Mandanteninformation Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer – Kernpunkte des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 08.07.2015 08. Juli 2015 Die Bundesregierung hat am 08. Juli 2015 den "Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" beschlossen. Hintergrund Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (1 BvL 21/12, BStBl 2015 II S. 50) hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen beim Erwerb von betrieblichem Vermögen in seiner derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis spätestens zum 30. Juni 2016 aufgefordert. Neuregelungen im Gesetzentwurf Abkehr vom Verwaltungsvermögenskatalog und Neudefinition des begünstigten Vermögens Nach geltendem Recht (§ 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG) kann Betriebsvermögen mit einer Verwaltungsvermögensquote von bis zu 50% unter Gewährung eines Verschonungsabschlags von 85% (Regelverschonung) übertragen werden. Was als Verwaltungsvermögen gilt, ist bislang im Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG positiv definiert. Nach Auffassung des BVerfG ist die an die Verwaltungsvermögensquote anknüpfende Verschonungsregelung und der daraus resultierende sog. „Fallbeil-Effekt“ verfassungswidrig, da der Gesetzgeber dem Grunde nach nicht begünstigungsfähiges Vermögen bis zu einer Verwaltungsvermögensquote von 50% verschont, ab einer Quote von mehr als 50% die Verschonung aber vollumfänglich versagt wird. Auf die Beanstandung des BVerfG reagiert die Bundesregierung im Rahmen ihres Gesetzentwurfs mit einer über die Vorgaben des BVerfG hinausgehenden Neudefinition des begünstigten Vermögens. Gemäß § 13b Abs. 1 ErbStG-E zählen zum begünstigungsfähigen Vermögen nur Betriebsvermögen und Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften, die originär gewerblich, freiberuflich oder landund forstwirtschaftlich tätig sind. Begünstigtes Betriebsvermögen liegt gemäß § 13b Abs. 3 ErbStG-E vor, wenn dieses nach seinem Hauptzweck einer originär gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Dabei dienen diejenigen Wirtschaftsgüter dem Hauptzweck, die nicht aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden können ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Hierfür kann eine betriebliche Nutzung des Wirtschaftsguts von mehr als 50% ein Indiz sein. Die im Betriebsvermögen enthaltenen Finanzmittel werden von der vorgenannten Einzelfallprüfung ausgenommen. Zur Zuordnung der Finanzmittel zu begünstigtem oder nicht begünstigtem Vermögen kommt wie bisher der sog. Finanzmitteltest zur Anwendung (§ 13b Abs. 4 ErbStG-E). Finanzmittel rechnen demnach zum begünstigten Vermögen, soweit ihr gemeiner Wert nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden einen Sockelbetrag von 20% des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt. Übersteigen die Schulden im Betriebsvermögen die betrieblichen Finanzmittel, sind diese quotal auf das begünstigte und nicht begünstigte Vermögen aufzuteilen und davon abzuziehen (Nettowerte, § 13b Abs. 5 S. 1 ErbStG-E). Zur Ermittlung der gemeinen Werte ist auf die Substanzwerte abzustellen (§ 13b Abs. 5 S. 2 ErbStG-E i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 3 BewG). Um die Ausnutzung sog. „Kaskadeneffekte“ zu verhindern, sieht § 13b Abs. 7 ErbStG-E bei mehrstufigen Unternehmensstrukturen eine Abgrenzung des begünstigten von nicht begünstigtem Vermögen auf Basis einer sog. „Verbundvermögensaufstellung“ vor. § 13b Abs. 6 ErbStG-E sieht einen Sockelbetrag für nicht begünstigtes Vermögen vor. Demnach wird der Nettowert des nicht begünstigten Vermögens um 10% des Nettowertes des begünstigten Vermögens gemindert und dieser Betrag wie begünstigtes Vermögen behandelt. Nicht begünstigtes Vermögen ist nach