Verlorene Heimat

Dezember 2015
Liebe Spenderin, lieber Spender!
Nur drei Flugstunden von Frankfurt entfernt werden
ganze Volksgruppen ausgerottet oder vertrieben, Mädchen versklavt, viele der wichtigsten Kulturdenkmäler der Menschheit von Barbaren in die Luft gesprengt,
gehen Kulturen und mit den Kulturen auch eine uralte
ethnische, religiöse und sprachliche Vielfalt unter.
Nichts ist uns eingefallen, um den Mord zu verhindern, den das syrische Regime seit vier Jahren am
eigenen Volk verübt. Und ebenso haben wir uns abgefunden mit der Existenz eines neuen, religiösen Faschismus, dessen Staatsgebiet etwa so groß ist wie
Großbritannien und von den Grenzen Irans bis fast ans
Mittelmeer reicht.
Erst wenn unsere Gesellschaften den Irrsinn nicht
länger akzeptieren, werden sich auch die Regierun-
gen bewegen. Wahrscheinlich werden wir Fehler machen, was immer
wir jetzt noch tun. Aber den größten Fehler begehen wir, wenn wir
weiterhin nichts oder so wenig gegen den Massenmord vor unserer
europäischen Haustür tun, den des
„Islamischen Staates“ und den des
Assad-Regimes.
Cap Anamur hilft den Menschen in
Syrien. Bitte unterstützen Sie diese
Arbeit mit Ihrer Spende!
Navid Kermani
Schriftsteller und
Friedenspreisträger
Ihr Navid Kermani
Verlorene Heimat
Flüchtlinge – in den vergangenen Monaten waren sie
das beherrschende Thema in Politik und Medien. Kein
Wunder, immerhin sind derzeit weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Mehr als je zuvor. Es bestürzt besonders, dass jeder zweite von ihnen ein Kind ist.
Hinter dieser abstrakten, unvorstellbar großen Zahl,
stehen ebenso viele Lebensgeschichten. Und die meisten sind von Krieg, Armut, Hunger, Angst oder Ausweglosigkeit gezeichnet. „Den Tod vor Augen erscheint die
Flucht als Rettung“, sagt der Cap-Anamur-Vorsitzende
Dr. Werner Strahl. „In unseren Projekten sind wir tagtäglich mit eben diesen Notlagen konfrontiert.“
Für Cap Anamur, dessen Gründung vor 36 Jahren
durch die Rettung vietnamesischer Boat People initiiert
wurde, sind Flüchtlinge immer ein Thema gewesen. Doch
schon seit unseren ersten Einsätzen in Somalia und Äthiopien fokussierten wir unsere Hilfe auf die Ursachen von
Flucht: Unser Schwerpunkt liegt auf der notfall- und basismedizinischen Versorgung von Menschen in Kriegsund Katastrophengebieten in ihrem Heimatland.
„Zwar fordert uns die Hilfe in den Krisenregionen
zahlreiche unbequeme und nicht immer ungefährliche
Einsätzen ab, sei es in der Zentralafrikanischen Republik, in Afghanistan, dem Sudan oder Syrien, doch uns
ist die Hilfe an eben diesen verlassenen Orten besonders
wichtig“, so Dr. Strahl weiter.
Tatsächlich stellen die 73.615 Syrer, die von Januar bis
September dieses Jahres in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nur einen Bruchteil dar: Rund vier
Millionen syrische Flüchtlinge leben mehr schlecht als
recht in den Nachbarländern Libanon, Türkei und Jordanien, in der Hoffnung, irgendwann in ihr Heimatland
zurückkehren zu können. Etwa doppelt so viele Syrer,
also mehr als acht Millionen, harren als Binnenflüchtlinge unter härtesten Bedingungen in Syrien selbst aus.
Vielen von ihnen fehlt schlicht das Geld für eine Flucht.
Im fünften Jahr des Konflikts gehen den meisten Syrern
die Ersparnisse aus, ebenso wie die Hoffnung auf baldigen Frieden. Immer größere Gebiete des Landes werden
vom Krieg erfasst und die Angst vor Assads Fassbomben
und dem Terror des IS nimmt zu. Das ist die Katastrophe
unseres Jahrzehnts. Kaum jemand ist so allein gelassen
wie diese Menschen. Sie bedürfen akuter internationaler
Unterstützung. Aus diesem Grunde engagieren wir uns
in Ländern, aus denen Menschen fliehen.
In Schutt und Asche: Nach über vier Jahren syrischen Bürgerkriegs ist
wenig übrig von der einstigen Wiege der Kultur.
Nachdem unser Team vor zwei Jahren in Azaz nur
knapp einer Entführung entging, mussten wir unseren
Ausgangspunkt zunächst ins sichere Jordanien verlegen.
In unserer Poliklinik in Syrien versorgen wir jene, die zurückbleiben
mussten. Den meisten unserer Patienten fehlt das Geld für eine Flucht.
