Jahresbericht 2014

FRANKA e.V.
WEGE AUS DER GEWALT
FÖRDERN
FRANKA
Schutz für Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind
Jahresbericht 2014
Die Geschichte von Natalia
Im Beratungsgespräch suchen wir gemeinsam nach einem Ausweg …
Natalia ist eine 32-jährige Bulgarin. Sie
hat einen kleinen Sohn zu versorgen,
der bei ihrer Mutter lebt. Natalia spricht
kein Deutsch. Wenn FRANKA Natalia
besucht, kommt immer eine Übersetzerin mit. Natalia erzählt, dass sie in
einem Kleinbus mit anderen Frauen nach
Deutschland gebracht wurde. Ihr war
klar, dass sie hier als Prostituierte arbeiten sollte. Man hat ihr gute Verdienste
versprochen und mit dem verdienten
Lohn wollte sie ihre Familie unterstützen.
Für die Reise und die Vermittlung nach
Deutschland sollte sie 30% ihrer Einnahmen an den Zuhälter abführen. Für das
Zimmer, in dem sie leben und auch die
Freier empfangen würde, sollte sie 75,Euro am Tag zahlen.
Natalia war sehr mutig. Nach mehreren
Wochen Leben und Arbeiten in Deutschland ist sie aus ihrer Wohnung mit der
Hilfe einer Bekannten geflohen, als ihr
Zuhälter gerade unterwegs war.
Bei der Polizei berichtet sie, dass sie
vom Zuhälter bedroht und vergewaltigt
wurde. Außerdem habe er ihr alles Geld
weggenommen. Auch mit ihrer Familie
durfte sie nicht telefonieren. Wenn sie
sich gewehrt hat, wurde sie geschlagen.
Sie musste alle Freierwünsche bedienen, viele Freier wollen kein Kondom
benutzen. Nun hat Natalia Angst vor
einer ansteckenden Krankheit oder einer
Schwangerschaft.
FRANKA vermittelt ihr zunächst eine
sichere Unterkunft außerhalb der Gefahrenzone. Dort muss sie notärztlich
versorgt werden, weil sie schmerzhafte
Entzündungen an den Zähnen hat. Sie
hat keine Krankenversicherung, d.h.
ohne zusätzliche Unterstützung von
FRANKA wäre eine schnelle Behandlung
wohl nicht möglich. Für die richterliche
Vernehmung hat FRANKA eine Rechtsanwältin engagieren können, die Natalia
begleitet.
FRANKA kann eine zeitnahe Heimreise
per Bus für Natalia organisieren. Sie
möchte so schnell wie möglich zurück zu
ihrem Kind. In ihrer Heimatstadt wird sie
von einer bulgarischen Hilfsorganisation
in Empfang genommen.
Seit 2000 setzt sich FRANKA in Nordhessen und in Osthessen für Frauen
ein, die Opfer von Menschenhandel
geworden sind. Der Name FRANKA
steht für FRAuen Nothilfe KAssel.
Es gibt die FRANKA Fachberatung
im Diakonischen Werk Kassel. Zwei
Sozialarbeiterinnen beraten und begleiten die betroffenen Frauen. Und es
gibt den Förderverein FRANKA e.V. –
WEGE AUS DER GEWALT FÖRDERN.
Durch Öffentlichkeitsarbeit, politische
Arbeit und finanzielle Förderung
unterstützt der Verein die Arbeit der
Fachberatungsstelle. Dieser Bericht
gibt einen Einblick in die Besonderheiten der Arbeit im Jahr 2014.
Frauen und
ihre Kinder
Die FRANKA Fachberatung hat 2014
sechs schwangere Frauen betreut, außerdem auch vier Frauen mit sieben Kindern.
Bei der Betreuung einer Klientin mit Kindern geht es neben den Bedürfnissen der
Mütter immer auch um das Kindeswohl.
