Arbeitsblätter - Juristische Fakultät

Prof. Dr. Wolfgang März
Sommer 2015
Grundzüge und System des Öffentlichen Rechts II:
Grundrechte
A. Übersicht
I. Begriff und Funktionen der Grundrechte; allgemeine Grundrechtslehren
§ 1 Geschichte, Begriff und Einteilung der Grundrechte
(Geschichtliche Grundlagen des „Denkens in Grundrechten“; zur Entwicklung der Grund- und Menschenrechte in
Deutschland; Begriff und Einteilung der Grundrechte; Grundrechte im Bundesstaat; europäische und internationale Grundrechte)
§ 2 Die Grundrechte des Grundgesetzes: System, Funktionen und Ausgestaltung
(Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Dimensionen [Abwehr-, Teilhabe-, Leistungs- und Verfahrensrechte;
Grundrechte als Einrichtungsgarantie und Auslegungsmaßstab; Grundrechte und Schutzpflichten]; Grundrechtsträger und Grundrechtsbindung [Menschen- und Bürgerrechte; Grundrechtsträgerschaft; Adressaten der Grundrechtsbindung, Drittwirkung der Grundrechte)
§ 3 Aufbau und Schutz der Grundrechte (mit Verfassungsbeschwerde)
(Aufbau des Grundrechtstatbestands: Schutzbereich, Eingriff und Schranken; allgemeine und besondere Rechtfertigungsvoraussetzungen; Übermaßverbot, Zitiergebot, Einzelfallgesetz und Wesensgehaltsgarantie; Grundrechtsschutz durch die Dritte Gewalt, insb. Verfassungsbeschwerde, deren Zulässigkeitsvoraussetzungen und
Begründetheitsprüfung)
II. Die Freiheitsgrundrechte des GG
§ 4 Schutz von Individualität, Integrität und allgemeiner Handlungsfreiheit
(Art. 1 GG – Menschenwürde; Art. 2 i.V.m. Art. 104 GG – Leben, Gesundheit und
Freiheit der Person, allgemeine Handlungsfreiheit; Art. 10 GG – Post- und Fernmeldegeheimnis; Art. 13 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung)
§ 5 Schutz von Kommunikation, Geselligkeit und Mobilität
(Art. 5 I und II GG – Meinungsäußerung, Presse und Rundfunk; Art. 5 III GG –
Wissenschaft und Kunst; Art. 8 GG – Versammlung; Art. 9 I und II GG – Vereinigung; Art. 11 GG – Freizügigkeit)
§ 6 Schutz von Beruf, Arbeit und Eigentum
(Art. 12 GG – Beruf und Arbeit; Art. 9 III GG – Koalitionsbildung; Art. 14 GG –
Eigentum und Erbrecht)
§ 7 Schutz von Glauben und Gewissen; Schutz von Ehe, Familie und Schulwesen
(Art. 4 GG – Glauben und Gewissen, Kriegsdienstverweigerung [i.V.m. Art. 12a];
Art. 6 GG – Ehe und Familie; Art. 7 GG – Schulwesen)
§ 8 Schutz durch und vor staatlichen Gerichten
(Art. 19 Abs. 4 GG – Rechtsschutzgarantie; Art. 103 GG – Rechtliches Gehör, Strafverfolgung)
III. Die Gleichheitsrechte des GG
§ 9 Gleichbehandlung und Gleichberechtigung
(Art. 3 I und III GG – Der allgemeine Gleichheitssatz und seine besonderen Differenzierungsverbote; Art. 3 II und III GG – Gleichbehandlung von Mann und Frau)
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B. Allgemeine Hinweise zur Veranstaltung
I. Termin und Ort
Die Vorlesung „Grundrechte“ (3 SWS) ist – wie auch die zugehörige Übung (2 SWS) – Teil des
Moduls ‚Grundzüge und System des Öffentlichen Rechts II‘ . Sie findet im Sommer 2015 als zweistündige Vorlesung im Hörsaal 3 (R201) in der Parkstraße statt, und zwar immer am Mittwoch
von 11.00–13.00 Uhr c.t. sowie unregelmäßig am Dienstag vom 15.00–17.00 Uhr c.t. Die Übung
wird von den wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fakultät mit mehreren Veranstaltungen am Montag und am Freitag abgehalten. Für die LL.B.-Studierenden ist der Besuch der Vorlesung und der Übung Pflicht. Darüber hinaus wird am Dienstag von 15.00–17.00 Uhr unregelmäßig auf freiwilliger Basis ein Kolloquium stattfinden, das ausgewählte grundrechtliche Probleme
– vor allem das Zusammenspiel deutscher und europäischer Grund-und Menschenrechte – behandelt und einzelne Entscheidungen des BVerfG und anderer Gerichte behandelt. Einen Terminplan für die Veranstaltungen am Dienstagnachmittag finden Sie auf der Homepage.
II. Aufbau, Inhalt und Lernziel
Die Veranstaltung soll die wesentlichen grundrechtlichen Kenntnisse über unsere Verfassungsordnung vermitteln. In ihr werden die allgemeinen, für alle Grundrechte geltenden Lehren einschließlich der zugehörigen verfassungsgerichtlichen Verfahren und sodann die einzelnen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Grundgesetzes in ihrem jeweiligen systematischen Zusammenhang, also nicht in der Reihenfolge ihrer formalen Zählung, behandelt. Dem Studienplan liegt
dabei die dem Öffentlichen Recht – als Teilgebiet des Rechts – herkömmliche Unterscheidung in
Staats- oder Verfassungsrecht einerseits und Verwaltungsrecht andererseits zugrunde. Von diesen
beiden thematischen „Großgebieten“ des Öffentlichen Rechts wird (seit der Reform des Studiengangs) im ersten und zweiten Fachsemester das Verfassungsrecht (= Staatsrecht) der Bundesrepublik Deutschland behandelt, und zwar in zwei aufeinanderfolgenden Schritten:
(1)
(2)
(3)
Gegenstand der Lehrveranstaltung im Winter 2014/15 war das Staatsorganisationsrecht,
d.h. die Organisation, Funktion und Tätigkeit der wichtigsten Verfassungsorgane, außerdem
die wesentlichen Rechtsgrundsätze und Strukturprinzipien unserer Verfassungsordnung
sowie das zugehörige Verfassungsprozeßrecht.
Gegenstand der Vorlesung im Sommer 2015 sind die Grundrechte des Grundgesetzes als
nicht nur im Aufbau erster Teil der Verfassungsordnung (im wesentlichen in den Art. 1–19
GG geregelt). Behandelt wird außerdem das zugehörige Verfassungsprozeßrecht, d.h. die
Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht als besonderes Instrument zum
Schutz der Grundrechte gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung.
Die in diesem Modul vorgesehene Prüfung wird als Hausarbeit mit einer Bearbeitungszeit
von drei Wochen in der vorlesungsfreien Zeit (im Juli/August 2015) stattfinden.
Das zweite „Großgebiet“ des Öffentlichen Rechts: das Verwaltungsrecht, wird in den Lehrveranstaltungen ab dem 3. Fachsemester behandelt (Module ‚Recht der Verwaltung I‘ und ‚Recht der
Verwaltung II‘). Einzelheiten hierzu finden Sie später in den Vorlesungsunterlagen des jeweiligen
Dozenten. Ab dem 5. Fachsemester wird dann auch das dritte und vierte „Großgebiet“ des Öffentlichen Rechts: das Unionsrecht (Europarecht) und (im 7. Fachsemester) das Völkerrecht (Internationales Recht), in eigenen Vorlesungen (Module ‚Recht des Europäischen Binnenmarktes‘ und
‚Internationales und Europäisches Wirtschaftsrecht‘) behandelt.
Ziel der Vorlesung „Grundrechte“ ist das Erarbeiten der verfassungsrechtlichen, im Grundgesetz
niedergelegten „basics“. Auf diesen Grundlagen werden die nachfolgenden Veranstaltungen – das
sich später im Studium anschließende Verwaltungsrecht und das Gemeinschaftsrecht – aufbauen.
Zu diesem Zweck sollen nicht nur die allgemeinen Lehren der Freiheits- und Gleichheitsrechte,
sondern auch für den Studiengang wesentlichen Einzelgrundrechte, vor allem der Schutz von
Individualität, Integrität und allgemeiner Handlungsfreiheit, von Kommunikation und Mobilität
sowie von Beruf, Arbeit und Eigentum behandelt werden. Im Rahmen des (freiwilligen) Kolloquiums wird überdies ein Blick auf das sog. Mehrebenensystem der Grundrechte geworfen.
–3–
III. Zum „Lernverfahren“
Die vorliegenden Arbeitsblätter und die zugehörigen Folien (–> Homepage des Lehrstuhls) haben
(nur) die Aufgabe, Aufbau und Inhalt der Veranstaltung deutlich zu machen und durch den Nachweis von einschlägiger Rechtsprechung und Studienliteratur die Vor- und Nacharbeit zur Lehrveranstaltung zu erleichtern — sie sind also nicht als Grundlage für das individuelle Erarbeiten
des Stoffs gedacht und hierfür auch nicht ausreichend! Da – wie auch sonst – der Besuch einer
Vorlesung ohne begleitende persönliche (Mit-)Arbeit keinen Sinn hat, sollten Sie nicht (vorher
oder nachher) auf das Durcharbeiten des Vorlesungsstoffs anhand des Gesetzestexts (in einer
Textsammlung) und eines Lehrbuchs verzichten. Dies gilt vor allem für das Nachlesen der zitierten Verfassungsnormen und die Lektüre einzelner weiterführender wichtiger Gerichtsentscheidungen. Erfahrungsgemäß kommen Ihnen das Öffentliche Recht im allgemeinen und das
Verfassungsrecht im besonderen zunächst fremd, unübersichtlich und schwer verständlich vor, da
Sie mit diesem z.T. recht abstrakten Rechtsgebiet bislang zumeist nichts zu tun hatten. Diese
ganz normalen Schwierigkeiten beim Zugang zum Vorlesungsstoff lassen sich nur beheben, wenn
Sie sich durch regelmäßige Eigenarbeit auf diesem Rechtsgebiet nach und nach professionalisieren. Hinweise auf Studienmaterial usw. finden Sie unten unter V.
IV. Übung (Arbeitsgemeinschaft / Fallbesprechung)
Die Vorlesung „Grundrechte“ wird von einer Übung (2 SWS) begleitet, die an verschiedenen Terminen (Wochentagen) angeboten wird. Diese Übung wird von wiss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fakultät abgehalten; sie bieten die Chance, Ausschnitte aus dem Stoff der Vorlesung in Kleingruppenarbeit anhand von Fällen zu behandeln, Problemschwerpunkte der Vorlesung zu besprechen sowie die Methodik des Herangehens an eine juristische Fragestellung des
Verfassungsrechts zu erlernen. Die Teilnahme an einer solchen Übung ist nach der Studien- und
Prüfungsordnung für die LL.B.-Studierenden Pflicht.
V. Literarische Grundausstattung zur Vorlesung
Als Mindestausstattung benötigen Sie (für die Vorlesung und die Übung):
– eine Gesetzessammlung:
vorzugsweise die von Dreier/Wittreck herausgegebene Textausgabe „Grundgesetz“, 9. Aufl.
2014 (Verlag Mohr Siebeck); alternativ das von Kirchhof/Kreuter-Kirchhof herausgegebene
Buch „Staats- und Verwaltungsrecht Bundesrepublik Deutschland“, 53. Aufl. 2014 (Verlag C.F.
Müller), oder die von Detterbeck herausgegebenen „Basistexte Öffentliches Recht: ÖffR“,
18. Aufl. 2014 (beck-Texte im dtv).
– ein Lern- oder Lehrbuch zu den Grundrechten:
In diesen Arbeitsblättern wird jeweils auf einschlägige Abschnitte in den Lern- und Lehrbüchern von Epping (Grundrechte), Ipsen (Staatsrecht II – Grundrechte), Hufen (Staatsrecht II –
Grundrechte), Pieroth/Schlink (Grundrechte – Staatsrecht II) und R. Schmidt (Grundrechte)
verwiesen. Diese Bücher sind als Lektüre für Anfänger im Verfassungsrecht besonders zu empfehlen. Es gibt freilich viele weitere Lehrbücher (vgl. die Hinweise unter VI.3.b.), von denen
manche ebenso gut für Ihr Studium geeignet sind. Sie sollten sich diese Studienliteratur vor
einem Kauf immer zuerst in der Bibliothek der Fakultät (Lehrbuchsammlung) oder in einer
Buchhandlung ansehen und auf ihre Verständlichkeit prüfen. Ein (kleiner) Teil dieser Lehrbücher steht den Studierenden auch als E-Book zur Verfügung.
Neben Lern- und Lehrbüchern, Handbüchern usw. gibt es in der Juristerei eine besondere Literaturgattung: den Kommentar. Er erläutert den Inhalt eines oder mehrere Gesetze bzw.
Rechtsgebiete nicht anhand eines systematischen Blicks auf das Fachgebiet, sondern erläutert
die einzelnen Rechtsvorschriften des Gesetzes in ihrer formal vorgegebenen Reihenfolge. Für
das Grundgesetz existieren zahlreiche Kommentare in unterschiedlichem Umfang; eine studienrelevante Auswahl findet sich nachstehend (unter VI.3.c).
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VI. Weiteres Material zum Verfassungsrecht
Nachfolgend wird eine Auswahl gebräuchlicher Titel angegeben, die für das Studium des Verfassungsrechts einschlägig und nützlich, z.T. auch unverzichtbar sind; sie sind (fast) alle in unserer
Fachbereichsbibliothek zu finden.
1. Rechtsgrundlagen (amtliche Fundstellen für Gesetze/Verordnungen); Textsammlungen
– Bundesgesetzblatt. Teil I (nationale Gesetze), Teil II (völkerrechtliche Verträge), Teil III (systematische Übersicht des geltenden Bundesrechts, erscheint laufend)
– Das Deutsche Bundesrecht, Loseblattsammlung, Nomos-Verlag (vollständige Sammlung des
geltenden Bundesrechts, nach Sachgebieten gegliedert)
– Gesetz- und Verordnungsblätter (ABl., GBl., GVBl. u.ä.) der einzelnen Bundesländer; insb.:
Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern (GVOBl.)
– Sartorius I, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland, Loseblattsammlung, Beck-Verlag (umfassende Sammlung des [auch studiumsrelevanten] Öffentlichen
Rechts, zum Nachschlagen)
– stud. jur. Nomos Texte Öffentliches Recht (Sammlung des Verfassungs- und Verwaltungsrechts; erscheint jährlich neu, zuletzt 22. Aufl. 2013; wichtig erst ab dem 4. Fachsemester)
– Nomos-Gesetze: Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern, hg. von Erbguth u.a., 15. Aufl. 2013
(wichtig erst ab dem 4. Fachsemester)
– Gesetze des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Loseblattsammlung, Beck-Verlag (umfassende
Sammlung des Landesrechts, zum Nachschlagen)
2. Rechtsprechungssammlungen
– Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Bd. 1 ff. (zuletzt Bd. 131); s.a.
–> www.bverfg.de, für Entscheidungen des BVerfG vor 1998 –> www.verfassungsrecht.ch
– Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfK, Bd. 1 (2003) ff.
– Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE), Bd. 1 ff. (zuletzt Bd. 144); s.a.
–> www.bverwg.de
– Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen,
Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
(LVerfGE), Bd. 1 ff. (zuletzt Bd. 21.2010 [2012])
3. Schrifttum
a) LEHRBÜCHER, HANDBÜCHER U.Ä. (ALPHABETISCH)
– Epping, Grundrechte, 6. Aufl. 2015 (gutes Lehrbuch) <Springer E-Book>
– Hufen, Staatsrecht II – Grundrechte, 4. Aufl. 2014 (hervorragendes Lehrbuch, schon für Anfänger besonders geeignet)
– J. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 17. Aufl. 2014 (sehr gutes Lehrbuch für Anfänger)
– Isensee/P. Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland (HStR),
12 Bde., 3. Aufl. 2003–2014 (für die Grundrechte Bd. VII–IX) (umfassendes Handbuch zu allen
verfassungsrechtlichen Fragen, zum Nachschlagen spezieller Probleme)
– Katz, Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht, 18. Aufl. 2010 (gutes Lehrbuch, für Anfänger gut geeignet; enthält auch das Staatsorganisationsrecht)
– Kloepfer, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2010 (großes Lehrbuch, eventuell zum Nachschlagen)
– Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 12. Aufl. 2015 (als Einstieg gut geeignet) <Beck EBook>
– Merten/Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa (HGre), 2004 ff.
(bislang 8 Bde. erschienen) (umfassendes Handbuch zu allen Grundrechtsfragen, allerdings
noch nicht vollständig)
– Michael/Morlok, Grundrechte, 4. Aufl. 2014 (sehr gutes, anspruchsvolles Lehrbuch)
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– Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte (Staatsrecht II), 30. Aufl. 2014 (hervorragendes, anspruchsvolles Lehrbuch mit Fallbeispielen, auch für Anfänger geeignet)
– R. Schmidt, Grundrechte, 17. Aufl. 2015 (didaktisch sehr gut aufbereitetes Lernbuch, für Anfänger besonders geeignet)
– Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 6. Aufl. 2014 (enthält auch den Stoff der Vorlesungen „Staatsorganisationsrecht“ und „Verwaltungsrecht I“ [3. Fachsemester]) <Beck E-Book>
– Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988; Bd. III/2, 1994;
Bd. IV/1, 2006; Bd. IV/2, 2011 (umfassendes Handbuch zum Nachschlagen von Details)
b) FALLSAMMLUNGEN UND PROBLEMORIENTIERTE DARSTELLUNGEN
– Brinktrine/Sarcevic, Fallsammlung zum Staatsrecht, 2. Aufl. 2011 <Springer E-Book>
– Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht (Neuauflage im Verlag Mohr Siebeck), 2013
(Lehrbuch anhand von Fällen)
– Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht I, 3. Aufl. 2013
– Hebeler, 40 Probleme aus dem Staatsrecht, 3. Aufl. 2011
– Höfling, Fälle zu den Grundrechten, 2. Aufl. 2014
– Schroeder, Grundrechte (JURIQ Erfolgstraining), 3. Aufl. 2013
– Volkmann, Staatsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2011
c) KOMMENTARE ZUM GRUNDGESETZ
– Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2014 (zum schnellen Nachschlagen einzelner Rechtsfragen hervorragend geeigneter Kommentar)
– Kahl u.a. (Hg.) Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Stand 2014 (Großkommentar)
– Dreier (Hg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. I: Art 1 – 19, 3. Aufl. 2013; Bd. II: Art. 20 – 82,
2. Aufl. 2006 (mit Supplement 2007); Bd. III: Art. 83–146, 2. Aufl. 2008 (Großkommentar)
– Gröpl/Windthorst/von Coelln, Grundgesetz. Studienkommentar, 2013 (für den Einstieg in das
Grundgesetz sehr gut geeignet)
– Hofmann u.a. (Hg.), Kommentar zum Grundgesetz (begr. von Schmidt-Bleibtreu/Klein),
13. Aufl. 2014 (Praktikerkommentar)
– von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 3 Bde., 6. Aufl. 2010 (Großkommentar)
– Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz. Kommentar, Lbl. Stand 2014 (Großkommentar)
– von Münch/Kunig (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I: Präambel bis Art. 69, 6. Aufl. 2012;
Bd. II: Art. 70 – 146, 6. Aufl. 2012 (für den Einstieg in das Grundgesetz sehr gut geeignet)
– Sachs (Hg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2014 (sehr umfangreicher Kommentar, zum
Nachschlagen)
– Stern (Hg.), Grundrechte-Kommentar, 2010 (beinhaltet nur die Grundrechte des GG)
– Umbach/Clemens (Hg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2002 (umfassender Kommentar anhand der Rechtsprechung des BVerfG, z.T. veraltet)
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d) ZEITSCHRIFTEN MIT VERFASSUNGSRECHTLICHEM INHALT (ABKÜRZUNGEN); MIT „z“ GEKENNZEICHNET IN ROSTOCK ALS
E-JOURNAL VERFÜGBAR. EINE ALPHABETISCHE LISTE ALLER GÄNGIGEN JURISTISCHEN FACHZEITSCHRIFTEN (MIT ABKÜRZUNGEN) FINDET SICH Z.B. IM ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS DER ZEITSCHRIFTEN „NJW“ ODER „NVWZ“.
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Archiv des öffentlichen Rechts (AöR) z
Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.)
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.)
Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Neue Folge (JöR N.F.)
Juristenzeitung (JZ) z
Juristische Arbeitsblätter (JA) [Ausbildungszeitschrift!]
Juristische Ausbildung (JURA) [Ausbildungszeitschrift!] z
Juristische Schulung (JuS) [Ausbildungszeitschrift!]
Kritische Justiz (KJ) z
Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV) z
Landes- und Kommunalverwaltung (LKV) z
Neue Juristische Wochenschrift (NJW) z
Neue Justiz (NJ)
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) z
Niedersächsische Verwaltungsblätter (NdsVBl.)
Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.)
Die Öffentliche Verwaltung (DÖV)
Sächsische Verwaltungsblätter (SächsVBl.)
Der Staat z
Thüringische Verwaltungsblätter (ThürVBl.)
Die Verwaltung z
Verwaltungsarchiv (VerwArch.)
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (VBlBW)
Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS) –> www.zjs-online.com [Ausbildungszeitschrift!] z
Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG)
Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland (NordÖR)
Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl) z
Zeitschrift für Politik (ZfP) z
Zeitschrift für Politikwissenschaft (ZPol) z
Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) z
Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (ZSE) z
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Arbeitsblatt zu § 1
Geschichte, Begriff und
Einteilung der Grundrechte
A. Übersicht:
I. Geschichtliche Grundlagen des „Denkens in Grundrechten“; zur Entwicklung der Grund- und Menschenrechte in Deutschland
II. Begriff und Einteilung der Grundrechte; Grundrechte im Bundesstaat;
europäische und internationale Grundrechte
B. Rechtsgrundlagen (historisch und aktuell):
– England: Magna Charta Libertatum (1215); Petition of Rights (1627); Act of Habeas Corpus (1679); Bill of Rights (1689)
– USA: Virginia Bill of Rights (12.6.1776); Zusatzartikel („Bill of Rights“) zur Verfassung der
Vereinigten Staaten von Amerika (1787/1791)
– Frankreich: Déclaration des droits de l’homme et du citoyen vom 26.8.1789
– Deutschland (bis 1949): Verfassung des Deutschen Reichs vom 28.3.1849 („Paulskirchenverfassung“), dort Abschnitt VI (§§ 130 – 189): Die Grundrechte des deutschen Volkes;
Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31.1.1850, dort Titel II (Art. 3 – 42:
Von den Rechten der Preußen; Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 („Weimarer Reichsverfassung“), dort Zweiter Hauptteil (Art. 109 – 165): Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen
– Deutschland (nach 1949): Grundgesetz, dort Abschnitt I: Die Grundrechte; Verfassung des
Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.5.1993, dort 1. Abschnitt, II. Grundrechte
(Art. 5 – 10)
– Europa: Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950
(mit Zusatzprotokollen) (= Sart. II 130); Europäische Sozialcharta vom 18.10.1961
(= Sart. II 115)
– Europäische Union: Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12.2000; ist
gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV Bestandteil des Primärrechts der EU
– International: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 (= Sart. II 19);
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (in Kraft seit
1976) (= Sart. II 20); Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte vom 19.12.1966 (in Kraft seit 1976) (= Sart. II 21); sowie eine Vielzahl spezieller
Menschenrechtsverträge zum Schutz von Kindern, Behinderten, Flüchtlingen usw.
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C. Rechtsprechung:
– BVerfGE 111, 307 ff. – „Görgülü“ – Verhältnis von GG und EMRK bei der Auslegung und
Anwendung von Grundrechten; –> Stackmann, JuS 2005, 495 ff.
– BVerfGE 128, 326 ff. „Sicherungsverwahrung II“ (der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes [u.a. Art. 1 Abs. 2] bewirkt, daß die EMRK trotz ihres innerstaatlichen Rangs [als Bundesgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 GG unter dem Grundgesetz] in
ihrer Interpretation durch den EGMR die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes
prägt und als maßgebliche Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite
der Grundrechte heranzuziehen ist, soweit dies nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation vertretbar erscheint); –> Barczak, JuS
2012, 156 ff.; Esser, JA 2011, 727 ff.; Volkmann, JZ 2011, 835 ff.
