KGSt-Journal Sonderausgabe 1/2015 "Kommunale Sozialpolitik"

Journal
Sonderausgabe 1/2015 | November 2015
n Kommunale Sozialpolitik
Kommunale Sozialpolitik:
Diskussion innovativer
Steuerungsansätze
Zusammenfassung
einer Interviewreihe
Kontakt:
Andreas Pamp
0221 37689-25
[email protected]
Manfred Pook
0221 37689-41
[email protected]
Julie Gray
0221 37689-35
[email protected]
Matthias Wieliki
0221 37689-36
[email protected]
Die sieben Interviews wurden in der KGSt
wie folgt zusammengefasst:
Zusammenfassung Fragen 1 und 2:
Manfred Pook
Zusammenfassung Frage 3:
Julie Gray
Zusammenfassung Frage 4:
Matthias Wieliki
Konzept und Gesamtzusammenstellung:
Andreas Pamp und Manfred Pook
I
m KGSt®-Journal Juni 2015 hat die KGSt über den Start des Competence Centers
Soziale Kommune informiert. Das finanzielle Volumen der Produktbereiche Soziale Hilfen und Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, die Komplexität der Leistungen, die
Vielfalt der Beteiligten und die kommunalpolitische Bedeutung sind wichtige Merkmale, die Lösungen, innovative Methoden, Erfahrungsaustausch und Steuerungsanstrengungen erfordern. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Journal Nr. 6/2015, S.
1-3, verwiesen (Kennung zum Aufruf des Dokuments im Portal www.kgst.de der KGSt:
20150617A0021). Die KGSt hat darin angekündigt, Interviews mit kommunalen Entscheidern und Experten aus der Wissenschaft zu führen und die Ergebnisse den KGSt®Mitgliedern zur Verfügung zu stellen:
Die Interviews werden zurzeit fortlaufend unter https://www.kgst.de/produkteUnd„„
Leistungen/competence-center-soziale-kommune/interviewreihe.dot bereitgestellt.
Eine Information im Journal der KGSt, November 2015, Seite 1 (Portalkennung:
20151125A0013) weist darauf hin .
Eine Zusammenfassung der Interviews wird in das Portal der KGSt www.kgst.de
„„
eingestellt und zuvor als Sonderjournal der KGSt veröffentlicht. Dabei handelt es sich
um den nachfolgenden Text. Diese Zusammenfassung der Interviews wurde von der
KGSt erstellt und wird von ihr verantwortet.
Die KGSt stellt die Zusammenfassung zur Diskussion. Gleichzeitig greifen wir mit
unserer weiteren Arbeit im KGSt®-Competence Center Soziale Kommune einige der von
den Interviewpartnern angesprochenen Themen auf.
1. Versäultes Rechtssystem versus Lebenslagenansatz
2. Evaluation der Wirkung sozialer Leistungen
3. Steuerung der Akteurs-Netzwerke
4. Bürgerschaftliches Engagement.
Sieben Interviews wurden durchgeführt, vier Fragenkomplexe standen im Vordergrund:
Im Wesentlichen zielen die Fragen darauf ab, die Situation kommunaler Sozialpolitik bzw.
einzelner herausragender Politikbereiche analytisch zu erfassen, Lösungsansätze und
-richtungen herauszuarbeiten und in besonderer Weise Ansätze für die Arbeit der KGSt
mit ihren Mitgliedern herauszufinden.
n Inhalt
„„Einleitung
„„Interviewpartner
„„Kommentar KGSt®-Vorstand Rainer Christian Beutel
„„Zusammenfassung der Interviews
Seite 1
Seite 2
Seite 3
Seite 4
Fragenkomplex 1: „Versäultes Rechtssystem versus Lebenslagenansatz“............................................. 4
Fragenkomplex 2: „Evaluation der Wirkung sozialer Leistungen“ ................................................................ 6
Fragenkomplex 3: „Steuerung der Akteurs-Netzwerke“ ...................................................................................... 9
Fragenkomplex 4: „Bürgerschaftliches Engagement“ .......................................................................................... 11
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Interviewpartner
D
ie Interviewpartner der KGSt waren praxiserfahrene Führungskräfte der Kommunalverwaltung, darunter ein Verwaltungschef sowie zwei Dezernenten und Experten aus Wissenschaft und Beratung, die im Themenfeld intensiv für die und mit der
kommunale(n) Praxis arbeiten und vielfältige Erfahrungen haben
Tim Kähler,
Bürgermeister der Hansestadt Herford
(von 2004 bis 2014 Sozialdezernent der Stadt Bielefeld)
Jürgen Krumböhmer
Erster Kreisrat, Landkreis Lüneburg
Prof. Dr. Michael Macsenaere
IKJ - Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH und
IKJ ProQualitas GmbH, Mainz,
Geschäftsführender Direktor,
Prof. Dr. Claus Reis
Diplom-Soziologe
Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences
Markus Schön
Vertreter der Leitung des Stadtjugendamtes München
Dr. Jan W. Schröder
Geschäftsführender Gesellschafter der Jan Schröder Beratung GmbH &
Co. KG, Berlin, Bonn, Nauen,
Frank Stein
Stadtkämmerer und allgemeiner Vertreter des Oberbürgermeisters der
Stadt Leverkusen (von 2000 bis 2013 Beigeordneter, Dezernat Bürger,
Umwelt und Soziales der Stadt Leverkusen).
Alle Interviews sind für die KGSt von großer inhaltlicher Aussagekraft und
von erheblichem Nutzen für die weitere Arbeit. Die Interviews werden begleitet durch einen Kommentar zur aktuellen Lage kommunaler Sozialpolitik von
Rainer Christian Beutel, Vorstand der KGSt.
Die KGSt bedankt sich bei den Interviewpartnern ganz herzlich für ihren
Beitrag und für ihr Engagement.
