Reform der Erbschaftsteuer Martin Clemens, IHK für München und Oberbayern Weilheim, 20.10.2015 Inhalt I. Derzeitige Regelung II. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 IV. Beschluss des Bundesrates vom 25.09.2015 V. Ausblick 20.10.2015 I. Derzeitige Regelung 20.10.2015 3 I. Derzeitige Regelung Erbschaftsteuerlich relevante Vermögensarten Unternehmensvermögen 1 Betriebsvermögen Privatvermögen 2 3 4 Verwaltungsvermögen mitübertragenes bereits vorhandenes (bisherige Definition) produktives Vermögen 20.10.2015 • fremdvermietete Grundstücke • Beteiligungen unter 25 % • Zahlungsmittel, Forderungen, Einlagen, Aktien, wenn insgesamt über 20 % des Unternehmenswertes • Kunstgegenstände Spielte bisher bei der Besteuerung des Betriebsvermögens keine Rolle. 4 I. Derzeitige Regelung Aktuelle Regelung: Verschonung des Betriebsvermögens Grundvoraussetzung: • Verwaltungsvermögen Regelverschonung Optionsverschonung 85 % steuerfrei 100 % steuerfrei max. 50 % max. 10 % 5 Jahre 7 Jahre Folgevoraussetzungen: • • • Behalte-/ Lohnsummenfrist Lohnsumme - Ausnahme Nachversteuerung 20.10.2015 400 % 700 % Ausgangslohnsumme 0 € od. Betrieb ≤ 20 AN Zeitanteilig 5 I. Derzeitige Regelung: Erbschaftsteuer-Tarife Steuerklasse I Wert des Vermögens, € abzüglich Freibetrag von: Steuerklasse II Steuerklasse III Kinder, Kinder Ehegatten, verstorbener Lebenspartner Kinder (Enkel),... 500.000 € Kinder der Eltern (bei Kinder (Enkel) Erbfall) 400.000 € 200.000 € 100.000 € Geschwister, Eltern (bei alle übrigen Schenkung), ... 20.000 € 20.000 € Steuersatz bei einem Vermögen bis 75.000 7% 15 % bis 300.000 11 % 20 % bis 600.000 15 % 25 % bis 6.000.000 19 % 30 % bis 13.000.000 23 % 35 % bis 26.000.000 27 % 40 % über 26.000.000 30 % 43 % 20.10.2015 30 % 50 % 6 II. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 20.10.2015 7 II. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 Gesetz ist wegen Ausmaß und Gestaltungsmöglichkeiten verfassungswidrig. Aber: Verschonungsregelung im Grundsatz bestätigt. Fortgeltung bis 30.06.2016. Rückwirkung zum 17.12.2014 möglich, wenn exzessive Ausnutzung von gleichheitswidrigen Gestaltungen erfolgt. BM Dr. Schäuble und StS Dr. Meister (BMF): Neuregelung für die Zukunft, keine Belastungen für die Vergangenheit geplant. 20.10.2015 8 II. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 Kernaussagen: • Neue Regelung (Höchstwerte) zum Verwaltungsvermögen erforderlich • Privilegierung „großer“ Untern. nur nach Bedürfnisprüfung • Gemeinwohl: Sicherung von Unternehmen und Arbeitsplätzen • Ausnahmen bei Kleinstunternehmen neu regeln • Verschonungskonzept im Kern bestätigt • Gestaltungen ausschließen • Unternehmenskultur • explizit für alle familienbezogenen Unternehmen, auch Kapitalgesellschaften 20.10.2015 9 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 20.10.2015 10 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Kernpunkte des Gesetzentwurfs Grundsätzlich Beibehaltung bisheriger Verschonungsregeln (Regel-/ Optionsverschonung, Behaltefrist, Lohnsumme) Nur betriebsnotwendiges Vermögen bis 26 Mio. Euro wird verschont Grenzwert erhöht sich auf 52 Mio. Euro, wenn bestimmte Verfügungsbeschränkungen nachgewiesen (40 Jahre Überprüfungszeitraum!) Definitivbesteuerung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Wahlrecht ab 26 Mio. (bzw. 52 Mio.) Euro: Bedürfnisprüfung durch Einbeziehung des Privatvermögens der Erben 20.10.2015 oder Abschmelzung des Verschonungsabschlages auf 20% bzw. 35% 11 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Definition des begünstigten Vermögens Der Begriff des „begünstigten Vermögens“ wird in Abkehr von der bisherigen Definition des nicht begünstigten „Verwaltungsvermögens“ neu eingeführt. Zum begünstigten Vermögen gehören demnach alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, die im Erwerbszeitpunkt dem Hauptzweck des Unternehmens dienen. Diese Voraussetzung soll immer dann gegeben sein, wenn das Wirtschaftsgut nicht aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden kann, ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. definitive Besteuerung des nicht begünstigten Vermögens Unsicherheiten bei der Abgrenzung des nicht begünstigten Vermögens 20.10.2015 12 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Nur „begünstigtes Vermögen“ wird verschont! Erwerb = Unternehmensanteil (begünstigtes Betriebsvermögen) ≤ 26 Mio. € Verschonung wie bisher: 85% od. 100% bei Einhaltung Haltefristen u. Lohnsumme > 26 Mio. € Keine automatische Verschonung, ErbSt nach Tarif, aber: Wahlrecht des Erben Verschonungsbedarfsprüfung: 50% des Privatvermögens, - mitübertragenes, - vorhandenes und - nicht begünstigtes BV muss zur ErbSt-Zahlung eingesetzt werden 20.10.2015 Verschonungsabschlag bei Großerwerben: Abschmelzen des Abschlages auf max. 20 % oder 35% 13 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Weiterer Kernpunkt des Kabinettsbeschlusses Ausnahmen für Kleinunternehmen (Lohnsumme) Absenkung Befreiung von 20 auf 3 AN Abgeschwächte Lohnsummenregelung für 4-10 AN (Regelverschon. 