– BVerfGE 95, 96 ff. – „Mauerschützen“ – Mißachtung der in der Völkerrechtsgemeinschaft
allgemein anerkannten Menschenrechte kann Vertrauensschutz für Straflosigkeit von
Verbrechen verdrängen; –> Denninger, JZ 1998, 1129 ff.
– BerlVerfGH, NJW 1993, 513 ff. und 515 ff. – Prüfung von auf Bundesrecht zurückgehenden Gerichtsentscheidungen am Maßstab der Landesverfassung (–> Starck, JZ 1993, 231
ff.; Dietlein, NVwZ 1994, 6 ff.; Sobota, DVBl. 1994, 793 ff.)
D. Literaturhinweise:
Epping, Rn. 1–8; Hufen, §§ 2–3; Ipsen, Rn. 1 – 41; Pieroth/Schlink, Rn. 18 – 49. Einzelheiten
bei Merten/Papier, HGre, Bd. I, §§ 1–7
zu den historischen Grundlagen der Grundrechte
– Gusy, Die Grundrechte in der Weimarer Republik, ZNR (= Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte) 1993, 163 ff.
– Hofmann, Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841 ff.
– Hofmann, Die Grundrechte 1789 – 1949 – 1989, NJW 1989, 3177 ff.
– Pieroth, Geschichte der Grundrechte, JURA 1984, 568 ff.
– Schmidt, Grundrechtstheorie im Wandel der Verfassungsgeschichte, JURA 1983, 169 ff.
zum Verhältnis von Bundes- und Landesgrundrechten
– Dietlein, Landesgrundrechte im Bundesstaat, JURA 1994, 57 ff.
zum Grundrechtsschutz auf europäischer und internationaler Ebene
– Braasch, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, JuS 2013, 602 ff.
– Fahrenhorst, Die Individualbeschwerde vor den Organen der Menschenrechtskonvention,
JURA 1987, 130 ff.
– Gusy, Wirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
in Deutschland, JA 2009, 406 ff.
– Kadelbach, Menschenrechte als übergesetzliches Recht, JURA 2002, 329 ff.
– Payandeh, Die EMRK als grundrechtsbeschränkendes Gesetz?, JuS 2009, 212 ff.
– Thym, Vereinigt die Grundrechte!, JZ 2015, 53 ff.
–9–
Arbeitsblatt zu § 2
Die Grundrechte des Grundgesetzes:
System, Funktionen und Ausgestaltung
A. Übersicht:
I. Das „System“ der Grundrechte
II. Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Dimensionen (Abwehr-, Teilhabe-, Leistungs- und Verfahrensrechte; Grundrechte als Einrichtungsgarantien und Auslegungsmaßstab; Grundrechte und Schutzpflichten)
III. Grundrechtsträger und Grundrechtsbindung
(Menschen- und Bürgerrechte; korporative Grundrechtsträgerschaft;
Adressaten der Grundrechtsbindung, Drittwirkung der Grundrechte)
B. Rechtsprechung:
– BVerfGE 50, 290 ff. „Mitbestimmung“ – Grundrechte vorrangig als Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen zu verstehen
– BVerfGE 7, 198 ff. „Lüth“ (dazu Schulze-Fielitz, JURA 2008, 52 ff.); 25, 256 ff.; „Blinkfüer“;
33, 303 ff. „Numerus clausus“ – Grundrechte als objektive Wertordnung der Verfassung
=> Güterabwägung zwischen grundrechtlich geschützter Freiheit und öffentlichen Interessen
– BVerfGE 53, 30 ff. „Mülheim-Kärlich“ – Art. 2 II GG enthält eine Schutzpflicht des Staates, Maßnahmen gegen die Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu treffen;
sie ist allerdings nur dann verletzt, wenn der Grundrechtsträger geltend machen kann,
daß die öffentliche Gewalt entweder überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen hat
oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, angemessenen grundrechtlichen Schutz sicherzustellen (so zuletzt BVerfG [K], NVwZ 2011,
991 ff., wonach eine hierauf gerichtete Verfassungsbeschwerde ohne substantiierte Darlegung dieser staatlichen Versäumnisse unzulässig ist)
– BVerfGE 39, 1 ff. „§ 218 StGB I“; 88, 203 ff. „§ 218 StGB II“ – Staatliche Schutzpflicht aus
Art. 2 II GG kann auch zu Lasten eines (anderen) Grundrechtsträgers wirken; das ungeborene Leben hat dabei Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren
– BVerfG, EuGRZ 1998, 172 ff. „Nichtraucherschutz“ – keine Verletzung von Grundrechten
durch Unterlassen eines gesetzlichen Schutzes für Nichtraucher
– BVerfGE 7, 198 ff. „Lüth“; 73, 261 ff. „Sozialpläne“; 81, 242 ff. „Handelsvertreter“; 89, 214
ff. „Bürgschaft“ – mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht (über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe)
– BVerfGE 34, 269 ff. „Soraya“; 89, 214 ff. „Bürgschaft“; 99, 185 ff. „Scientologe“ – Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Privatrecht => Güterabwägung zwischen widerstreitenden Grundrechtspositionen (z.B. Pressefreiheit ./. Ehrenschutz)
– BVerfGE 33, 303 ff. „Numerus clausus“ – Grundrechte als Teilhabe- und subjektive Leistungsrechte bei staatlichen Monopolen => „Verschaffungsanspruch“ bei freier Kapazität
– BVerfGE 75, 40 (62 ff.); 90, 107 (114 ff.); ebenso nunmehr BVerwGE 79, 154 ff. (a.A. noch
BVerwGE 23, 347 [350]; 27, 360 [362 f.]; 70, 290 [293]) – Grundrecht (hier: Art. 7 Abs. 4
GG) grundsätzlich nicht als originärer verfassungsrechtlicher Anspruch auf Leistungen
(hier: staatliche Privatschulfinanzierung) zu verstehen, sondern nur als objektiv-rechtliche
Verpflichtung des Gesetzgebers zu Schutz und Förderung seiner Inanspruchnahme
– 10 –
– BVerfGE 21, 362 ff. „Sozialversicherungsträger“; 68, 193 ff. „Zahntechniker-Innung“; 61,
82 ff. „Sasbach“; 75, 192 ff. „Sparkasse“ – grundsätzliche Grundrechts(un)fähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (s.a. E 42, 312 ff. – Grundrechtsfähigkeit von
Kirchen; 31, 314 ff. – Grundrechtsfähigkeit von Universitäten; 35, 202 ff. – Grundrechtsfähigkeit von Rundfunkanstalten); BVerfGE 128, 226 ff. „Fraport“ – Grundrechtsunfähigkeit gemischtwirtschaftlicher Unternehmen in Privatrechtsform, soweit sie vom Staat
beherrscht werden –> Kramer, JA 2011, 810 ff.
– BVerfGE 129, 78 ff. „Designermöbel“ (Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbot des
Unionsrechts bewirken eine erweiternde Auslegung on Art. 19 Abs. 3 GG dahingehend,
daß auch ausländische juristische Personen des Privatrechts aus Mitgliedstaaten der EU
einzelne Grundrechte des Grundgesetzes in Anspruch nehmen können) –> Hillgruber, JZ
2011, 1118 ff.; Muckel, JA 2012, 156 ff.; Sachs, JuS 2012, 379 ff.
C. Literatur:
Epping, Rn. 9–23; Hufen, §§ 4–5; Ipsen, Rn. 42 – 102; Pieroth/Schlink, Rn. 50 ff.. Einzelheiten
bei Merten/Papier, HGre, Bd. I, §§ 15–23; Bd. II, §§ 38 ff. – Fallorientierter Überblick bei
Graf von Kielmansegg, Grundfälle zu den allgemeinen Grundrechtslehren, JuS 2009, 19 ff.,
118 ff., 216 ff.
– Augsberg/Viellechner, Die Drittwirkung der Grundrechte als Aufbauproblem, JuS 2008,
406 ff.
– Couzinet, Die Prinzipientheorie der Grundrechte – Einführung, Strukturhinweise, Anwendung in der Fallbearbeitung, JuS 2009, 603 ff.
– Gostomzyk, Grundrechte als objektiv-rechtliche Ordnungsidee, JuS 2004, 949 ff.
– Gusy, Freiheitsrechte als subjektive Rechte, ZJS 2008, 233 ff.
– Klatt/Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, 193 ff.
– Klein, Das Untermaßverbot – über die Justiziabilität grundrechtlicher Schutzpflichterfüllung, JuS 2006, 960 ff.
– Krausnick, Grundfälle zu Art. 19 III GG, JuS 2008, 869 ff., 965 ff.
– Kutscha, Grundrechte als Minderheitenschutz, JuS 1998, 673 ff.
– Meinke, Verbindungen mit Grundrechten in der Rechtsprechung des BVerfG, JA 2009, 6 ff.
– von Mutius, Grundrechtsfähigkeit, JURA 1983, 30 ff.
– von Mutius, Grundrechtsmündigkeit, JURA 1987, 272 ff.
– Reuter, Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn – das unbekannte Wesen, JURA 2009,
511 ff.
– Scheidler, Einführung in die allgemeine Grundrechtslehre, JURA 2012, 256 ff.
– Schnapp/Kaltenborn, Grundrechtsbindung nichtstaatlicher Institutionen, JuS 2000,
937 ff.
– Tonikidis, Die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, JURA
2012, 517 ff.
– Voßkuhle/Kaiser, Funktionen der Grundrechte, JuS 2011, 411 ff.
– Voßkuhle/Kaiser, Das subjektiv-öffentliche Recht, JuS 2009, 16 ff.
– de Wall/Wagner, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, JA 2011, 734 ff.
– Wienbracke, Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ZJS 2013, 148 ff.
– 11 –
Arbeitsblatt zu § 3
Aufbau und Schutz der Grundrechte
(mit Verfassungsbeschwerde)
A. Übersicht:
I. Der Aufbau des Freiheitsgrundrechts: Schutzbereich, Eingriff und
Schranken; allgemeine und besondere Rechtfertigungsvoraussetzungen
(Übermaßverbot, Zitiergebot, Einzelfallgesetz und Wesensgehaltsgarantie)
II. Grundrechtsschutz durch die Dritte Gewalt, insb. durch die Verfassungsbeschwerde (Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheitsprüfung)
B. Rechtsprechung:
– BVerfGE 7, 129 (150 ff.) „lex Schörner“; 25, 371 (396 ff.) „lex Rheinstahl“; 85, 360 (374 f.)
„Akademieauflösung“; 95, 1 (15 ff.) „lex Stendal“ – Begrenzung des Verbots grundrechtsbeeinträchtigender Einzelfallgesetze auf Fälle evidenter Ungerechtigkeit durch Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände
– BVerfGE 28, 36 (46 f.) „Zitiergebot“; 64, 72 (79 ff.) „Prüfingenieur“ – Einhaltung des Zitiergebots nur bei neu eingeführten Beschränkungen (nicht: Regelungen) eines Grundrechts
– BVerfGE 45, 187 (260 ff.) „Lebenslange Freiheitsstrafe“ – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
führt zwar nicht zum Verbot der lebenslangen Freiheitsstrafe, gebietet aber die gesetzliche
Regelung von Voraussetzungen, unter denen der Strafgefangene vorzeitig entlassen – und
nicht nur begnadigt – werden kann
– BVerfGE 84, 34 (45 ff.) „Gerichtliche Prüfungskontrolle“ – Grundrechtsschutz (z.B. Art. 12
GG) hat auch Bedeutung für das Verwaltungsverfahren (hier: Durchführen einer juristischen Staatsprüfung)
– BVerfGE 38, 23 ff. „Grundrechtsverwirkung“ – Antrag nach Art. 18 GG muß detailliert
darlegen, daß Grundrechte absichtlich und dauerhaft zum Kampf gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung mißbraucht werden
– BVerfGE 90, 145 (172 ff.) „Cannabis“ – Übermaßverbot als leitender Verfassungsgrundsatz
bei Strafvorschriften mit Freiheitsstrafe; Verhältnismäßigkeit muß freilich im Einzelfall –
Bagatellverstöße gegen das BtMG – zur Einstellung des Strafverfahrens führen
– BVerfGE 105, 252 ff. „Glykolwein“ und 105, 279 ff. „Osho“ – Unterscheidung von (weitem)
Schutzbereich und (engem) Gewährleistungsbereich bei allgemein gehaltenen, nicht personen- oder objektbezogenen staatlichen Warnungen, die dann keinen Eingriff in die jeweiligen Grundrechte bewirken sollen (sehr str.); dazu Bethge, JURA 2003, 327 ff.; von Coelln,
JA 2003, 116 ff.; Cremer, JuS 2003, 747 ff.; Huber, JZ 2003, 290 ff.; Murswiek, NVwZ 2003,
1 ff.; Winkler, JA 2003, 327 ff.
– 12 –
C. Literatur:
Epping, Rn. 145 ff. (Vb.); Hufen, §§ 6–9; Ipsen, Rn. 105 – 209; Pieroth/Schlink, Rn. 118–361.
Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht III/1 und 2
– Brüning, Die gutachterliche Prüfung von Freiheitsgrundrechten, JA 2000, 728 ff.
– Hummel, Beschwerdefähigkeit und Beschwerdebefugnis – zum Prüfungsort des Art. 19 III
GG bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, JA 2010, 346 ff.
– Krausnick, Grundfälle zu Art. 19 I und II GG, JuS 2007, 991 ff., 1088 ff.
– Krebs, Zur verfassungsrechtlichen Verortung und Anwendung des Übermaßverbotes, JURA 2001, 228 ff.
– Kunig, Einzelfallentscheidungen durch Gesetz, JURA 1993, 308 ff.
– Michael, Grundfälle zur Verhältnismäßigkeit, JuS 2001, 654 ff., 764 ff., 866 ff.
– Middendorf, Zur Wesensgehaltsgarantie des Grundgesetzes, JURA 2003, 232 ff.
– Reuter, Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – das unbekannte Wesen, JURA 2009,
511 ff.
– Sachs, Die relativen Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303 ff.
– Sachs, Die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte des Grundgesetzes, JuS 1995, 693 ff.
– Sachs, Grundrechtsbegrenzungen außerhalb von Gesetzesvorbehalten,uS
J 1995, 984 ff.
– Selk, Zum heutigen Stand der Diskussion um das Zitiergebot, JuS 1992, 816 ff.
– Volkmann, Veränderungen der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, 261 ff.
– Voßkuhle/Kaiser, Der Grundrechtseingriff, JuS 2009, 313 ff.
– Winkler, Grundrechte in der Fallprüfung: Schutzbereich – Eingriff – Verfassungsrechtliche
Rechtfertigung, 2010
zur Verfassungsbeschwerde:
–
–
–
–
Fleury, Verfassungsprozeßrecht, 9. Aufl. 2012, S. 49 ff.
Geis/Thirmeyer, Grundfälle zur Verfassungsbeschwerde, JuS 2012, 316 ff.
Gersdorf, Verfassungsprozeßrecht/Verfassungsmäßigkeitsprüfung, 4. Aufl. 2014
Krüger, Die Anfängerklausur im Öffentlichen Recht. Beispiel: Verfassungsbeschwerde ,
JuS 2014, 790 ff.
– Peters/Markus, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, JuS 2013, 887 ff.
– Scherzberg, Individualverfassungsbeschwerde, in: Ehlers/Schoch (Hg.), Rechtsschutz im
Öffentlichen Recht, 2009, § 13 (S. 273–361)
– Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl. 2012, S. 142 ff.
– 13 –
Arbeitsblatt zu § 4
Schutz von Individualität, Integrität
und allgemeiner Handlungsfreiheit
Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde
Art. 2 Abs. 2, 104 GG – Leben, Gesundheit, Freiheit
Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit
Art. 10 GG – Post- und Fernmeldegeheimnis
Art. 13 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung
A. Übersicht:
I. Der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)
II. Der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit der Person
(Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG)
III. Der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
IV. Der Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG)
V. Der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
B. Rechtsprechung:
zu Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde
• BVerfGE 30, 1 (SV 39 ff.) „Abhör-Urteil“ – Art. 1 I GG als „tragendes Konstitutionsprinzip“
der Verfassung, das verhindern soll, den Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen und kurzerhand von Obrigkeits wegen über ihn zu verfügen. Die Beschränkung einzelner Grundrechte der Art. 2 – 19 kann dabei gegen Art. 1 I GG – Menschenwürdegehalt („Menschenwürdekern“) der Einzelgrundrechte – verstoßen. –> Alberts,
JuS 1972, 319 ff.
• BVerfGE 45, 187 (227 ff.) „Lebenslange Freiheitsstrafe“ – Art. 1 I GG bestimmt Wesen der
Strafe und Verhältnis von Schuld und Sühne => grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen sind verboten; Straftäter darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung gemacht werden => auch für ihn muß zumindest Chance bestehen, wieder in
Freiheit leben zu können => Gebot der Resozialisierung des Täters im Strafvollzug i.V.m.
Verrechtlichung der Gnaden- und Entlassungspraxis. –> Sonnen, JA 1977, 524 ff.
• BVerfGE 82, 60 (85 f.) „Steuerfreies Existenzminimum“ – Staat muß dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird => Anspruch auf existenzsichernde Sozialleistungen (s.a. BVerfGE 40, 121 [133]); in Höhe dieser Sozialleistungen
muß das eigene Einkommen mindestens steuerfrei bleiben. –> Ruland, JuS 1991, 161 ff.
– 14 –
• BVerfGE 125, 175 ff. „Hartz IV“ – Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip gibt zwar keinen
verfassungsrechtlich fixierten Sozialleistungsanspruch auf einen bestimmten Betrag, verpflichtet aber den Gesetzgeber, die jeweils zu erbringenden Leistungen in einem transparenten und sachgemäßen Verfahren realitätsgerecht und nachvollziehbar auf der
Grundlage verläßlicher Zahlen zu ermitteln und stetig zu aktualisieren); dazu Seiler, JZ
2010, 500 ff.; Spellbrink, DVBl. 2011, 661 ff. — Ebenso BVerfGE 132, 134 ff. „Asylbewerberleistungsgesetz“ (seit 1993 unverändert gebliebene Leistungen für Asylbewerber sind
evident unzureichend, zumal sie von Anfang an hinter den Leistungen für Sozialhilfeempfänger zurückgeblieben sind) –> Tiedemann, NVwZ 2012, 1031 ff.
• BVerfG, NJW 1994, 2943; 93, 266 (293) „Soldaten sind Mörder“ – Im Konflikt zwischen
Meinungsfreiheit und Ehrenschutz muß Art. 5 I GG (nur) zurücktreten, wenn die Meinungsäußerung die Menschenwürde eines anderen antastet (sehr str.). –> Herdegen, NJW
1994, 2933 ff.; Gounalakis, NJW 1996, 481 ff.
• BVerwGE 64, 274 ff.; BVerwG, NVwZ 1990, 668 und NJW 1996, 1423 ff. – Veranstaltung
von „Peep-Shows“ verstößt – unabhängig von der Einwilligung der Frauen – gegen die
Menschenwürde der Akteurinnen und ist deshalb immer zu verbieten (str.; –> Discher,
JuS 1991, 642 ff.).
• VG Neustadt, NVwZ 1993, 98 – „Zwergenweitwurf“ ist – auch bei Einwilligung der Betroffenen – mit dem Grundsatz der Menschenwürde nicht vereinbar und verstößt deshalb
gegen die öffentliche Ordnung; –> (rechtsvergleichend) Rädler, DÖV 1997, 109 ff.
zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG – Persönlichkeitsrechte
• BVerfGE 80, 367 ff. „Tagebuch“ (private Tagebuchaufzeichnungen unterfallen zwar dem
Schutz des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs., 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dürfen aber
grundsätzlich im Rahmen eines Strafverfahrens unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit herangezogen und zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden)
–> Geis, JZ 1991, 112 ff.; Störmer, JURA 1991, 17 ff. — S.a. BGHSt 57, 71 ff. „Selbstgespräch im Auto“ (polizeilich abgehörte Äußerungen in Selbstgesprächen während einer
Autofahrt sind dem verfassungsgeschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen und dürfen nicht zur Überführung einer Person im Strafverfahren verwertet
werden) –> von Heintschel-Heinegg, JA 2012, 385 f.; Mosbacher, JuS 2012, 705 ff.; Zabel,
ZJS 2012, 563 ff.
• BVerfGE 99, 185 ff. „Helnwein“ – Allg. Persönlichkeitsrecht (a.P.) schützt den sozialen
Achtungsanspruch des einzelnen in der Öffentlichkeit gegen grob fälschliche Charakterisierung; zwar kein Anspruch, so dargestellt zu werden, wie man sich sieht oder gerne von
anderen gesehen würde, aber Schutz vor diskriminierender Kennzeichnung (hier: nicht
bewiesene Zugehörigkeit zu einer zwielichtigen religiösen Sekte)
• BVerfGE 101, 361 ff. „Caroline von Monaco I“ – Allg. Persönlichkeitsrecht (a.P.) schützt
den Bürger auch in der Sozialsphäre, nicht nur im privaten Bereich; sein Schutzgehalt ist
(Grundrechtsverzicht) aber davon abhängig, ob sich jemand damit einverstanden erklärt,
gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich zu machen. Besonderen
Schutz genießt das a.P. über Art. 6 Abs. 1 GG bei Angelegenheiten aus dem Familienbereich (Anspruch auf kindliche Persönlichkeitsentwicklung auch bei Kindern von Prominenten). Die Pressefreiheit hat demgegenüber zurückzutreten. –> Dörr, JuS 2001, 912 ff.;
Kupfer, JURA 2001, 169 ff.; Zacharias, JA 2001, 549 ff.
BVerfGE 120, 180 ff. „Caroline von Monaco II“ – Die Befriedigung privater Neugier an
privaten Angelegenheiten Prominenter durch Bildberichterstattung in den Medien kann
den darin liegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht rechtfertigen,
solange der Berichterstattung kein eigenständiger Informationswert für die interessierte
Öffentlichkeit innewohnt. –> Pils, JA 2008, 852 ff.
– 15 –
• BVerfG (K), NJW 2011, 740 f. „Caroline von Monaco III“ – Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1
GG schützt Prominente nicht davor, in der Öffentlichkeit durch Medien darstellt zu werden, wenn sie sich freiwillig der Medienöffentlichkeit aussetzen, z.B. öffentliche Veranstaltungen besuchen; dazu Dörr, JuS 2011, 662 ff.
• BVerfGE 103, 21 ff. „Genetischer Fingerabdruck“ – Genetische Identität ist von Recht auf
informationelle Selbstbestimmung erfaßt; Anfertigung und Speicherung des „genetischen
Fingerabdrucks“ von wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung verurteilten Straftätern
ist aber zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung zulässig, zumal damit in den absolut
geschützten Kernbereich der Persönlichkeit nicht eingegriffen wird. –> Fluck, NJW 2001,
2292 ff.; Wollweber, NJW 2001, 2304 f.
• BVerfGE 114, 339 „Manfred Stolpe“ – zivilgerichtliche Entscheidungen, die im politischen
Meinungsstreit persönlichkeitsrelevante Tatsachenbehauptungen zulassen, die nicht
nachweisbar wahr sind (etwa weil sie sich nicht mehr als wahr oder falsch aufklären lassen), beeinträchtigen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG. Gegen eine Verurteilung, künftig eine solche Äußerung zu unterlassen,
kann sich der Äußernde nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen, außer er bringt bei seiner Äußerung zum Ausdruck, daß der Sachverhalt umstritten ist und nicht weiter aufgeklärt
werden kann –> Hochhuth, NJW 2006, 189 ff. — Zum Verhältnis von polemischer Meinungsäußerung und privater/beruflicher Ehre des Angesprochenen s.a. BVerfG (K), NJW
2006, 3769 ff. „Babycaust“ –> Hochhuth, NJW 2007, 192 ff., und AfP 2006, 550 ff. „rechtswidrige Abtreibung“
• BVerfG vom 24.2.2015 – 1 BvR 472/14 (das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt mit der Privat- und Intimsphäre das Recht, selbst
darüber zu entscheiden, ob und wem man Einblick in seine sexuellen Beziehungen gibt)
zu Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG – Schutz von Leben, Freiheit und Gesundheit
• BVerfGE 39, 1 (36 ff., 42 ff.) „Schwangerschaftsabbruch I“ – Art. 2 II 1 GG– schützt auch
das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als selbständiges Rechtsgut; für dieses Leben
hat der Staat eine umfassende Schutzpflicht, die auch die Verpflichtung beinhaltet, es vor
rechtswidrigen Eingriffen anderer – d.h. auch der abtreibungswilligen Mutter – zu schützen. Der Schutzstandard muß dabei dem für das geborene Leben gleichen => Erfordernis
strafrechtlicher Sanktion von Schwangerschaftsabbrüchen, wobei wegen der Notlage der
Schwangeren im Einzelfall abzuwägen ist und bei Unzumutbarkeit Straflosigkeit eintritt.