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Kommentar
Rainer Christian Beutel
Vorstand der KGSt
Telefon: 0221 37689-10
[email protected]
D
ie Steuerung kommunaler Sozialpolitik stand schon vor der aktuellen Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme aufgrund der stetig steigenden Sozialausgaben und
der daraus folgenden Belastungen für kommunale Haushalte im Fokus. Die Kommune
trägt die zentrale Verantwortung für die soziale Gerechtigkeit vor Ort. Sie trägt dafür Sorge mit ihren naturgemäß begrenzten Ressourcen für die Adressaten sozialer Leistungen
die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Das versäulte System rechtlicher Regelungen der
Sozialgesetzbücher erweist sich hier als Hindernis. Es entspricht nicht dem Lebenslagenansatz und erschwert es den Kommunen regelmäßig dieser Verantwortung durch
passgenaue Hilfen nachzukommen. Die Gesellschaft erwartet gleichwohl nicht nur vom
Gesetzgeber, sondern auch von den Kommunen den effizienten Mitteleinsatz und die
Wirkung ihrer sozialpolitischen Maßnahmen nachzuweisen. Das kommunale Management ist gefordert, Steuerungspotenziale voll auszuschöpfen.
Kommunale Sozialpolitik umfasst (Infra-)Strukturen, Produkte und Dienstleistungen
unterschiedlicher Akteure und Vernetzung innerhalb und außerhalb der Verwaltung in
einer Reihe politischer Handlungsfelder (Soziales, Jugend, Wohnen, Arbeit, Bildung, Gesundheit, etc.). Angesichts der immer komplexer werdenden Problemlagen und Herausforderungen muss eine Steuerung kommunaler Sozialpolitik nachhaltig ausgerichtet
sein. Nachhaltige kommunale Sozialpolitik überwindet rechtliche Versäulung soweit es
möglich ist. Sie nutzt Fakten, Daten, Ziele, Kennzahlen, Vernetzung und Wirkung und
stärkt Prävention anstatt dauernder Reparatur. Planung, in Form von moderner Sozialplanung sowie Leistungsvereinbarungen mit Wirkungszielen und Wirkungsmessung sind
unverzichtbare Instrumente um Transparenz herzustellen. Diese ist die Grundlage für die
notwendige zielgerichtete und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Kommune mit der
Vielzahl lokaler sozialpolitischer Akteure, einschließlich der Freien Träger mit ihren unterschiedlichen Rationalitäten und eigenen, teilweise kollidierenden Interessen.
Die Folgen der anhaltenden Zuwanderung von Flüchtlingen verstärken den Eindruck,
dass die größten Herausforderungen noch vor uns liegen, deutlich. Die KGSt widmet
sich daher der Steuerung kommunaler Sozialpolitik in ihrer Arbeit umfassend und zielgerichtet – soweit der Aspekt kommunalen Managements betroffen ist - um Kommunen bei der Bewältigung der komplexen Herausforderungen zu unterstützen. Schon die
vorliegende Zusammenfassung der durch die KGSt geführten Interviews zeigt den teils
facettenreich und teils einheitlichen Blick kommunaler Entscheider und Experten aus der
Wissenschaft auf Probleme und Lösungsansätze zur Steuerung nachhaltiger kommunaler Sozialpolitik. Über das Studium dieser Zusammenfassung hinaus empfehle ich, sich
die Zeit zu nehmen um weitere Erkenntnisse aus den Abschriften der einzelnen Interviews zu gewinnen, die über das KGSt-Portal veröffentlicht werden (Link).
An die Interviews anschlussfähig ist ein in Kürze erscheinender KGSt-Bericht der
aufzeigen wird, was das Management tun kann, um die örtliche kommunale Sozialpolitik
nachhaltig auszurichten. Hierzu wurde ein übergreifender Steuerungsansatz entwickelt,
der die verschiedenen Handlungsfelder, Akteure und Professionen integriert. Ausgehend
von einer fundierten Bestandsanalyse empfiehlt die KGSt, die kommunale Sozialpolitik an
aktuellen Leitbildern auszurichten und in eine Gesamtstrategie einzubetten. Der Prozess
der Sozialplanung, bestehend aus Wirkungs-, Produkt-, Organisations- und Ressourcenplanung, ist zu qualifizieren. Die Instrumente des Qualitäts- und Prozessmanagements,
des Controllings sowie der IT-Unterstützung sind für die sozialen Handlungsfelder zu
schärfen und zu nutzen. Führungs- und Organisationskultur müssen in Richtung Kooperation und Kommunikation weiterentwickelt werden. Wirkungsziele, Wirkungskennzahlen und -indikatoren der sozialen Handlungsfelder müssen im Produkthaushalt als
zentrales Steuerungsinstrument verortet werden, damit die finanziellen Folgen für den
Haushalt nicht aus dem Blick geraten.
Die Neuausrichtung nachhaltiger kommunaler Sozialpolitik ist ein langfristiger Prozess. Ebenso wie die geforderte bessere Finanzmittelausstattung der Kommunen erscheint er dringend geboten.
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Zusammenfassung
der Interviews
1. Fragenkomplex „Versäultes Rechtssystem vs. Lebenslagenansatz“:
Das versäulte Rechtssystem im Themenfeld Soziales führt dazu, dass soziale Leistungen
heute in unterschiedlichen Strukturen von unterschiedlichen Akteuren erbracht werden. Dies stellt die Kommunen vor die Herausforderung, diese zergliederten Einzelhilfen
vor Ort orientiert an Lebenslagen und Lebensphasen wieder zusammenzuführen.
Die jedem Fragenkomplex beigefügten
Detailfragen der KGSt sollen aus Sicht
der KGSt wichtige Schwerpunkte hervorheben, erfordern aber nicht zwingend
eine detaillierte Antwort zu jeder dieser
Fragen.
Welche Notwendigkeit sehen Sie aufgrund dieser Situation für das kommunale Handeln?
„„
Für welche konkreten Bereiche wären (weitere) Empfehlungen der KGSt sinnvoll?
„„
Welcher Art müssten diese Empfehlungen sein, um Relevanz zu erlangen?
„„
Welche strategischen Steuerungsinstrumente setzen Sie im Themenfeld Soziales ein?