Seitdem betreiben wir dort eine Poliklinik, in der syrische
Flüchtlinge versorgt werden und unterstützen von dort
aus eine weitere Poliklinik samt Zentrum für Gefäßchirurgie in Syrien mit medizinischem Spezialbedarf, wie Nahtmaterial, künstlichen Gefäßen und Infusionen sowie den
Gehältern für Ärzte und Krankenpfleger. Darüber hinaus
beliefert unser Logistiker zahlreiche syrische Untergrundkliniken mit Medikamenten und Verbrauchsmaterial, damit die medizinische Basisversorgung sichergestellt ist.
Um die Hilfe für die Binnenflüchtlinge auszubauen, haben wir im Oktober eine weitere Poliklinik in Syrien eingerichtet. Ein geeignetes Gelände bietet uns den notwendigen Schutz, um im Verborgenen zu arbeiten. Hier
kümmern sich sechs Ärzte verschiedener Fachrichtungen
um jene, die zurückbleiben mussten. Und um jene, die wegen Geldmangels gezwungen sind, zurückzukehren – trotz
der Lebensgefahr und der Angst vor dem Bombenterror.
Helfen Sie den Menschen in Syrien. Jede Spende zählt!
Mit 60 Euro können wir Verbandsmaterial oder Infusionen kaufen. Mit einer Spende von 100 Euro ermöglichen
Sie unseren Medizinern fünf Narkosen.
Cap Anamur im Einsatz für Flüchtlinge
Neben der Hilfe in Syrien (s.o.) unterstützt Cap Anamur das vertriebene Volk der Nuba im Sudan mit einem medizinischen Versorgungsnetz. Die Nuba leiden
seit Jahrzehnten unter den Kämpfen zwischen Rebellen und Regierung, unzählige Zivilisten flohen in
die Höhlen der Nuba-Berge. Der Sudan gehört zu den
Ländern mit den weltweit meisten Binnenflüchtlingen.
Seit vier Monaten engagieren wir uns für die Binnenflüchtlinge in der ukrainischen Region Oblast Luhansk,
in dem wir die beiden Krankenhäuser von Svetlodarsk
und Myroniwka mit Medizin, Material und Gehältern
unterstützen. Tausende Ukrainer, die sich und ihre Familie vor den Kämpfen in Sicherheit bringen wollen,
fristen ihr Leben nun als Vertriebene im eigenen Land.
Gemeinsam stark
Sierra Leone hat es besonders hart getroffen: Langsam erst erholte sich das westafrikanische Land von einem Jahrzehnt blutigen Bürgerkriegs, als Ebola ausbrach.
Die Folgen dieser beispiellosen Epidemie werden noch viele Jahre über ihr Ende hinaus zu spüren sein. Das zuvor
schon angeschlagene Gesundheitssystem brach in weiten
Teilen zusammen: Krankenhäuser mussten wegen fehlender Quarantänemöglichkeiten schließen, 256 Ärzte und
Pflegekräfte sind der Epidemie selbst zum Opfer gefallen
und fehlen nun in der Gesundheitsversorgung.
Unser Beitrag zum Wiederaufbau der medizinischen
Strukturen beginnt im Regionalkrankenhaus von Makeni,
dem wir in den kommenden Jahren wieder auf die Beine
helfen werden. Das Krankenhaus-Team hat 22 seiner Kollegen durch Ebola verloren. In der Bevölkerung wuchsen
Angst und Misstrauen und immer mehr Menschen
mieden das Krankenhaus. Um die Ansteckungsgefahr zu
minimieren, wurden wichtige Standards in der Patientenversorgung abgeschafft: von körperlichen Untersuchungen über diagnostische Prozeduren bis hin zu pflegerischer Versorgung. Nach und nach kamen die Abläufe im
Krankenhaus nahezu zum Erliegen.
Entsprechend chaotische Zustände fanden wir im Juli
dieses Jahres vor: überfüllte Abteilungen, unstrukturiertes Arbeiten, frustriertes Personal, marode Gebäude. Zudem fehlte es an Medikamenten und Materialien,
um die kostenlose Gesundheitsversorgung für Kleinkinder, Schwangere und stillende Mütter zu gewährleisten.
Diese wurde vor drei Jahren eingeführt, um der hohen
Mutter- und Kindersterblichkeit entgegenzuwirken.
Trotz der Rückschläge durch Ebola: Das Team in Makeni lässt sich
nicht entmutigen und packt voller Elan mit an.
„Der Berg an Aufgaben ist riesig“, berichtet Krankenpfleger Philippe Valentin. Dennoch hat das CapAnamur-Team in den ersten fünf Monaten große Fort-
schritte erreicht: „Wir sind beeindruckt, dass sich das
Team trotz der Rückschläge während der Ebola-Epidemie
nicht hat entmutigen lassen und nun voller Elan mit
anpackt. Die hygienischen Bedingungen haben sich
seit der Einrichtung der zentralen Sterilisation deutlich verbessert. Und schon nach wenigen Wochen konnte die Todesrate drastisch gesenkt werden. Auch, weil
Cap Anamur die fehlenden Medikamente zur Verfügung
stellt. Parallel steigen mit dem Vertrauen auch die
Patientenzahlen kontinuierlich an.“
Mehr Platz für die steigenden Patientenzahlen: Die Anbauten für die
Kinderstation und die Gynäkologie laufen auf Hochtouren.