Berücksichtigung des Sockelbetrags vollumfänglich von der Begünstigung ausgeschlossen. Verschonungsregelungen, Abschmelzmodell und Verschonungsbedarfsprüfung Nach geltendem Recht kann der Erwerber von betrieblichem Vermögen unter Beachtung der Verwaltungsvermögensquote sowie der Behaltens- und Lohnsummenfristen unabhängig von der Größe des Erwerbs die Regelverschonung mit einem Verschonungsabschlag von 85% (§ 13b Abs. 4 i.V.m. § 13a Abs. 1 ErbStG) oder auf Antrag die Optionsverschonung mit einem Verschonungsabschlag von 100% (§ 13a Abs. 8 ErbStG) beanspruchen. Die Optionsverschonung setzt eine Lohnsummenfrist von 7 Jahren, eine Mindestlohnsumme von 700 Prozent und eine Behaltensfrist von 7 Jahren voraus. Nach Auffassung des BVerfG ist die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs von betrieblichem Vermögen verfassungswidrig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Der Gesetzentwurf trägt der Kritik des BVerfG mit der Einführung von erwerbsbezogenen Prüfschwellen sowie verschiedenen Verschonungsmodellen Rechnung. Übersteigt der Erwerb von begünstigtem Vermögen die Schwelle von EUR 26 Mio. nicht, kommen wie bisher die Regel- und Optionsverschonung für das begünstigte Vermögen zur Anwendung (§ 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG-E). Dabei werden alle Erwerbe von begünstigtem Vermögen von derselben Person innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren zusammengerechnet (§ 13a Abs. 9 S. 2 ErbStG-E), die nach dem In-Kraft-Treten der Neuregelung erfolgen (§ 37 Abs. 10 S. 2 ErbStG-E). Übersteigt der Erwerb von begünstigtem Vermögen die Schwelle von EUR 26 Mio. kann der Erwerber zwischen den Verschonungskonzepten „Abschmelzmodell“ und „Verschonungsbedarfsprüfung“ wählen. Seite 2 von 4 Abschmelzmodell Gemäß § 13a Abs. 9 i.V.m. § 13c ErbStG-E kann der Erwerber die Gewährung eines verringerten Verschonungsabschlags unwiderruflich beantragen. Der Verschonungsabschlag (Regelverschonung 85%, Optionsverschonung 100%) verringert sich kontinuierlich um jeweils einen Prozentpunkt für jede volle EUR 1,5 Mio., die der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens den Betrag von EUR 26 Mio. übersteigt. Übersteigt der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens EUR 116 Mio. wird dem Erwerber auf Antrag eine „Sockelverschonung“ von 20% im Rahmen der Regelverschonung bzw. von 35% im Rahmen der Optionsverschonung gewährt. Der verringerte Verschonungsabschlag findet auf den gesamten Erwerb des begünstigten Vermögens und somit auch auf die „ersten“ EUR 26 Mio. Anwendung. Verschonungsbedarfsprüfung (auch „Erlassmodell“) Alternativ zum Abschmelzmodell sieht § 13a Abs. 9 i.V.m. § 28a ErbStG-E zunächst eine volle Besteuerung des Erwerbs vor, wobei der Erwerber unter dem Vorbehalt einer individuellen Verschonungsbedarfsprüfung den Antrag auf einen teilweisen oder vollständigen Erlass der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer stellen kann. Voraussetzung für einen Erlass der Steuer ist, dass der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem „verfügbaren Vermögen“ zu begleichen. Das verfügbare Vermögen umfasst jeweils die Hälfte der gemeinen Werte des auf den Erwerber im Zuge des Erwerbs von Betriebsvermögen übergehenden nicht begünstigungsfähigen oder nicht begünstigten Vermögens sowie bereits vorhandenes Privatvermögen des Erwerbers. Das verfügbare Vermögen ist zur Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu verwenden. Nach § 28a Abs. 3 ErbStG-E kann die Steuer ganz oder teilweise bis zu sechs Monate gestundet werden, falls der Erwerber verfügbares Vermögen liquidieren oder einen Kredit aufnehmen muss. Der Erlass der Steuer steht nach § 28a Abs. 4 Nr. 1, 2 ErbStG-E unter dem Vorbehalt der Lohnsummenprüfung