„„
Zusammenfassung der Antworten der Interviewpartner:
Soziale Leistungen sind in Deutschland sehr heterogen: unterschiedliche Zuständigkeiten im föderalen Gefüge, je nach Rechtsgebiet unterschiedliche Definitionen von Bedarfen und Einkommen und unterschiedliche Ressourcenverantwortung und -verteilung
kennzeichnen die Praxis. Daraus entstehen Problemlagen, die zwar für die Einwohner
einer Kommune relevant sind, die die Kommune aber nicht allein beeinflussen kann. Die
Kommune muss trotzdem damit umgehen.
Der deutsche Sozialstaat war in seiner Historie immer eine Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklungen. Unsere moderne Gesellschaft braucht jedoch nicht das reaktive,
sondern das proaktive System.
Angesichts des großen Finanzvolumens befasst man sich allerdings gesamtgesellschaftlich erstaunlich wenig mit der Frage, warum die Sozialkosten insgesamt überhaupt
auf breiter Front seit Jahrzehnten immer weiter steigen.
Exkurs
Der Begriff „Lebenslage“ bezeichnet
die äußeren Bedingungen, die für das
Leben von Personen und Gruppen bezeichnend sind. Handlungsspielraum
und Handlungsmöglichkeiten der Personen und Gruppen stehen dabei im
Blick und bedingen sich gegenseitig. Der
aus der Sozialwissenschaft stammende
Fachbegriff wird hier nicht weiter vertieft.
Die rechtliche „Versäulung“ im Rahmen der Sozialgesetzbücher bietet aber auch
Struktur und damit Grundlagen für kommunale Handlungsmöglichkeiten. Grundsätzlich
sind Lebenslagen ein geeigneter Ansatzpunkt für die Formulierung von Wirkungszielen.
Das eher theoriegeleitete Konzept muss aber zwingend um empirische Erkenntnisse
für kommunales Handeln ergänzt werden. Die Sozialgesetzbücher unterstützen den
Lebenslagen-Ansatz nur bedingt, „sie formulieren zwar Wirkungsziele, aber keine Wirkungs-, sondern Leistungsansprüche.“ [wörtliches Zitat aus einem der Interviews]
Erfolgreiches kommunales Handeln wird letztlich an der Wirkung gemessen, daher
sind folgende Fragen wichtig: „Was wird gemacht? Mit welchem Input? Mit welchen
Ergebnissen?“ Lebenslagen sind Ausgangspunkt für die Entwicklung von Wirkungszielen.
Dieser Grundgedanke muss prägend sein für das kommunale Handeln und erstreckt sich
über das gesamte Leistungs- und Steuerungsspektrum, dessen wichtige Elemente sind:
Integrierte Handlungskonzepte, Entwicklung klarer und gemeinsam gesetzter Ziele,
„„
Sozialplanung und Sozialberichterstattung, zweckmäßiger Zuschnitt der Produktgruppen und Produkte im Haushalt einschließlich dortiger Präsentation wesentlicher Ziele
und Kennzahlen/Indikatoren;
Zusammenarbeit der Akteure innen (innerhalb der Verwaltung) und außen, Ver„„
besserung der Abläufe und Prozesse mit besonderer Aufmerksamkeit für die zahlreichen Schnittstellen der Leistungserbringung und Verknüpfung der beteiligten
Akteure, zweckmäßige organisatorische Zuschnitte wie beispielsweise Sozialraumkonferenzen und dezentrale Standorte (z. B. Sozialbürgerhaus), Fallmanagement mit
allen notwendigen Perspektiven, Dialog und Kommunikation im Netzwerk, professionelles Netzwerkmanagement;
Integrierte Controlling-Informationen (die Wirkungs-, Leistungs-, und Ressourcenziele
„„
berücksichtigen), Indikatoren und Kennzahlen, die für viele Beteiligte verständlich
sind und bleiben.
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Wesentliche Aspekte dieser Aufzählung sind im Einzelnen:
Der Lebenslagen-Ansatz ist als Basis für die Formulierung von – vordringlich – Wir„„
kungszielen heranzuziehen. Lebenslagen dürfen dabei allerdings nicht nur normativ
gesetzt, sondern müssen empirisch untermauert werden. Sozialplanung und Sozialberichterstattung sind wichtige Informationsgrundlagen.
Klare gemeinsam erarbeitete Ziele auf Wirkungs-, Leistungs- und Ressourcenebene
„„
münden in integrierte Handlungskonzepte, wie sie im Bereich der Städtebauförderung seit einiger Zeit üblich sind. Es handelt sich dabei um einen wertvollen konzeptionellen Steuerungs-Ansatz, im Zusammenhang und Querschnitt zu denken
und koordiniertes Arbeiten statt „Schubladendenken“ zu forcieren. Die meisten
Leistungsvereinbarungen setzen bisher an Strukturen und Prozessen an, die Ergänzung um die Dimension „Wirkung“ ist zukünftig wichtig. „Eine Handvoll Indikatoren
können ausreichen, um Wirksamkeit solide abzubilden.“ [wörtliches Zitat aus einem
der Interviews] Wirkungsziele entstehen im Dialog unter den Beteiligten (Steuerung,
Leistungserbringer, Betroffene/Kunden), nicht durch einseitige Setzung.
Eine zuverlässige Datenbasis ist Grundvoraussetzung für Sozialplanung und Sozial„„
berichterstattung. Diese bildet den fachlichen Rahmen und ist als Informationsgrundlage für das kommunale Handeln unverzichtbar. Der Haushalt als zentrales Planwerk
einer Kommune muss einen zweckmäßigen Zuschnitt der Produktgruppen und Produkte enthalten, Verknüpfungen deutlich machen und wesentliche Ziele und Kennzahlen/Indikatoren ausweisen, die die kommunalpolitische Diskussion unterstützen.
Die Managementaufgabe der Verwaltungsleitung besteht darin, die Wirkungs„„
zusammenhänge offenzulegen, entsprechende Methoden in der Verwaltung zu
etablieren und die relevanten Akteure zu erkennen und einzubeziehen. In der Implementierung des Know-hows besteht der Überzeugungs- und Schulungsauftrag, den
das Management bewältigen muss.
Die Akteure müssen in die Lage versetzt werden, zielgerichtet zu interagieren, damit
„„
die Probleme gelöst werden können. Einen entsprechenden Vernetzungsprozess
anzustoßen und zu koordinieren, ist eine Herausforderung für kommunalpolitische
Gremien und Verwaltung. Dialog und Vertrauenskultur gehören dazu.