–> von Mutius, JURA 1987, 109 ff.
• BVerfGE 88, 203 „Schwangerschaftsabbruch II“ – Grundsätzliches Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und grundsätzliche Pflicht der Schwangeren zum Austragen des Kindes
sind untrennbar verbundene Elemente des durch Art. 2 II 1 GG i.V.m. Art. 1 I GG gebotenen Schutzes. Schutz des werdenden Lebens ist aber nicht absolut geboten, sondern auch
abhängig vom Anspruch der Schwangeren auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde,
ihres Rechts auf Leben und Gesundheit und ihres Persönlichkeitsrechts => staatliche
Schutzpflicht zugunsten einer finanziellen Fürsorge für die Mutter und zugunsten der
Förderung einer kinderfreundlichen Gesellschaft => Verpflichtung zu flankierenden Maßnahmen, die eine Unzumutbarkeit alltags-praktisch reduzieren sollen (Erziehungsgeld,
Steuervorteile, Kindergartenplatz etc.). –> Geiger, JURA 1994, 20 ff.
• BVerfGE 90, 145 (172 ff.) „Cannabis“ – Androhung von Freiheitsstrafe als Eingriff in Art. 2
II 2 GG ist nur zulässig, wenn der Schutz anderer oder der Allgemeinheit dies unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert => Schwere der Straftat
und Verschulden des Täters müssen zur Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen.
Hier: Von Cannabisprodukten ausgehende Gefahren für Gesundheit des Konsumenten
sowie Gefahren für die Allgemeinheit (Jugendgefährdung, Drogenhandel, evtl. „Schrittmacherfunktion“ hin zu härteren Drogen, Beschaffungskriminalität etc.) rechtfertigen das
– 16 –
•
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strafbewehrte Verbot des Haschischkonsums. –> Sachs, JuS 1994, 1067 ff. — Merke: auch
keine Rechtfertigung aus religiösen Gründen, s. BVerwG, NJW 2001, 1365
BVerfGE 105, 239 ff. „Abschiebehaft“ – Art. 2 Abs. 2 GG gebietet i.V.m. Art. 104 GG, daß
Freiheitsentziehungen, etwa durch Inhaftierung oder Unterbringung in einem geschlossenen Raum, unverzüglich durch einen Richter zu überprüfen sind; daraus folgt für den
Staat, d.h. die Justizverwaltung, die Pflicht, auch außerhalb der regulären Dienstzeiten
der Richter die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters sicherzustellen. Die in Art. 104
Abs. 2 Satz 3 GG genannte Frist setzt dem Festhalten eine äußerste Grenze, befreit aber
nicht von der Verpflichtung, unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen
–> Rabe von Kühlewein, DVBl. 2002, 1545 ff.
BVerfGE 115, 118 ff. „Luftsicherheitsgesetz“ – Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
verbietet gesetzliche Ermächtigung zum Abschuß eines Flugzeugs, der den Tod tatunbeteiligter Passagiere und Besatzungsmitglieder zur Folge hat –> Baumann, JURA 2006,
447 ff.; Gramm, DVBl. 2006, 653 ff.; Schenke, NJW 2006, 736 ff.
BVerfGE 128, 326 ff. „Sicherungsverwahrung II“ – Sicherungsverwahrung darf als schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit nur nach strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung
verhängt und aufrechterhalten werden und muß sich, auch um einen Verstoß gegen
Art. 103 Abs. 2 GG auszuschließen, nach Qualität und Ausgestaltung vom normalen Vollzug der Freiheitsstrafe in einer JVA unterscheiden („Abstandsgebot“); erforderlich ist daher ein besonderes freiheitsgerichtetes und therapiegestütztes Gesamtkonzept durch Gesetz; dazu Barczak, JuS 2012, 156 ff.; Sachs, JuS 2011, 854 ff.; Volkmann, JZ 2011, 835 ff.
Anders noch BVerfGE 109, 133 ff. „Sicherungsverwahrung I“; hiergegen dann EGMR, JR
2010, 218 ff. m. Anm. Laue, ebd. S. 198 ff.; s.a. Windoffer, DÖV 2011, 590 ff. Zum besseren
Verständnis der Sicherungsverwahrung Esser, JA 2011, 727 ff.; Mitsch, JuS 2011, 785 ff. –
S.a. BVerfGE 131, 268 ff. (im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung ist bei Beachtung des „Abstandsgebots“ mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich vereinbar)
BVerfG (K), NVwZ 2010, 702 ff. „CERN – Schwarze Löcher“ – staatliche Schutzpflicht für
Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 GG umfaßt nicht jede denkbare oder entfernt
mögliche Grundrechtsgefährdung, solange hierzu keine gefestigten wissenschaftlichen
Erkenntnisse vorliegen; das dadurch verbleibende Restrisiko hat der Grundrechtsträger
hinzunehmen, eine hierauf gestützte Verfassungsbeschwerde ist unzulässig –> Jaeckel,
DVBl. 2011, 13 ff.; Murswiek, JuS 2010, 1038 ff.; s.a. von Weschpfennig, JuS 2011, 61 ff.
BVerfGE 128, 282 ff.; 129, 269 ff. „Medizinische Zwangsbehandlung“ (Untersuchungen,
Behandlungen und operative Eingriffe eines zwangsweise in einer psychiatrischen Einrichtung untergebrachten Straftäters können zwar zur Erreichung des Vollzugsziels gerechtfertigt sein; sie sind aber gegen dessen Willen im Rahmen einer klaren und bestimmten gesetzlichen Regelung nur zulässig, wenn der Untergebrachte krankheitsbedingt nicht
einsichtsfähig ist und die Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur als ultima ratio eingesetzt werden) –> Sachs, JuS 2012, 475 f.
zu Art. 2 Abs. 1 GG – allgemeine Handlungsfreiheit
• BVerfGE 6, 32 (34 ff.) „Elfes“ – Ausreisefreiheit ist als nicht benanntes Freiheitsrecht –
Art. 11 GG schützt als “Vorstufe“ der Freizügigkeit nur die Einreisefreiheit – durch Art. 2
I GG geschützt; dabei wird Art. 2 I GG weit ausgelegt und als allgemeine Handlungsfreiheit verstanden, die alle Freiheitsbetätigungen des Bürgers einschließt, die nicht in den
Schutzbereich eines besonderen Grundrechts fallen => Gewährleistung lückenlosen
Grundrechtsschutzes. Der Weite des Schutzbereichs korrespondiert die Weite der Schrankenziehung: Verfassungsmäßige Ordnung = Gesamtheit der Rechtsnormen, die formell
und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Prozessuale Wirkungen eines solchen
„Auffanggrundrechts“: Verfassungsbeschwerde steht jedem offen, der behauptet, eine
Rechtsnorm beschränke zu Unrecht seine allgemeine Handlungsfreiheit, weil sie – etwa
– 17 –
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wegen Verletzung der Gesetzgebungskompetenzen – nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung i.S.v. Art. 2 I GG gehört. –> Schwabe, DÖV 1973, 623 ff.; Roellecke, DRiZ 1994, 81 ff.
BVerfGE 15, 235 ff.; BVerfG (K), NVwZ 2002, 335 ff. „Zwangsmitgliedschaft“ – Art. 9
Abs. 1 GG schützt nicht davor, zwangsweise Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung zu werden (und deren Kosten über Beiträge mitzutragen); eine solche Zwangsmitgliedschaft (z.B. in einer berufsständischen Kammer) ist mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.
BVerfGE 20, 150 (154 ff.) „Sammlungsgesetz“ – Art. 2 I GG schützt auch die Freiheit,
Sammlungen (Spendenaufrufe) für einen bestimmten Zweck zu veranstalten; die Rechtsordnung darf solche Sammlungen zwar von einer behördlichen Erlaubnis abhängig machen, Art und Umfang der staatlichen Kontrolle müssen aber der Gefahr, der sie begegnen
sollen, angemessen sein, und der Bürger muß – Schutz seiner Handlungsfreiheit! – einen
Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung haben, wenn er alle Voraussetzungen hierfür erfüllt => Gesetz muß Genehmigungsvoraussetzungen hinreichend bestimmt enthalten; Einrichtung eines repressiven Verbots von Sammlungen mit Erlaubnisvorbehalt verstößt gegen das Übermaßverbot. –> Rupp, NJW 1966, 2037 ff.
BVerfGE 57, 250 (274 ff.) „V-Mann“ – Art. 2 I GG gewährt i.V.m. Art. 20 III GG einen Anspruch des Angeklagten auf faires, rechtsstaatliches Strafverfahren.
BVerfGE 65, 1 (41 ff.) „Volkszählung“ – Art. 2 I GG enthält als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (i.V.m. Art. 1 I GG) ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach der einzelne über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten
grundsätzlich frei bestimmen kann. Einschränkungen dieses Rechts sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig und bedürfen einer bereichsspezifischen gesetzlichen
Grundlage. –> Schlink, NVwZ 1986, 249 ff. Zuletzt BVerfGE 133, 277 ff. „Antiterrordatei“
–> Sachs, JuS 2013, 952 ff.; Volkmann, JURA 2014, 820 ff.
BVerfGE 80, 137 (152 ff., SV 164 ff.) „Reiten im Walde“ – Art. 2 I GG schützt nicht nur
Integrität und Autonomie des einzelnen in ihren grundlegenden Bezügen (so das SV), sondern – h.M. – jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht
der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt => inhaltlich umfassendes,
gegenüber den benannten Freiheitsrechten allerdings „nur“ lückenfüllendes Auffanggrundrecht (so auch schon BVerfGE 54, 143 [146] „Taubenfütterungsverbot“), das allerdings umso mehr beschränkt werden kann, je weiter sich die konkret beanspruchte Handlungsfreiheit vom Kern der Persönlichkeitsentfaltung entfernt. –> Rennert, NJW 1989,
3261 ff.; Kunig, JURA 1990, 523 ff.
BVerfG, NJW 2002, 2378 ff. und 2381 „Drogenscreening“ – Entzug der Fahrerlaubnis wegen eines einmalig festgestellten Konsums von Betäubungsmitteln (Haschisch) und Weigerung, sich auf Drogenkonsum untersuchen zu lassen, ist unverhältnismäßig und verletzt
die allgemeine Handlungsfreiheit des Betroffenen
BVerfGE 121, 317 ff. „Nichtraucherschutzgesetz“ – Rauchverbot in Gaststätten ist angesichts der staatlichen Schutzpflicht für die Gesundheit der Bediensteten und Gäste mit der
allgemeinen Handlungsfreiheit von Rauchern vereinbar; dazu Kintz, JuS 2008, 816 ff.
BVerfG (K), NJW 2012, 1062 ff. „Sonnenstudio“ (gesetzliches Verbot der Nutzung von Solarien für Minderjährige verletzt weder die allgemeine Handlungsfreiheit der Betroffenen
noch das Erziehungsrecht der Eltern noch die Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von
Sonnenstudios) –> Jablonski, ZJS 2012, 273 ff.; Muckel, JA 2012, 312 ff.; Sachs, JuS 2012,
761 ff.; Fall bei Goldhammer/Hofmann, JuS 2013, 704 ff.
zu Art. 10 GG – Brief-, Post- und Telekommunikationsgeheimnis – und zu Art. 2
Abs. 1 GG – Persönlichkeitsschutz im Telekommunikationsbereich
• BVerfGE 30, 1 (17 ff.) „Abhör-Urteil“ – Post- und Fernmeldegeheimnis kann zum Schutz
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes des Bundes oder
eines Landes aufgrund konkreter Verdachtsmomente beschränkt werden, und zwar (nach
Verfassungsänderung 1968) auch mit der Folge, daß die Überwachungsmaßnahmen –
– 18 –
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Abhören und Kontrollieren von Telefongesprächen und Fernschreiben, Überwachen und
Öffnen von Briefen etc. – dem Betroffenen nicht unverzüglich mitgeteilt werden müssen;
Art. 10 II 2 GG fordert allerdings eine Mitteilung (und dadurch die Eröffnung gerichtlichen Rechtsschutzes) dann, wenn damit eine Gefährdung des Überwachungszwecks nicht
(mehr) verbunden ist. Außerdem ist eine Nachprüfung von Überwachungsmaßnahmen
vorzusehen, die materiell und verfahrensmäßig einer gerichtlichen Kontrolle gleichwertig
ist.
BVerfGE 33, 1 (11 f.) „Strafgefangene“ – Art. 10 II 1 GG kann nur durch formelles Gesetz –
und nicht durch verwaltungsinterne Vorschriften – beschränkt werden. –> Starck, JZ
1973, 260 ff.
BVerfGE 67, 157 (171 ff.) „G 10-Gesetz“ – Verdachtsunabhängige „strategische“ Überwachung der Post- und Fernmeldeverkehrsbeziehungen mit osteuropäischen Staaten, die
mehr oder weniger zufällig einzelne Informationen herausgreift, ist zum Schutz der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 10 GG zulässig (und Mitteilung
der „Überwachung“ insoweit nicht erforderlich); eine Einzelüberwachung von Personen
oder die Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte, die für die innere Sicherheit relevant sind, ist dabei untersagt. –> Arndt, NJW 1985, 107 ff.
BVerfGE 85, 386 (395 ff.) „Fangschaltung“ – Dem Schutz von Art. 10 I GG unterliegen
nicht nur die Inhalte der Kommunikation, sondern auch der Kommunikationsvorgang an
sich, d.h. auch die Tatsache, ob und wann zwischen bestimmten Personen Brief- oder Fernmeldeverkehr stattgefunden hat. Jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung oder Verwertung
kommunikativer Daten (etwa Zeiten und Teilnehmer von Telefongesprächen) ist insoweit
Grundrechtseingriff – Art. 10 I GG gilt auch zwischen den Gesprächsteilnehmern – und
bedarf einer formellen gesetzlichen Ermächtigung. –> Gusy, JZ 1992, 1018 ff.
BVerfGE 100, 313 ff. „elektronische Rasterfahndung“ (vorangegangen E 93, 181 ff. [einstw.
Anordnung, vgl. § 32 VI BVerfGG]) – Art. 10 GG schützt auch den Datentransport- und
-verarbeitungsprozeß, auch mit und aus dem Ausland; Gesetzgeber darf zum Schutz der
äußeren und inneren Sicherheit in das Grundrecht eingreifen, muß aber die Verwendung
der dabei erlangten Daten an den Zweck binden, für den sie legalerweise erhoben worden
sind, und außerdem den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. –> Krüßmann, JA
2000, 104 ff.; Müller-Terpitz, JURA 2000, 296 ff.; Sachs, JuS 2000, 597 ff.
BVerfGE 106, 28 ff. „Mithören von Telefongesprächen durch Private“ – Art. 10 GG erfaßt
und schützt auch Telekommunikationsanlagen, die von Privaten betrieben werden (z.B.
Telekom AG), und begründet ein Abwehrrecht gegen Kenntnis von Inhalt und Umständen
der Telekommunikation durch den Staat; betreiben Private die Einrichtung, hat der Staat
Schutz des Grundrechts auch insoweit vorzusehen, als Private sich Zugriff auf diese Inhalte und Umstände verschaffen können. Aber: Art. 10 GG umfaßt keinen Schutz gegen Mithören von Telefongesprächen durch Dritte, auch wenn einer der Gesprächsteilnehmer dem
Dritten dies erlaubt; dieser Kommunikationsbereich wird von Art. 2 Abs. 1 GG – Recht am
eigenen Wort – erfaßt. Das rechtswidrige (weil ohne Einwilligung beider Gesprächspartner
erfolgte) Mithören durch Dritte führt regelmäßig zu einem Verwertungsverbot von Zeugenaussagen im Zivilverfahren; Beweisinteressen eines der Gesprächspartner ändern
daran nichts. –> Jenal, JA 2003, 274 ff.
BVerfGE 115, 166 ff. „PC-Daten“ – Beschlagnahme von Daten auf Computeranlagen des
Grundrechtsträgers beeinträchtigt nicht das Telekommunikationsgrundrecht aus Art. 10
GG, dessen Schutz in dem Augenblick endet, in dem die Nachricht beim Empfänger angekommen und der datentechnische Übertragungsvorgang beendet ist; betroffen ist hingegen
das (Persönlichkeits-) Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Wohnungsgrundrecht in Art. 13 GG –> Jahn, JuS 2006, 491 ff.
BVerfGE 115, 320 ff. „Rasterfahndung“ – präventive polizeiliche Rasterfahndung ist nur
dann mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar, wenn eine konkrete Gefahr für
bestimmte hochrangige Rechtsgüter gegeben ist; ein solcher Eingriff bereits im Vorfeld der
Gefahrenabwehr (also zur generellen Gefahrenvorsorge) ist verfassungswidrig –> Volkmann, JURA 2007, 132 ff.
– 19 –
• BVerfGE 120, 274 ff. „Online-Durchsuchung“ – heimliche Infiltration eines privaten Computers mit „Trojanern“ zur Überwachung des Nutzers und zum Auslesen von Speicherinhalten ist hinsichtlich der laufenden Kommunikation von Art. 10 GG erfaßt, greift aber
im übrigen in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ ein; dieser
Eingriff ist nur bei Vorliegen konkreter Gefahren für überragend wichtige Rechtsgüter
zulässig und grundsätzlich nur nach richterlicher Anordnung zulässig. –> Hömig, JURA
2009, 207 ff.; Kudlich, JA 2008, 475 ff.; Sachs/Krings, JuS 2008, 481 ff.
• BVerfGE 124, 43 ff. „E-Mail-Beschlagnahme“ – Sicherstellung und Beschlagnahme von
E-Mails auf dem Mailserver eines Providers (IMAP-Konten) fällt unter Art. 10 GG und ist
im Rahmen strafprozessualer Ermächtigungen zulässig –> Durner, JA 2010, 238 ff.
• BVerfGE 125, 260 ff. „Vorratsdatenspeicherung“ – gesetzliche Verpflichtung von Providern, TK-Daten von Kunden für einen bestimmten Zeitraum vorsorglich zu speichern und
sie staatlichen Stellen bei Vorliegen bestimmter Umstände zur Verfügung zu stellen, greift
in das Grundrecht der TK-Kunden aus Art. 10 GG ein und ist nur bei hinreichender Datensicherheit und strikter gesetzlicher Begrenzung des Verwendungszwecks der Daten
zulässig –> Albers/Reinhardt, ZJS 2010, 767 ff.; Britz, JA 2011, 81 ff.; Hornung/Schnabel,
DVBl. 2010, 824 ff. S.a. BVerfGE 130, 151 ff. „Bestandsdatenspeicherung“
• BVerfGE 129, 208 ff. „TK-Überwachung“ (Überwachung privater oder beruflicher Telekommunikation beeinträchtigt zwar Art. 10 GG und betrifft u.U. den durch Art. 2 Abs. 1
i.Vm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, ist aber zum
Schutz hochrangiger Rechtsgüter bei hinreichender gesetzlicher Bestimmtheit der Eingriffsvoraussetzungen verfassungsgemäß) –> Sachs, JuS 2012, 374 ff.
• BVerfGE 133, 277 ff. „Antiterrordatei“ (Verbunddatei verschiedener Sicherheitsbehörden
[Polizei, Verfassungsschutz, Nachrichtendienste] zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus durch Informationssammlung und -nutzung greift in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.
1, Art. 10 und Art. 13 GG ein, ist aber bei strikter Beachtung des Gesetzesvorbehalts
(rechtsstaatlicher Bestimmtheitsgrundsatz) und des Übermaßverbots verfassungsgemäß,
soweit die Zugriffsrechte von Polizei und Nachrichtendiensten informationsrechtlich getrennt werden und die weitere Verwendung der Daten durch die jeweilige staatliche Stelle
den grundrechtlichen Anforderungen entspricht, die an die ursprüngliche Datenerhebung
und ihre Funktionsbindung zu stellen waren [„Weiterwirken der primären Eingriffsschwellen“]); dazu Gärditz, JZ 2013, 633 ff.
zu Art. 13 GG – Schutz der Wohnung
• BVerfGE 32, 54 (68 ff.) „Betriebsbetretungsrecht“ – Art. 13 I GG erfaßt (in weiter Auslegung) als „Wohnung“ auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume; dabei sind die vom
Grundrecht zugelassenen Beschränkungen dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis der
jeweiligen „Wohnung“ anzupassen (Schutzniveau ist dabei umso höher, je mehr Privatsphäre betroffen ist). –> Battis, JuS 1973, 25 ff. – S.a. BVerfG (K), NVwZ 2009, 1281 f.,
wonach der einen Raum vermietende Eigentümer nicht Inhaber des Wohnungsgrundrechts ist, ebensowenig der Arbeitnehmer bezüglich eines Betriebs- oder Geschäftsraums
–> Muckel, JA 2010, 314 ff.; Sachs, JuS 2010, 185 ff.
• BVerfGE 42, 212 (219 f.) „Durchsuchungsbefehl“ – Durchsuchung von Geschäftsräumen
einer KG (Art. 19 III GG!) beeinträchtigt deren Grundrecht aus Art. 13 I GG; der bei Eingriffen in dieses Grundrecht anzuwendende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet
zum Schutz der Privatsphäre, daß der richterliche Durchsuchungsbefehl nicht nur Angaben zum Tatvorwurf enthält, sondern auch Art und Inhalt der aufzufindenden Beweismittel hinreichend genau benennt.
• BVerfGE 96, 44 (51 ff.) „Durchsuchungsanordnung II“ – Richtervorbehalt in Art. 13 II GG
verbietet Durchsuchungsanordnungen auf Vorrat (max. Gültigkeit 6 Monate). –> Sachs,
JuS 1998, 363 f.
– 20 –
• BVerfGE 103, 142 ff. „Gefahr im Verzug“ – Wohnungsdurchsuchungen müssen grundsätzlich zuvor vom Richter angeordnet werden („Richtervorbehalt“ in Art. 13 Abs. 2 GG); nichtrichterliche Anordnungen (z.B. der Staatsanwaltschaft) sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig und müssen zur späteren gerichtlichen Überprüfung detailliert begründet und dokumentiert werden –> Lepsius, JURA 2002, 259 ff.; Müller-Christmann, JuS
2002, 63 ff.; Ostendorf, JuS 2001, 1063 ff.; Sachs, JuS 2001, 701 ff.
• BVerfGE 109, 279 ff. „Großer Lauschangriff“ – Art. 13 Abs. 3 GG, der die akustische Überwachung von Wohnraum zu Strafverfolgungszwecken erlaubt, ist mit Art. 79 Abs. 3 GG
vereinbar und verletzt Art. 1 Abs. 1 GG nicht. Das einfache Recht muß allerdings sicherstellen, daß keine Erhebung von Informationen aus dem absolut geschützten Kernbereich
privater Lebensgestaltung stattfindet, die Erhebung in solchen Fällen sofort abgebrochen
wird und Aufzeichnungen hierüber gelöscht werden; jede Verwertung solcher Informationen ist verfassungswidrig –> Gusy, JuS 2004, 457 ff. Lepsius, JURA 2005, 433 ff., 586 ff.
C. Literatur:
Epping, Rn. 104–144, 546–764; Hufen, §§ 10–15, 17; Ipsen, Rn. 210 – 307, 105 – 209; Pieroth/
Schlink, Rn. 363 –457, 825–853, 943–969; Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht IV/1, §§ 97–99,
104, 106; s.a. die Beiträge in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR VII, 3. Aufl. 2009, §§ 147–151,
168
zu Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde (mit Existenzminimum)
– Bautze, Die Menschenwürde als Ware. Grenzen des selbstbestimmten Umgangs mit Art. 1
I GG, JURA 2011, 647 ff.
