Lebensgeschichten am 27.2.2016 Frau Walther nahm uns mit auf ihre Reise nach Japan, und auf die Stationen ihres dortigen Lebens. Sie ließ die Zuhörerinnen erleben, was es heißt, im täglichen Allerlei zurecht zukommen und die fremde Kultur auf sich wirken zu lassen. Viele Male zog die Familie – zwei Kinder plus Pflegekinder – um, immer neuen beruflichen Stationen ihres Mannes hinterher, um schließlich in Helmstedt zu landen, wo ihr Mann die Beratungsstelle für Suchtberatung des Lukas-Werkes, einer Einrichtung der Ev. Landeskirche Braunschweig, leitete. Dort ereilte ihn der Ruf der Ev. Kirche in das Diakoniezentrum „Kib no Ie“ (Haus der Hoffnung und Freude) in dem Tagelöhnerviertel „Kamagasaki“ in Osaka. Einst von einer deutschen Missionarin gekauft und 1985 mit Geldern der Ev. Landeskirche neu aufgebaut, hat sich dieses Zentrum auf die Betreuung von Suchtkranken spezialisiert (Kleiderkammer, Suppenküche, aufsuchende Sozialarbeit, Kochkurse etc). Angesichts fehlender Sozialversicherung in Japan ein trauriges, aber häufiges Schicksal von Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und, ohne familiären Rückhalt, ins Elend gestoßen werden, in der Regel alleinstehende Männer oder Frauen mit Kindern. Da im beruflichen Japan nur Familienväter akzeptiert werden, musste auf die frei gewordene Stelle im „Kib no Ie“ ein Mann mit Frau und Kindern nachrücken. Und so landete die Familie 1984 in Japan, er festangestellt, sie mit der Aufgabe, ihrem Mann zu helfen. Glücklicherweise ohne Mobiliar, denn ihre Wohnung hatte zwar fünf Zimmer, aber diese auf 60 qm verteilt. Die Betten landeten aus Platzgründen tagsüber in Wandschränken, und für die vielen Besucher aus Deutschland musste noch ein Gästezimmer vorgehalten werden. Typisch waren die Fenster mit Papiervorhängen, da – zumindest in den Städten – die Häuser dicht an dicht stehen, und man sich nicht gegenseitig in die Wohnung schaut. 8 ½ Jahre in Japan, das bedeutete: - zwei Jahre Sprachstudium getrennt nach Männlein und Weiblein - getrennte Besuchsprogramme für Männer und Frauen - japanische Männer würden einer Frau nie ein Gepäckstück tragen - japanische Männer sprechen mit Frauen wie mit einem Hund - japanische Männer kommen erst spät abends heim, ihr Leben dreht sich um die eigene Firma, den eigenen Sportverein - Frauen mit Kindern bekommen keinen Job, sie kümmern sich um die Bildung der Kinder, verwalteten den Innenbereich - japanische öffentliche Verkehrsmittel sind absolut pünktlich - in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitzen die Männer, die Frauen müssen stehen - überall auf öffentlichen Plätzen etc. stehen Überwachungskameras aber auch eine atemberaubend Landschaft und großartige Kulturdenkmäler ausgesuchte Höflichkeit und Freundlichkeit die Erfahrung, dass es woanders einfach so ist, wie es ist. Hauptsächlich der Kinder wegen ging es 1992 zurück nach Deutschland. Nach einer Zwischenstation im Lukas-Werk in SZ-Ringelheim wohnt die Familie nun in Wolfenbüttel, dem Sitz des Landeskirchenamtes. So standen und stehen sie immer schnell als Übersetzer bzw. Dolmetscher für japanische Besucher zur Verfügung. Erst nach ihrer Rückkehr realisierte Christine Walther, wie schön Wolfenbüttel im Vergleich zu japanischen Städten ist. Heute ist sie ehrenamtlich in der St. Thomas-Gemeinde in Wolfenbüttel tätig. Ihr Fazit am Ende dieses überaus anschaulichen und humorvollen Berichtes, in dem die Begeisterung für das fremde Land die erlebten Schwierigkeiten überwog: Von Deutschland kommend, sollte man nie sagen „Bei uns ist das besser!“ - es ist einfach so! - das habe ich dort gelernt.
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