Anders als Projektsteuerung ist Netzwerksteuerung vielgestaltig. Sonst droht eine
„„
„Kennzahlenschlacht“, die – wie schon bei manchem Qualitätsmanagementtool –
erhebliche Ressourcen für Dokumentationen bindet, ohne positive Effekte für Bürgerinnen und Bürger zu erzielen.
Netzwerkmanagement unterscheidet sich deutlich vom Projektmanagement mit
„„
dem gebräuchlichen zentralen Ansatz: Ein Netzwerk will über vielgestaltige Kommunikationsprozesse mit autonomen Akteuren gesponnen werden. Erfolgreiche Netzwerkarbeit erfordert, neben dem vereinbarten Zielpfad auch für die Eigendynamik
des Netzwerkes Raum zu lassen.
Auf Seiten der Verwaltung müssen die Organisationseinheiten enger miteinander
„„
verknüpft werden, um die Leistungen und Angebote der unterschiedlichen Fachrichtungen zielgerichtet zu bündeln. In der Kooperation, Prozessgestaltung und
Kommunikation mit den externen Leistungserbringern muss sich dies anschließend
fortsetzen.
„Wir wollen, dass auch belastete Kinder und Jugendliche, die Unterstützung in der
Erziehung brauchen, in der Kindertagesbetreuung und in der Schule verbleiben
können. Deshalb wollen wir die Angebote in den Hilfen zur Erziehung mit den Alltagsstrukturen der Schulen, den Tagesbetreuungseinrichtungen und dem Freizeitbereich, in dem sich die Kinder und Jugendlichen bewegen, verstärkt verknüpfen.“
[wörtliches Zitat aus einem der Interviews]
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Exkurs
Fallmanagement soll hier verstanden
werden als die bedarfsgerechte auf den
einzelnen Fall passende Unterstützung
unter Einbeziehung aller relevanten Unterstützungsleistungen.
In komplexen sozialen Problemlagen ist eine fallorientierte Vorgehensweise ziel„„
führend. Fallmanagement muss in der Verwaltung entwickelt und erprobt werden.
Der Tatsache, dass viele Adressaten sozialer Leistungen nicht in der Lage sind, ihre
Bedarfe einzufordern, könnte damit begegnet werden. Fallmanagement bedeutet
aber, dass Leistungs- und Kostenträger die Bereitschaft haben, die Steuerung des
Falls zugunsten einer einheitlichen, übergreifenden Koordinierung abzugeben. Dazu
ist Überzeugungsarbeit zu leisten.
Controlling, Berichte und Führungsunterstützung sind unverzichtbar, einseitige In„„
formationsaufbereitung (unter Bezug zum Beispiel nur auf den finanziellen oder nur
auf den Leistungsaspekt) ist dysfunktional. Dabei geht es um Kern-Steuerungszahlen
– nicht 200, sondern zum Beispiel 5. Konzentration auf das Wesentliche wird damit
gefördert. Nicht die betriebswirtschaftliche Detail-„Standard“-Kennzahl führt weiter,
sondern Indikatoren und Kennzahlen, die den Dialog der beteiligten Akteure unterstützen können.
Wie kann die KGSt hierbei unterstützen?
Neben Erfahrungsaustausch, Aufgreifen und Verbreiten guter Beispiele und innovativer
Lösungen sind es vor allem folgende Fachthemen, die verstärkt Beachtung finden sollten:
Gestaltung von Fallmanagement;
„„
Prozessmanagement;
„„
Integriertes Controlling und Steuerungsmethoden;
„„
Netzwerkmanagement;
„„
Strategische Orientierung, Zukunftsbezug, Prävention;
„„
Wirkungsorientierte Steuerung.
„„
Fachpolitisch verdienen vor allem folgende kommunale Handlungsbereiche verstärkt
Unterstützung:
Unterbringung von Flüchtlingen, Inklusion und Integration;
„„
Übergang von der Schule zum Beruf;
„„
Vermeidung von Jugend- und in der Folge Langzeitarbeitslosigkeit.
„„
Besonders wichtig ist bei diesen Handlungsbereichen, darauf zu achten, die Systemgrenzen miteinander zu verbinden.
2. Fragenkomplex „Evaluation der Wirkung sozialer Leistungen“:
Die Messung der Wirksamkeit sozialpolitischer Leistungen ist komplex, aber unverzichtbar. Dies erfordert einen Ausbau von Controlling und die Entwicklung von Wirkungsindikatoren.
Welche Notwendigkeit sehen Sie für das kommunale Handeln?
„„
Für welche konkreten Bereiche wären (weitere) Empfehlungen der KGSt sinnvoll?
„„
Worin sollte ein Arbeitsansatz der KGSt bestehen?
„„
Mit welchen Methoden messen Sie die Wirkungen Ihrer (präventiven) Maßnahmen?
„„
Zusammenfassung der Antworten der Interviewpartner:
Wirksamkeit der kommunalen sozialpolitischen Aktivitäten ist ein wichtiges kommunalpolitisches Thema. Wirkungsziele, Wirkungsmessung, die Überprüfung der Wirk-
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samkeit sind demnach wichtige Steuerungsthemen. Die Notwendigkeit, Wirkungen zu
evaluieren, ist klar gegeben. Ein Universalinstrument gibt es nicht, pragmatische Herangehensweisen aber sehr wohl. Erfolgreiche Steuerung der Wirkungen ist voraussetzungsvoll, allerdings weist die bestehende kommunale Praxis bereits viele Grundlagen
dafür auf. Sie zu nutzen, die Informationen zu kombinieren, die Erkenntnisse für einen
heterogenen Adressatenkreis nutzbar zu machen, ist das Gebot der Stunde. Im Einzelnen
sind es folgende Voraussetzungen und Grundlagen, für die es in der kommunalen Praxis
bereits viele Beispiele gibt, die als Handlungsanleitung für die Überprüfung der örtlichen
Arbeit herangezogen werden können:
Zwei Ebenen sind deutlich zu unterscheiden: die Erfassung der Wirkungen und die
„„
wirkungsorientierte Steuerung. Gemeinsam mit der wirtschaftlichkeitsorientierten
Steuerung bildet die wirkungsorientierte Steuerung die Grundpfeiler kommunalpolitischer Steuerungsentscheidungen.
