Der Sonnenstand Vorbereitung Die Berechnung des Sonnenstandes, d.h. der genauen relativen Position der Sonne an einem gegebenen Standort auf der Erde ist ein schönes Anwendungsbeispiel der Sphärischen Trigonometrie. Für die Berechnung der Winkel ϑ und α betrachten wir das in Abb. 1 eingefärbte sphärische Dreieck mit den Seitenlängen a, b und c sowie den relevanten Winkeln α und β. Die Seitenlängen werden dabei üblicherweise nicht als Längenmaß sondern jeweils als Winkel zwischen den Verbindungslinien der abschließenden Eckpunkte zum Kugelmittelpunkt P angegeben. Grundlagen Als Eingabedaten sind von Relevanz: Die Seitenlänge a ist die um einen Viertelkreis vergrößerte Höhe ε der Sonne, also • der genaue Zeitpunkt in Form von ◦ Tageszeit: für die Abweichung des Sonnenstands von der Südrichtung. Mit der Variablen h für die aktuelle Stunde des Tages ergibt sich der Stundenwinkel δ nach der Formel δ = (h − 12) · 15◦ (1) ◦ Jahreszeit: für die absolute Höhe des Mittags-Sonnenstands. Praktischerweise wird gleich der Winkel ε der Sonnenhöhe über dem Äquator vorgegeben, z.B. 23.43̇◦ für den Sommerbeginn oder 0◦ für die Zeitpunkte der Tag- und Nachtgleiche. In erster Näherung kann ε für einen beliebigen Tag t des Monats m nach der Formel a = 90◦ + ε (2) Die Seite b ist die gleichfalls um einen Viertelkreis vergrößerte gesuchte Sonnenhöhe ϑ über dem Horizonth, also b = 90◦ + ϑ (3) Die Seite c stellt den Komplementärwinkel zur geographischen Breite ϕ dar: c = 90◦ − ϕ (4) Der Winkel α ist der zu bestimmende Winkel der Abweichung von Süd, der Winkel β der Supplementärwinkel zum gegebenen Stundenwinkel δ: β = 180◦ − δ (5) ε ≈ 23.43◦ sin(30m + t − 111) berechnet werden. • die geographische Breite ϕ des Standorts. ϕ Z XII N Aus diesen Werten lassen sich die folgenden jeweils im Beobachtungspunkt P gemessenen Winkel berechnen: • relative Sonnenhöhe oder Elevation ϑ, das ist der in der lotrechten Ebene gemessene Winkel zwischen Sonne und theoretischem Horizonth. • Seitenabweichung oder Azimut α, das ist der waagrecht gemessene Winkel zwischen einer Bezugsrichtung - in unserem Fall der Südrichtung des Kompaß - und der Richtung zum Lot unter der Sonne. Im vorliegenden Fall werden nur die Werte für die westliche Hemisphäre, d.h. für den Nachmittagshimmel hergeleitet. Die adäquaten Werte der östlichen Himmelshälfte ergeben sich im einfachen Modell genau spiegelverkehrt. ε VI U P a ϑ 0° b XII b c β S α α c ¬Z XII N XI β P XII δ αI X II IX VIII IV VII VI V U N P S U Z ¬Z a III 0° β δ ε ϑ ϕ 0° I−XII Sonne, scheinbarer Son− nenstand Himmelsnordpol Standort des Beobachters Himmelssüdpol Sonnenuntergang Zenit Nadir Sonnenhöhe über Him− melssüdpol Sonnenhöhe über Nadir Komplementär− winkel zu ϕ Azimut (Seitenabweich− ung von 0°) Supplementär− winkel zu δ Stundenwinkel Sonnenhöhe über Äquator Elevation (Sonnenhöhe über Horizonth) Geogr. Breite des Stand− orts Referenzrichtung (Süden) Uhrzeitrichtungen Abbildung 