250%/5 Jahre, Optionsverschon. 500%/7 Jahre) und 11 bis 15 AN (Regelverschon. 300%/5 Jahre, Optionsverschon. 565%/7 Jahre). (statt 400%/700% für 5/7 Jahre) 20.10.2015 14 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Einschätzung Zielsetzung, die Unternehmensnachfolge weiterhin zu erleichtern, soweit verfassungsrechtlich zulässig, ist zu begrüßen. Positiv ist, dass der Gesetzentwurf Nachjustierungen gegenüber vorherigen Vorschlägen des BMF vorsieht. Aktuell keine Rückwirkung vorgesehen! Aber: Dringend weitere Verbesserungen geboten, da bürokratische und finanzielle Belastungen für Unternehmen zu befürchten sind! Kleine, mittlere und auch größere Familienunternehmen müssen im Interesse des Gemeinwohls und der Sicherung von Arbeitsplätzen bewahrt werden! 20.10.2015 15 III. Neuregelung laut Kabinettsbeschluss vom 08.07.2015 Wesentlicher Handlungsbedarf Begünstigtes Betriebsvermögen klar und rechtssicher abgrenzen Erleichterungen für Kleinbetriebe Schwellenwerte für „Großerwerbe“ wesentlich erhöhen Behandlung von Privatvermögen Wahlrecht („Abschmelzmodell“) Marktgerechte Bewertung sicherstellen Mittelstandsfreundliche Stundungsregelungen Vgl. „Erklärung zum Erbschaftsteuerrecht“ der IHK-Vollversammlung v. 15.07.2015. Problematik der marktgerechten Bewertung: Stellungnahme von DIHK und weiteren Spitzenverbänden der gew. Wirtschaft (26.08.2015) mit Formulierungsvorschlägen. 20.10.2015 16 IV. Beschluss des Bundesrates vom 25.09.2015 20.10.2015 17 IV. Beschluss des Bundesrates vom 25.09.2015 Forderung nach zahlreichen Änderungen des Gesetzentwurfs, insbes.: Begünstigtes Vermögen – modifizierter Verwaltungsvermögenskatalog Änderung Abschmelzmodell sowie Reduzierung Übergangszone von 26 Mio. € bis 34 Mio. € (statt 116 Mio. €) und fortlaufende Abschmelzung auf 0 € Streichung Verschonungsabschlag von 20%/35% für Großvermögen Erhöhung Prüfschwelle für Familienunternehmen auf 60 Mio. € (bisher 54 Mio. €) Entnahmebegrenzung für Durchschüttung von Gewinnrücklagen nachgelagerter Kapitalgesellschaften Kein Rechtsanspruch auf Stundung nach Verschonungsbedarfsprüfung bei Großerwerben Möglichkeit Verspätungszuschlag bei verspäteter Anzeige Weitere (keine 10%-Bagatellgrenze betr. begünstigtes Nettovermögen, Finanzmittel von 20% nur bei überwiegend gew./berufl. Tätigkeit) 20.10.2015 18 IV. Beschluss des Bundesrates vom 25.09.2015 Zeitplan Vorschläge Weitere Gesetzgebungsverfahren des BR-Finanzausschusses, insbesondere: Keine Änderung Bewertungsrecht, aber Dynamik von Zins Verkürzung Bindungsfrist für Familienunternehmen auf 10 Jahre Weitere detaillierte Vorschläge Wurden nicht vom Bundesrat beschlossen Bewertungsfragen wurden nicht aufgenommen Mögliche Folgen BR-Vorschläge: Begünstigtes Vermögen – kein Konzeptwechsel Einschränkungen Abschmelzmodell, andere Gestaltungen Bedeutung Bewertungsfragen Steigende Belastungen 20.10.2015 19 IV. Beschluss des Bundesrates vom 25.09.2015 Zeitplan Vorschläge Weitere Zwischenzeitliche Gesetzgebungsverfahren Gegenäußerung des BR-Finanzausschusses, der Bundesregierung: insbesondere: In wesentlichen Teilen Ablehnung der Vorschläge des Bundesrates. 20.10.2015 20 V. Ausblick 20.10.2015 21 V. Ausblick Zeitplan Gesetzgebungsverfahren – Wie geht es weiter? Abschluss offiziell geplant möglichst vor/bis Ende 2015, spätestens 30.06.2016. IHK-Organisation wird Interessen der Wirtschaft im Verfahren weiter kritisch und konstruktiv begleiten. Vgl. z.B. Stellungnahme von DIHK und weiteren Spitzenverbänden der gew. Wirtschaft zur Anhörung im BT-Finanzausschuss (12.10.2015) Handlungsbedarf Unternehmen Möglichkeiten einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge noch vor Neuregelung prüfen (altes Recht günstiger?) Steueroptimierung darf aber nicht alleiniger Treiber sein; muss insgesamt zum Sachverhalt passen! 20.10.2015 22 Martin Clemens Leiter Referat Steuern und Finanzen [email protected] Tel.: 089 5116 1252 20.10.2015
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