– Classen, Die Menschenwürde ist – und bleibt – unantastbar, DÖV 2009, 689 ff.
– Höfling, Die Unantastbarkeit der Menschenwürde – Annäherungen an einen schwierigen
Verfassungsrechtssatz, JuS 1995, 857 ff.
– Hoerster, Sind Lebensrecht und Menschenwürde „abstufbar“?, JURA 2011, 241 ff.
– Hufen, Erosion der Menschenwürde?, JZ 2004, 313 ff.
– Hufen, Die Menschenwürde, Art. 1 I GG, JuS 2010, 1 ff.
– Joerden, Noch einmal – Wer macht Kompromisse beim Lebensschutz?, JuS 2003, 1051 ff.
– Wallerath, Zur Dogmatik eines Rechts auf Sicherung des Existenzminimums, JZ 2008,
157 ff.
zu Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG – Schutz von Leben, Freiheit und Gesundheit
– Augsberg, Grundfälle zu Art. 2 II 1 GG, JuS 2011, 28 ff., 128 ff.
– Fassbender, Lebensschutz am Lebensende und EMRK, JURA 2004, 115 ff.
– Geiger/von Lampe, Das 2. Urteil des BVerfG zum Schwangerschaftsabbruch, JURA 1994,
20 ff.
– Hähnchen, Der werdende Mensch, JURA 2008, 161 ff.
– Hantel, Das Grundrecht der Freiheit der Person gem. Art. 2 II 2, 104 GG, JuS 1990, 865 ff.
– Höfling, Um Leben und Tod. Transplantationsgesetzgebung und Grundrecht auf Leben, JZ
1995, 26 ff.
– Hoerster, Kompromißlösungen zum Menschenrecht des Embryos auf Leben?, JuS 2003,
529 ff.
– Hofmann, Biotechnik, Gentherapie, Genmanipulation – Wissenschaft im rechtsfreien
Raum?, JZ 1986, 253 ff.
– Hohmann, Darf ein Staat töten? Überlegungen anläßlich der Aktualität der Todesstrafe,
JURA 2000, 285 ff.
– 21 –
– Kunig, Grundrechtlicher Schutz des Lebens, JURA 1991, 415 ff.
– Ladiges, Erlaubte Tötungen [aus strafrechtlicher Sicht], JuS 2011, 879 ff.
zu Art. 2 Abs. 1 GG – allgemeine Handlungsfreiheit / allg. Persönlichkeitsrecht
–
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Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, JuS 1990, 161 ff.
Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, JuS 1992, 361 ff.
Kube, Die Elfes-Konstruktion, JuS 2003, 111 ff.
Lege, Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG, JURA 2002, 753 ff.
zu Art. 10 GG – Brief-, Post- und Telekommunikationsgeheimnis
– Arndt, Grundrechtsschutz bei der Fernmeldeüberwachung, DÖV 1996, 459 ff.
– Gramlich, Art. 10 GG nach der zweiten Postreform, CR 1996, 102 ff.
– Gusy, Das Grundrecht des Post- und Fernmeldegeheimnisses, JuS 1986, 89 ff.
zu Art. 13 GG – Schutz der Wohnung
–
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Kunig, Grundrechtlicher Schutz der Wohnung, JURA 1992, 476 ff.
Ruthig, Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG n.F.), JuS 1998, 506 ff.
Schoch, Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG, JURA 2010, 22 ff.
Voßkuhle, Behördliche Betretungs- und Nachschaurechte, DVBl. 1994, 611 ff.
– 22 –
Arbeitsblatt zu § 5
Schutz von Kommunikation,
Geselligkeit und Mobilität
Art. 5 Abs. 1 GG – Meinungsäußerung, Presse, Rundfunk
Art. 5 Abs. 3 GG – Wissenschaft und Kunst
Art. 8 GG – Versammlung
Art. 9 Abs. 1 und 2 GG – Vereinigung
Art. 11 GG – Freizügigkeit
Art. 17 GG – Petitionsrecht
A. Übersicht:
I. Der Schutz von Meinung, Presse und Rundfunk (Art. 5 I und II GG)
II. Der Schutz von Wissenschaft und Kunst (Art. 5 III GG)
III. Der Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)
IV. Der Schutz der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 I und II GG)
V. Der Schutz der Freizügigkeit (Art. 11 GG)
VI. Der Schutz des Petitionsrechts (Art. 17 GG)
B. Rechtsprechung:
zu Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – Meinungsäußerungsfreiheit
• BVerfGE 7, 198 (203 ff.) „Lüth“ – Ausstrahlungswirkung („mittelbare Drittwirkung“) der
Meinungsäußerungsfreiheit – als objektive Norm – auf privatrechtliche Vorschriften, wirkt
über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln auf das Zivilrecht ein => ein dies
mißachtendes Zivilurteil kann Art. 5 Abs. 1 GG (als Abwehrrecht) verletzen. Grundrecht
der freien Meinungsäußerung steht unter Vorbehalt der „allgemeinen Gesetze“ = alle
Rechtsvorschriften, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern einem beliebigen
anderen Rechtsgut dienen. Diese allgemeinen Gesetze sind ihrerseits im Licht des Grundrechts aus Art. 5 I GG auszulegen („Wechselwirkung“). Ein Zivilurteil, das die erforderliche Abwägung zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und staatlichen Interessen nicht
vornimmt oder den Rang des Grundrechts grundsätzlich verkennt, verstößt gegen Art. 5 I
GG. –> Roellecke, DRiZ 1994, 81 ff.; Odendahl, JA 1998, 933 ff.; Kübler, KritV 2000, 313 ff.;
s.a. Schulze-Fielitz, JURA 2008, 52 ff.
• BVerfGE 25, 256 (263 ff.) „Blinkfüer“ [Forts. von E 7, 198 „Lüth“] – Art. 5 I GG schützt
Meinungsäußerungen (hier: Boykottaufruf eines Verlagshauses gegenüber einem anderem
Zeitungsunternehmen) allein als Mittel der geistigen Auseinandersetzung; sie unterfallen
– 23 –
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diesem Schutz nicht, wenn sie zugleich wirtschaftlichen Druck ausüben, der für den Betroffenen schwere finanzielle Nachteile bewirkt. Dies folgt auch aus Art. 5 I 2 GG, der
nicht nur Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit ist, sondern auch
das Institut „freie Presse“ als Infrastruktur einer freien öffentlichen Meinung schützen
will. –> Menger, VerwArch. 61 (1970), 82 ff.
BVerfGE 27, 71 (80 ff.) „Leipziger Volkszeitung“ – Art. 5 I 1 GG enthält ein selbständiges
Grundrecht auf Informationsfreiheit, d.h. sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei zu
unterrichten; dazu gehört sowohl das Informieren als auch das Informiertwerden. Allgemein zugänglich ist jede Informationsquelle, wenn sie technisch geeignet und bestimmt
ist, der Allgemeinheit Informationen zu liefern; entgegenstehende Rechtsvorschriften (etwa Einfuhr- oder Vertriebsverbote) ändern an diesem Status nichts. Dieses Grundrecht
unterliegt zwar der Schranke der allgemeinen Gesetze; diese sind aber – wie auch sonst –
mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit abzuwägen.
BVerfGE 87, 209 (230 ff.) „Zombies“ – Art. 5 I 3 GG verbietet Vorzensur, d.h. die Einrichtung eines präventiv wirkenden Verfahrens, vor dessen Abschluß ein Werk (Druckwerk,
Theaterstück, Film) nicht veröffentlicht werden darf. Demgegenüber stellt die Nachzensur
(nur) eine Beeinträchtigung des Art. 5 I 1 GG dar, die über die Schranke des Abs. 2 gerechtfertigt werden kann. –> Rubel, JA 1993, 217 ff.
BVerfGE 90, 1 (14 ff.) „Kriegsschuld-Buch“; 90, 241 (246 ff.) „Auschwitz-Lüge“ – Art. 5 I 1
GG schützt als Meinungsäußerung auch Werturteile, ohne daß es darauf ankäme, ob die
Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch ist. Dagegen sind Tatsachenbehauptungen durch Art. 5 I 1 GG nur insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die freie Meinungsbildung (i.S.v. Bewertung) sind; bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen unterfallen von vornherein nicht dem Schutzbereich des Grundrechts. Äußerungen, in denen sich
Tatsachenbehauptungen und Werturteile vermengen, sind vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung umfaßt, sofern sie über die bloße Information hinaus (auch) eine Stellungnahme zum Thema, ein Dafür- oder Dagegenhalten oder eine eigene Meinung des Äußernden erkennen lassen. An der grundsätzlichen Beschränkbarkeit durch Art. 5 II GG ändert
dies nichts. Im Konflikt zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz
beansprucht erstere nicht stets den Vorrang; vielmehr geht bei Formalbeleidigungen oder
Schmähungen der Persönlichkeitsschutz regelmäßig vor. Bei Äußerungen, in denen sich
Tatsachenbehauptungen und Werturteile vermengen, hängt die Schutzwürdigkeit der
Äußerungen vom Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptung ab: Bei erwiesen unwahren
Tatsachen tritt der Schutz aus Art. 5 I 1 GG regelmäßig zurück. –> Heselhaus, JA 1995,
272 ff.; Hufen, JuS 1995, 638 f.
BVerfGE 90, 27 ff.; BVerfG (K), NJW 2013, 376 ff. „Parabolantenne“ (bei der Entscheidung
eines Rechtsstreits zwischen Mieter und Vermieter über das Anbringen einer Parabolantenne, mit der ausländische Fernsehprogramme empfangen werden können, hat das Zivilgericht das Grundrecht des Mieters auf Informationsfreiheit zu berücksichtigen; vgl. die
Fallbearbeitung von Straßburger, JuS 2015, 136 ff.
BVerfG, NJW 1994, 2943; E 93, 266 (293 ff.) „Soldaten sind Mörder“ (Forts. von E 90, 241
„Auschwitz-Lüge“) – Bei herabsetzenden Äußerungen, die eine Formalbeleidigung oder
Schmähung enthalten, hat die Meinungsäußerungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz des Betroffenen zurückzutreten; dasselbe gilt, wenn die Äußerung die Menschenwürde eines anderen antastet. Liegen beide Voraussetzungen nicht vor, so kommt es für
die Abwägung zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz auf die
Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an. Handelt es sich bei der
umstrittenen Äußerung um einen legitimen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so
spricht eine Vermutung zugunsten der Meinungsäußerungsfreiheit. –> Herdegen, NJW
1994, 2933 ff.; Gounalakis, NJW 1996, 481 ff.
BVerfGE 124, 300 ff. „Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung“ – § 130 Abs. 2 StGB, der die propagandistische Gutheißung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft unter Strafe
stellt, ist zwar kein „allgemeines Gesetz“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG, kann aber gleichwohl
wegen der Einmaligkeit der historischen Sondersituation Deutschlands die Meinungs-
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äußerungsfreiheit wirksam beschränken –> Breder, JuS 2010, 1004 ff.; Lepsius, JURA
2010, 527 ff.; Michael, ZJS 2010, 155 ff.
• BVerfG (K), NJW 2012, 1273 ff. „Verunglimpfung Deutschlands“ (Bezeichnung des „BRDSystems“ als „verkommen“ in einem gegen eine Theateraufführung über das Hitler-Attentat von Georg Elser gerichteten Flugblatt ist auch als scharfe polemische Kritik von der
Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt und kann nicht bestraft werden) –> Muckel, JA 2012,
474 ff.
• BVerfG (K), NJW 2012, 1500 ff. „Randalierende Jungstars“ (inhaltlich korrekte Tatsachenberichterstattung über öffentlichkeitsbekannte randalierende Jungschauspieler sind von
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt und genießen grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht der straffällig gewordenen Betroffenen) –> Muckel, JA 2012, 399 f.; s.a.
Jahn, NJW 2009, 3344 ff.
zu Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – Pressefreiheit
• BVerfGE 20, 162 (174 ff.) „Spiegel“ – Art. 5 I 2 GG enthält nicht nur ein Abwehrrecht für
die im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen gegen staatlichen Zwang, das die
Pressearbeit von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht(en)
schützt; das Grundrecht garantiert auch – Stichwort Demokratieprinzip – um der offenen
und pluralistischen Meinungsbildung willen das Institut „freie Presse“ (außenpluralistisches Modell). Bei Konflikten der Pressefreiheit mit anderen vom Grundgesetz geschützten Werten findet Art. 5 I 2 GG seine Schranken zwar in den allgemeinen Gesetzen; die
besonders geschützte institutionelle Seite der Pressefreiheit beansprucht bei der Abwägung allerdings besondere Berücksichtigung.
• BVerfGE 34, 269 (280 ff.) „Soraya“ – Bei Verfassungsbeschwerden gegen zivilgerichtliche
Entscheidungen prüft das BVerfG (nur), ob die Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von Reichweite und Inhalt eines Grundrechts beruht oder ob das
Entscheidungsergebnis selbst Grundrechte verletzt („Ausstrahlungswirkung“); die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts obliegt hingegen allein den einfachen Gerichten. – Die zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach Presseorgane bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ersatz in Geld auch für immaterielle Schäden zu leisten haben, ist – auch als gesetzeskorrigierendes (§ 847 I BGB!) Richterrecht –
„allgemeines Gesetz“ i.S.v. Art. 5 II GG und mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit vereinbar. –> Schwabe, DVBl. 1973, 788 ff.; Knieper, ZRP 1974, 137 ff.
• BVerfGE 80, 124 (131 ff.) „Postzeitungsdienst“ – Staatliche Fördermaßnahmen für Presseerzeugnisse (verbilligter Postbeförderungstarif) sind mit Art. 5 I 2 GG vereinbar, wenn
dabei – staatliche Neutralitätspflicht! – eine Beeinflussung von Inhalt und Gestaltung der
einzelnen Presseerzeugnisse vermieden wird; der Staat darf bei diesen Subventionen allerdings nach meinungsneutralen Kriterien differenzieren (z.B. keine Subvention für Presse, die nicht der Unterrichtung der Öffentlichkeit, sondern allein Werbezwecken dient).
–> Hoffmann-Riem, JZ 1989, 842 f.
• BVerfGE 102, 347 ff.; BVerfG (K), NJW 2002, 1187 ff. „Benetton“ – Werbung in Presseerzeugnissen ist von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 geschützt und kann wegen der mittelbaren Drittwirkung der Pressefreiheit im Privatrecht auch dadurch verletzt werden, daß dem Presseunternehmen der Abdruck einer Anzeige aus Gründen des Wettbewerbsschutzes – Verbot
unlauteren und unsittlichen Wettbewerbs – von den Gerichten untersagt wird. Dieser
Wettbewerbsschutz hat sich an der besonderen Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte zu orientieren und kann die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 2 GG nur in den
Fällen zurückdrängen, wo ein eindeutiger, objektiv feststellbarer und schwerwiegender
Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt (hier i.e. sehr str.) –> Albers, JA 2001, 638
ff.; Jestaedt, JURA 2002, 552 ff.; Manssen, JuS 2001, 1169 ff.
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zu Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – Rundfunkfreiheit
• BVerfGE 12, 205 (225 ff., 259 ff.) „1. Rundfunkurteil“ – Art. 5 I 2 GG verbietet es, die Veranstaltung von Rundfunk und Fernsehen dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe
auszuliefern; die Veranstalter müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht
kommenden gesellschaftlichen Kräfte in den Rundfunkorganen Einfluß haben und im
Gesamtprogramm zu Wort kommen können. Für die Programmgestaltung müssen überdies Grundsätze verbindlich sein, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit,
Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung sicherstellen (=> binnenpluralistisches Modell).
Dabei ist es dem Staat nicht verwehrt, die für Rundfunk und Fernsehen erforderliche Infrastruktur bereitzustellen und zu betreiben, solange damit kein inhaltlicher Einfluß auf
das Programm verbunden ist. — Die Veranstaltung von Rundfunk und Fernsehen hat
auch eine kompetenzrechtliche Komponente. Die für die Programmverbreitung erforderliche Sende- und Ausstrahlungstechnik unterfällt wegen Art. 73 Nr. 7, 87 I a.F. GG zwar
der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes („Bundespost“ und Telekommunikation);
Rundfunkanstalten (Programmveranstalter) selbst können jedoch (Art. 30 GG) nur die
Länder errichten. –> Bettermann und Jank, DVBl. 1963, 44 ff., 50 ff.
• BVerfGE 31, 314 ff. „Umsatzsteuerpflicht“ (= 2. Rundfunkurteil) – Betrieb öffentlich-rechtlich organisierter Rundfunkanstalten ist „Sache der Allgemeinheit“ und keine gewerbliche
oder berufliche Tätigkeit; er kann daher nicht der Umsatzsteuerpflicht unterworfen werden. –> Söhn, JuS 1976, 161 ff.
• BVerfGE 57, 295 (319 ff.) „Saarländisches Rundfunkgesetz [FRAG]“ (= 3. Rundfunkurteil)
– Art. 5 I 2 GG fordert für die Veranstaltung von Rundfunk und Fernsehen eine formelle
gesetzliche Regelung (Parlamentsvorbehalt), durch welche die für Staatsfreiheit und Pluralität erforderlichen Vorkehrungen – Schutz der freien individuellen und öffentlichen
Meinungsbildung – zu treffen sind. Das Grundgesetz schreibt dabei keine bestimmte Form
der Organisation von Rundfunk vor; infolge der Erweiterung der sendetechnischen Möglichkeiten (Frequenzvermehrung und Kabeltechnologie) können auch private Programmveranstalter zugelassen werden, solange und soweit durch das Gesetz sichergestellt ist,
daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird
(=> Erweiterung des binnenpluralistischen Modells um außenpluralistische Elemente).
–> Oppermann, JZ 1981, 721 ff.
• BVerfGE 73, 118 (152 ff.) „Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz“ (= 4. Rundfunkurteil) – Technische Entwicklung im Bereich der „neuen Medien“ (Kabel- und Satellitentechnik) hat duale Rundfunkordnung, d.h. Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Programmveranstaltern zur Folge. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommt dabei – Hintergrund: größte sendetechnische Verbreitung ihrer Programme – die Aufgabe der Grundversorgung der Bevölkerung zu (Bedeutung des Rundfunks für
die freiheitliche demokratische Ordnung und das kulturelle Leben). Vor diesem Hintergrund sind bei privaten Rundfunkveranstaltern an Breite und Vielfalt des Programmangebots geringere Anforderungen zu stellen als an die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Verlangt werden kann insofern nur ein Grundstandard: die Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen (auch Minderheiten), im Privatrundfunk zum Ausdruck zu kommen, und der
Ausschluß eines bewußt einseitigen, ungleichgewichtigen Einflusses einzelner Veranstalter oder Programme – d.h. keine vorherrschende Meinungsmacht oder ein Meinungsmonopol – (=> Wechsel vom binnenpluralistischen zum außenpluralistischen Modell mit Bestands- und Funktionsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk). –> Degenhart,
JURA 1988, 21 ff.
• BVerfGE 74, 297 (322 ff.) „Landesmediengesetz Baden-Württemberg“ (= 5. Rundfunkurteil) (Forts. von E 73, 118) – Grundversorgung durch öffentlich-rechtliche Anstalten hat
die Aufgabe, den „klassischen“ Auftrag des Rundfunks zu erfüllen: freie politische Meinungs- und Willensbildung, Unterhaltung, über die laufende Information hinausgehende
(vertiefte) Berichterstattung, kulturelle Leistung. Auch wenn von privaten Veranstaltern
nur reduzierte Anforderungen zu Programmbreite und -vielfalt gestellt werden können,
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muß Gesetzgeber dennoch versuchen, ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Pluralität im privaten Rundfunk zu erreichen. — Unter dem Gesichtspunkt freier und vielfältiger
Meinungsbildung ist es mit Art. 5 I 2 GG nicht zu vereinbaren, den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten die Veranstaltung lokaler und regionaler Programme zu versagen,
solange nicht auch auf dieser Ebene private Veranstalter breitenwirksam vertreten sind.
Bei Knappheit von Frequenzen oder Kabelkanälen muß der öffentlich-rechtliche Veranstalter den gleichen Rang wie der private Programmanbieter beanspruchen können.
–> Bullinger, JZ 1987, 928 ff.
• BVerfGE 83, 238 (296) „WDR-Gesetz“ (= 6. Rundfunkurteil) (Forts. zu E 74, 297) – Dienender Charakter der Rundfunkfreiheit zugunsten einer freiheitlichen demokratischen
Grundordnung; Art. 5 I 2 GG erschöpft sich nicht im Abwehrrecht, sondern fordert vom
Staat (Gesetzgeber) bereitgestellte positive Medienordnung, die sicherzustellen hat, daß
Rundfunk nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird. Im dualen („ZweiSäulen“-)Modell muß Gesetzgeber dafür sorgen, daß gleichgewichtige Vielfalt in der Berichterstattung und Programmveranstaltung durch das Gesamtangebot aller Veranstalter
erfüllt wird => unzulässig, private Veranstalter von dieser verfassungsrechtlichen Forderung zu entbinden, weil ja öffentlich-rechtliche Anstalten bereits Pluralismus sicherstellen. Niedrige Anforderungen an private Anbieter sind nur solange hinnehmbar, als wirksam sichergestellt ist, daß unerläßliche Grundversorgung der Bevölkerung vom öffentlichrechtlichen Rundfunk ohne Einbußen erfüllt wird (Bestands- und Funktionsgarantie).
Grundversorgung bedeutet dabei, daß für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme
angeboten werden, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren und darin Meinungsvielfalt herstellen => unzulässig, öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein in seinem gegenwärtigen Bestand und nicht auch in seiner zukünftigen Entwicklung zu sichern (Rückbewegung hin zum vorrangig binnenpluralistischen
Modell mit Bestands-, Funktions- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk). –> Stock, JuS 1992, 383 ff.
• BVerfGE 90, 60 (87 ff.) „Rundfunkgebühr“ – Bindung des Gesetzgebers an Art. 5 I 2 GG
soll Instrumentalisierung des Rundfunks von staatlicher Seite her ausschließen; dies umfaßt auch die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Programmveranstaltungen, vor allem
durch Gebühren und Einnahmen aus Werbung. Rundfunkfreiheit fordert zwar keine autonome Gebührenfestsetzung durch die öffentlich-rechtlichen Veranstalter selbst, bei der
legislativen Entscheidung über den Finanzierungsbedarf der Anstalten ist allerdings von
deren eigenverantworteten Programmentscheidungen auszugehen; insbesondere darf die
Gebührenhöhe nicht zur Programmlenkung oder zur Medienpolitik eingesetzt werden.
Abweichungen von den Finanzvoranschlägen der Rundfunkveranstalter darf der Gesetzgeber deshalb nur im Hinblick auf Interessen der Gebührenzahler vornehmen, wobei diese
Abweichungen zu begründen sind. –> Oppermann, JZ 1994, 499 ff.
• BVerfGE 35, 202 (219 ff.) „Lebach I“ – Rundfunkfreiheit i.S.v. Art. 5 I 2 GG schützt sowohl
die autonome Auswahl des Programminhalts als auch Art und Weise der Darstellung und
Form einer Sendung. Allgemeine Gesetze (Art. 5 II GG) können diese Freiheit beschränken; zu ihnen zählt auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) derjenigen, die
in der Rundfunk- und Fernsehsendung angesprochen, benannt oder vorgestellt werden.
Bei einer Kollision von Rundfunkfreiheit und Persönlichkeitsschutz hat keine der beiden
Verfassungswerte grundsätzlichen Vorrang; die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ist im Einzelfall mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen.
Der Schutz der Persönlichkeit läßt es dabei nicht zu, daß sich das Fernsehen jenseits einer
aktuellen Berichterstattung über Tagesereignisse hinaus zeitlich unbeschränkt mit der
Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt. –> Scholderer, ZRP 1991, 298 ff.;
Zacharias, JA 2000, 649 ff.