Dies ist bei der Unterbringung, aber auch
bei vielen anderen Schritten zu beachten
und bedeutet zusätzliche Arbeit. So dauert ein Beratungsgespräch oft doppelt so
lange, wenn gleichzeitig ein kleines Kind
zu versorgen ist und Aufmerksamkeit
einfordert. Häufig fehlt es den Kindern
an ausreichend Kleidung und Hygieneartikeln. Kinder können ebenfalls traumatisiert sein und Verhaltensauffälligkeiten
zeigen (z.B. Einnässen, Zerstörungswut,
Verlustängste). Es gibt Schwierigkeiten
bei der medizinischen Versorgung ohne
(dokumentierten) Krankenversicherungsschutz, nicht nur für die Mütter sondern
auch für die Kinder.
Statistik
2014 hat die FRANKA Fachberatung
insgesamt 34 von Menschenhandel
betroffene Frauen betreut und sieben
Kinder. Es wurden 15 Bulgarinnen,
vier Rumäninnen, drei Deutsche, zwei
Ungarinnen, eine Polin und eine Spanierin beraten. Des Weiteren wurden
acht Personen aus Drittstaaten betreut.
Knapp 50% der Klientinnen waren unter
25 Jahren, zwei waren noch minderjährig. Die meisten Kontakte wurden durch
die Polizei (12 Betroffene) und durch
Frauenhäuser (10 Betroffene) vermittelt,
alle weiteren Kontakte kamen durch andere Beratungsstellen oder Krankenhäuser zustande. 19 Klientinnen haben eine
Aussage bei der Polizei gemacht, fünf
davon wurden richterlich vernommen.
2014 gab es in Kassel kein einziges
Menschenhandels-Verfahren. Verfahren
wurden eingestellt, weil die potentiellen
Zeuginnen ausgereist waren oder sie
galten als unglaubwürdig, Aussagen
wurden zurückgenommen, TäterInnen
konnten nicht ermittelt werden u.a.m. Ein
Rückgang ist bei der Zahl der Betroffenen von Arbeitsausbeutung gegenüber
dem Vorjahr zu verzeichnen.
Die Folgen
steigender
Flüchtlingszahlen
Das Thema Asyl und Menschenhandel
wurde auf dem Vernetzungstreffen des
Bundesweiten Koordinierungskreises
gegen Menschenhandel e. V. (KOK) im
November 2014 diskutiert. Angesichts
steigender Flüchtlingszahlen ist zu erwarten, dass auch die FRANKA Fachberatung sich zukünftig stärker mit dem
Thema „Asyl und Frauenhandel“ auseinandersetzen muss. Darum wurde ein
Kooperationsgespräch mit der Sonderbeauftragten für Opfer von Menschenhandel (Asyl) in Gießen geführt.
Anzahl Klientinnen im Jahr:
23 24 24 34 34 16 13 19 21 23 42 31 34
40
35
30
25
20
15
10
5
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
zusätzlich Kinder von Klientinnen 6 7
Verdacht auf Menschenhandel im Bereich von:
30
25
20
15
10
5
(Verdacht auf bzw. Bedrohung des)
Menschenhandel im Bereich von:
MH/S, sexuelle Ausbeutung
nach § 232 STGB
MH/A, Ausbeutung der Arbeitskraft
nach § 233 STGB
MH/S und MH/A, sowohl sexuelle,
als auch Arbeitsausbeutung
2012 2013 2014
Thema Unterkünfte ist dringend
Nach wie vor steht die FRANKA vor der
Herausforderung, geeignete Unterkünfte
für Klientinnen zu finden. Zum einen sind
manchmal alle Plätze in den Frauenhäusern belegt. Zum anderen verlangen
manche Schutzhäuser, dass Betroffene
persönlich anrufen und in der Lage sind,
sich verständlich auf Deutsch zu äußern.
Hierzu sind ausländische Betroffene des
Menschenhandels in der Regel nicht
in der Lage. In Hessen gibt es leider
keine spezialisierte Unterkunft für Opfer
von Menschenhandel. Mit dem Thema
Unterbringung hat sich auch bereits der
Arbeitskreis Runder Tisch gegen Menschenhandel/Frauenhandel Nordhessen
in Kassel befasst.