Sozialplanung und Sozialberichterstattung legen die Basis für Entscheidungen im
„„
kommunalen Gesamtzusammenhang, enthalten Informationen über Zustand, Entwicklungsverläufe und Prognosen, die sozialpolitisch bedeutsam sind. Ziele werden
auf dieser Grundlage erarbeitet. Entwicklungsstand und Aussagekraft der Sozialplanung und Sozialberichterstattung sollten örtlich überprüft werden.
Sozialplanung und Sozialberichterstattung können auch ein Bindeglied zwischen
„„
den eher globalen Wirkungszielen, die in den Sozialgesetzbüchern durchaus enthalten sind, und den kommunalen sozialpolitischen Zielen mit den dazu gehörenden
Leistungen und Maßnahmen sein.
Die sozialräumlich organisierte Arbeit der Kommune schafft die notwendige örtliche
„„
Orientierung im Detail und bietet mit den Sozialraumkonferenzen eine Möglichkeit
der Vernetzung im konkreten und überschaubaren, vor allem stadteil-/ortsteilbezogenen Rahmen (z. B.: „Werden die Angebote von den Zielgruppen wahrgenommen?
In welchem Ausmaß? Welche Meinung äußern die Betroffenen?“).
Die häufig problematische Zusammenarbeit unterschiedlicher Leistungsträger und
„„
der passgenaue Übergang der Leistung des einen auf den anderen Träger kann damit abgefedert werden.
Im Hinblick auf individuelle Hilfen bietet der Hilfeplan Ansatzpunkte für konkrete
„„
Zielformulierungen. Die Fallanalyse (z. B. Einkommensprüfung, Bedürfnisprüfung,
medizinische Gutachten, z. B. Hilfepläne im Rahmen der Hilfen zur Erziehung) sollte
genutzt werden, um Indikatoren für die Steuerung zu ermitteln. Ein Praxisproblem
ist, dass vorhandene Informationen und die vorhandenen Tools oftmals nicht für
die Steuerung genutzt werden. Überblick und das Erkennen von Zusammenhängen
werden dann schon für die unmittelbar mit dem Fall betrauten Fachkräfte erschwert,
umso mehr für Verantwortliche für die kommunale Gesamtsteuerung.
Erfolgreiche Steuerung von Wirkungen setzt voraus, dass die Ziele möglichst konkret
„„
formuliert und operationalisiert werden, aber auch, dass Konsens erzielt wird, was
der wünschenswerte / angestrebte Zustand ist. Dialog, Kommunikation und Vernetzung sind dazu wiederum unverzichtbar. Ebenso ist eine Konzentration der Ziele
erforderlich – Simplifizierung und Generalisierung sind dabei hilfreich und erfordern
Mut zur Entscheidung. Die laufende Überprüfung der Wirksamkeit im Rahmen des
Controllings korrespondiert damit – Unwirksames muss rasch erkannt und geändert
werden. Die unterjährigen Berichte im Rahmen des Controllings müssen dazu Informationen enthalten.
Vgl. Macsenaere, M. (2014). Wirkungsforschung und ihre Ergebnisse. In M. Macsenaere, K. Esser, E. Knab & S. Hiller (Hrsg.), Handbuch der Hilfen zur Erziehung (S. 592–598).
Freiburg: Lambertus.
Fachlich ausgearbeitete Beispiele sollten verstärkt herangezogen werden. Die kom„„
munale Praxis bietet dazu zahlreiche Initiativen; im Hinblick auf wissenschaftliche
Grundlagen seien die zehn Leitlinien nach Macsenaere (2014) zur Kinder- und Jugendhilfe als Beispiel genannt. Wissenschaft kann für die Praxis sehr anregend sein.
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Hochdifferenzierte, wissenschaftlich anmutende Evaluationskonzepte mögen in Ein„„
zelfällen die richtige Wahl sein – in breitem Maße sollte die Wirksamkeitssteuerung
in Kommunen aber mit plausiblen, alltagstauglichen Informationen zur Wirkung und
Wirtschaftlichkeit der kommunalen Leistungen vorangebracht werden. Plausibilität
im unterstellten Wirkungszusammenhang und Verständlichkeit für die heterogenen
Adressaten der Informationen sind in der kommunalen Praxis deutlich höher zu gewichten als wissenschaftliche Präzision.
Plausibilität und Alltagstauglichkeit der Informationen sind auch die Eigenschaften,
„„
die Führungskräfte auf Ebene der Verwaltungsführung überzeugen können, in die
Steuerungsunterstützung zu investieren. Ebenso dürfen die Mitarbeiter/innen auf der
Fachebene nicht durch intensive kleinteilige und wenig einsichtige Datenerfassungsanforderungen überfordert werden.
Die Nebenwirkungen, die zu den ursprünglich unterstellten Wirkungen entstehen,
„„
dürfen nicht vergessen werden. Auch für ihre Erfassung und Darstellung gilt die
Pragmatismus-Anforderung.
Auf der Basis der konkret formulierten Ziele ist der Maßnahmenkatalog zu spezifizie„„
ren. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, wie eine Verbesserung der finanziellen
Situation der Kommune erreicht werden kann: wann ist aufgrund der Maßnahmen
mit Einsparungen bei Transferzahlungen zu rechnen?
Aussagen in der Berichterstattung gewinnen Qualität, wenn Vergleichsgruppen
„„
herangezogen werden. Der Vergleich im interkommunalen Kontext oder in einem
anderen Vergleichskontext schärft die Urteilskraft. Er veranlasst auch, alternative Verfahrensweisen zu ermitteln.
Den kommunalpolitischen Gremien sollten Alternativen vor der Beschlussfassung
„„
aufbereitet und vorgelegt werden. Investitionen in Prävention sind dabei zu berücksichtigen und zu werten. Wirtschaftlichkeit darf nicht außer Blick geraten.