BVerfG, NJW 2000, 1859 ff. „Lebach II“ – wie oben, aber: ein 30 Jahre nach dem Geschehen ausgestrahlter Fernsehfilm ohne Identifizierbarkeit der damaligen Täter gefährdet
deren Grundrechte nicht (mehr). –> Cole, NJW 2001, 795 f.; Coelln, ZUM 2001, 478 ff.;
Laubin/Fengler, SächsVBl. 2000, 228, 252 ff. (Klausurfall)
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• BVerfGE 103, 44 ff. „Court TV“ (Fernsehen im Gerichtssaal) – Informationsfreiheit (nicht
nur der Bürger, sondern auch der Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie der Presseunternehmen) setzt die allgemeine Zugänglichkeit der Informationsquelle voraus, über welche allein der Träger der Information entscheidet => kein Leistungsgrundrecht von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Erst nach der Eröffnung der allgemeinen Zugänglichkeit
kann der Schutzbereich der Informationsfreiheit durch einen Grundrechtseingriff des
Staates betroffen sein => dann Abwehrrecht der „ausgesperrten Interessenten“ ; das Recht
auf Eröffnung der allgemeinen Zugänglichkeit steht auch dem Staat in seinem Bereich zu,
wozu Gerichtsverhandlungen als Teil der Rechtsprechung zählen. Der im Prozeßrecht
festgelegte Ausschluß von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen aus Gerichtsverhandlungen
ist wegen des Schutzes der am Verfahren Beteiligten noch verfassungsgemäß –> Albers,
JA 2001, 841 ff.; Gostomzyk, JuS 2002, 228 ff.
zu Art. 5 Abs. 3 GG – Schutz von Wissenschaft, Forschung und Lehre
• BVerfGE 35, 79 (112 ff.) „Hochschulurteil“ – Art. 5 III GG enthält ein subjektives Abwehrrecht, das wissenschaftliche Betätigung in und außerhalb der Hochschulen vorbehaltlos
gegen staatliche Eingriffe schützt, und eine das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung
und Lehre zum Staat regelnde objektive Grundsatznorm; letztere verpflichtet den Staat,
durch geeignete organisatorische Maßnahmen innerhalb der Hochschulen dafür zu sorgen,
daß das Individualgrundrecht der Forscher und Lehrer so weit wie möglich unangetastet
bleibt => bei Entscheidungen, die unmittelbar Fragen der Forschung oder der Berufung
von Hochschullehrern betreffen, muß den Hochschullehrern in den zuständigen Gremien
ein ausschlaggebender Einfluß vorbehalten bleiben. –> Knies, JuS 1973, 672 ff.
• BVerfGE 90, 1 (11 – 14) „Kriegsschuld-Buch“ – Gegenstand der Wissenschaftsfreiheit ist
die Suche nach neuen Erkenntnissen, ihre Deutung und ihre Weitergabe sowie die darauf
zielenden eigengesetzlichen Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen, und zwar
ohne Rücksicht auf eine bestimmte („herrschende“) Auffassung von Wissenschaft oder
Wissenschaftstheorie (auch Mindermeinungen, später als irrig erwiesene Forschungsansätze etc.). Lehrmeinungen, die nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet sind, sondern
einseitigen vorgefaßten Meinungen und Ergebnissen unter Ausblendung von anerkannten
Fakten, Quellen, Ansichten und Forschungsleistungen folgen, unterfallen nicht dem
Schutz von Wissenschaft i.S.v. Art. 5 III GG. Dies zu beurteilen ist nicht Sache desjenigen,
der das Grundrecht für sich in Anspruch nimmt.
• BVerwGE 102, 304 ff. – Die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers verbietet es, daß
seine Arbeiten durch sachverständige Kommissionen seiner Hochschule einer fachlichinhaltlichen Prüfung unterzogen, entsprechend bewertet und der Forderung nach Berichtigung von Veröffentlichungen unterworfen werden.
• BVerfGE 126, 1 ff. „Fachhochschullehrer“ – Art. 5 Abs. 3 GG schützt auch die Wissenschaftsfreiheit eines Professors an einer Fachhochschule, soweit ihm die eigenständige
Vertretung eines Fachs in Forschung und Lehre übertragen worden ist
zu Art. 5 Abs. 3 GG – Schutz der Kunst
• BVerfGE 30, 173 (188 ff.) „Mephisto“ – Art. 5 III GG gewährt dem Künstler ein individuelles Freiheitsrecht, das sich nicht nur auf die künstlerische Betätigung selbst (den „Werkbereich“), sondern auch auf die Darbietung und Verbreitung seines Werks (den „Wirkbereich“) erstreckt; es umfaßt die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache
zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Für diese Kunstfreiheit gelten weder die
Schranken der allgemeinen Gesetze des Art. 5 II GG noch die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung des Art. 2 I GG; beschränkend wirken können indes sonstige Rechts-
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güter mit Verfassungsrang. Konflikte zwischen der Kunstfreiheitsgarantie und dem Persönlichkeitsschutz Betroffener sind folglich unter Beachtung der Menschenwürde des Art.
1 I GG durch Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter zu lösen. –> Kastner, NJW
1982, 601 ff.; Kriele, JA 1984, 629 ff.; Weber, JuS 1971, 651 ff.
• BVerfGE 67, 213 (224 ff.) „Anachronistischer Zug“ – Auch die politische Absicht einer Veranstaltung unterfällt dem Kunstbegriff des Art. 5 III GG, wenn sie schöpferische Elemente
zu unmittelbarer Anschauung bringt, einem herkömmlichen Werttypus zuzuordnen ist
und wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts eine praktisch unbegrenzte Vermittlung von Inhalt und Information in sich trägt. –> Sonnen, JA 1985, 488 ff.
• BVerfGE 83, 130 (138 ff.) „Josefine Mutzenbacher“ – Pornographische Darstellungen können Kunst sein, soweit sie einzelne der o.a. (E 67, 213 ff.) Erscheinungsmerkmale aufweisen; allerdings schließt die vorbehaltlose Gewährleistung der Kunstfreiheit staatliche
Maßnahmen zum Schutz der Jugend als eines (anderen) verfassungsrechtlich geschützten
Gutes (vgl. Art. 5 II 2. Hs. GG) nicht aus. –> Borgmann, JuS 1992, 916 ff.
• BVerfGE 119, 1 ff. „Esra“ – Kunstfreiheit schließt zwar das Recht zur Verwendung von
Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein, gebietet aber eine umso stärkere Fiktionalisierung der zugrundegelegten Person, je mehr deren Persönlichkeit und Privat-/Intimsphäre
im Kunstwerk erkennbar wird; die Darstellung intimer Details einer als Vorbild erkennbaren Partnerin des Autors gegen deren Willen verletzt unabhängig vom Wahrheitsgehalt
der Darstellung das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und kann durch Art. 5 Abs. 3 GG
nicht gerechtfertigt werden –> Enders, JZ 2008, 581 ff.; Wittreck, JURA 2009, 128 ff.
zu Art. 8 GG – Schutz von Versammlungen
• BVerfGE 69, 315 (342 ff.) „Brokdorf“ – Art. 8 I GG gewährleistet um der Teilnahme des
Bürgers an einem offenen politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß willen die
Freiheit, Versammlungen und Aufzüge (Demonstrationen) zu veranstalten und damit
auch das Recht, selbst über Ort, Zeit, Art und Inhalt der Veranstaltung zu entscheiden.
Der Gesetzgeber hat diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung beim Erlaß grundrechtsbeschränkender Vorschriften (Art. 8 II GG) zu beachten. Insbesondere dürfen Spontanversammlungen einer Anmeldepflicht nicht unterstellt werden; ein Verbot oder eine
Auflösung der Versammlung darf nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter erfolgen,
wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu wahren ist; Ordnungsbehörden
haben gegenüber Versammlungsveranstaltern ein kooperatives Verhältnis mit dem Ziel
versammlungsfreundlicher Entscheidungen zu entwickeln (?). –> Gusy, JuS 1986, 608 ff.
• BVerfGE 87, 399 (406 ff.) „Versammlungsrecht“ – Verstöße gegen das Versammlungsrecht,
insbesondere gegen polizeiliche Auslösungsverfügungen, dürfen mit Strafe oder Bußgeld
nicht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Auslösungsverfügung geahndet werden.
–> Sachs, JuS 1993, 768 f.
• BVerfGE 90, 241 (250) „Auschwitz-Lüge“ – Art. 8 I GG schützt nicht Meinungsäußerungen
in oder anläßlich von Versammlungen; der Gesetzgeber kann daher ein Verbot von Versammlungen vorsehen, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten durch Meinungsäußerung (etwa Volksverhetzung) verübt werden sollen. –> Heselhaus, JA 1995, 272
ff.; Hufen, JuS 1995, 638 f.
• BVerfGE 73, 206 (242 ff.); 76, 211 (217); 91, 1 (11 ff.); 104, 92 (101 ff.) „Sitzblockaden“ –
Eine Auslegung der strafrechtlichen Nötigungsvorschrift, die schon das bloße Sitzen(-bleiben) als „Gewalt“ oder „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ i.S.v. § 240 I
StGB versteht, ist – unabhängig von einer etwaigen Kollision mit Art. 8 I GG – wegen
Fehlens der erforderlichen Bestimmtheit mit Art. 103 II GG nicht vereinbar. –> Starck, JZ
1987, 145 ff. (zu E 73, 206); Offenloch, JZ 1992, 438 ff. (zu E 76, 211); Sachs, JuS 1995, 637
f. (zu E 91, 1).
• BVerfG, NJW 2001, 1407 ff. u.ö. „Neonazi-Versammlungen“ – Art. 8 Abs. 1 GG verbietet
Versammlungsverbote, die ausschließlich auf die Aussage der Versammlung abstellen und
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um der öffentlichen Ordnung willen Kundgaben rechtsradikaler Inhalte untersagen sollen
(sehr str.) –> Battis/Grigoleit, NJW 2001, 2051 ff. und NVwZ 2001, 121 ff.; Enders, JZ
2001, 652; Gusy, JZ 2002, 105 ff.; Rühl, NVwZ 2003, 531 ff.
BVerfG, NJW 2001, 2459 ff. „Love Parade / Fuckparade“ – Art. 8 Abs. 1 GG schützt nur
Veranstaltungen, die durch eine gemeinschaftliche (nicht nur: gemeinsame), auf Kommunikation angelegte Betätigung mehrere Personen gekennzeichnet sind; Musik- und Tanzveranstaltungen, bei deren Abhaltung auch Meinungskundgaben stattfinden, zählen dazu
nicht –> Sachs, JuS 2001, 1223 ff.; Tillmanns, JA 2002, 277 ff. — S. nunmehr BVerwGE
129, 42 ff., wonach die „Fuckparade“ eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG ist.
BVerfGE 104, 92 ff. „Straßenblockaden“ – Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG ist nur
eine Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen Erörterung oder Kundgabe einer Angelegenheit, die auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist
=> zwingend geforderter, finaler Kommunikationsgehalt der Versammlung. Das Grundrecht dient daher nicht der zwangsweisen oder selbsthilfeähnlichen Durchsetzung des
jeweiligen Ziels der Versammlung (z.B. Blockade einer Autobahn, um ein politisches Anliegen gegenüber Dritten durchzusetzen); Erregung öffentlichen (Medien-)Interesses reicht
nicht aus. Einer Bestrafung von blockierenden Versammlungsteilnehmern wegen Nötigung (§ 240 StGB) steht Art. 8 Abs. 1 GG daher nicht entgegen. S.a. BVerfG (K), JZ 2011,
685 ff., wonach das Versammlungsgrundrecht im Rahmen der Anwendung des Nötigungstatbestands (Rechtswidrigkeitsprüfung) bei der Abwägung zu berücksichtigen ist –> Jäger,
JA 2011, 553 ff.; Sinn, ZJS 2011, 283 ff.
BVerfGE 128, 226 ff. „Fraport“ (öffentlich zugängliche Einrichtungen, die nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen von einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen in privater
Rechtsform mit staatlicher Beherrschung betrieben werden und der Allgemeinheit zur
Verfügung stehen [hier: Verkehrsflughafen], werden vom Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit erfaßt, privatrechtliche Versammlungsverbote der Betreiber beeinträchtigen daher das Versammlungsgrundrecht der Demonstranten) –> Enders, JZ 2011,
577 ff.; Kramer, JA2011, 810 ff.; Payandeh, JR 2011, 421 ff.
BVerfG (K), NJW 2014, 2706 ff. „Heidefriedhof“ (Art. 8 Abs. 1 GG schützt das Zeigen eines
Transparents auf einem Friedhof anläßlich einer dort stattfindenden öffentlichen Gedenkfeier; dies ist bei der Anwendung einfachen Rechts zu berücksichtigen –> Muckel, JA 2015,
237 ff.
zu Art. 9 Abs. 1 und 2 GG – Schutz von Vereinigungen
• BVerfGE 10, 89 (102 f.) „Erftverband“ – Art. 9 I GG garantiert die Freiheit, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben; auf öffentlichrechtliche (Zwangs-)Verbände findet das Grundrecht keine Anwendung (wohl aber Art. 2 I
GG). –> Hoppe, UPR 1988, 121 ff.
• BVerfGE 50, 290 (353 ff.) „Mitbestimmungsgesetz“ – Art. 9 I GG gewährleistet mit dem
Recht zu freier sozialer Gruppenbildung ein konstitutives Prinzip der demokratischen und
rechtsstaatlichen Ordnung; es umfaßt sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte. Die paritätische Mitbestimmung in Großunternehmen beschränkt dieses Grundrecht zwar, beeinträchtigt aber nicht die Funktionsfähigkeit dieser Unternehmen und berührt den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nur an
der Peripherie. –> Mertens, JuS 1989, 857 ff.
• BVerfGE 91, 262 (266 ff.); 91, 276 (283 ff.) „Parteibegriff“ – Politische Vereinigungen, die
nach dem Gesamtbild ihrer tatsächlichen Verhältnisse – Umfang und Festigkeit der Organisation, Mitgliederzahl, Hervortreten in der Öffentlichkeit – die Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung (noch nicht oder nicht mehr) bieten, sind (nur) politische Vereine und unterfallen deshalb nicht Art. 21 II GG, sondern dem Verbotsverfahren nach Art.
9 II GG i.V.m. §§ 3 ff. Vereinsgesetz. –> Sachs, JuS 1996, 167 f.
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zu Art. 11 GG – Schutz der Freizügigkeit
• BVerfGE 6, 32 (34 ff.) „Elfes“ – Art. 11 GG gewährleistet die Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet, d.h. das Recht, ungehindert an jedem Ort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen
und auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen; er schützt aber nicht das
Recht auf freie Ausreise aus dem Bundesgebiet. Diesen Schutz leistet die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG.
• BVerfGE 134, 242 (250 ff.) „Braunkohletagebau Garzweiler II“ – Art. 11 GG schützt den
dauernden Aufenthalt an einem Ort nur, wenn dieser grundsätzlich für jedermann zugänglich ist, der dort Aufenthalt und Wohnsitz nehmen will; Vorschriften der Raumordnung oder Bodennutzung berühren den Schutzbereich des Grundrechts auf Freizügigkeit
deshalb nicht (sie sind nur durch Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt); dazu Sachs, JuS 2014, 468 ff.
zu Art. 17 GG – Schutz des Petitionsrechts
• BVerfG (Kammer), DVBl. 1993, 32 f. „Petitionsbegründung“ – Das in Art. 17 GG enthaltene Freiheitsrecht, sich einzeln oder gemeinsam mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und die Volksvertretung zu wenden, schützt insbesondere den freien
Zugang zu den Parlamenten des Bundes und der Länder; ihm entspricht eine Pflicht der
Volksvertretung zur Behandlung der Petition. Eine Pflicht zur Begründung der parlamentarischen Entscheidung, wie mit der Bitte oder Beschwerde zu verfahren ist, enthält
Art. 17 GG nicht. –> Rühl, DVBl. 1993, 14 ff.
C. Literatur:
Epping, Rn. 24–103, 208–294; 862-894; Hufen, §§ 18, 25–31, 43; Ipsen, Rn. 381 – 570,
572 – 589, 509 – 524; Pieroth/Schlink, Rn. 589–684, 747 –824, 1082 –1094; Einzelheiten bei
Stern, Staatsrecht IV/1, §§ 106–110; s.a. die Beiträge in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR VII,
3. Aufl. 2009, §§ 152, 162–167
zu Art. 5 Abs. 1 und 2 GG – Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit
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Degenhart, Duale Rundfunkordnung und Grundgesetz, JURA 1988, 21 ff.
Erichsen, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, JURA 1996, 84 ff.
Frenz, Die Meinungs- und Medienfreiheit, JURA 2012, 198 ff.
Gomille, Mehrdeutigkeit und Meinungsfreiheit, JZ 2012, 769 ff.
Hager, Persönlichkeitsschutz gegenüber Medien, JURA 1995, 566 ff.
Hain/Poth, Ausgestaltung und Beschränkung der „dienenden“ Rundfunkfreiheit, JA 2010,
572 ff.
Hoppe, Die „allgemeinen Gesetze“ als Schranke der Meinungsfreiheit, JuS 1991, 734 ff.
Hufen, Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, JuS 1996, 738 ff.
Kunig, Die Pressefreiheit, JURA 1995, 589 ff.
Ladeur/Gostomzyk, Rundfunkfreiheit und Rechtsdogmatik – Zum Doppelcharakter des
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, 1145 ff.
Lerche, Aktuelle Grundfragen der Informationsfreiheit, JURA 1995, 561 ff.
Nolte/Tams, Grundfälle zu Art. 5 Abs. 1 GG, JuS 2004, 111 ff., 199 ff., 294 ff.
Tettinger, Das Recht der persönlichen Ehre in der Wertordnung des Grundgesetzes, JuS
1997, 769 ff.
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zu Art. 5 Abs. 3 GG – Kunstfreiheit
– Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, NJW 1995, 809 ff.
– Kobor, Grundfälle zu Art. 5 Abs. 3 GG, JuS 2006, 593 ff., 695 ff.
– Zöberley, Warum läßt sich Kunst nicht definieren?, NJW 1998, 1372 ff.
zu Art. 8 GG – Versammlungsfreiheit
– Broß, Grundrechtsschutz der Versammlungsfreiheit (Brokdorf-Beschluß des BVerfG),
JURA 1986, 189 ff.
– Enders, Der Schutz der Versammlungsfreiheit, JURA 2003, 34 ff., 103 ff.
– Gusy, Aktuelle Fragen des Versammlungsrechts, JuS 1993, 555 ff.
– Höfling/Krohne, Versammlungsrecht in Bewegung, JA 2012, 734 ff.
– Lembke, Grundfälle zu Art. 8 GG, JuS 2005, 984 ff., 1081 ff.
– von Mutius, Die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG, JURA 1988, 30 ff., 79 ff.
– Pötters/Werkmeister, Neue Problemkreise des Versammlungsrechts: Konturierung des
Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG, ZJS 2011, 222 ff.
– Walther, Der „Brokdorf-Beschluß“ – Grundsatzentscheidung des BVerfG zu Inhalt und
Umfang der Versammlungsfreiheit, JA 1995, 372 ff.
zu Art. 9 Abs. 1 und 2 GG – Vereinigungsfreiheit
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Günther/Franz, Grundfälle zu Art. 9 GG, JuS 2006, 873 ff.
Kunig, Vereinsverbot, Parteiverbot, JURA 1995, 384 ff.
Murswiek, Grundfälle zur Vereinigungsfreiheit – Art. 9 I, II GG, JuS 1992, 116 ff.
Nolte/Planker, Vereinigungsfreiheit und Vereinsbetätigung, JURA 1993, 635 ff.
zu Art. 11 GG – Freizügigkeit
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Frenzel, Grundfälle zu Art. 11 GG, JuS 2011, 595 ff.
Kunig, Das Grundrecht auf Freizügigkeit, JURA 1990, 306 ff.
Pieroth, Das Grundrecht der Freizügigkeit, JuS 1985, 81 ff.
Rossi, Beschränkungen der Ausreisefreiheit im Lichte des Verfassungs- und Europarechts,
AöR 127 (2002), 612 ff.
zu Art. 17 GG – Petitionsfreiheit
– Rühl, Der Umfang der Begründungspflicht von Petitionsbescheiden, DVBl. 1993, 14 ff.
– Graf Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 ff.
– Woike, Die Behandlung von Petitionen durch Behörden, DÖV 1984, 419 ff.
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Arbeitsblatt zu § 6
Schutz von Beruf, Arbeit und Eigentum
Art. 12 GG – Beruf und Arbeit (mit Art. 12a GG)
Art. 9 Abs. 3 GG – Koalitionsbildung
Art. 14 GG – Eigentum und Erbrecht
A. Übersicht:
I. Der Schutz von Beruf und Arbeit
II. Der Schutz der Koalitionsfreiheit
III. Der Schutz des Eigentums und des Erbrechts
B. Rechtsprechung:
zu Art. 12 GG – Berufsfreiheit
• BVerfGE 7, 377 (397 ff.) „Apothekenurteil“ – Die in Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit ist ein einheitliches Grundrecht, das sowohl die Entscheidung und Ausbildung
zum Beruf, die Ausübung des Berufs und seine Beendigung umfaßt. Es gibt dem einzelnen
das Recht, jede selbständig oder unselbständig ausgeübte Tätigkeit zu ergreifen, die der
Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, auch wenn sie nicht einem traditionell oder rechtlich fixierten „Berufsbild“ entspricht; auch staatlich gebundene oder monopolisierte Berufe unterfallen diesem Recht. Entgegen dem Wortlaut des Art. 12 I 2 GG
lassen sich Wahl und Ausübung eines Berufs nicht strikt voneinander trennen, sie erfassen vielmehr den einheitlichen Komplex „berufliche Betätigung“, der auch einer einheitlichen Regelungsbefugnis des Gesetzgebers unterliegt. Die Regelungsbefugnis erstreckt sich
also auf Berufsausübung und Berufswahl; sie ist inhaltlich umso freier, je mehr sie die
bloße Ausübung beschränkt, umso enger begrenzt, je mehr sie (auch) die Berufswahl beeinträchtigt => Abstufung der legislativen Regelungsbefugnis („Drei-Stufen-Lehre“): Die
Berufsausübungsfreiheit kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des
Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen („1. Stufe“); die Freiheit der Berufswahl
darf hingegen nur unter erschwerten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Dabei muß
der Gesetzgeber – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – stets die Form des Eingriffs wählen,
die das Grundrecht am wenigsten beschränkt. Auf die Beschränkung der Berufswahlfreiheit bezogen bedeutet dies: Subjektive Zulassungsregelungen der Berufswahlfreiheit (persönliche Eigenschaften, bestimmtes Alter, Ausbildung, berufsqualifizierende Abschlüsse)
sind zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig („2. Stufe“); objektive Zulassungsvoraussetzungen, die mit der Person des Bewerbers nichts zu tun haben (staatliches Monopol, Bedürfnisprüfung), sind nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und
unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig („3. Stufe“).
–> Lerche, BayVBl. 1958, 231 ff.; Leisner, JuS 1962, 463 ff.
• BVerfGE 33, 125 (155 ff.) „Facharzt“ – Regelungen im Bereich des Art. 12 I GG, welche die
Berufsfreiheit beschränken, müssen nicht ausschließlich vom Gesetzgeber oder durch die
hierzu gesetzlich ermächtigte (Art. 80 GG) Exekutive getroffen werden; auch in Satzungen
autonomer Körperschaften sind solche Regelungen (Berufsordnungen) zulässig. Allerdings
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dürfen die den Status eines Berufs bildenden Vorschriften (z.B. Berufszugang, -qualifikationen, Entzug der Zulassung zum Beruf etc.) allein vom Gesetzgeber getroffen werden.
–> Starck, NJW 1972, 1489 ff.
BVerfGE 94, 372 (389 ff.) „Werbeverbot für Apotheker“ – Beschränkungen der Werbetätigkeit bei freien Berufen (z.B. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte) sind Berufsausübungsregelungen und können nach gesetzlicher Ermächtigung auch in berufsständischen Satzungen
(Berufsordnungen) geregelt werden. Sie sind allerdings dann unverhältnismäßig und verfassungswidrig, wenn bestimmte Werbeträger vollständig ausgeschlossen oder Werbemaßnahmen nach Quantität oder Qualität untersagt werden, obwohl von ihnen keine Gefahr
für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Werbenden ausgeht.
(„Dauerbrenner“ beim BVerfG, s. z.B. E 106, 181 ff.) –> Leimkühler, JA 1997, 452 ff.
