R E C H N U N G SW E S E N R O B E R TO T R A C I A DAV I D Z Ü R R E R DIE AKTUELL ERWARTETE MARKTRISIKOPRÄMIE IN DER SCHWEIZ Robuste Ergebnisse mit einem Modell zur Ergänzung der traditionellen Methode Die Modelle zur Ermittlung der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie von Hassett (2010) und Estrada (2013) liefern statistisch signifikante Ergebnisse der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie im Schweizer Kapitalmarkt. Die Modelle ergänzen die traditionelle Berechnungsweise der erwarteten Marktrisikoprämie, was zu genaueren Kapitalkosten und somit zu besseren Investitionsentscheiden führt. 1. EINLEITUNG Die Bestimmung risikoadjustierter Kapitalkosten spielt eine wichtige Rolle im Rahmen von Investitionsentscheiden. Ein Investor erwartet für seine Investition in ein risikobehaftetes Projekt eine angemessene Rendite. Zur Bestimmung der risikoadjustierten Rendite hat sich in der Praxis das Capital Asset Pricing Model (CAPM) durchgesetzt. Gemäss diesem Modell bestimmt sich die erwartete Rendite wie folgt: E(R)=R f + Beta × E(R m – R f) [1]. Dabei ist die erwartete Marktrisikoprämie E(R m – R f) von zentraler Bedeutung. Die Marktrisikoprämie stellt die Entschädigung dar, welche der Investor für das zusätzlich eingegangene Risiko gegenüber der risikolosen Anlage erhält. Meist werden historische Durchschnittsrenditen zur Schätzung der erwarteten Marktrisikoprämie verwendet. Die Verwendung historischer Zeitreihen ist jedoch problematisch, da eine vergangenheitsbezogene Grösse in die Zukunft extrapoliert wird. Dieses Vorgehen impliziert das Vorhandensein perfekter Kapitalmärkte, also eine über die Zeit konstante Marktrisikoprämie. In der Praxis kann die Annahme konstanter Marktrisikoprämien zu fehlerhaften Resultaten führen, was letztlich zu falsch ermittelten Kapitalkosten bzw. in einer suboptimalen Kapitalallokation resultieren kann. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die aktuell erwartete Marktrisikoprämie auf der Basis aktueller Indikatoren (mittels Regression) ermittelt werden kann, und bietet somit einen alternativen Ansatz zur Bestimmung der erwarteten Marktrisikoprämie. 2. PROBLEMSTELLUNG Die erwartete Marktrisikoprämie ist einer der entscheidenden Inputparameter im CAPM und aus Sicht der Corporate Finance von zentraler Bedeutung. Die durch das CAPM ermittelte Rendite für das Eigenkapital stellt eine Hurdle Rate dar, welche die Mindestverzinsung für Investitionen bestimmt. Eine ungenau ermittelte Marktrisikoprämie kann demnach zu ungünstigen Investitionsentscheiden führen. Das CAPM verlangt als Inputgrösse die erwartete Risikoprämie, die aber empirisch nicht beobachtbar ist. In der Praxis, aber auch in der Lehre, hat sich die Verwendung von historischen Durchschnittsrenditen auf Aktienindizes abzüglich der risikolosen Rendite als Schätzer der Marktrisikoprämie durchgesetzt. Dieses Vorgehen, die historische (langjährige) Mehrrendite als Marktrisikoprämie anzuwenden, besticht durch seine Einfachheit. Die Marktrisikoprämie reflektiert jedoch eine erwartete Grösse, ist also zukunftsorientiert. Eine historische Grösse in die Zukunft zu extrapolieren, ist nicht unproblematisch. Es ergeben sich unter anderem folgende Problemstellungen: Historische Renditen sind nur in der «Risikoneutralen Welt» bzw. im Falle von Martingal-Prozessen [2] folgenden Renditen ein guter Schätzer (Samuelson [1965]). Das Verwenden historischer Durchschnittsrenditen impliziert eine über die Zeit konstante Marktrisikoprämie. Historische Index-Renditen können aufgrund des Survivorship-Bias zu hoch sein (Brown, Ross und Goetzmann [1995]). Lange histo- ROBERTO TRACIA, DAVID ZÜRRER, DR. OEC. HSG, LL.M., MA B&F UZH, CONSULTANT, PARTNER, BINDER