Das Prostitutionsgesetz
2002 entschied der Gesetzgeber, dass
der Lohn von Prostituierten nicht mehr
als sittenwidrig zu beurteilen ist und
liberalisierte das Prostitutionsgewerbe
vollkommen. Dies führte in der Folge zu
menschenunwürdigen Geschäftsmodellen wie Flatrate-Sex und Gang-BangPartys. Deutschland wurde ein überaus
attraktiver Standort für das Prostitutionsgewerbe, da für die Führung eines
Bordells noch nicht einmal eine Erlaubnis
von Nöten ist. Eingriffsmöglichkeiten bestehen lediglich im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit
den Straftaten des Menschenhandels.
Es wurde vielfach die Auffassung vertreten, dass dieses Gesetz Deutschland
zum Bordell Europas gemacht hat und
hierdurch auch den Menschenhandel
befördert.
Um Abhilfe zu schaffen soll das Gesetz
überarbeitet werden. Neben der Reform
sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Zwangsprostitution geplant.
In einer Anhörung von Experten aus
unterschiedlichsten Kreisen wurden die
sehr gegensätzlichen Auffassungen über
Gesetzesziele und Mittel der Umsetzung
deutlich. Schutz vor Zwangsprostitution
und das Verständnis von Prostitution als
Dienstleistung, deren Ausübende nicht
stigmatisiert werden dürfen, lassen sich
angesichts der Umstände in den Milieus,
in denen Prostitution angeboten wird,
schwerlich unter einen Hut bringen.
Schwerpunkte in der Auseinandersetzung sind das Verbot der Prostitution
unter 21 Jahren, die Meldepflicht vor Ort,
die Beratungspflicht zur Gesundheit, die
Kondompflicht und die konkrete Ausgestaltung der Erlaubnis der Prostitutionsstätten.
Um einen Schutz effektiv zu gestalten,
sind Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten notwendig und sollten nicht als
Diskriminierung oder Eingriff in die Berufsfreiheit verstanden werden. Zwangsprostitution kann nur bekämpft werden,
wenn Instrumente hierfür vorhanden
sind.
Der Name ist Programm
Perspektiwa
Seit 2002 gibt es das Projekt »Perspektiwa» in Gomel/Weißrussland. Nach
dem Fall des eisernen Vorhangs waren
auch dort viele junge Menschen für die
Verführungen der Versprechen auf eine
bessere Lebenschance in Westeuropa
empfänglich. Besonders Kinder, die unter
den Auswirkungen der Tschernobylkatasprophe zu leiden, und die in Deutschland
freundliche Menschen bei Ferienaufenthalten kennen gelernt hatten, waren in
dieser Gefahr.
Aus einem Kontakt der Kasseler Gruppe „Frauen nach Tschernobyl“ ist vor
12 Jahren die Gründung des Projekts
PERSPEKTIWA im Programm des
Frauenbundes der Stadt Gomel entstanden. Perspektiwa war zunächst gefördert
vom Diakonischen Werk in Kurhessen
Waldeck. Seit drei Jahren gewährleistet
Franka e.V. das Projekt, weil Perspektiwa eine Initiative darstellt, der Gefahr
des Menschenhandels präventiv zu
begegnen.
Dem Einsatz in Schulklassen und
Ferienlagern in der gesamten Region,
besonders auf den Dörfern gilt das
Engagement von Walentina Woitik. Mit
Erzähltalent und großer Unterrichtserfahrung gewinnt sie die Schülerinnn und
auch Schüler als aufmerksame Zuhörer
und Teilnehmerinnen an den Kursen.
Sie berichtet uns regelmäßig und weist
durch Statistiken die Reichweite ihrer
Arbeit nach.
Durch den guten Kontakt zu den Schulen
und in Sommerlagern erreicht sie seit
nunmehr 12 Jahren Jahr für Jahr mehr
als 2.000 junge Menschen.
Wir möchten mit diesem Projekt dazu
beitragen, dass Mädchen/junge Frauen
realistische Perspektiven für ihr Leben
entwickeln.
Das ist Walentina Woitik. Sie hat
es sich als Lehrerin, jetzt im Ruhestand, zur Aufgabe gemacht, an
den Schulen in ihrer Heimatstadt
und in der Region Gomel/Weißrussland über das Problem des Menschenhandels aufzuklären.
