Abend, an dem ich nicht irgendeine Einladung bekam, z.B. zum Südkoreanischen Dinner, spanischen Spieleabend, Konzert im Haus des Studentenbundes oder belgischer Geburtstagsfeier. Für die Wochenenden empfiehlt sich auf jeden Fall die Teilnahme an einem Cabin-Trip. Die NTNU betreibt rund um Trondheim ca. 20 Hütten, meist in der Wildnis gelegen. Diese bieten Platz für 2-20 Personen. Es gibt dort keinen Strom und kein fließendes Wasser. Gerade das macht den Reiz dieser Hütten aus. Jeden Mittwoch morgen kann man sich in eine Liste eintragen, um eine dieser Hütten für die kommende Woche zu reservieren. Für Studenten kostet das etwa 5 Euro pro Nacht. Man muss allerdings damit rechnen, gerade wenn das Semester schon fortgeschritten ist, dass sich bereits ab Dienstag Nachmittag eine Schlange bildet und die Leute Schlafsäcke und Matratzen mitbringen, um die beliebtesten Hütten zu ergattern. Ich habe mit ein paar Freunden (bei einem von 4 solchen Trips, die ich über die Zeit mitgemacht habe) Anfang Oktober eine Hütte auf dem Fjell in etwa 800 Metern Höhe gemietet, und dort schon den ersten Schnee erlebt. Reise und Rückreise: Ich kam per Flugzeug nach Trondheim. Andere Anreisemöglichkeiten sind z.B. per Zug von Oslo oder mit der Fähre. Manche Studenten kamen auch mit ihrem eigenen Auto. Das Flugzeug ist die bequemste Art, nach Trondheim zu kommen (gerade wenn man das Gepäck für ein halbes Jahr mitführt), aber auch die teuerste. Während meines Semester war ich einmal zuhause in Deutschland. Dabei nahm ich nur 10Kg Gepäck mit und fuhr mit dem Zug bis nach Oslo. Von da aus fliegt Ryanair für 20-30 Euro direkt nach Bremen. Gleichzeitig sieht man bei der Zugfahrt einiges vom Land. Die Reisekosten für einen Weg belaufen sich auf 80-200 Euro, je nachdem wie früh man bucht und ob man fleißig Preise vergleicht. Zusammenfassung: Mein Auslandsaufenthalt war genau die richtige Entscheidung für mein Studium und eine außergewöhnliche persönliche Erfahrung. Ich habe für die Entwicklung meines Studiums die nötigen Ideen und Impulse bekommen und Einiges an interkulturellen Kompetenzen hinzugewonnen. Das vielleicht Wichtigste: ich habe viele neue Freunde gewonnen. Schon nach wenigen Tagen hatten wir eine große Clique zusammen und es waren sicherlich über 20 Leute, mit denen ich regelmäßig etwas unternahm. Die Freundschaften sind mittlerweile so eng, dass ich Angebote zum Besuch aus Spanien, Tschechien, den Niederlanden, Australien, Italien und Südkorea bekam. Die Erfahrungen aus Trondheim werden mich mein Leben lang begleiten. Ich habe selten eine, auch von den Menschen her, so angenehme Stadt wie Trondheim erlebt. Es ist die perfekte Mischung aus quirligem Leben und direkter Nähe zur Natur. Ich freue mich jetzt schon auf meine nächste Reise dorthin.
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