BINDER CORPORATE CORPORATE FINANCE AG, FINANCE AG, ZÜRICH ZÜRICH 296 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2015 | 4 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 1: ERGEBNISSE STANDARDMODELL Variable CAPE Abschnitt Steigung Adj. R 2 Korrelation MRP Korrelation Rendite MFE MRP MFE Rendite 3,34 –0,11 0,40 0,81 0,85 –0,36% –0,35% rische Zeitreihen können Verzerrungen wie Technologiesprünge und/oder politische Umwälzungen enthalten und die Marktrisikoprämie verfälschen. Verschiedene Arbeiten (z. B. Fama und French [1989]; Rubinstein [1976]; Lucas [1978]) deuten darauf hin, dass die Markt risikoprämie nicht konstant ist, sondern über die Zeit schwankt. Die Marktrisikoprämie scheint dynamischer und zyklischer zu sein, als die bisher dominierende Lehrmeinung annimmt. Neuere Beiträge (vgl. Hassett [2010] und Estrada [2013]) stellen Modelle vor, welche eine dynamische Modellierung der Marktrisikoprämie ermöglichen und so die oben genannten Problemstellungen umgehen. Im Gegensatz zu Markowitz (1952) stützen sie sich dabei auf Fundamentaldaten und weichen von der «klassischen», durch statistische Grössen bestimmten Risikodefinitionen ab. 3. DAS ENHANCED RISK PREMIUM FACTOR MODEL VON HASSETT UND DESSEN ERWEITERUNG DURCH ESTRADA Hassett (2010) zeigt in seiner Analyse, dass sich die Markt risikoprämie über die Zeit verändert und definiert diese als Funktion des Risk Premium Faktor (RPF), welcher mit dem risikolosen Zinssatz (Rf) multipliziert wird. Marktrendite (R) = R f + RPF × R f(I) Die Marktrisikoprämie ist demnach nicht konstant, sondern bewegt sich proportional zur risikolosen Rendite. Hassett (2010) definiert diese Proportion als RPF. Diesen Faktor bestimmt Hassett mittels einer linearen Approximation zwischen der Gewinnrendite (E/P) des S&P 500 zuzüglich der Wachstumskomponente (G) und des risikolosen Zinssatzes [3]. Hassett (2010) erreicht so robuste Resultate in Bezug auf die Bestimmung der Marktrisikoprämie bzw. der Marktrendite. Die grösste Schwäche dieses Ansatzes besteht darin, dass aufgrund der Definition des RPF keine Out-of-Sample-Prognosen möglich sind, da die Variablen, welche den RPF bestimmen, auf Annahmen beruhen. Estrada (2013) erweitert das Modell so, dass es möglich ist, den RPF in einem ersten Schritt mittels beobachtbarer Parametern zu bestimmen, um dann in einem weiteren Schritt die aktuell erwartete Rendite bzw. Marktrisikoprämie zu ermitteln. Die zukünftige annualisierte zehnjährige Marktrendite (Rt1) entspricht dem risikolosen Zinssatz (Rf) zuzüglich der Marktrisikoprämie (MRP). Rt1 = R f + MRPt1(II) Die Marktrisikoprämie wird analog der Methode von Hassett (2010) als Multiplikation des RPF mit der risikolosen Rendite definiert. MRPt1 = RPFt1 × R f(III) Aus den Gleichungen (II) und (III) lässt sich der RPF für die nächste Periode (RPFt1) als Funktion der zukünftigen Rendite (Rt1) zu dem aktuellen risikolosen Zinssatz (Rf) bestimmen (Gleichung V). Abbildung 2: STANDARDMODELL: GESCHÄTZTE UND REALISIERTE RENDITE 25 in % 20 15 10 5 0 –5 1.1.1983 1.1.1985 1.1.1987 1.1.1989 Annualisierte Zehnjahresrendite 4 | 2015 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 1.1.1991 1.1.1993 1.1.1995 1.1.1997 1.1.1999 1.1.2001 1.1.2003 1.1.2005 Annualisierte Zehnjahresrendite (Modell) 297 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 3: STANDARDMODELL: GESCHÄTZTE UND REALISIERTE ERWARTETE MARKTRISIKOPRÄMIE 20 in % 15 10 5 0 –5 –10 1.1.1983 1.1.1985 1.1.1987 1.1.1989 Erwartete Marktrisikoprämie 1.1.1991 1.1.1993 1.1.1997 1.1.1999 1.1.2001 1.1.2003 1.1.2005 Erwartete Marktrisikoprämie (Modell) Rt1 = (1 + RPFt1)R f(III)->(II)=(IV) RPFt1 = Rt1 – 1 R f 1.1.1995 (V) Um den RPF zu schätzen, verwendet Estrada (2013) das von Campbell und Shiller (1988) entwickelte Konzept des Cyclical Adjusted Price Earnings Ratio (CAPE) als erklärende Variable in seinem Regressionsmodell (Gleichung VI). Risiko wird demnach nicht wie bei Markowitz (1952) in Volatilitäten ausgedrückt, sondern als Funktion von Marktpreisen relativ zu Fundamentaldaten, wie sie im CAPE Verwendung finden. Gemäss Estrada (2013) muss sich der RPF invers zum Marktrisiko verhalten, folglich bei einem Anstieg des Marktrisikos sinken. Dies bedeutet, dass je höher der Preis einer Anlage relativ zu deren Fundamentaldaten (hohes CAPE) ist, desto mehr Risiko wird durch den Investor getragen, ohne ihn dafür entsprechend zu kompensieren, und desto niedriger ist die Marktrisikoprämie bzw. der RPF. In der Literatur haben sich beispielsweise Maks (2011) oder Richards (2012) mit dieser Thematik beschäftigt. Zudem halten Darolles et al. (2010) ebenfalls fest, dass die erklärende Variable des RPF negativ mit dem Konjunkturzyklus korreliert und langfristig eine Rückkehr zum Mittelwert (Mean Reversion) aufweisen muss, um konsistent mit Bewertungsverfahren rationaler Investoren zu sein. Rubinstein (1976) und Lucas (1978) stützen in ihrer Analyse ebenfalls den negativen Zusammenhang zwischen Markrisikoprämie und Konjunkturzyklen, in dem sie argumentieren, dass in konjunkturell guten Peri- oden der Konsum hoch und daher der Grenznutzen einer zusätzlichen Einheit klein ist. Ein rationaler Investor verlangt daher eine geringe Kompensation (also eine kleine MRP), um auf eine zusätzliche Einheit Konsum zu verzichten und in eine risikobehaftete Anlage zu investieren. Das RPF-Modell befindet sich darüber hinaus mit der Prospect Theory von Kahneman und Tversky (1979) im Einklang. Den oben erwähnten Erläuterungen folgend, baut Estrada das Modell wie folgt auf: In einem ersten Schritt wird der RPF der nächsten Periode (RPF1t) mittels einer in einem Zehnjahresintervall rollenden Regression (CAPE als unabhängige Variable) geschätzt. Da mit lässt sich die erwartete MRP sowie die erwartete Marktrendite (Rt1) der nächsten Periode bestimmen. RPFt1 = α + β × CAPEt0 + ε(VI) E(MRPt1) = (α̂ + β̂ × CAPEt0) × R f(VI->III=VII) E(Rt1) = R f + (α̂ + β̂ × CAPEt0) × R f(VII->II=VIII) Ausgehend von diesem ersten Modell (Gleichung VIII), bei welchem der risikolose Zinsatz in einem relativen Verhältnis zum CAPE steht, testet Estrada (2013) ein generalisiertes Modell, indem er sowohl den risikolosen Zinssatz als auch das CAPE als voneinander unabhängige Variablen definiert. E(Rt1) = α + β × CAPEt0 + γ × R f + ε(IX) Daraus lässt sich implizit die erwartete Marktrisikoprämie ableiten. E(MRPt1) = E(R 1t) – R f(X) Abbildung 4: ERGEBNISSE GENERALISIERTES MODELL Variable Abschnitt CAPE Rf Adj.R 2 Korrelation MRP Korrelation Rendite MFE MRP MFE Rendite CAPE, Rf 14,54 –0,46 1,15 0,55 0,79 0,84 0,01% 0,01% 298 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2015 | 4 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 5: GENERALISIERTES MODELL: GESCHÄTZTE UND REALISIERTE RENDITE 25 in % 20 15 10 5 0 –5 1.1.1983 1.1.1985 1.1.1987 1.1.1989 Annualisierte Zehnjahresrendite 1.1.1991 1.1.1993 1.1.1995 1.1.1997 1.1.1999 1.1.2001 1.1.2003 1.1.2005 Annualisierte Zehnjahresrendite (Modell) Estrada (2013) verwendet für seine Analysen die monatlichen Renditen des S&P 500 im Zeitraum von 1960–2011. Für die Berechnung des CAPE wird der Indexstand des S&P 500 am jeweiligen Monatsbeginn durch die durchschnittlichen monatlichen Earnings per Share der letzten 10 Jahre geteilt. Die Resultate aus den rollenden Regressionen (Gleichung VI) und die daraus entstandenen geschätzten Marktrisikoprämien (Gleichung VI) korrelieren stark (0,76) mit den berechneten Werten (Gleichung V eingesetzt in Gleichung III) bei einem Bestimmtheitsmass (R 2) von 51%. Ebenfalls wird der nach Theorie negative Zusammenhang zwischen Risiko und MRP durch die negative Steigung (–0,12) gestützt. Mit seiner Analyse zeigt Estrada, dass das CAPE einen substanziellen Teil der Variabilität des RPF erklärt und sich als guter Schätzer erweist. Estrada hat mit seinem Modell ein Verfahren entwi- ckelt, welches es ermöglicht, auf Basis von aktuellen Daten die aktuell erwartete Marktrisikoprämie zu schätzen. 