BVerfGE 33, 303 (329 ff.) „Numerus clausus“ – Aus dem in Art. 12 I 1 GG gewährleisteten
Recht freier Ausbildung und Berufswahl folgt (i.V.m. Art. 3 I GG und dem Sozialstaatsprinzip) ein Anspruch auf Zulassung zum Studium an staatlichen Hochschulen, dem ein
Verfassungsauftrag zur ausreichenden Bereitstellung von Ausbildungskapazitäten entspricht; ein individueller Anspruch auf Einrichtung bzw. Erweiterung bestimmter Studienmöglichkeiten ist damit grundsätzlich nicht verbunden. Dieses Recht auf Zulassung
zum Studium ist allerdings durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einschränkbar.
Absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger sind dabei nur verfassungsmäßig, wenn die vorhandenen Ausbildungskapazitäten erschöpfend genutzt werden und
Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien – verbunden mit
einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber – erfolgen.
BVerfGE 81, 242 (253 ff.) „Handelsvertreter“ – Auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten (Anstellungsvertrag) ergehende Urteile können die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG in einer
Weise beeinträchtigen, die dem Entzug der Berufswahlfreiheit nahekommt (z.B. durch
Wettbewerbsverbote). Um dies in den Fällen zu verhindern, in denen es an einem annähernden Kräftegleichgewicht zwischen den Vertragsparteien fehlt, hat der ZivilrechtsGesetzgeber zum Schutz des Art. 12 I GG Vorkehrungen gegen übermäßige vertragliche
Beschränkungen zu schaffen.
BVerfGE 84, 34 (45 ff.) „Gerichtliche Prüfungskontrolle“ – Berufsbezogene Prüfungen müssen in ihrem Verfahren so ausgestaltet sein, daß sie das Grundrecht der Berufsfreiheit
effektiv schützen. Der Prüfling muß deshalb aus Art. 12 I GG zum einen das Recht haben,
Einwände gegen die Bewertung und Abschlußnoten wirksam vorzubringen; vertretbare
und mit gewichtigen Argumenten konsequent entwickelte Lösungen dürfen dabei nicht als
falsch bewertet werden. Zum anderen muß sich die nachfolgende gerichtliche Überprüfung
– abgesehen von prüfungsspezifischen, einmaligen und nicht wiederholbaren Wertungen –
auf alle Elemente der Prüfung beziehen; insoweit hat die Verwaltung keinen vor Kontrolle
geschützten Beurteilungsspielraum.
BVerfGE 95, 173 (181 ff.) „Tabakwerbung“ – Warnhinweise auf Gesundheitsgefahren des
Rauchens auf Packungen von Tabakerzeugnissen sind zwar Eingriffe in die Freiheit der
Berufsausübung der Produzenten und Händler; sie sind aber nach Art. 12 II GG gerechtfertigt, da sie in zumutbarer Weise dem Schutz der Verbraucher und damit einem legitimen Anliegen staatlicher Gesundheitspolitik dienen. –> Winkler, JA 1997, 843 ff.
BVerfGE 102, 197 ff. „Spielbanken“ – Auch politisch unerwünschte Berufe genießen den
Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG; der Zugang zu ihnen und ihre Betätigung kann aber zum
Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts eingeschränkt oder ganz untersagt
werden. –> Muckel, JA 2001, 460 ff.; Sachs, JuS 2001, 912 ff.
BVerfGE 104, 357 ff. „Apothekenöffnung an Sonntagen“ – Ausschluß von Apotheken von
der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen ist mangels Erforderlichkeit mit der Berufsausübungsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar => Tendenz zu verstärktem Schutz
der Berufsausübung durch das BVerfG –> Manssen, BayVBl. 2001, 641 ff.
BVerfGE 105, 252 ff. „Glykolweine“ – Art. 12 GG schützt nicht vor Wettbewerb am Markt
und hierauf bezogene, sachlich gehaltene und inhaltlich zutreffende sowie der Information
der Verbraucher dienende Informationen über Anbieter und ihre Produkte; in staatlichen
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Produktinformationen und Warnungen vor Produkten ist daher kein Eingriff in den
Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Unternehmen zu sehen (sehr
str.). –> Bethge, JURA 2003, 327 ff.; Huber, JZ 2003, 290 ff.
BVerfGE 111, 10 ff. „Ladenschlußgesetz“ – Ladenschlußrecht für Samstage und Sonntage
ist als Berufsausübungsregelung mit Art. 12 GG (bei Sonntagen unter Berücksichtigung
von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (4:4-Entscheidung) –> Sachs,
JuS 2005, 907 ff.; s.a. BVerfG (K), NVwZ 2011, 355 ff. – nächtliches Verbot des Verkaufs
alkoholischer Getränke an Tankstellen mit Art. 12 GG vereinbar
BVerfGE 115, 276 ff. „Sportwetten“ – Veranstaltung von Sportwetten (oder Lotterien) fällt
unter den Schutz der Berufsfreiheit (ist also „erlaubt“); ein staatliches Monopol hierfür ist
mit Art. 12 GG nur insoweit vereinbar, als es konsequent dem Ziel der Bekämpfung der
Spiel- und Wettsucht dient, also nicht in erster Linie auf Einnahmenerzielung gerichtet ist
(daher massives Problem der einfachrechtlichen Ausgestaltung) –> Horn, JZ 2006, 789 ff.
BVerfGE 121, 317 ff. „Nichtraucherschutzgesetz“ – der grundrechtlich gebotenen Schutz
der Gesundheit von Nichtrauchern (Art. 2 Abs. 1, 2 GG) erlaubt dem Gesetzgeber zwar die
Festsetzung eines Rauchverbots in Gaststätten, er hat dabei aber die Berufsausübungsfreiheit der Gastronomieunternehmer zu beachten und muß besonders starke wirtschaftliche Belastungen für einzelne Gruppen von Betroffenen vermeiden; außerdem ist Art. 3
Abs. 1 GG zu beachten; –> Bulla, ZJS 2008, 585 ff.; Kintz, JuS 2008, 816 ff.
BVerfGE 134, 1 ff. „Landeskinderklausel Bremen“ (allgemeine Studiengebühren sind mit
dem Teilhaberecht auf Zulassung zum Hochschulstudium aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3
Abs. 1 GG grundsätzlich vereinbar, solange sie unter Beachtung des Sozialstaatsprinzips
nicht prohibitiv wirken, in der Höhe angemessen sind und sozialverträglich ausgestaltet
werden; eine an der Wohnung anknüpfende Unterscheidung bei der Auferlegung von Studiengebühren zugunsten von Landeskindern verstößt jedoch gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz) –> Muckel, JA 2013, 712 ff.
zu Art. 12a GG – Wehr- und Dienstpflicht
• BVerfGE 48, 127 ff.; 80, 354 ff.; 105, 61 ff. – Verfassungsrechtlich festgelegte allgemeine
Wehrpflicht von Männern ist nicht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen =>
kein Einwand gegen strafrechtliche Ahndung von Dienstflucht
• EuGH, NJW 2000, 497 ff. „Tanja Kreil“ – Europarecht steht nationalen Vorschriften entgegen, die einen freiwilligen bewaffneten Dienst von Frauen in den Streitkräften ausschließen und dies nur Männern vorbehalten –> Schröder/Köster, JuS 2000, 542 ff.
zu Art. 9 Abs. 3 GG – Koalitionsfreiheit
• BVerfGE 42, 133 (136 ff.) „Wahlwerbung der Gewerkschaften“ – Art. 9 III GG schützt allein Maßnahmen zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, enthält aber
kein allgemeinpolitisches Mandat zu Stellungnahmen allgemein-politischer Natur (etwa
Aufrufe zu staatlichen Wahlen). –> Pauly, JuS 1978, 163 ff.
• BVerfGE 50, 290 (366 ff.) „Mitbestimmungsurteil“ – Art. 9 III GG gewährleistet die Freiheit des Zusammenschlusses zu Vereinigungen zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sowie die Freiheit zur Verfolgung dieses gemeinsamen Zwecks; dazu gehört
auch der Abschluß von Tarifverträgen. Diese Koalitionsfreiheit wird gegenüber Regelungen und Beschränkungen allerdings nur in ihrem Kernbereich absolut geschützt; im übrigen ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen auszugestalten.
• BVerfGE 92, 365 (393 ff.) „§ 116 AFG“ – Art. 9 III GG bedarf der Ausgestaltung durch den
Gesetzgeber, soweit er die Beziehungen zwischen den Trägern unterschiedlicher Koalitionsinteressen zum Gegenstand hat. Da beide Tarifvertragsparteien den Grundrechts-
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schutz in gleicher Weise genießen und in diesem Rahmen auch Kampfmittel (Streik und
Aussperrung) mit beträchtlichen Einwirkungen auf den Tarifgegner einsetzen können,
bedarf es rechtlicher Rahmenbedingungen, die sicherstellen, daß Sinn und Zweck des
Grundrechts und seine Einbettung in die verfassungsrechtliche Ordnung gewahrt bleiben.
Dem Gesetzgeber kommt dabei ein weiter Handlungsspielraum zu; ihm steht bei der Beurteilung, ob die Gleichgewichtigkeit im Arbeitskampf zwischen den Tarifvertragsparteien
gestört ist, sogar eine Einschätzungsprärogative zu. –> Heselhaus, JA 1996, 275 ff.
• BVerfGE 93, 352 (357 ff.) „Mitgliederwerbung“ – Auch die Werbung neuer Mitglieder
durch Angehörige der Gewerkschaft zählt zu den durch Art. 9 III GG geschützten Freiheitsbetätigungen. Diese Rechte sind insgesamt nicht nur in ihrem Kernbereich geschützt;
der Grundrechtsschutz erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Die Kernbereichsformel beschreibt dabei nur die Grenze, die der Gesetzgeber bei
der Ausgestaltung der koalitionsrechtlichen Rahmenordnung zu beachten hat; sie wird
überschritten, soweit Einschränkungen des Art. 9 III GG nicht zum Schutz anderer
Rechtsgüter geboten sind. –> Sachs, JuS 1996, 931 f.
• BVerfGE 116, 202 ff. „Tariftreueerklärung“ – gesetzliche Verpflichtung privater Unternehmer, bei staatlichen Aufträgen Beschäftigte nicht unter Tarif zu bezahlen, berührt weder
Art. 9 Abs. 3 GG noch verletzt sie Art. 12 Abs. 1 GG –> Pietzcker, ZfBR 2007, 131 ff.
zu Art. 14 GG – Eigentumsgrundrecht
• BVerfGE 4, 7 (16 ff.) „Investitionshilfe“ – Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen, auch
nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten (Steuern, Abgaben).
• BVerfGE 24, 367 (388 ff.) „Deichordnungsgesetz“ – Art. 14 I GG gewährleistet das Privateigentum sowohl als abstraktes Rechtsinstitut als auch in seiner konkreten Gestalt in der
Hand des einzelnen Eigentümers. Ihm kommt im System der Grundrechte die Aufgabe zu,
einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und dem Grundrechtsträger dadurch eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen; insoweit enthält Art. 14 I GG eine Bestandsgarantie, nicht nur eine Wertgarantie. Die Institutsgarantie sichert dabei einen Grundbestand von „Eigentum“, also einzelnen privaten
Rechtspositionen und dahinter stehenden sachlichen Substraten; sie verbietet, daß elementare Sachbereiche des Vermögensrechts der allgemeinen zivilrechtlichen Ordnung
entzogen werden. Richtet der Gesetzgeber an einzelnen Sachgütern Privater (z.B. Deichgrundstücken) ein von der Privatrechtsordnung geschiedenes „öffentliches Eigentum“ ein,
so liegt hierin ein Fall klassischer Enteignung, nämlich ein Vollentzug von Grundstückseigentum, verbunden mit der Übertragung auf ein öffentliches „Unternehmen“. Wie jede
Enteignung darf auch diese Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand regelmäßig nur durch die Verwaltung aufgrund eines Gesetzes vorgenommen („Administrativenteignung“) und nur ausnahmsweise – Rechtsschutz gegen Enteignung und Höhe der
Entschädigung! – direkt durch Gesetz angeordnet werden („Legalenteignung“). Die Frage,
ob diese Enteignungsgesetze für ihren konkreten Sachbereich dem Wohl der Allgemeinheit
i.S.v. Art. 14 III 1 GG gerecht werden, unterliegt dabei verfassungsgerichtlicher Prüfung,
ebenso die Frage, ob zur Durchführung des Vorhabens eine Enteignung erforderlich ist.
Hinsichtlich der Entschädigungshöhe ermöglicht das Abwägungsgebot des Art. 14 III 3 GG
dem Gesetzgeber, je nach den Umständen vollen Ersatz (des Marktwerts) oder eine darunter liegende Entschädigung zu bestimmen. –> Löwer und Maiwald, NJW 1969, 832 ff.,
1424 ff.
• BVerfGE 42, 64 ff.; 46, 325 ff. „Zwangsversteigerung“ – Art. 14 I 1 GG beinhaltet die Verpflichtung der staatlichen Stellen, bei privatrechtlichen Zugriffen auf fremdes Eigentum
ein rechtsstaatliches Verfahren einzuhalten und gegen vermögensrechtliche Eingriffe in
Eigentumspositionen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. –> Weitzel, JuS 1976, 722 (zu
E 42, 64); Goerlich, DVBl. 1978, 362 ff. (zu E 46, 325).
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• BVerfGE 52, 1 (26 ff.) „Kleingarten“ – Inhaltsbestimmung i.S.v. Art. 14 I 2 GG ist die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten des Eigentümers durch den
Gesetzgeber. Diese objektiv-rechtlichen Vorschriften müssen in materiell-rechtlicher Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen, wobei sowohl den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers – vor allem Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis – als auch
dem Wohl der Allgemeinheit – Sozialbindung – Rechnung getragen werden muß; eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung der sich widersprechenden Gesichtspunkte ist
dabei unzulässig (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen); außerdem hat
der Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung die individualrechtliche
Funktion des Eigentums: Grundlage privater Initiative und eigenverantwortlicher Förderung des privaten Interesses zu sein, zu beachten. Inhalt und Reichweite der Regelungen i.S.v. Art. 14 I 2 GG hängen dabei in erster Linie vom konkreten Eigentumssubstrat
ab; je intensiver die Bezüge des Eigentums zur Umwelt und zur Sozialordnung sind, umso
mehr lassen sich Nutzungsbeschränkungen und Verfügungshindernisse rechtfertigen.
–> Weber, JuS 1981, 142 ff.
• BVerfGE 53, 257 (289 ff.) „Versorgungsausgleich“; 69, 272 (298 ff.) „Sozialversicherungsrecht“ – Der Wandel privatrechtlicher Vorsorge und wirtschaftlicher Existenzsicherung zu
öffentlich-rechtlich organisierten Formen der Daseinsvorsorge bewirkt die Einbeziehung
öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen in den Schutz grundsätzlich privatrechtlich strukturierter Eigentumsrechte. Rentenversicherungsrechtliche Positionen, die vorrangig auf
eigener Leistung oder eigenem Opfer beruhen, genießen deshalb den Schutz des Eigentumsgrundrechts, wenn sie dem einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen
eines Eigentümers entspricht; dies ist jedenfalls gegeben bei Ansprüchen auf Versichertenrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und für solche Rechtspositionen der
Versicherten (Anwartschaften), die nach Begründung des Versicherungsverhältnisses und
Erfüllung weiterer Voraussetzungen (Wartezeit, Eintritt des Versicherungsfalls) zum Vollrecht erstarken können. –> Ruland, JuS 1980, 524 ff. (zu E 53, 257); Plagemann, JA 1986,
443 ff. (zu E 69, 272).
• BVerfGE 56, 249 (259 ff.) „Dürkheimer Gondelbahn“; 74, 264 (279 ff.) „Boxberg“ – Eine
Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Unternehmens ist nicht von
vornherein unzulässig; sie erfordert jedoch ein Gesetz, das den – in diesem Fall nur mittelbar verwirklichten – Enteignungszweck deutlich umschreibt, die grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen und das Verfahren zu ihrer Ermittlung festlegt und Vorkehrungen
zur zukünftigen Sicherung des verfolgten Gemeinwohls regelt. Der in Art. 14 III 2 GG
enthaltene Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung gebietet dabei der Verwaltung,
bei der Durchführung von Vorhaben nur das Enteignungsgesetz heranzuziehen, das der
nach der Kompetenzordnung zuständige Gesetzgeber für den konkreten Sachbereich erlassen hat. –> Weber, JuS 1982, 852 ff. (zu E 56, 249); Langer, JA 1987, 632 ff. (zu E 74, 264).
• BVerfGE 58, 300 (330 ff.) „Naßauskiesung“ – Das Eigentumsgrundrecht grenzt Inhaltsbestimmung, Legalenteignung und Administrativenteignung deutlich voneinander ab und
verhindert so gleitende Übergänge von zulässiger Inhaltsbestimmung, übermäßiger
Schrankenziehung und Enteignung. In Verbindung mit den Art. 14 GG prägenden Grundsätzen der Privatnützigkeit des Eigentums und des Vorrangs der Bestandsgarantie (Art.
14 I GG) vor einer über Art. 14 III 3 GG vermittelten Wertgarantie bedeutet dies: Der
betroffene Bürger hat kein Wahlrecht, ob er sich gegen eine übermäßige Nutzungsbeschränkung seines Eigentums zur Wehr setzen oder ob er hierfür unmittelbar Entschädigung verlangen will. Fehlt eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung
(nach Enteignung), so muß er sich bei den Verwaltungsgerichten um die Aufhebung des
Eingriffsakts bemühen; er kann aber nicht unter Verzicht auf die Anfechtung („dulde und
liquidiere“) eine vom Gesetz nicht vorgesehene Entschädigung beanspruchen, und mangels
gesetzlicher Grundlage können die Gerichte eine solche Entschädigung auch nicht zusprechen. –> Weber, JuS 1982, 852 ff.; Ossenbühl, NJW 1983, 1 ff. – Bestätigung in BVerfG (K),
NVwZ 2012, 429 ff. –> Muckel, JA 2012, 314 ff.
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• BVerfGE 68, 361 (367 ff.); 79, 292 (302 ff.); 89, 237 (241 f.) „Eigenbedarfskündigung“ – Das
soziale Mietrecht des BGB regelt generell und abstrakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers von vermietetem Wohnraum und bestimmt so Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 I 2 GG. Angesichts der besonderen Sozialbindung von Wohnraum stellt
die Einschränkung des freien Kündigungsrechts des Vermieters (berechtigtes Interesse,
vor allem Eigenbedarf) eine zulässige Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers dar. Angesichts der Privatnützigkeit (auch) von Wohneigentum ist es allerdings nicht
Sache der Gerichte, im Kündigungsprozeß die Geltendmachung von Eigenbedarf durch
den Vermieter daraufhin zu überprüfen, ob sie in wohnraumpolitischer Hinsicht gerechtfertigt ist; dies zu beurteilen ist grundsätzlich – in den Grenzen der Überprüfung zweifelhafter Selbstnutzungswünsche und einer Mißbrauchskontrolle – Sache des Vermieters und
seiner Lebensplanung überlassen. –> Schulte, JZ 1985, 530 ff. (zu E 68, 361); Rühl, JA
1991, 111 ff. (zu E 79, 292).
• BVerfGE 89, 1 (5 ff.) „Besitzrecht des Mieters“ – Das Besitzrecht des Mieters an einer
gemieteten Wohnung ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die eine Nutzungs- und
Verfügungsbefugnis zum Inhalt hat, und somit Eigentum i.S.v. Art. 14 I 1 GG. Es ist Sache des Gesetzgebers, die wechselseitigen Befugnisse von Mieter und Vermieter einander
zuzuordnen und dabei die Belange des Mieters und des Vermieters in angemessener Weise
zu berücksichtigen; insbesondere ergibt sich aus dem Eigentumsschutz des Besitzrechts
nicht, daß im Konflikt mit dem Eigentumsrecht des Vermieters das Bestandsinteresse des
Mieters in jedem Fall vorgeht. –> Depenheuer, NJW 1993, 2561 ff.
• BVerfGE 93, 121 (137 ff., SV 153 f.) „Vermögenssteuer“; 93, 165 (173 ff.) „Erbschaftssteuer“ – Erträge aus der Nutzung privater Vermögen unterfallen der Eigentumsgarantie
i.S.v. Art. 14 I GG; einmal erworbenes und beim Erwerb der Besteuerung unterliegendes
Vermögen darf insgesamt nicht erneut (= mehrmals) dem Zugriff des Steuergesetzgebers
ausgesetzt werden (str., da damit vorausgesetzt wird, daß eine Besteuerung von Vermögen
ein – unzulässiger – Eingriff in die Substanz von Eigentumspositionen ist; nach h.M.
schützt Art. 14 I GG aber nicht gegen allgemeine Geldleistungspflichten [Steuern, Abgaben]). –> Sachs, JuS 1996, 656 f.
Die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts in Art. 14 I 1 GG verbietet nicht, daß
der Steuergesetzgeber eine Erbschaftssteuer vorsieht, die den beim Erben anfallenden
Vermögenszuwachs und die daraus folgende Leistungsfähigkeit belastet. Sieht der Gesetzgeber dabei für die Berechnung der Erbschaftssteuer allgemeine Bemessungsgrundlagen
für einzelne Wirtschaftsgüter vor, so müssen diese die zu besteuernden Werte in ihrer
Relation realitätsgerecht abbilden. Eine unterschiedliche Wertbemessung in Gegenwartswerten einerseits (Kapitelvermögen), Vergangenheitswerten andererseits (Grundvermögen) ist deshalb unzulässig.
• BVerfGE 100, 226 ff. „Denkmalschutz“ – Abstrakte Beschränkungen der Nutzung von
Grundeigentum stellen stets eine Inhalts- und Schrankenregelung i.S.v. Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG dar; sie sind keine Enteignung, auch wenn sie beim Betroffenen dazu führen,
daß dieser sein Eigentum nicht mehr nutzen kann und es bei wirtschaftlicher Betrachtung
verkaufen muß. Beschränkungen der Nutzbarkeit (z.B. Denkmalschutz), die keine sinnvolle Restnutzung für den Eigentümer mehr offenhalten, sind wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig; in solchen Fällen muß der Gesetzgeber entweder eine Befreiung von den Nutzungsbeschränkungen oder aber eine finanzielle Entlastung für die Nutzungsbeschränkungen vorsehen => ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung. –> Klüppel,
JURA 2001, 26 ff.; Külpmann, JuS 2000, 646 ff.; Sachs, JuS 2000, 399 ff.
• BVerfGE 102, 1 ff. „Altlasten“ – Haftung von Grundstückseigentümern für Sanierung bei
Altlasten kann mit Art. 14 GG kollidieren => keine unbegrenzte Polizeipflichtigkeit; Eigentümer muß als Belastung grundsätzlich nur den Mehrwert aufwenden, den das sanierte Grundstück als Verkehrswert gegenüber dem belasteten, unsanierten Gelände hat, es
sei denn, der Eigentümer kannte das Altlastenrisiko oder nahm es in Kauf oder mißachtete fahrlässigerweise das Risiko. –> Klüppel, JURA 2001, 26 ff.
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• BVerfGE 104, 1 ff. „Baulandumlegung“ – Umlegung von Grundstücken in einem Bebauungsplan gegen den Willen von Grundstückseigentümern ist keine Enteignung, sondern
eine (atypische) Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts i.S.v.
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; es werden dabei nicht, wie von Art. 14 Abs. 3 GG gefordert, konkrete Güter zu hoheitlichen Zwecken beschafft, sondern der Ausgleich privater (Bau)Interessen im betroffenen Plangebiet bezweckt. –> Haas, NVwZ 2002, 272 ff.; Christ,
DVBl. 2002, 1517 ff.; Selmer, JuS 2002, 201 f.; Winkler, JA 2002, 197 ff.
• BVerfGE 134, 242 (287 ff., 330 ff.) „Braunkohletagebau Garzweiler II“ – Art. 14 Abs. 3 GG
setzt für die Zulässigkeit einer Enteignung (die auch zugunsten eines Privatunternehmens
zulässig ist) voraus, daß das dadurch geförderte Vorhaben und der Zweck der Enteignung
hinreichend bestimmt im Gesetz geregelt ist und das enteignete Gut unverzichtbar für die
Verwirklichung des Vorhabens sein muß; dabei muß eine Gesamtabwägung zwischen den
zu fördernden Gemeinwohlbelangen und den durch seine Realisierung beeinträchtigten
öffentlichen und privaten Belangen stattfinden, die bei großflächigen Umsiedlungsmaßnahmen deren konkretes Ausmaß und die damit für die Betroffenen verbundenen Belastungen berücksichtigt –> Sachs, JuS 2014, 468 ff.; von Rochow, BLJ 2014, 43 ff.