„Im Sozialsektor spart man nun mal nicht, wenn man die höhere Zahl aus dem
Haushaltsansatz streicht und sie durch eine niedrigere ersetzt. Dass es solche Vorstellungen noch gibt, ist die nächste Irrationalität.“ [wörtliches Zitat aus einem der
Interviews]
Die Informationsmöglichkeiten des „doppischen“ Haushalts sollten verstärkt genutzt
„„
werden: Produkte sollten nach Zweckmäßigkeit und den aus der Sozialplanung
resultierenden Erkenntnissen gebildet werden, Verknüpfungen müssen deutlich
werden, Ziele und Kennzahlen / Indikatoren in den Teilergebnishaushalten /-plänen
sollten auf der Höhe der fachpolitischen Diskussion sein und Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit unterstützen.
Wie kann die KGSt hierbei unterstützen?
Neben interkommunalem Erfahrungsaustausch sind es vor allem folgende Fachthemen,
die verstärkt Beachtung finden sollten:
beispielhafte Ermittlung von Indikatoren und Kennzahlen, die Aussagen zur Wirkung
„„
aufzeigen können,
Beispiele für die Verfolgung der fachpolitischen Ziele im Rahmen der Darstellung im
„„
Haushalt,
Bemühungen um eine übergreifende Aggregation der Wirkungsziele im Rahmen
„„
eines Zielgerüstes der Sozialgesetzbücher,
Angebote für die Führungskräfte auf der Ebene der Verwaltungsführung.
„„
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3. Fragenkomplex „Steuerung der Akteurs-Netzwerke“:
An der Erstellung kommunaler sozialer Leistungen sind viele Akteure beteiligt, wie z. B.
kommunale Leistungsanbieter, gemeinnützige Organisationen und private Dienstleister. Effiziente Sozialpolitik kann nur über einen gemeinsamen Dialog mit den Leistungserbringern über Leistungen, Wirkungen und Ressourcen gelingen. Dies muss sich in
der Ausgestaltung von Qualitäts- und Leistungsvereinbarungen zwischen öffentlichem
Träger und Leistungserbringer widerspiegeln.
Welche Notwendigkeit sehen Sie für das kommunale Handeln?
„„
Für welche konkreten Bereiche wären (weitere) Empfehlungen der KGSt sinnvoll?
„„
Welche Schritte der Bearbeitung sind erfolgversprechend?
„„
Wie gestalten Sie eine Beteiligung der Betroffenen und Leistungsanbieter in der
„„
Sozialplanung?
Wie gestalten Sie Ihr Qualitätsmanagement?
„„
Welche Ansätze zur Sozialraumorientierung verfolgen Sie?
„„
Wie setzen Sie den geänderten §79a SGB VIII (Qualitätsentwicklung in der Kinder„„
und Jugendhilfe) um?
Zusammenfassung der Antworten der Interviewpartner:
In den Handlungsfeldern der kommunalen Sozialpolitik arbeiten die verschiedenen
Akteure schon heute vielfach in Netzwerken zusammen. Netzwerke dienen dem Zusammenwirken von Organisationen und/oder Individuen, die rechtlich und prinzipiell auch
wirtschaftlich voneinander unabhängig sind. Durch den Zusammenschluss im Netzwerk
werden Voraussetzungen für ein Handeln geschaffen, das Entwicklungen, Leistungsverbesserungen, Problemlösungen und anderem dienen kann. Netzwerke sind allerdings
keine Selbstläufer. Sie brauchen professionelles Management und eine professionelle
Moderation, um erfolgreich ihre Potenziale nutzen zu können. Die nachfolgende Auflistung zeigt auf, was bei der Steuerung und Zusammenarbeit im Netzwerk zu beachten
ist:
Es ist erforderlich, von kommunaler Seite aus ein professionelles Netzwerkmanage„„
ment aufzubauen. Hierfür werden gut ausgebildete Netzwerkmanager benötigt,
welche dem Netzwerk Impulse geben, Transparenz schaffen, Ergebnisse dokumentieren und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Netzwerkarbeit vorantreiben.
Professionelle Netzwerkmanager spielen vor allem bei der Förderung von Innovation
und Kreativität, die im Vordergrund der Netzwerkarbeit stehen, eine entscheidende
Rolle.
Eine Steuerung der Akteurs-Netzwerke gelingt, wenn eine gemeinsame Zielentwick„„
lung (Zieldiskussion, aber auch Evaluation) erfolgt und es verbindliche Kooperationsbzw. Qualitäts- und Leistungsvereinbarungen gibt. Kommunen müssen diese Vereinbarungen mit dem Partner im Netzwerk angemessen und auf den Partner bezogen
einsetzen. Denn diese sind nicht nur Leistungsersteller, sondern vielmehr Mitgestalter
und –steuerer, so dass man letztlich nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Dies
verlangt entsprechende Kompetenzen in der Verwaltung, Netzwerkmanagement
gekonnt einzusetzen; und bei den Partnern die Bereitschaft, Veränderungen zu
zulassen, um gemeinsam den (neuen) Herausforderungen zu begegnen. Hierfür ist
allen Beteiligten eine Übergangsphase zur Entwicklung zu zugestehen.
Demokratietheoretisch muss eine ausreichende Anbindung steuernder Akteurs„„
Netzwerke an die kommunalpolitisch gewählten Gremien erfolgen, damit die
repräsentative Demokratie nicht konterkariert wird, sondern vielmehr ihre Leistungsfähigkeit steigern kann. Akteurs-Netzwerke können bei erfolgter Anbindung an die
Gremien sogar als Strategiemotor wirksam werden.
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Bei der Steuerung der Akteurs-Netzwerke ist die unterschiedliche Professionalität
„„
der Partner im Netzwerk zu beachten. Gemeinnützige Organisationen und private
Dienstleister haben in der Regel die notwendige Managementkompetenz, -erfahrung und -kapazität, um ihre Aufgaben professionell zu erledigen. Bürgerschaftlich
organisierte Gruppen verfügen ggf. nicht durchgehend über entsprechendes Wissen.
Dies kann auch nicht durchgehend von ihnen verlangt werden. Die Verwaltung
muss in dieser Zusammenarbeit auf Augenhöhe agieren, weder willfähriger Ausführer noch reine Kontrollinstanz sein.