4. ANWENDUNG DES MODELLS AUF DEN SCHWEIZER MARKT Um die aktuell erwartete Marktrisikoprämie für die Schweiz zu ermitteln, wird auf das Modell von Estrada zurückgegriffen und dabei getestet, ob dieses auch für den Schweizer Markt seine Gültigkeit hat. 4.1 Datengrundlage. Um den Schweizer Markt möglichst umfassend abzubilden, wurde mit dem SWITZ-DS Market [4] von Datastream ein breiter Index, welcher 150 kotierte Gesellschaften enthält, gewählt. Für die Analyse wurden die monatlichen Indexstände bzw. die Earnings Per Share (EPS) Abbildung 6: GENERALISIERTES MODELL: GESCHÄTZTE UND REALISIERTE ERWARTETE MARKTRISIKOPRÄMIE 20 in % 15 10 5 0 –5 –10 1.1.1983 1.1.1985 1.1.1987 1.1.1989 Erwartete Marktrisikoprämie 4 | 2015 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 1.1.1991 1.1.1993 1.1.1995 1.1.1997 1.1.1999 1.1.2001 1.1.2003 1.1.2005 Erwartete Marktrisikoprämie (Modell) 299 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 7: VERGLEICH DER ERGEBNISSE Modell Standard (VI) Generalisiert (IX) Variable Abschnitt CAPE Rf R2 Korrelation MRP Korrelation Rendite MFE MRP MFE Rendite CAPE 3,44 CAPE, Rf 14,54 –0,11 – 0,40 0,81 0,85 –0,36% –0,35% –0,46 1,15 0,55 0,79 0,84 0,01% 0,01% verwendet. Die Daten stehen ab 1. 1. 1973 zur Verfügung, wobei der Test des Modells im Intervall von 1. 1. 1983 – 1. 1. 2005 durchgeführt wird, da das Modell für das CAPE Daten der vergangenen zehn Jahre und für die annualisierte Zehnjahresrendite Daten der folgenden zehn Jahre benötigt. Als risikoloser Zins wird die Rendite von Obligationen der Eidgenossenschaft mit einer Laufzeit von zehn Jahren verwendet. Die ermittelten Resultate lassen darauf schliessen, dass das Modell von Estrada (2013) als Prognoseinstrument für die aktuell erwartete Marktrisikoprämie für den Schweizer Markt angewendet werden kann. Analog zum Vorgehen von Estrada (2013) wird auch das generalisierte Modell getestet: E(R1t)= α + β × CAPE0t + γ × R f + ε(IX) 4.2 Vorgehen. In einem ersten Schritt wird der RPF (Gleichung XI) in einem rollenden Zehnjahresintervall in der Periode 1. 1. 1983 – 1. 1. 2005 für jeden Monat geschätzt. Anschliessend wird die erwartete Marktrisikoprämie gemäss Gleichung VII ermittelt. Das generalisierte Modell wird analog getestet, wobei zuerst die erwartete annualisierte Zehnjahresrendite E(Rt1) mittels Gleichung IX geschätzt wird, um dann implizit die erwartete Marktrisikoprämie (Gleichung X) zu bestimmen. Die Analyse startet beim ersten Datenpunkt (1. 1. 1983) mittels Berechnung des CAPE bzw. der annualisierten Zehn jahresrendite (Rt1). Der RPF wird anhand Gleichung V berechnet. Anschliessend werden für jeden Monat in einem rollenden Zehnjahresintervall Regressionen (Gleichung VI) durchgeführt, bis die Datenmenge ausgeschöpft ist. Anschliessend wird die Marktrisikoprämie implizit durch die Subtraktion des risikolosen Zinssatzes von der erwarteten Rendite berechnet. E(ERP) = E(R1t) – R f(X) 5. ERGEBNISSE Abbildung 1 zeigt die durchschnittlichen Werte aus den 145 Regressionen. Herauszuheben ist dabei die negative Steigung (–0,11) bzw. das Bestimmtheitsmass (R 2) von 40%. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das CAPE auch unter Verwendung von Daten des Schweizer Aktienmarkts als guter Schätzer für den RPF dienen kann. Abbildung 2 und 3 zeigen die Korrelation zwischen tatsächlicher annualiserter Zehnjahresrendite bzw. Marktrisikoprämie und den durch das Modell ermittelten Werten. Sowohl bei der Rendite (0,85) als auch bei der Marktrisikoprämie (0,81) ist eine relativ starke Korrelation zu beobachten. Die durchschnittlichen Vorhersagefehler (MFE) für die Rendite (–0,35%) und die MRP (–0,36%) sind relativ klein und weisen darauf hin, dass das Modell die tatsächlichen Werte leicht unterschätzt. Die Analyse des generalisierten Modells (Abbildung 4) liefert leicht bessere Ergebnisse. Das Bestimmtheitsmass (R 2) verbessert sich auf 55%, wobei die Korrelationen der Marktrisi- « Der durchschnittliche Vorhersagefehler ist beim generalisierten Modell tiefer, sowohl bei der geschätzten Marktrisikoprämie als auch bei der geschätzten Rendite.» koprämie bzw. der erwarteten Rendite (Abbildungen 5 und 6) in etwa gleich bleiben (0,79 bzw. 0,84). Der durchschnittliche Vorhersagefehler (Abbildung 7) ist beim generalisierten Modell tiefer, sowohl bei der geschätzten Marktrisikoprämie (0,01% vs. –0,36%) als auch bei der geschätzten Rendite (0,01% vs. –0,35%). Die unabhängige Modellierung von CAPE und risikolosem Zinssatz führt dazu, dass sich die Vorhersagekraft verbessert. Dies wird durch die hohe Korrelation bei gleichzeitig grösserem R 2 sowie den tieferen durchschnittlichen Vorhersagefehler (MFE) gestützt. Abbildung 8: MODELLVERGLEICH Regression (VI) (XIII) 300 Variable Korrelation MRP Korrelation Return MFE MRP MFE Rendite Abschnitt=0? Steigung=1? CAPE 0,81 0,85 –0,29% –0,35% 0,26 0,81 CAPE, Rf 0,79 0,84 –0,01% –0,02% 0,92 0,96 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2015 | 4 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 9: FALLBEISPIEL 1 Annahmen Marktrisikoprämie mittels historischer Rendite in % Aktuell erwartete Marktrisikoprämie mittels Regressionsmodell in % 5 3 Risikolose Anlage 1,5 1,5 Erwartete Marktrendite gemäss CAPM 6,5 4,5 IRR des Investitionsprojekts 5,5 5,5 IRR – Erwartete Marktrendite –1,0 +1,0 NEIN JA Marktrisikoprämie Investitionsentscheid Die mittels des generalisierten Modells ermittelten Resultate führen wie schon beim Standardmodell zur Erkenntnis, dass dieses als Prognoseinstrument der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie für den Schweizer Markt dienen kann. 6. DISKUSSION DER ERGEBNISSE Bei der Analyse von sich überlappenden Regressionen bilden Signifikanztests keine adäquate Methode, um ein Regressionsmodell zu testen (vgl. Valkanov 2003; Boudoukh et al 2008; Britten-Jones et al 2011), weshalb hier darauf verzichtet wird, Standardfehler sowie T-Werte anzugeben. Die hier diskutierten Modelle dienen in erster Line der Vorhersage. Die Beurteilung der Modelle stützt sich daher vorderhand auf die Korrelation zwischen geschätzten und beobachteten Werten bzw. auf den durchschnittlichen Schätzfehlern. Die Ergebnisse in Abbildung 7 zeigen, dass die mithilfe des generalisierten Modells (Gleichung IX) ermittelten erwarteten Renditen bzw. Marktrisikoprämien, tiefere durchschnittliche Vorhersagefehler aufweisen als diejenigen bei der Ermittlung durch das Standardmodell (Gleichung VI). Die Korrelationskoeffizienten befinden sich dabei in einem Rahmen von 0,79–0,85. Weiter zeigt sich, dass bei beiden Modellen ein negativer Zusammenhang zwischen CAPE und RPF besteht, was nach theoretischer Argumentation (vgl. Kanemann und Tversky [1979] bzw. Rubinstein [1976] und Lucas [1978]) auch so erwartet wurde. 