1: Scheinbare Himmelskugel Mit den zwei vorgegebenen Seiten a und c sowie dem davon eingeschlossenen Winkel β kann man nun mittels Seiten-Cosinussatz der sphärischen Trigonometrie die fehlende Seitenlänge b bestimmen, denn es gilt: cos b = cos a cos c + sin a sin c cos β (6) Der gesuchte Winkel α ermittelt sich entweder mit dem Sinussatz sin α : sin a = sin β : sin b Extras Mittagshöhe Ein Wert mit besonderer Bedeutung bei der Berechnung von Sonnenständen ist der Maximalwert von ϑ, der dann erreicht wird, wenn die Sonne genau im Süden steht, also bei δ = 0. Dieser Wert ϑ̂ läßt sich sehr leicht aus den gegebenen Winkeln der geographischen Breiten bestimmen: (7) aus den Winkeln a, b und β oder - zunächst etwas unhandlicher erscheinend - mittels Umformung des Seiten-Cosinussatz nach der Formel cos a − cos b cos c (8) cos α = sin b sin c aus den Werten a, b und c. Berechnung Elevation ϑ Die Formeln (2) bis (5) können direkt in (6) eingesetzt werden: cos(90◦ + ϑ) = cos(90◦ + ε) cos(90◦ − ϕ) ϑ̂ = 90◦ − ϕ + ε Westzeit Ein weiterer spezieller Wert ist jener Zeitpunkt h̄, zu dem die Sonne exakt im Westen steht. Der zugehörige Stundenwinkel δ̄ ermittelt sich mit der Forderung α = 90◦ aus (11) unter Einbeziehung von (9) oder einfacher aus geometrischen Überlegungen nach der Formel tan ε δ̄ = arccos tan ϕ Durch Umformung von (1) ergibt sich die zugehörige Stundenangabe + sin(90◦ + ε) sin(90◦ − ϕ) cos(180◦ − δ) Der Ausdruck vereinfacht sich durch Anwendung der Summensätze für trigonometrische Funktionen zu sin ϑ = sin ε sin ϕ + cos ε cos ϕ cos δ (9) und damit ϑ = arcsin sin ε sin ϕ + cos ε cos ϕ cos δ (10) Azimut α Ebenso können (2) bis (4) in (8) eingesetzt werden, um so unter Verwendung des Resultats aus (10) den noch fehlenden Winkel α zu ermitteln: cos α = cos(90◦ + ε) − cos(90◦ + ϑ) cos(90◦ − ϕ) sin(90◦ + ϑ) sin(90◦ − ϕ) Umformung und Vereinfachung mittels Summensätzen ergibt sin ϑ sin ϕ − sin ε (11) α = arccos cos ϑ cos ϕ Gegenüber dieser Formel hat die Auswertung der ansich einfacheren Formel (7) den Nachteil, daß dort die Umkehrung des Sinus nicht eindeutig ist. Mittels geometrischer Überlegungen läßt sich der Winkel α auch direkt aus den gegebenen Werten δ, ε und ϕ berechnen: cos δ sin ϕ − tan ε cos ϕ α = arccot sin δ h̄ = 12 + δ̄ 15◦ (12) und durch Einsetzen in (10) und Vereinfachung des Ausdrucks die Westhöhe sin ε ϑ̄ = arcsin sin ϕ Sonnenuntergang Der letzte der bedeutenden Zeitpunkte ist die Uhrzeit des Sonnenuntergangs U , also jener Zeitpunkt, zu dem ϑ verschwindet. Aus (9) ergibt sich mit der Forderung ϑ = 0 die Gleichung sin ε sin ϕ + cos ε cos ϕ cos δ = 0 und aufgelöst nach der Variablen δ der Stundenwinkel: δ = arccos (− tan ε tan ϕ) Der zugehörige Stundenwert ergibt sich analog nach Formel (12). Die entsprechende Seitenabweichung α ergibt sich aus (11) durch Einsetzen von ϑ = 0 nach der Formel − sin ε α = arccos cos ϕ 2
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