Steuerungsprobleme bezogen auf Akteurs-Netzwerke bestehen bei den kommu„„
nalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II, beim sozialräumlichen Arbeiten,
bei der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule und bei der frühkindlichen
Bildung. Grund hierfür ist das Zusammenspiel verschiedener Akteure und Organisationen.
Sozialraumorientierung ist wichtig – sie ist kein Dogma, sondern dort einzusetzen,
„„
wo es sinnvoll ist. Mit ihr darf nicht die Monopolisierung der Leistungserbringung
gefördert werden und sie greift nicht bei allen Zielgruppen. Bei Jugendlichen kann
der Sozialraum z.B. zu klein sein, da ihr Interaktionsraum unter Umständen die
gesamte Stadt umfasst. Bei der konzeptionellen Ausrichtung und methodischen
Ausgestaltung sozialräumlicher Ansätze ist die gesamtstädtische Anwendbarkeit
entscheidend. Sie dürfen nicht auf Projekte aus dem Kontext der „Sozialen Stadt“
reduziert werden, die vorab förderungsbedürftige Gebiete (Stadtteile) definieren. Der
Sozialraum ist also immer als Teil eines Ganzen zu sehen.
Qualitätsmanagement ist die Basis für Steuerung und sollte grundsätzlich als Lern„„
und nicht zuvorderst als Kontrollprozess verstanden werden.
Die Qualitätsentwicklung sollte Bestandteil der Leistungsvereinbarungen mit den
„„
Leistungsanbietern sein. So kann die Kommune auf Basis dieser Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen, die Leistungen konkret bewerten und notfalls bei
Nichteinhaltung der vereinbarten Standards einem Anbieter kündigen. Ein Hebel ist
hierbei die Zuschussregelung.
Gemeinsame Fortbildungsangebote sowie Qualitätszirkel bzw. -dialoge zu spezi„„
fischen Themen bereichern die gemeinsame Qualitätsentwicklung, da sie den Austausch untereinander und das Verständnis füreinander fördern.
Der § 79a SGB VIII (Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe) stellt einen
„„
erneuten Vorstoß dar, Wirkungsziele als Ausgangspunkt für Qualitätsentwicklung im
Dialog zu entwickeln. In der Praxis gibt es hierbei noch Handlungsbedarf.
Wie kann die KGSt hierbei unterstützen?
Die drei Bereiche „Familie, Gesundheit und Senioren“ eignen sich besonders für
„„
KGSt®-Empfehlungen, da hier bedeutende Akteurs-Netzwerke agieren. Das lokale
Handwerk gilt es beispielsweise mitzunehmen – sei es bei der Gestaltung seniorengerechter Wohnräume oder der Einführung familienorientierter Dienstleistungszeiten. Bei der Gestaltung einer familienfreundlichen oder –gerechten Kommune
sind die Arbeitgeber einzubeziehen, bei der gesunden Kommune die Gesundheitsdienstleister: Ärzte und Krankenhäuser bieten nicht nur hochprofessionelle
Leistungen, sie sind Meinungsbildner. All diese Akteure erbringen keine kommunalen sozialen Leistungen, beeinflussen die soziale Kommune jedoch erheblich.
Steuerungsprobleme bezogen auf Akteurs-Netzwerke bestehen bei den kommu„„
nalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II, beim sozialräumlichen Arbeiten,
bei der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule und bei der frühkindlichen
Bildung. Grund hierfür ist das Zusammenspiel verschiedener Akteure und Organisationen. KGSt®-Empfehlungen erscheinen hier als sinnvoll.
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Unterstützung von Seiten der KGSt wünschen die Interviewpartner auch bei der
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Qualitätsentwicklung nach § 79a SGB VIII, indem der Bericht „Kontraktmanagement.
Steuerung über Zielvereinbarungen“ aus dem Jahr 1998 aufgegriffen und unter
den neuen bestehenden Anforderungen überarbeitet wird. Hier sollte insbesondere
die Steuerung des Zuschussbereichs und die hierfür sinnvolle Gestaltung entsprechender Kontrakte bearbeitet werden. Gerade die Einbindung von erwarteten Wirkungen und die vereinbarte Messung anhand geeigneter Kennzahlen sind in der
Praxis häufig schwierig.
4. Fragenkomplex „Bürgerschaftliches Engagement“:
Bürgerschaftliches Engagement wird zunehmend zu einer tragenden Säule, deren Potenzial gehoben, koordiniert und gesteuert werden muss. Folge ist auch, dass die Freien
Träger für die Steuerung der Sozialpolitik ein wichtiger Partner bleiben, jedoch ihre
herausgehobene Position in der Steuerung zu Gunsten anderer Akteure der Stadtgesellschaft verlieren.
Welche Notwendigkeit sehen Sie für das kommunale Handeln?
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Für welche konkreten Bereiche wären (weitere) Empfehlungen der KGSt sinnvoll?
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Zusammenfassung der Antworten der Interviewpartner:
Die Kommune kann gerade im sozialen Bereich nicht alles alleine leisten. Sie benötigt
starke Partner, zu denen auch die Bürger gehören, die sich freiwillig engagieren möchten.
Damit bürgerschaftliches Engagement seine Wirkung optimal entfalten kann, benötigt
es ein klares Rollenverständnis bei allen Beteiligten und einen Rahmen zur Orientierung.
Dann braucht es Anlässe und ein entsprechendes Interesse, das möglicherweise erst
noch zu wecken ist. In seiner Bedeutung für die Gesellschaft kann bürgerschaftliches
Engagement nicht hoch genug eingeschätzt werden - in ihm zeigt sich die lebendige
Seite des Sozialstaats. Es gilt dieses zu koordinieren, zu professionalisieren und ihm den
notwendigen Freiraum zu geben. Um das zu erreichen, sind folgende Hinweise wichtig
für die kommunale Praxis:
Ziel muss sein, dass das bürgerschaftliches Engagement kommunales Handeln im„„
mer ergänzt, dieses aber nie beispielsweise wegen einer Aufgabenmehrung oder
einem Rückbau von Leistungen ersetzt. Es geht nicht darum, fehlende Personalausstattung aufzufangen, sondern ergänzende Angebote von engagierten Bürgern zu
nutzen.