4 | 2015 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R Bei Vorliegen eines unverzerrten Schätzers sollte die Regression zwischen beobachteten und durch das Modell geschätzten Werten einen Achsenabschnitt von 0 und eine Steigung von 1 ergeben. In Abbildung 8 werden die P-Werte dieser zwei Null-Hypothesen gezeigt. Sowohl für den Fall des StandardModells (Gleichung VI) als auch für das generalisierte Modell (Gleichung XIII) können die Null-Hypothesen aufgrund der hohen P-Werte nicht verworfen werden. Die Resultate der beiden Hypothesentests zeigen, dass beide Modelle unverzerrte Schätzer für die erwartete Marktrisikoprämie und die erwartete Rendite liefern und daher als Prognoseinstrument zur Ermittlung der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie der Schweiz verwendet werden können. Aufgrund des höheren Bestimmtheitsmasses bzw. der höheren P-Werte ist das generalisierte Modell zu bevorzugen. 7. ANWENDUNG IN DER PRAXIS: DIE VERWENDUNG DYNAMISCHER MARKTRISIKOPRÄMIEN FÜHRT ZU EFFIZIENTERER KAPITALALLOKATION Das Modell von Estrada (2013) ermöglicht die Ermittlung der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie basierend auf aktuellen Indikatoren. Die oben erwähnte Analyse zeigt, dass die Marktrisikoprämie über die Zeit schwankt. Daraus folgt, dass eine konstante, auf historischen Durchschnitten basierende Marktrisikoprämie die aktuell erwartete Marktrisiko- 301 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 10: MEHRWERT DURCH PROJEKTREALISATION Beispiel 1: Erwartete MRP<MRPhist NPV Mehrwert bei Projektrealisierung Rendite in % 4,5% 5,5% 6,5% Projekt IRR Eigenkapitalkosten auf Basis aktuell erwarteter Marktrisikoprämie prämie je nach Szenario über- bzw. unterschätzt und dadurch die im Rahmen des CAPM ermittelten Kapitalkosten verfälschen kann. Die zwei folgenden Fallbeispiele zeigen, wie die durch das Modell ermittelte erwartete Marktrisikoprämie einen Investitionsentscheid beeinflusst. Die beiden Fallbeispiele sind folgendermassen aufgebaut: Ein Investor hat die Möglichkeit, seine Mittel entweder in ein Projekt oder ins Marktportfolio zu investieren. Die Rendite des Marktportfolios wird durch das CAPM ermittelt. Der Einfachheit halber wird für das jeweilige Investitionsprojekt ein Beta-Faktor von 1 angenommen [5]. 7.1 Fallbeispiel 1: Überschätzung der erwarteten Marktrisikoprämie. Wie in Abbildung 9 gezeigt, erreicht das In Eigenkapitalkosten auf Basis historischer Marktrisikoprämie vestitionsprojekt eine Internal Rate of Return (IRR) von 5,5%. Die auf Basis historischer Durchschnitte ermittelte, konstante Marktrisikoprämie führt zu einer Marktrendite bzw. zu Eigenkapitalkosten von 6,5%. Folglich sollte das Projekt abgelehnt und stattdessen ins Marktportfolio investiert werden. Wird die erwartete Marktrendite jedoch unter Verwendung der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie berechnet, resultieren Eigenkapitalkosten von 4,5%, was die Entscheidung zugunsten des Projekts beeinflusst. Die historisch ermittelte, konstante Marktrisikoprämie führt in diesem Fall zu einer Überschätzung der zukünftig erwarteten Marktrendite bzw. der Eigenkapitalkosten. Durch diese Überschätzung wird das potenziell wertschaffende Abbildung 11: FALLBEISPIEL 2 Annahmen Marktrisikoprämie mittels historischer Rendite in % Aktuell erwartete Marktrisikoprämie mittels Regressionsmodell in % 5 6 Risikolose Anlage 1,5 1,5 Erwartete Marktrendite gemäss CAPM 6,5 7,5 IRR des Investitionsprojekts 7,0 7,0 IRR – Erwartete Marktrendite 0,5 – 0,5 Investitionsentscheid JA NEIN Marktrisikoprämie 302 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2015 | 4 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz Abbildung 12: MEHRWERT DURCH INVESTITION INS MARKTPORTFOLIO Beispiel 2: Erwartete MRP>MRPhist NPV Vermiedener Wertverlust durch Investition ins Marktportfolio Rendite in % 6,5% 7,0% 7,5% Projekt