und der Behaltensregelungen, wobei die Kriterien der Optionsverschonung (Mindestlohnsumme 700%, Lohnsummen- und Behaltensfrist jeweils 7 Jahre) zur Anwendung kommen. Darüber hinaus entfällt der Erlass mit Wirkung für die Vergangenheit, falls der Erwerber innerhalb einer Frist von 10 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung weiteres verfügbares Vermögen durch eine Schenkung oder einen Erwerb von Todes wegen erhält. In diesem Fall wird der ursprüngliche Steuererlass vollständig aufgehoben und auf Antrag des Erwerbers unter Berücksichtigung des neu erworbenen verfügbaren Vermögens erneut gewährt. Liegen die Voraussetzungen für einen Erlass der Steuer nicht vor, kann die Steuer gemäß § 28 a Abs.7 ErbStG-E auf Antrag bis zu 10 Jahre gestundet werden. Die Stundung erfolgt bei Schenkungen verzinslich, bei Erbfällen unverzinslich. Höhere Prüfschwelle für streng vinkulierte Gesellschaftsanteile an „Familienunternehmen“ Anstelle der vorgenannten erwerbsbezogenen Prüfschwelle von EUR 26 Mio. findet gemäß § 13a Abs. 9 S. 3ff. ErbStG-E eine erhöhte Prüfschwelle von EUR 52 Mio. Anwendung, soweit der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung Bestimmungen enthält, die Entnahmen oder Ausschüttungen nahezu vollständig beschränken, die Verfügung über den Gesellschaftsanteil nur Angehörigen erlaubt ist und für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine erheblich unter dem gemeinen Wert des Gesellschaftsanteils liegende Abfindung vorgesehen ist. Die drei vorgenannten Voraussetzungen müssen kumulativ und über einen Zeitraum von 40 Jahren (10 Jahre vor und 30 Jahre nach dem Seite 3 von 4 Erwerb) erfüllt sein. Die Höchstgrenze bei Großerwerben steigt in diesem Fall auf EUR 142 Mio. statt EUR 116 Mio. Neufassung der Lohnsummenregelung Nach geltendem Recht sind Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von der Lohnsummenprüfung befreit (§ 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG). Nach Auffassung des BVerfG ist die generelle Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten verfassungswidrig, da rd. 90% der Unternehmen in Deutschland weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen und folglich das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Lohnsummenregelung in ihr Gegenteil verkehrt wird. Im Gesetzentwurf wird die Grenze, ab der die Lohnsummenprüfung zu erfolgen hat, auf drei Beschäftigte abgesenkt (§13a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ErbStG-E). Die Mindestlohnsummen (400%; Optionsverschonung 700%) und Lohnsummenfristen (5 bzw. 7 Jahre) werden beibehalten. Für Betriebe mit vier bis 10 und mit 11 bis 15 Beschäftigten ist eine Flexibilisierungsklausel in § 13a Abs. 3 S. 4 ErbStG-E enthalten, die bei gleicher Lohnsummenfrist - bei Betrieben bis 10 Mitarbeitern eine Mindestlohnsumme von 250% (Optionsverschonung: 500%) bei Betrieben von 11 bis 15 Mitarbeitern eine Mindestlohnsumme von 300% (Optionsverschonung: 565%) vorsieht. Weiteres Verfahren/ Inkrafttreten / Rückwirkung Obwohl einzelne Regelungen (Neudefinition des begünstigten Vermögens, Höchstzahl der Mitarbeiter für Ausnahmeregelung bei der Lohnsummenregelung, Prüfungsschwellen, Abschmelzmodell sowie die Einbeziehung von Privatvermögen) noch höchst umstritten sind, gehen wir davon aus, dass es im Gesetzgebungsverfahren keine wesentlichen Änderungen mehr geben wird. Die Neuregelungen sollen zum 01.01.2016 in Kraft treten. Bislang sind keine Regelungen zu einer Rückwirkung im Gesetzentwurf enthalten. Somit ist derzeit keine Rückwirkung, die das BVerfG im Falle einer „exzessiven Ausnutzung“ der verfassungswidrigen Normen bei neuen Erwerben für zulässig erachtet hat, vorgesehen. Seite 4 von 4
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