C. Literatur:
Epping, Rn. 374–501, 895–910; Hufen, §§ 35, 37–38; Ipsen, Rn. 590–717; Pieroth/ Schlink,
Rn. 874–942, 970–1039, 795–824. Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht IV/1, §§ 111–113; s.a.
die Beiträge in: Isensee/Kirchhof (Hg); HStR VIII, 3. Aufl. 2010, §§ 169–175
zu Art. 12 GG
– Brandt, 40 Jahre Stufentheorie, JA 1998, 82 ff.
– Frenz, Die Berufsfreiheit – Nichtraucherschutz, Sportwetten, Studiengebühren, JA 2009,
252 ff.
– Kluth, Das Grundrecht der Berufsfreiheit – Art. 12 Abs. 1 GG, JURA 2001, 371 ff.
– Langer, Strukturfragen der Berufsfreiheit, JuS 1993, 302 ff.
– Mann/Worthmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) – Strukturen und Problemkonstellationen,
JuS 2013, 385 ff.
– Nolte/Tams, Grundfälle zu Art. 12 GG, JuS 2006, 31 ff., 130 ff., 218 ff.
zu Art. 9 Abs. 3 GG – Koalitionsfreiheit
– Coester, Verfassungsrechtliche Gewährleistung der Aussperrung, JURA 1992, 84 ff.
– Tettinger, Grundlinien der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 III GG, JURA 1981, 1 ff.
zu Art. 14 und 15 GG
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Berg, Entwicklung und Grundstrukturen der Eigentumsgarantie, JuS 2005, 961 ff.
Dederer, Atomausstieg und Art. 14 GG, JA 2000, 819 ff.
Eschenbach, Die Enteignung, JURA 1997, 519 ff.
Eschenbach, Die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, JURA 1998, 401 ff.
Fehling/Faust/Rönnau, Grund und Grenzen des Eigentums- und Vermögensschutzes,
JuS 2006, 18 ff.
– Hösch, Art. 14 GG: Inhaltsbestimmung oder Enteignung, JA 1998, 727 ff.
– Hummel, Grundfälle zu Art. 15 GG, JuS 2008, 1065 ff.
– Jochum/Durner, Grundfälle zu Art. 14 GG, JuS 2005, 220 ff., 320 ff., 412 ff.
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– Kilic, Die dogmatischen Fehlentwicklungen zur Eigentumsfreiheit – was bleibt von der
Eigentumsfreiheit noch übrig?, ZJS 2011, 479 ff.
– König, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung?, JA 2001, 345 ff.
– Kube, Die Eingriffsfinalität: Angelpunkt der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik,
JURA 1999, 465 ff. (zu BVerfG, NJW 1998, 367)
– Lege, Das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG, JURA 2011, 507 ff.
– Stangl, Die Enteignung, JA 2000, 574 ff.
– 40 –
Arbeitsblatt zu § 7
Schutz von Ehe, Familie und Schulwesen,
Glauben und Gewissen
Art. 6 GG – Ehe und Familie
Art. 7 GG – Schulwesen
Art. 4 GG – Glauben und Gewissen
A. Übersicht:
I. Der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG)
II. Grundrechtliche Regelungen des Schulrechts (Art. 7 GG)
III. Der Schutz von Glauben und Gewissen (Art. 4 GG)
B. Rechtsprechung:
zu Art. 6 GG – Schutz von Ehe und Familie
• BVerfGE 6, 55 (70 ff.) „Steuersplitting“ – Art. 6 I GG ist klassisches Abwehrrecht, Einrichtungsgarantie für das Institut „Ehe“ und Grundsatznorm für den Bereich des Ehe und
Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts => gesteigerte staatliche Schutzpflicht für den Bestand von Ehe und Familie. Diese Schutzbestimmung verbietet „störende
Eingriffe“ in den Bestand der Ehe, d.h. auch die Zugrundelegung eines bestimmten EheInnenverhältnisses (im Steuerrecht), das sich nachteilig auf die Ehen auswirkt, die nicht
diesem „Bild“ entsprechen (hier: „Hausfrauenehe“). Die damit bezweckte interne Gestaltung der privaten Ehesphäre ist dem Staat entzogen.
• BVerfGE 80, 81 (90 ff.) „Erwachsenenadoption“ – Art. 6 I GG ist Grundsatznorm auch für
den Bereich der Familie, d.h. die Gemeinschaft von Eltern und Kindern; hierzu zählen
auch adoptierte Kinder und Erwachsene. Allerdings ist die durch Adoption eines Erwachsenen entstandene Familie nicht mehr Erziehungs- und Lebensgemeinschaft, sondern (nur
noch) Begegnungs- und Hausgemeinschaft => Art. 6 I GG schützt in dieser Konstellation
nicht das dauerhafte Zusammenleben, soweit Kontakt durch Besuch, Brief, Telefon etc.
möglich und Lebensgemeinschaft nicht unverzichtbar ist. –> Hohloch, JuS 1990, 59.
• BVerfGE 82, 60 (83 ff.) „Steuerfreies Existenzminimum“ – Staat muß der steuerpflichtigen
Familie Einkommen insoweit steuerfrei belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. In diesem Zusammenhang
allgemein gewährtes Kindergeld muß nach seiner Höhe der unterhaltsbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit von Familien entsprechen; alternativ muß bei der Besteuerung der Familie das Existenzminimum aller Familienmitglieder steuerfrei bleiben (s.a.
BVerfG vom 19.1.1999, wonach Art. 6 GG [i.V.m. Art. 3 I GG] es verbietet, in ehelicher
Gemeinschaft lebende steuerpflichtige Eltern von der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten und vom Haushaltsfreibetrag auszuschließen, wie sie alleinerziehenden Elternteilen gewährt werden).
• BVerfGE 47, 46 (69 ff.) „Sexualerziehung“ – Sexualerziehung gehört sowohl zum elterlichen Erziehungsrecht i.S.v. Art. 6 II GG als auch zum staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag i.S.v. Art. 7 I GG, der vom Gesetzgeber in seinen Grundzügen zu regeln ist.
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Ein Mitbestimmungsrecht der Eltern bei der Gestaltung des entsprechenden Schulunterrichts folgt aus Art. 6 II GG nicht. –> Hufen, JA 1978, 443 ff.
BVerfGE 104, 373 ff. „Kindesdoppelnamen“ – Elternrecht in Art. 6 Abs. 2 enthält nicht das
Recht jedes Elternteils, dem Kind einen aus beiden elterlichen Namensteilen zusammengesetzten Doppelnamen zu geben; Anliegen des Gesetzgebers, durch Eingliedrigkeit des
Familiennamens Doppelungen und Namensketten zu verhindern, ist legitim und verletzt
auch nicht das allg. Persönlichkeitsrechts des Kindes.
BVerfGE 105, 313 ff. (zuvor BVerfG, NJW 2001, 2457 [e.A.]) „Lebenspartnerschaftsgesetz“
– Einführung eines neuen Instituts „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare, die keine Ehe eingehen können, verletzt weder das (subjektive)
Abwehr- und Schutzrecht von Ehepaaren aus Art. 6 GG noch das grundrechtlich geschützte familienrechtliche Institut der Ehe => kein materielles Distanzgebot zwischen Ehe und
Lebenspartnerschaft, allenfalls ein solches zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft bei heterosexuellen Paaren (str.) –> Braun, JuS 2003, 21 ff.; Tettinger, JZ 2002,
1146 ff.
BVerfGE 114, 316 ff. „Zweitwohnungssteuer“ – Erhebung einer Zweitwohnungssteuer bei
Ehepaaren, die sich trotz Notwendigkeit eines berufsbedingten Ortswechsels zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Ehewohnung entschieden haben, verletzt Art. 6 Abs. 1 GG
BVerfGE 123, 90 ff. „Mehrfachname“ – kein Anspruch aus Art. 6 (oder Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG) auf Führung eines Drei- oder Vierfachnamens
BVerfGE 127, 132 ff. „gemeinsames Sorgerecht“ – genereller Ausschluß des Vaters eines
nichtehelichen Kindes vom Sorgerecht bei Widerspruch der Mutter mit Elternrecht aus
Art. 6 Abs. 2 GG nicht vereinbar –> Hufen, JuS 2011, 857 ff.; Mandia, JR 2011, 185 ff.
BVerfGE 133, 377 ff. „Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaft“ (genereller Ausschluß
eingetragener Lebenspartner von steuerlichen Ehegattensplitting verstößt gegen Art. 3
Abs. 1 GG und kann nicht durch den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG
gerechtfertigt werden) –> Muckel, JA 2013, 714 ff.; Sachs, JuS 2013, 1146 ff. Zum generellen Schutz gleichgeschlechtlicher Eltern durch die „Familie“ i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG
BVerfGE 133, 59 ff. „Sukzessivadoption“ –> Muckel, JA 2013, 396 ff.
zu Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4–6 GG – Schule
• BVerfGE 93, 1 (21 ff.) „Kruzifix“ – Art. 7 I GG erteilt dem Staat einen umfassenden Erziehungs- und Bildungsauftrag, der nicht nur die Organisation und Einrichtung von Schulen
umfaßt, sondern auch die Festlegung von Ausbildungsgängen und Erziehungszielen. Dabei
hat der Staat auf religiös-weltanschauliche Bezüge zu verzichten; das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern ist ein solcher religiös-weltanschaulicher Bezug (sehr str.).
–> Müller-Volbehr, JZ 1995, 996 ff.
• BVerfGE 34, 165 (192) „Hess. Förderstufe“; 41, 251 (259 f.) „Speyer-Kolleg“; 45, 400 (417 f.)
„Hess. Oberstufenreform“; 47, 46 (78 f.) „Sexualkundeunterricht“; 58, 257 ff. „Schulentlassung“ – Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip verpflichten den Gesetzgeber, die
wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen (schulrechtlicher Gesetzesvorbehalt als Parlamentsvorbehalt).
–> Dietze, JZ 1976, 367 ff. (zu E 41, 251); Ruland, JuS 1983, 315 ff. (zu E 58, 257).
• BVerfGE 75, 40 (56 ff.) „Privatschulfinanzierung I“; 90, 128 (138 f.) „Privatschulfinanzierung II“ – Art. 7 IV und V GG gewährleisten jedermann die Freiheit, Privatschulen zu
errichten und zu betreiben (Einrichtungsgarantie); das Grundrecht enthält neben diesem
klassischen Abwehrrecht auch eine Schutz- und Förderpflicht des Staates, der ein grundsätzlicher finanzieller Leistungsanspruch (Zuschuß) des privaten Schulträgers korrespondiert. –> Pieroth, DÖV 1992, 593 ff. (zu E 75, 40); Hufen, JuS 1995, 1129 ff. (zu E 90, 128).
S.a. BVerfG (K), NVwZ 2011, 1384 ff. (Privatschulfreiheit erlaubt bei anerkannten Ersatzschulen im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht Leistungskontrollen am Maßstab des
allgemeinen Schulrechts)
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zu Art. 4 GG i.V.m. Art. 140 GG, Art. 7 Abs. 3 GG – Schutz von Glauben und Gewissen
• BVerfGE 24, 236 (245 f.) „Rumpelkammer“ – Grundrecht aus Art. 4 I GG steht auch religiös oder weltanschaulich motivierten Vereinigungen zu; dabei gewährleistet Art. 4 II GG
auch das Recht solcher Vereinigungen, Sammlungen für kirchliche oder religiöse Zwecke
zu veranstalten.
• BVerfGE 35, 366 ff. „Kreuze im Gerichtssaal“ – Abwehrrecht aus Art. 4 I GG (negative
Religionsfreiheit), vor Gericht „unter dem Kreuz“ verhandeln zu müssen. –> Rüfner, NJW
1974, 491 f.
• BVerfGE 70, 138 (162 ff.) „Loyalitätspflicht“ – Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG
i.V.m. Art. 137 III WeimRV) eröffnet den Kirchen die Freiheit darüber zu bestimmen, welche kirchlichen Dienste es in welcher Organisationsform geben soll. Auf privatautonome
Regelungen findet – wie auch sonst – das staatliche Arbeitsrecht Anwendung; bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten (etwa im Rahmen des Kündigungsschutzrechts) ist allerdings
das kirchliche Selbstverständnis über Dienstinhalte und Loyalitätspflichten der Mitarbeiter maßgeblich zu berücksichtigen. –> Rüthers, NJW 1986, 356 ff.
• BVerfGE 93, 1 (15 ff.) „Kruzifix im Klassenzimmer“ – Staatlich angeordnete Anbringung
eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen (Pflicht-)Schule verstößt gegen das Grundrecht des Schülers aus Art. 4 I GG (negative Religionsfreiheit) und gegen
die Verpflichtung zu Neutralität des Staates gegenüber den unterschiedlichen Religionen
und Bekenntnissen (sehr str.). –> Hufen, JuS 1996, 258 ff.
• BVerfGE 83, 341 (354 ff.) „Bahá’í“ – Art. 4 I und II GG garantiert die religiöse Vereinigungsfreiheit, also das Recht, sich aus einem gemeinsamen Glauben heraus zu einer Religionsgesellschaft zusammenzuschließen und zu organisieren. Dabei besteht zwar kein
Anspruch auf eine bestimmte Rechtsform; vom Grundrecht gewährleistet wird aber die
Möglichkeit einer irgendwie gearteten rechtlichen Existenz als Gesellschaft => verfassungskonforme Auslegung der zivilrechtlichen Korporationsformen, soweit diese auf die
konkrete Religionsgemeinschaft wegen deren Selbstverständnisses nicht „paßt“.
–> Schockenhoff, NJW 1992, 1013 ff.
• BVerfGE 104, 337 ff. „Schächten“ – Das betäubungslose Töten von Tieren im Zusammenhang mit religiösen Handlungen ist jedenfalls bei einem muslimischen Metzger mit entsprechender religiöser Grundhaltung an Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG zu messen;
der Betroffene hat daher – auch unter Berücksichtigung des Tierschutzes in Art. 20a GG –
grundsätzlich Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom generellen Verbot der Tötung lebender warmblütiger Tiere ohne vorherige Betäubung im TierschutzG –>
Häußler, JA 2002, 548 ff.; Neureither, JuS 2002, 1168 ff.; Pieroth, JuS 2002, 937 ff.; Sydow,
JURA 2002, 615 ff.
• BVerfGE 105, 279 ff. „Osho“ – Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützen nicht gegen kritische Äußerungen der Bundesregierung über religiöse Bewegungen und deren Glaubensinhalte, außer sie sind diffamierend oder diskriminierend oder sie enthalten eine verfälschende Darstellung der Sachlage –> Bethge, JURA 2003, 327 ff.; Cremer, JuS 2003, 747 ff.; Winkler,
JA 2003, 113 ff.
• BVerfGE 108, 282 „Kopftuch bei muslimischer Lehrerin“ – Zulassung zum Öffentlichen
Dienst ist unabhängig vom religiösen Bekenntnis und darf auch aus Gründen nicht verwehrt werden, die mit der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Glaubensfreiheit unvereinbar sind; das Tragen eines Kopftuchs bei Frauen muslimischen Glaubens ist – auch im
Staatsdienst – durch das Religionsgrundrecht geschützt, tritt dabei aber in Konflikt mit
dem Religionsgrundrecht der Schülerinnen und Schüler und dem elterlichen Erziehungsrecht, wobei keine Seite grundrechtlich absolut geschützt ist; Staat ist zwar zur Neutralität gegenüber allen Glaubensrichtungen verpflichtet, kann aber den Konflikt zwischen
Lehrerin, Schülern und Eltern in unterschiedlicher Weise entscheiden, etwa auch dadurch, daß er das Tragen des Kopftuchs im Unterricht gesetzlich verbietet. Letzteres setzt
wegen des Gesetzesvorbehalts allerdings eine formelles Gesetz, zu dem im Schulbereich
die Länder zuständig sind, voraus (–> Baer, JuS 2003, 1162 ff.; Battis, JZ 2004, 581 ff.).
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Außerdem darf der Gesetzgeber (so nunmehr BVerfG vom 17.1.2015 – 1 BvR 471/10) ein
Verbot des Tragens religiöser Symbole durch Lehrkräfte nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in der Schule für den Einzelfall
oder für bestimmte Schulen vorsehen.
BVerfGE 111, 1 ff. „Rechtsschutz gegen kirchliche Rechtsakte“ – die einfachgerichtliche
Judikatur, wonach gegen kirchliche Rechtsakte zwar der Rechtsweg zu den staatlichen
Gerichten eröffnet, der Umfang der Überprüfung jedoch durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beschränkt ist, begegnet nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken –> Goerlich, JZ 2004, 793 ff.
BVerfGE 123, 148 ff. „Jüdische Gemeinde Brandenburg“ – Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gibt
zwar keinen Anspruch von Religionsgemeinschaften auf staatliche Leistungen, verpflichtet
über das Gebot religiöser und weltanschaulicher Neutralität aber dazu, solche Leistungen
bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen allen Religionsgemeinschaften zukommen zu lassen bzw. bei Zuwendung an einen Empfänger (Dachverband) sicherzustellen, daß dieser
das Gebot gleicher bzw. angemessener Verteilung beachtet –> Sachs, JuS 2010, 469 ff.
BVerfGE 125, 39 ff. „Berliner Ladenöffnung“ – Art. 140 GG/139 WRV statuiert einen objektiven Schutzauftrag des Staates für die Sonn- und Feiertagsruhe, der über Art. 4 Abs. 1
und 2 GG grundrechtlich geschützt wird und von den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Anspruch genommen werden kann –> Muckel, JA 2010, 558 ff.; Wißmann, JURA
2011, 214 ff.
BVerwG, NVwZ 2012, 162 ff. „Islamisches Gebet in der Schule“ (Art. 4 Abs. 1 GG berechtigt Schüler islamischen Glaubens grundsätzlich zur Verrichtung des Gebets auch in der
Schule außerhalb der Unterrichtszeiten; diese Berechtigung kann allerdings zur Wahrung
des Schulfriedens eingeschränkt werden) –> Enders, JZ 2012, 363 ff.; Hufen, JuS 2012, 663
ff.; Muckel, JA 2012, 235 ff.; Rubin, JURA 2012, 718 ff.
zu Art. 4 Abs. 3 GG – Kriegsdienstverweigerung
• BVerfGE 12, 45 (53 ff.) „Kriegsdienstverweigerung“ – Gewissen i.S.v. Art. 4 III GG = jede
ernste, an „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die in einer bestimmten Lage als
innerlich so unbedingt verpflichtend erfahren wird, daß man gegen sie nicht ohne ernste
Gewissensnot entscheiden könnte. Geschützt werden soll dabei (nur) derjenige, der den
Kriegsdienst mit der Waffe schlechthin verweigert, nicht aber eine nur „situationsbedingte“ Kriegsdienstverweigerung (kein Dienst in bestimmten Kriegen oder unter bestimmten
Bedingungen).
• BVerfGE 69, 1 (21 ff., SV 57 ff.) „KDVNG“ – Begrenzter Schutzbereich des Art. 4 III GG
(s.a. Art. 12a I GG) verpflichtet den Gesetzgeber sicherzustellen, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender
Sicherheit angenommen werden kann, daß sie die inneren Voraussetzungen des Art. 4 III
1 GG erfüllen (so schon BVerfGE 48, 127 ff.; –> Mandelartz, JA 1978, 519 ff.). Eine „Gewissensüberprüfung“ kann dabei – anders als im früher vorgesehenen Anerkennungsverfahren mit mündlicher Anhörung – auch schriftlich „nach Aktenlage“ und damit ohne vollen
Beweis für eine echte Gewissensentscheidung erfolgen („Postkartenlösung“). Dies setzt
allerdings voraus, daß die für den Verweigerer vorgesehene Rechtsfolge: der zivile Ersatzdienst, nach Dauer und Ausgestaltung eine erschwerte Alternative darstellt, welche die
Gewissensentscheidung nach außen dokumentiert. Ein gegenüber dem Wehrdienst um ein
Drittel länger dauernder Zivildienst verstößt unter diesen Umständen nicht gegen Art.
12a II 2 GG (sehr zw.). –> Schoch, JURA 1985, 465 ff.
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C. Literatur:
Epping, Rn. 502–545, 295–373; Hufen, §§ 16, 23–24, 32; Ipsen, Rn. 308 – 348, 349 – 380; Pieroth/Schlink, Rn. 685–746, 541–588. Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht IV/1, § 100; s.a. die
Beiträge in: Isensee/Kirchhof (Hg.), StR VII, 2009, §§ 154–156, §§ 157–161
zu Art. 6 GG
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Benedict, Die Ehe unter dem besonderen Schutz der Verfassung, JZ 2013, 477 ff.
Coester-Waltjen, Art. 6 GG und die Familienautonomie, JURA 2009, 105 ff.
Franz/Günther, Grundfälle zu Art. 6 GG, JuS 2007, 626 ff., 716 ff.
Kingreen, Das Grundrecht von Ehe und Familie, JURA 1997, 401 ff.
Meissner, Familienschutz im Ausländerrecht, JURA 1993, 1 ff., 113 ff.
zu Art. 7 GG
– Blau, Bedeutung und Probleme der Privatschulfreiheit, JA 1994, 463 ff.
– Kramer, Grundfälle zu Art. 7 GG, JuS 2009, 1090 ff.
zu Art. 4 GG
– Britz, Der Einfluß christlicher Traditionen auf die Rechtsauslegung als verfassungsrechtliches Gleichheitsproblem?, JZ 2000, 1127 ff.
– Fehlau, Die Schranken der freien Religionsausübung, JuS 1993, 441 ff.
– Frenz, Die Religionsfreiheit, JA 2009, 493 ff.
– Kluth, Die Grundrechte des Art. 4 GG, JURA 1993, 137 ff.
– Magen, Grundfälle zu Art. 4 Abs. 3 GG, JuS 2009, 995 ff.
– Müller-Volbehr, Das Grundrecht der Religionsfreiheit und seine Schranken, DÖV 1995,
301 ff.
– Neureither, Grundfälle zu Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, JuS 2006, 1067 ff.; 2007, 20 ff.
– Pieroth/Görisch, Was ist eine Religionsgemeinschaft?, JuS 2002, 937 ff.
– Steiner, Der Grundrechtsschutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 I und II GG),
JuS 1982, 157 ff.
– Trute, Das Schächten von Tieren im Spannungsfeld von Tierschutz und Religionsausübungsfreiheit, JURA 1996, 462 ff.
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Arbeitsblatt zu § 8
Schutz durch und vor staatlichen Gerichten
Art. 19 Abs. 4 GG – Rechtsschutzgarantie
Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG – Recht auf den gesetzlichen Richter
Art. 103 Abs. 1 GG – Rechtliches Gehör
Art. 103 Abs. 2 GG – Keine Strafe ohne Gesetz
Art. 103 Abs. 3 GG – Verbot der Doppelbestrafung
A. Übersicht:
I. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG
II. Die Justizgrundrechte (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 GG)
B. Rechtsprechung:
zu Art. 19 Abs. 4 GG
• BVerfGE 24, 33 (48 ff.) „AKU“ – keine Rechtsweggarantie gegen den Gesetzgeber; „öffentliche Gewalt“ in Art. 19 Abs. 4 GG meint allein die Exekutive
• BVerfGE 25, 352 ff. „Gnadenakt“ – kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, daß Gnadenakte
– auch bei Ablehnung des Gnadengesuchs – nicht justitiabel und daher nicht auf Fehler
und inhaltliche Richtigkeit usw. überprüfbar sind (4:4-Entscheidung, sehr str.) –> Knemeyer, DÖV 1970, 121 ff.; von Olshausen, JZ 1974, 440 ff.
• BVerfGE 35, 382 (401 ff.) – Art. 19 Abs. 4 GG gilt auch für Ausländer, bei deren Ausweisung und Abschiebung zu berücksichtigen ist, daß dies den Betroffenen in seinem grundrechtlichen Rechtsschutzanspruch erheblich behindern kann –> Rittstieg, JZ 1974, 261 f.;
Schwabe, NJW 1974, 1043 f.