IRR Eigenkapitalkosten auf Basis historischer Marktrisikoprämie Eigenkapitalkosten auf Basis erwarteter Marktrisikoprämie Projekt nicht realisiert und stattdessen ins vermeintlich besser rentierende Marktportfolio investiert. Grafisch dargestellt bildet die Fläche unter der IRR-Kurve den zusätzlich geschaffenen Wert bei einer Investition in das Projekt gegenüber der Investition ins (korrekt bewertete) Marktportfolio (Abbildung 10). fällt die Entscheidung zugunsten des Projekts aus, da die erwartete Marktrendite aufgrund der fixen historischen Marktrisikoprämie unterschätzt wird. Grafisch dargestellt bildet die Fläche unter der IRR-Kurve den entgangenen Wert bei einer Investition in das Projekt gegenüber der Investition ins Marktportfolio (Abbildung 12). 7.2 Fallbeispiel 2: Unterschätzung der erwarteten Marktrisikoprämie. Das zweite Beispiel zeigt den umgekehrten Fall. Das Investitionsprojekt erwirtschaftet einen IRR von 7%. Die auf Basis der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie ermittelten Kapitalkosten ergeben eine Hurdle Rate von 7,5%. Das Projekt sollte daher zugunsten einer Investition ins Marktportfolio nicht realisiert werden (Abbildung 11). Werden die Kapitalkosten aber mittels Marktrisikoprämien basierend auf historischen Durchschnitten ermittelt, 7.3 Schätzung der erwarteten Marktrisikoprämie ist breiter abzustützen. Die beiden Beispiele zeigen, dass die Schätzung der aktuell erwarteten Marktrisikoprämie einen kritischen Einfluss nicht nur auf Investitionsentscheide, sondern auch auf die Bewertung möglicher Alternativinvesti tionen haben kann. Die mittels des hier vorgestellten Modells ermittelte Marktrisikoprämie hat den Vorteil, dass diese auf aktuell beobachtbaren Daten aufbaut und somit variabel ist. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf das aktuelle 4 | 2015 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 303 R E C H N U N G SW E S E N D ie aktuell erwartete Mar ktrisi koprämie in der S chweiz und zukünftige konjunkturelle Umfeld bzw. zukünftige Renditeerwartungen des Markts ziehen, während die traditionell ermittelte Marktrisikoprämie lediglich einen vergangenheitsbezogenen Durchschnitt widerspiegelt. Für die im « Das Modell liefert Resultate, die darauf hinweisen, dass die Marktrisikoprämie nicht konstant ist, sondern über die Zeit schwankt.» Rahmen des CAPM ermittelten Kapitalkosten sollte dieser Tatsache Rechnung getragen und in Form einer Erweiterung der Entscheidungsgrundlage bei einer Investition berücksichtigt werden. In der Praxis werden bei Investitionsentscheiden mehrere Methoden herbeigezogen, wobei die Discounted-CashflowAnalyse und damit die durch das CAPM ermittelte Discount Rate von zentraler Bedeutung sind. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der zukünftig erwarteten Marktrisikoprämie ist notwendig, um die Ergebnisse besser einordnen zu können. Wie bei geschätzten Grössen üblich, sollten auch bei der Ermittlung der erwarteten Marktrisikoprämie verschiedene Methoden zur Anwendung kommen, welche vergleichend analysiert werden können. Dies schafft die Basis, um die Projektbewertung bzw. den Investitionsentscheid auf ein breiteres Fundament abzustützen und somit die Kapital allokation effizienter vorzunehmen. 8. FAZIT Die Bestimmung der erwarteten Marktrisikoprämie wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Die sehr einfache Methode, die Marktrisikoprämie mittels historisch ermittelter Überschussrenditen zu bestimmen, weist Mängel auf. Anmerkungen: 1) E(R): Erwartete Rendite; Rf: Risikolose Rendite. Meist werden Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren als risikolose Rendite angenommen; Beta: Der Betafaktor definiert das mit einer Investition verbundene systematische Risiko. Er ist ein Gradmesser, der angibt, wie stark die Rendite einer Investition im Vergleich zum Markt schwankt; E(Rm – Rf ): Erwartete Marktrisikoprämie definiert als Differenz der Marktrendite und der risikolosen Rendite. 