Gottesdienst in der Karlskirche in Kassel am 7. Dezember 2014
Menschenrechte sind Frauenrechte
Wenige Tage vor dem Tag der Menschenrechte am 2. Adventssonntag
2014 hatte FRANKA in die Karlskirche
in Kassel zu einem festlichen Gottesdienst eingeladen. In dem gut gefüllten
Kirchenraum stimmten Mitarbeiterinnen
und Freunde von FRANKA die Gemeinde durch Zitate und Meldungen aus den
vergangenen zwei Jahrhunderten auf die
Thematik der Frauenrechte ein.
Die Kasseler Pröpstin Katrin WienoldHocke hatte in ihrer Predigt das Beispiel einer unermüdlichen Anwältin für
Gerechtigkeit, das Gleichnis der beharrlichen Witwe und dem ungerechten Rich-
ter (Lukasevangelium Kapitel 18), zum
Ausgangspunkt ihrer Ansprache gewählt.
Sie führte aus:
„Ängstliche, machtlose Frauen werden ermutigt. Lasst nicht nach, sagt er
(Jesus) ihnen, und damit denen, die sie
unterstützen. Organisationen wie FRANKA, die für die Menschenrechte von
Frauen arbeiten.“ Die Pröpstin ermutigte
die Gemeinde: „Setzt eure Fantasie ein,
.... verblüfft die Mächtigen, ihr habt mehr
Möglichkeiten, als der erste Eindruck
vermuten lässt, um Gottes willen. Vor allem: gebt nicht gleich auf!“ Der biblische
Text war zuvor in Form einer szenischen
Lesung vorgestellt worden.
Für die musikalische Gestaltung des
Festgottesdienstes sowie die Begleitung des Gemeindegesanges waren
die Saxophonistin Kerstin Röhn und
der Kantor Martin Forciniti an der Orgel
verantwortlich. Nach dem Gottesdienst
nutzten viele Gäste die Einladung zum
Gespräch über die Arbeit von FRANKA
und bestärkten die Mitarbeiterinnen in
ihrem Engagement.
Die vollständigen Texte des Gottesdienstes sind unter www.franka-kassel.de
nachzulesen.
Kontakt
FRANKA e.V.
WEGE AUS DER GEWALT
FÖRDERN
Hermannstr. 6 · 34117 Kassel
Telefon: (05 61) 7 12 88 35
Mobil: (01 60) 92 79 87 72
[email protected]
www.franka-kassel.de
FRANKA e.V.
WEGE AUS DER GEWALT
FÖRDERN
Dank
Die Arbeit von FRANKA zielt darauf, die Stärken und Ressourcen der Frauen zu aktivieren, die Gewalt in der Prostitution erfahren. Die Frauen sollen ihr Leben wieder selbst
in die Hand nehmen. Die Hilfe umfasst professionelles
Begleiten und konkrete Hilfestellungen. Darüber hinaus ist
Vernetzung, politisches Agieren und Öffentlichkeitsarbeit
gefragt, um die Situation der Frauen bewusst zu machen
und grundsätzlich zu verbessern. Finanzielle Unterstützung ist dabei genauso wichtig wie das Engagement von
Menschen in Kirche, Diakonie und Gesellschaft.
Unser Dank gilt allen, die mit FRANKA zusammenarbeiten und FRANKA bei diesen Zielen unterstützen.
FRANKA e.V. konnte
die Arbeit der FRANKA
Fachberatung im Diakonischen Werk Kassel im
Jahr 2014 mit 17.700
Euro unterstützen.
Dazu haben viele Spenderinnen und Spender
sowie Kirchengemeinden und Kirchenkreise
mit Kollekten beigetragen.
FRANKA Fachberatung
Diakonisches Werk Kassel
Frankfurter Str. 78A· 34121 Kassel
Telefon: (05 61) 70 16 58 24
[email protected]
www.dw-kassel.de
Spendenkonto
Evangelische Bank
Kto 9997 · BLZ 520 604 10
IBAN: DE70 5206 0410 0000 0099 97
BIC: GENODEF1EK1
Impressum
FRANKA e.V. – WEGE AUS
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Hermannstr. 6 · 34117 Kassel
V.i.S.d.P. Margret Artzt, Vorsitzende
Bildnachweis:
FRANKA e.V. Seite 3/4, DW Kassel Seite 1,
Volker Dautzenberg Kopf Seite 1
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