• BVerfGE 40, 237 (246 ff.) – keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG, wenn einzelne Verfahrensvoraussetzungen für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht durch
Gesetz, sondern durch Rechtsetzung der Verwaltung geregelt werden (sehr zw.) –> Schenke, DÖV 1977, 27 ff.; Schwabe, JuS 1977, 661 ff.
• BVerfGE 60, 253 (266 ff.) – Gebot effektiven Rechtsschutzes i.S.v. lückenlos tatsächlich
wirksamer gerichtlicher Kontrolle; Prozeßrecht muß also die umfassende Nachprüfung des
Streitgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ermöglichen, wobei von
Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur eine gerichtliche Instanz gefordert ist (kein Anspruch
auf Rechtszug, da kein Rechtsschutzanspruch gegen den Richter) –> Brodersen, JuS 1983,
216 f. — Inzwischen durch BVerfGE 107, 395 ff. (s.u. bei Art. 103 Abs. 1 GG) überholt,
wonach gegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Richter doch eine weitere
gerichtliche Instanz zur Verfügung stehen muß.
• BVerfGE 84, 34 (49 ff.); 84, 59 (77 ff.) „Multiple Choice“ / „Prüfungskontrolle“ – Prüfungsbescheide müssen verwaltungsgerichtlich nicht nur hinsichtlich des Prüfungsverfahrens
(einschl. Prüfungstechnik, z.B. Antwort mit multiple choice), sondern auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin überprüft werden, d.h. auch auf die Vertretbarkeit der jeweiligen
Lösung –> Gusy, JURA 1991, 633 ff.; Muckel, JuS 1992, 201 ff.
• BVerfGE 88, 40 (45 ff.) „Besonderes pädagogisches Interesse“ – Art. 19 Abs. 4 GG läßt
zwar kontrollreduzierte Beurteilungsspielräume der Verwaltung zu, fordert aber effekti-
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ven Rechtsschutz insoweit, als die Gerichte (notfalls mit Hilfe von Sachverständigen) bei
fachlichen Wertungen der Behörde jedenfalls deren Unrichtigkeit ausschließen können –>
Pieroth, JuS 1995, 780 ff.; Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 617 ff.
BVerfGE 94, 166 (189 ff.) „Flughafenverfahren“ – Gebot der Anpassung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes an die besonderen Bedingungen des Asyl(schnell)verfahrens;
auch bei Eilentscheidungen haben die Verwaltungsgerichte den Mindeststandard eines
fairen rechtsstaatlichen Verfahrens sicherzustellen; die Behörden haben dabei Vorkehrungen zu treffen, daß der Asylsuchende überhaupt gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann
–> Biermann, JURA 1997, 522 ff.
BVerfGE (Plenum) 107, 395 ff. „Anhörungsrüge“ – Art. 19 Abs. 4 GG fordert effektiven
Rechtsschutz auch gegen die Rechtsprechung; Verstöße gegen den Grundsatz rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) im fachgerichtlichen Verfahren sind von Verfassungs wegen
zunächst auf der fachgerichtlichen Ebene selbst zu korrigieren, bevor das BVerfG damit
befaßt wird. Hierzu hat der Gesetzgeber in den Prozeßordnungen entsprechende außerordentliche Rechtsbehelfe zur „Selbstkorrektur der Gerichte“ einzurichten –> Dörr, JURA
2004, 334 ff.; Sachs, JuS 2003, 914 ff.; Ulrici, JURA 2005, 368 ff.
BVerfGE 115, 81 ff. „Rechtsverordnung“ – Art. 19 Abs. 4 GG gebietet einfachgesetzlichen
Rechtsschutz auch gegen administrative Rechtsetzung (hier: Rechtsverordnung) durch die
Verwaltungsgerichte (z.B. mittels Feststellungsklage) –> Schenke, JZ 2006, 1004 ff.
BVerfGE 116, 135 ff. „Auftragsvergabe“ – kein Gebot des Rechtsschutzes in privatrechtlichen Rechtsverhältnissen aus Art. 19 Abs. 4 GG, auch wenn Vertragspartner eine staatliche Stelle ist, aber Justizgewährungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG –> Wollenschläger,
DVBl. 2007, 589 ff.
BVerfGE 129, 1 ff. „Investitionszulage“ (das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19
Abs. 4 GG fordert in verwaltungsgerichtlichen Verfahren von den Gerichten, daß behördliche Entscheidungen hinsichtlich der Auslegung und Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe in Gesetzen überprüft werden, solange und soweit der Gesetzgeber keine Bindung
der Gerichte an solche behördliche Entscheidungen anordnet; eine solche Freistellung der
Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf immer eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes) –>
Sachs, JuS 2012, 189 ff.
zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
• BVerfGE 17, 294 (298 ff.); 19, 52 (56 ff.); 95, 322 (327 ff.) – Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters fordert vom Gesetzgeber und von der Justizverwaltung eine klare und eindeutige Regelung der Geschäftsverteilung innerhalb der Gerichte; die Regelungen müssen
so eindeutig wie möglich bestimmen, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind; dabei ist im Fall einer zulässigen Überbesetzung
die Zuständigkeit des jeweils konkret mitwirkenden Richters zu regeln
• BVerfGE 40, 268 (270 ff.) – Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbietet die Teilnahme eines Richters an der Entscheidung über die Aufhebung eines Akts der Exekutive, an dem er bereits
mitgewirkt hat
• BVerfGE 75, 223 (233 ff.); 82, 159 (192 ff.); 87, 282 (284 ff.) – Es verstößt gegen Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG, wenn der gesetzlich zur Vorlage eines Verfahrens an ein anderes Gericht
verpflichtete Richter die Vorlage unterläßt, obwohl sich ihm deren Notwendigkeit aufdrängt; dies gilt auch für Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG und für Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV (so zuletzt BVerfG [K], NJW 2010, 1268 ff. –> Muckel, JA
2010, 674 ff.)
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zu Art. 103 Abs. 1 GG
• BVerfGE 9, 89 (94 ff.) – Art. 103 Abs. 1 GG gebietet zumindest die nachträgliche Anhörung
des Betroffenen, wenn einer vorherigen Anhörung Rechtsgründe entgegenstehen
• BVerfGE 52, 203 (206 ff.) – Anspruch auf rechtliches Gehör verbietet eine unzumutbare
Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten; dabei hat der Betroffene das Recht, die ihm
vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszuschöpfen
• BVerfGE 75, 302 (312 ff.) – Zurückweisung verspäteten Vorbringens im Prozeß ist zwar
mit Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar, darf aber nicht erfolgen, wenn die andernfalls eintretende Verfahrensverzögerung auch bei einem rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre.
• BVerfGE 86, 133 (144 ff.) – Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet auch das Recht,
sich zur Rechtslage – und nicht nur zu den entscheidungserheblichen Tatsachen – zu äußern, gibt aber keinen Anspruch auf eine inhaltlich richtige Entscheidung. Das Gericht
verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen
Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein kundiger Prozeßbeteiligter nicht rechnen mußte.
• BVerfGE 107, 395 (401 ff.) – Art. 103 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, im Prozeßrecht
für die Fachgerichte Abhilfemöglichkeiten für den Fall vorzusehen, daß das Fachgericht in
entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt –> Kley,
DVBl. 2003, 1160 ff.; Voßkuhle, NJW 2003, 2193 ff.
zu Art. 103 Abs. 2 GG
• BVerfGE 14, 174 (185 ff.) – Strafvorschriften dürfen auch in Rechtsverordnungen enthalten sein – also kein formeller Gesetzesvorbehalt –; der Gesetzgeber muß aber die Ermächtigung zur Strafandrohung im Gesetz unzweideutig aussprechen und dabei Inhalt, Zweck
und Ausmaß der Strafbarkeit (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) hinreichend bestimmt regeln,
so daß auch die Art der Strafe für den Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung
und nicht erst aus der Verordnung ersichtlich ist.
• BVerfGE 73, 206 (230 ff.); 92, 1 (11 ff.) „Sitzblockaden“ – Gebot gesetzlicher Bestimmtheit
im Strafrecht ist verletzt, wenn Tatbestandsmerkmale – hier: „Gewalt“ in § 240 StGB –
von den Gerichten erweiternd ausgelegt werden, so daß sich nicht mehr mit ausreichender
Sicherheit vorhersehen läßt, ob das Verhalten des Bürgers strafbar oder straflos ist.
• BVerfGE 95, 96 (127 ff.) „Mauerschützen“ – Rückwirkungsverbot in Art. 103 Abs. 2 GG gilt
zwar grundsätzlich absolut, ist aber in der besonderen Vertrauensgrundlage der Grundrechte und des demokratisch und rechtsstaatlich gebundenen Gesetzgebers verankert; an
dieser Vertrauensgrundlage fehlt es, wenn der jeweilige Träger der Staatsmacht (hier:
DDR) für schwerstes kriminelles Unrecht die Strafbarkeit durch Rechtfertigungsgründe
ausschließt und dadurch die allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender
Weise mißachtet –> Arnold, JuS 1997, 400 ff.; Kluth, JA 1998, 102 ff.; Sachs, JuS 1997,
749 ff.
zu Art. 103 Abs. 3 GG
• BVerfGE 3, 248 (250 ff.); 56, 22 (31 f.) – Verbot der Doppelbestrafung setzt voraus, daß es
sich um dieselbe Tat handelt; dies ist dann der Fall, wenn ein bestimmter Lebensvorgang
nach natürlicher Auffassung einheitlich zu bewerten ist. Auf die rechtliche Bewertung
kommt es nicht an, auch wenn später erschwerende Umstände hinzutreten.
• BVerfGE 65, 377 (380 ff.) – Einer erneuten Strafverfolgung steht nicht nur ein früheres
Urteil, sondern auch ein früherer Strafbefehl entgegen.
– 48 –
C. Literatur:
Epping, Rn. 911–985; Hufen, § 21; Ipsen, Rn. 825–890; Pieroth/Schlink, Rn. 1156–1221. Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht IV/2, § 123 I–IX; s.a. die Beiträge in: Isensee/Kirchhof (Hg.),
HStR VIII, 3. Aufl. 2010, §§ 176–179
zu Art. 19 Abs. 4 GG
–
–
–
–
Bickenbach, Grundfälle zu Art. 19 IV GG, JuS 2007, 813 ff., 910 ff.
Lorenz, Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, JURA 1983, 393 ff.
Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV GG als Teil des Rechtsstaatsprinzips, NVwZ 1983, 1 ff.
Schmidt-Jortzig, Effektiver Rechtsschutz als Kernstück des Rechtsstaatsprinzips nach
dem Grundgesetz, NJW 1994, 2569 ff.
– Schroeder, Die Justizgrundrechte des Grundgesetzes, JA 2010, 167 ff.
zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
– Britz, Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter in der Rechtsprechung des BVerfG, JA
2001, 573 ff.
– Otto, Grundfälle zu den Justizgrundrechten (Art. 101 I 2 GG), JuS 2012, 21 ff.
– Pechstein, Der gesetzliche Richter, JURA 1998, 197 ff.
zu Art. 103 Abs. 1 GG
– Gusy, Rechtliches Gehör durch abwesende Richter?, JuS 1990, 712 ff.
– Otto, Grundfälle zu den Justizgrundrechten (Art. 103 I GG), JuS 2012, 412 ff.
– Voßkuhle, Bruch mit einem Dogma, die Verfassung garantiert Rechtsschutz gegen den
Richter, NJW 2003, 2193 ff.
zu Art. 103 Abs. 2 und 3 GG
– Brodowski, Grundfälle zu den Justizgrundrehcten (Art. 103 II, III GG), JuS 2012, 892 ff.
– 49 –
Arbeitsblatt zu § 9
Gleichbehandlung und Gleichberechtigung
Art. 3 Abs. 1 GG – Der allgemeine Gleichheitssatz
Art. 3 Abs. 3 GG – Besondere Differenzierungsverbote
Art. 6 Abs. 5, 33 Abs. 2 GG – Besondere Gleichbehandlungsgebote
Art. 3 Abs. 2 GG – Gleichberechtigung von Mann und Frau
A. Übersicht:
I. Der allgemeine Gleichheitssatz: Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot
II. Die besonderen Differenzierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG
III. Die besonderen Gleichheitsrechte (Art. 6 Abs. 5, 33 Abs. 2 GG)
IV. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG)
B. Rechtsprechung:
zu Art. 3 Abs. 1 GG – allgemeiner Gleichheitssatz
• BVerfGE 4, 7 (18 f.) „Investitionshilfe“ – Art. 3 Abs. 1 GG gibt dem Gesetzgeber einen breiten Ermessensspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn sich ein vernünftiger, aus
der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die unterschiedliche Behandlung zweier gleicher Sachverhalte nicht finden läßt (= Willkürverbot
[alte Formel], so schon E 1, 14 [52]; im Unterschied zum strengen, formalen Gleichheitssatz im Bereich des Wahlrechts; vgl. früher schon E 1, 208 ff.). Das BVerfG ist auch nicht
befugt, Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob sie zweckmäßig sind.
• BVerfGE 18, 85 (96 f.) „Spezifisches Verfassungsrecht“ – Eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende
Willkürentscheidung ist nicht schon dann gegeben, wenn die Rechtsanwendung oder das
eingeschlagene (Verwaltungs- oder Gerichts-)Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen
muß vielmehr, daß Rechtsanwendung und Verfahren bei einer verständigen Würdigung
der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken (z.B. Rechtsstaatsprinzip, Willkürverbot)
nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden (z.B. vorgeschobenen) Erwägungen beruhen.
• BVerfGE 74, 102 (127); 86, 59 (62 f.) – Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Gerichtsentscheidung ihrem Inhalt nach bei einer verständigen Würdigung der Sach- und Rechtslage
(s.o.) nicht mehr nachvollziehbar und deshalb schlicht willkürlich ist => allgemeine Gerechtigkeitskontrolle ohne ausdrückliche Bildung eines Vergleichspaars (Heranziehen
einer fiktiven „richtigen“ Entscheidung) –> Rennert, NJW 1991, 12 ff.
• BVerfGE 82, 60 (86 ff.) „Steuerfreies Existenzminimum“ – Der allgemeine Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche
– 50 –
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Behandlung rechtfertigen können (= Willkürverbot [neue Formel des 1. Senats], so schon
E 55, 72 [88] „Vereinfachungsnovelle ZPO“). –> Ruland, JuS 1991, 161 ff.
BVerfGE 90, 145 (195 ff.) „Cannabis“ – Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, die er im Rechtssinn als gleich ansehen will.
Der Gesetzgeber muß seine Auswahl allerdings sachgerecht treffen; was dabei sachlich
vertretbar oder sachfremd ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern
immer nur in bezug auf die Eigenart des konkret geregelten Sachbereichs. –> Gusy, JZ
1994, 863 f.; Sachs, JuS 1994, 1067 ff. Dazu die beiden nachfolgenden Beispiele:
BVerfGE 97, 332 (344 ff.) „Kindergartengebühren“ – Kindergartengebühren dürfen nach
der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern abgestuft werden => kein Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz; dagegen BVerfGE 96, 315 (325 ff.) „Wohngeld bei Begleitstudium“ – Ausschluß von Wohngeld bei Berufstätigen, die neben der Arbeit ein Studium
absolvieren, benachteiligt diese Personengruppe gegenüber „normalen“ Erwerbstätigen,
die nicht berufsbegleitend studieren (Vergleichsgruppe hier nicht: „normale Studierende“,
die ebenfalls nicht wohngeldberechtigt sind); hierfür ist kein sachgerechter Grund ersichtlich => Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. –> Brodersen, JuS 1999, 89 f.
BVerfGE 111, 160 ff. und 176 ff. „Kindergeld für Ausländer“ – eine Ungleichbehandlung
von Ausländern beim Kindergeld nach dem jeweiligen Aufenthaltsstatus ist mit Art. 3
Abs. 1 GG nicht vereinbar, zumal Art. 6 Abs. 1 GG keine Beschränkung auf Deutsche enthält. Ebenso BVerfGE 132, 72 „Elterngeld für Ausländer“.
BVerfGE 130, 131 ff. „Passivraucherschutzgesetz Hamburg“ – Beschränkung einer Ausnahmeregelung vom generellen Nichtraucherschutz durch Zulassung abgeschlossener
Raucherräume nur für Schankwirtschaften, nicht aber für Speisewirtschaften verletzt
Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG –> Muckel, JA 2012, 556 ff.
BVerfGE 131, 239 ff. „Familienzuschlag bei Lebenspartnerschaften“; BVerfGE 132, 179 ff.
„Grunderwerbssteuer bei Lebenspartnerschaften“ –> Muckel, JA 2012, 877 ff.; BVerfGE
133, 377 ff. „Ehegattensplitting bei Lebenspartnerschaften“ – die benachteiligende Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenpartnerschaften gegenüber Ehen im Rahmen
der Grunderwerbssteuer, des Familienzuschlags im Beamtenbesoldungsrecht und im Einkommensteuerrecht verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da das grundrechtliche Schutzgebot
aus Art. 6 Abs. 1 GG hierfür keinen sachlichen Grund darstellt.
zu Art. 3 Abs. 3 und 2 GG – Gleichberechtigung
• BVerfGE 85, 191 (206 ff.) „Nachtarbeitsverbot“ – Art. 3 Abs. 3 GG verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz dahingehend, daß bestimmte Merkmale nicht als Anknüpfungspunkt
für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden dürfen. Gegenüber Art. 3
Abs. 2 GG enthält Abs. 3 (nur) ein Diskriminierungsverbot, während Abs. 2 ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Realität erstreckt.
Geht es wie hier nicht um die Angleichung (tatsächlicher) Verhältnisse, sondern um die
Beseitigung bestehender rechtlicher Ungleichbehandlung, ist Abs. 3 einschlägig. Allerdings verstößt nicht jede Ungleichbehandlung, die an das Geschlecht anknüpft, gegen Art.
3 Abs. 3 GG; differenzierende Lösungen können zulässig sein, soweit sie zur Lösung der
jeweiligen Probleme zwingend erforderlich sind (hier beim Nachtarbeitsverbot für Frauen:
verneint). –> Rozek, BayVBl. 1993, 646 ff.
• BVerfGE 92, 91 (109 ff.) „Feuerwehrabgabe“ – Weder vorgegebene biologische noch arbeitsteilig funktionale Unterschiede zwischen Mann und Frau können eine Feuerwehrabgabe ausschließlich für männliche Gemeindeeinwohner – als Ausgleich für die Nichtheranziehung zur Feuerwehrdienstpflicht – rechtfertigen => Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG
(a.A. noch E 13, 167 ff.). –> Winkler, JA 1996, 13 ff.; s.a. Bleckmann, EuGRZ 1995, 387 ff.
– 51 –
• BVerfGE 96, 288 (301 ff.) „Sonderschulzuweisung“ – ‚Behinderung‘ in Art. 3 Abs. 3 Satz 2
GG ist nicht nur ein bloßes „Anderssein“, sondern eine Eigenschaft (i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1
Schwerbehindertengesetz: Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand
beruht), welche die Lebensführung für den Betroffenen im Verhältnis zum Nichtbehinderten grundsätzlich schwieriger macht. Eine Benachteiligung kann dabei grundsätzlich auch
beim Ausschluß des Behinderten von einer bestimmten Betätigungsmöglichkeit gegeben
sein, wenn dies nicht durch eine entsprechende Fördermaßnahme hinlänglich kompensiert
wird. An solche Behinderungen anknüpfende Benachteiligungen verbietet Art. 3 Abs. 3
Satz 2 GG; entsprechende Bevorzugungen sind dagegen erlaubt, allerdings nicht von dieser Vorschrift geboten. –> Muckel, JA 1998, 638 ff.
• BVerfGE 130, 240 ff. „Landeserziehungsgeld Bayern“ – Eine Differenzierung bei freiwilligen Sozialleistungen nach der Staatsangehörigkeit der Empfänger unterfällt nicht Art. 3
Abs. 3 GG, sondern dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1, der eine solche
Unterscheidung zwar grundsätzlich erlaubt, aber hierfür einen sachlichen Grund voraussetzt [der vorliegend nicht gegeben war]); –> Sachs, JuS 2013, 89 ff.
zu Art. 6 Abs. 5 GG
• BVerfGE 8, 210 (216 ff.) „Nichtehelichengleichbehandlung“ – Art. 6 Abs. 5 GG enthält
einen bindenden Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, der verletzt wird, falls er nicht
in angemessener Frist erfüllt wird. Zugleich ist die Norm Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung, die Gerichte und Verwaltung im Rahmen der geltenden
Gesetze in ihrem Ermessen bindet. Beispiele hierfür:
• BVerfGE 74, 33 (38 ff.) „Erbrecht“ – Die Beschränkung eines gesetzlichen Erbrechts oder
Erbersatzanspruchs für ein nichteheliches Kind auf die Fälle, daß beim Tod des Vaters
(Erblassers) die Vaterschaft anerkannt, rechtskräftig festgestellt oder das gerichtliche
Verfahren anhängig war, ist mit Art. 6 Abs. 5 GG nicht vereinbar. –> Pielsticker, JA 1987,
380 ff.
• BVerfGE 84, 168 (184 ff.) „Gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge“ – Die Vorenthaltung der elterlichen Sorge bei Vätern nichtehelicher Kinder, die mit der Mutter eheähnlich
zusammenleben und das Kind mit ihr gemeinsam betreuen, verstößt gegen Art. 6 Abs. 5
GG. –> Hohloch, JuS 1991, 1055 ff.
zu Art. 3 Abs. 2 GG – Gleichberechtigung
• BVerfGE 6, 55 (82) „Steuersplitting“ – Zur Gleichberechtigung gehört auch, daß die Frau
die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen ein marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Bürger. Entgegenstehende Edukationseffekte des
Gesetzgebers („die Ehefrau ins Haus zurückzuführen“) sind mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar.
• BVerfGE 52, 369 (374 ff.) „Hausarbeitstag“; 74, 163 (178 ff.) „Rentenalter“ – Eine Differenzierung nach dem Geschlecht ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn im Hinblick auf die
objektiven biologischen (z.B. Schwangerschaftsurlaub) oder funktionalen (arbeitsteiligen)
Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses eine besondere Regelung
erlaubt oder gar geboten ist (beim „Hausarbeitstag“: verneint, beim früheren „Rentenalter“: bejaht). –> (auch zu Tenor und Folgen der Entscheidung) Sachs, NVwZ 1982, 657 ff.
(zu E 52, 369); Plagemann, JA 1987, 653 ff. (zu E 74, 163).
– 52 –
C. Literatur:
Epping, Rn. 765–861; Hufen, §§ 39–40; Ipsen, Rn. 747 – 824; Pieroth/Schlink, Rn. 459 – 540.
Einzelheiten bei Stern, Staatsrecht IV/2, §§ 120 ff.; s.a. die Beiträge in: Isensee/Kirchhof
(Hg.), HStR VIII, 3. Aufl. 2010, §§ 181–183
zu Art. 3 Abs. 1 GG
– Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, 945 ff.
– Blome, Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) – ein ordentliches Grundrecht!, JA
2011, 486 ff.
– Brüning, Die gutachtliche Prüfung von Gleichheitsgrundrechten, JA 2001, 611 ff.; ders.,
Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit, JZ 2001, 669 ff.
– Bryde/Kleindiek, Der allgemeine Gleichheitssatz, JURA 1999, 36 ff.
– Gentsch, Grundrechtliche Gleichheitsgebote, ZJS 2010, 596 ff.
– Huster, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JZ 1994, 541 ff.
– Möckel, Der Gleichheitsgrundsatz – Vorschlag für eine dogmatische Weiterentwicklung,
DVBl. 2003, 488 ff.
– Odendahl, Der allgemeine Gleichheitssatz: Willkürverbot und „neue Formel“ als Prüfungsmaßstäbe, JA 2000, 170 ff.
– Scherzberg, Die Prüfung des Gleichheitssatzes in der Verfassungsbeschwerde, JA 2004,
137 ff.
– Schwarz, Grundfälle zu Art. 3 GG, JuS 2009, 315 ff., 417 ff.
zu Art. 6 Abs. 5, 33 II GG
– Schumann, Das Nichtehelichenrecht, JuS 1996, 506 ff.
zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG – Gleichberechtigung
– Hofmann, Das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 II GG, JuS 1988, 249 ff.
– Welti, Rechtsgleichheit und Gleichstellung von Männern und Frauen, JA 2004, 310 ff.