Deswegen haben wir rasch mit den Instandhaltungsarbeiten und Reparaturen begonnen, die über ein Jahr
lang komplett vernachlässigt wurden. Auch der Anbau
für die Kinderstation und die Gynäkologie läuft auf Hochtouren, damit die wachsende Zahl an Patienten versorgt
werden kann.
Das Ziel ist, dieses für die gesamte Region sehr wichtige Krankenhaus innerhalb der kommenden Jahre in die
finanzielle Selbstständigkeit zu führen. Der Weg dahin ist
lang, doch unsere einheimischen Kollegen sind dankbar für unsere Vorschläge zu den Stationsabläufen und
setzen die gemeinsamen Beschlüsse direkt um. „Dank
des guten Zusammenhalts können wir die bestehenden
Ressourcen besser nutzen“, erzählt Cap-Anamur-Ärztin
Antonia von Haller. „Und wir freuen uns, dass unsere
Fortbildungen so gut besucht sind! Während das Krankenhausmanagement von vorneherein sehr motiviert in
die Zukunft blickte und Veränderungen herbei sehnte,
merken wir nun, dass sich auch bei den Mitarbeitern
etwas regt. Alle gemeinsam, das Management, die Ärzte
und das Pflegepersonal sowie das Team von Cap Anamur
arbeiten daran, dieses Krankenhaus in ein funktionierendes Krankenhaus zu verwandeln.“
Wiederaufbau in Nepal
Im April haben Tausende Nepalesen innerhalb weniger
Minuten alles verloren: ihr Zuhause, ihr Hab und Gut oder,
schlimmer noch, Verwandte und Freunde. Rund 8.800
Menschen überlebten das schwere Erdbeben nicht. Und einem Großteil der bitterarmen Bevölkerung fehlt auch sieben Monate danach noch ein festes Dach über dem Kopf.
heran schaffen konnten. Die Logistik war ohnehin schon
eine große Herausforderung, erschwerend hinzu kam
der Monsunregen.“
Doch davon ließ sich unser 22-köpfiges einheimisches
Bau-Team nicht entmutigen: Die rund 300 Kinder im Dorf
sollen möglichst bald eine neue, erdbebensichere Schule
bekommen. Für besondere Stabilität sorgen Stahl-BetonPfeiler in 15 und 30 Zentimeter Breite, die alle drei Meter
in die Mauer eingebaut und 120 Zentimeter tief in die Erde
eingelassen werden. Ein schöner Nebeneffekt dieses Projekts: Die Bauarbeiter, die durch das Erdbeben ebenfalls
ihre Wohnhäuser verloren haben, verdienen mithilfe dieser
Arbeit das Geld, um ihr Zuhause wiederaufzubauen.
Die ersten Gebäude der neuen, erdbebensicheren Schule stehen bereits.
Unser Nothilfe-Team kam nur vier Tage nach dem Beben in Nepal an: Während unsere Krankenpfleger sich in
einer selbst errichteten Ambulanz um die Verletzten im
Bergdorf Judeegaun kümmerten, schaffte unser Logistiker
Jürgen Maul erste Hilfsgüter und Nahrungsmittel heran.
„Hilfe beim Wiederaufbau – das benötigen die Menschen nach der akuten Phase am dringendsten. Denn
mehr als 95 Prozent der Häuser in Judeegaun lagen in
Schutt und Asche“, berichtet Maul. „Doch bevor wir mit
dem Wiederaufbau der Schule starten konnten, mussten
wir die Straße hinauf ins Bergdorf von Trümmern befreien und die Schlaglöcher ausbessern, damit wir die zahlreichen LKW-Ladungen mit Steinen, Zement und Stahl
Große Dankbarkeit für die Unterstützung aus Deutschland.
„Die Menschen in Judeegaun waren unfassbar stolz und
dankbar, dass wir ihnen während dieser schweren Zeit
beigestanden haben“, berichtet Krankenpflegerin Anabela Valentin. „Wir haben unser Zelt im Dorf aufgeschlagen
und eine intensive Zeit miteinander erlebt. Ganz sicher:
Wir werden diese Menschen in Erinnerung halten.“
UNSERE PROJEKTE: A
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Deutsches
Zentralinstitut
für soziale
Fragen
geprüft und
empfohlen
Cap Anamur wurde vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen
(DZI) auch für das Jahr 2015 das Spendensiegel zuerkannt. Mit der
Anerkennung wird die satzungsgemäße und sparsame Verwendung
der Spendengelder bestätigt. 2014 lagen die Kosten für Verwaltung
und Öffentlichkeitsarbeit unter 7 Prozent.