2) Ein Martingal ist ein stochastischer Prozess, bei dem der bedingte Erwartungswert einer Beobachtung gleich dem Wert der vorigen Beobachtung ist. 3) Hassett (2010) definiert den Risk-Premium-Faktor als Steigung einer linearen Gleichung E/P+G=RPF×Rf E/P = Gewinnrendite des S&P 500; G = Langfristige Wachstumsrate; Rf = Risikolose Rendite. 4) Datastream Code: TOTMKSW (PI); TOTMKSW(PE). 5) In der Praxis muss dem systematischen bzw. projektspezifischen Risiko bei der Analyse und Bewertung mit der nötigen Sorgfalt begegnet werden, da der Beta-Faktor ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Berechnung der Kapitalkosten hat. Zuschläge für Projekt- und/oder Unternehmensgrösse bzw. branchenspezifische Risiken sind in die Bestimmung 304 Deshalb sind die so ermittelten Kapitalkosten mindestens kritisch zu hinterfragen und deren Berechnungsart um ein alternatives Verfahren zu ergänzen. Das von Estrada (2013) entwickelte Modell führt mittels eines zweistufigen Ansatzes über die Bestimmung des Risk-Premium-Faktors durch das CAPE und den aktuellen risikolosen Zinssatz zur aktuell erwarteten Marktrisikoprämie. Es ermöglicht eine Vorhersage basierend auf aktuell beobachtbaren Fundamentaldaten und liefert somit einen alternativen Ansatz, welcher die Einschränkungen bei der Annahme konstanter Marktrisikoprämien aufhebt. Das Modell liefert Resultate, die darauf hinweisen, dass die Marktrisikoprämie nicht konstant ist, sondern über die Zeit schwankt. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass das Modell für den Schweizer Markt robuste Ergebnisse liefert und somit als Vorhersagemodell für die aktuell erwartete Marktrisikoprämie in der Schweiz dienen kann. Weiter veranschaulichen zwei Fallbeispiele, wie die aktuell erwartete Marktrisikoprämie als Ergänzung zur traditionellen Methode in der Entscheidfindung verwendet werden kann. Im Gegensatz zur traditionellen Methode lassen sich durch die Variabilität der « Das Modell liefert für den Schweizer Markt robuste Ergebnisse und kann als Vorhersagemodell für die aktuell erwartete Marktrisiko prämie dienen.» mittels des Modells bestimmten erwarteten Marktrisiko prämie weitere Schlüsse auf das aktuelle konjunkturelle Umfeld und die damit verbundenen zukünftigen Rendite erwartungen ziehen. Investitionsentscheide lassen sich so auf ein breiteres Fundament abstützen und können das Risiko von Fehlallokationen reduzieren. n des Beta-Faktors einzubeziehen. Hinzu können weitere spezifische Komponenten wie etwa Breite der Kundenbasis, Abhängigkeit von Lieferanten, besondere Wettbewerbssituation usw. kommen. Literatur: Boudoukh, J., Richardson, M. and Whitelaw, R. (2008). The myth of long-horizon predictability. Review of Financial Studies 21(4), 1577– 1605. Britten-Jones, M., Neuberger, A. and Nolte, I. (2011). Improved inference in regression with overlapping observations. Journal of Business Finance and Accounting 38 (5–6), 657–683. Brown, Stephen J. and Goetzmann, William N. and Ross, Stephen A., Survival (March 1995). NYU Working Paper No. FIN-94-021. Campbell, J. and Shiller, R. (1998). Valuation ratios and the long-run stock market outlook. Journal of Portfolio Management 24(2), 11–26. Darolles, S., Eychenne, K. and Martinetti, S. (2010). Time varying risk premiums and business cycles: a survey. White Paper, Lyxor. Estrada, J. (2013). The enhanced risk premium factor model and expected returns. 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