Die Verwaltung und die Politik müssen im Rahmen der Zusammenarbeit auf Augen„„
höhe agieren. Die Verwaltung nimmt dabei weder eine rein ausführende noch rein
kontrollierende Rolle ein. Dabei müssen Hürden wie eine zu fachspezifische Sprache
ausgeräumt werden, da sie Mitwirkende ausgrenzen oder einengen würden. Für die
Politik gilt es insbesondere, einerseits ihre Rolle im Sinne einer repräsentativen Demokratie wahrzunehmen und andererseits das bürgerschaftliche Engagement verstärkt als Ressource zu nutzen, um zu besseren Entscheidungen zu kommen. Wichtig
ist eine frühe und transparente Kommunikation von strategischen Zielen und dass
allen Beteiligen Herausforderungen und Problemlagen verständlich sind.
Es gibt engagierte Bürger, die sich bewusst von der Verwaltung distanzieren möch„„
ten. Auch damit muss professionell umgegangen werden, solange dies fachlich
vertretbar ist.
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Klare Absprachen zu den Zuständigkeiten sind notwendig. Es gibt kommunale
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Aufgaben, die durch engagierte Bürger unterstützt werden können und es gibt Bereiche, in denen alleine Fachkräfte agieren sollten. Natürlich gibt es auch Bereiche, in
denen es vorteilhafter ist, ehrenamtlich Engagierte einzusetzen. Die Kompetenzen
sind oft unterschiedlich verteilt und je nach Situation oder Fall unterschiedlich relevant. Dabei ist es wichtig, mit allen Beteiligten als Einheit zusammenzuarbeiten und
sich als diese zu verstehen.
Die Kommune schafft den Rahmen für das bürgerschaftliche Engagement. Dabei
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übernimmt sie die Koordination und die Steuerung des Einsatzes von Engagierten.
Bei der Koordination geht es darum, das Engagement so zu kanalisieren, dass ein
Einsatz dort erfolgt, wo er gebraucht wird. Aktuelle Anlässe wie die Flüchtlingssituation zeigen, dass Interessen von Bürgern sich verändern. Menschen, die sich bisher
in der Wohnungslosenhilfe engagiert haben, möchten ihr Engagement nun im Bereich Flüchtlinge einbringen.
Es ist wichtig, das richtige Angebot für den richtigen Menschen zu finden. Dies kann
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z. B. über eine Ehrenamtsbörse gelingen. Verbindet man das bürgerschaftliche Engagement mit den Sozialräumen, kann auch eine dezentrale Steuerung über Sozialraumkonferenzen gelingen. Dabei kann auf einheitliche Standards verzichtet werden,
um engagierten Bürgern eine gewisse Selbstständigkeit zu bieten. Bürgerschaftliches
Engagement sollte zielgerichtet gesteuert werden. Dabei helfen Indikatoren, die sich
auf Ergebnisse und Wirkungen beziehen.
Ehrenamtliche Kräfte sollten in ihrer Tätigkeit bestmöglich unterstützt werden.
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Dazu gehört nicht nur eine Sach- und Ressourcenausstattung, sondern auch eine
Qualifikation für ihre Tätigkeit. Gerade im Sozialbereich müssen entsprechende
Kompetenzen bestehen, um auch in schwierigen Situationen bestehen zu können.
Eine Beratung durch erfahrene Engagierte gehört ebenfalls zu den Unterstützungsleistungen, welche die Kommune anbieten sollte.
Die zum Engagement benötigte Zeit ist bei Engagierten durch die steigende Arbeits„„
belastung knapp. Die Gewinnung freiwillig engagierter Bürger ist stark von Anlässen
abhängig. So bietet die aktuelle Flüchtlingssituation die Chance, dass man Kontakt
zu Bürgern bekommt, die sich bisher nicht engagiert haben. Es ist erfolgsentscheidend, den Kontakt aufrechtzuerhalten, um diese Menschen auch für andere soziale
Fragen zu interessieren. Neben der Gewinnung ist auch die Bindung von engagierten Bürgern wichtig. Dazu bedarf es eines wertschätzenden Umgangs.
Bürgerschaftliches Engagement sollte sich nicht nur auf ein Mittelschichtspublikum
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beschränken. Dazu sollten Betroffene z. B. aus dem Bereich des SGB II gewonnen werden, die einerseits Leistungen beziehen und sich andererseits parallel zur
Verwaltung engagieren. Die Herausforderung besteht darin, sozial benachteiligte
Menschen mit einer reservierten Haltung zur Behörde einzubeziehen. Ombudsstellen nach dem SGB II und Modelle mit Peer-Beratung (= Beratung von gleichartigen
Personen) sind Ansätze, um auch diesen Personenkreis einzubeziehen.
Bei der Bürgerbeteiligung muss vermieden werden, dass sich artikulationsstarke
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Gruppen noch stärkeres Gehör verschaffen und damit Unwuchten in der Bildung
und der Kommunikation von Meinungen entstehen. Dazu bedarf es auch, artikulationsschwache Gruppen stärker einzubeziehen.
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Wie kann die KGSt hierbei unterstützen?
Durch gute Beispiele aus Kommunen und Empfehlungen zur Gewinnung, Bindung
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sowie zur Qualifikation von engagierten Bürgern.
Durch Empfehlungen für die Netzwerkarbeit.
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Durch Empfehlungen, die die Phänomene zur Kostenentwicklung auch im Bereich
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bürgerschaftliches Engagement darstellen.
Durch die kompetente Begleitung von Prozessen und die Umsetzung von Erkennt„„
nissen in die Praxis.
Durch Grundlagenarbeit zum Umgang und zur Haltung zum privaten finanziellen
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Engagement. Dort ist die Kommune vielmals zu zögerlich und zeigt nicht ausreichend Wertschätzung.
Durch Empfehlungen, die bezogen auf die Bürgerbeteiligung beschreiben wie wir„„
kungsorientierte Planungsprozesse gestaltet und zeitnah umgesetzt werden können.
n Impressum
Verlag: Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt)
Verantwortlich: KGSt - Der Vorstand
Redakteurin: Martina Senekowitsch ([email protected])
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