13. Deutsche Konferenz
für Tabakkontrolle
03/12/2015 |
Gesundheitsrisiko Nikotin
Dr. Verena Viarisio
Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
Stabsstelle Krebsprävention und
WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle
[email protected]
www.tabakkontrolle.de
Verena Viarisio
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für Tabakkontrolle
03/12/2015 | Seite 2/22
Erklärung zum Ausschluss eines Interessenkonfliktes
Es wurden keine geldwerten oder sonstigen Zuwendungen
angenommen, weder von der Pharma- noch von der Tabakoder E-Zigarettenindustrie oder deren Lobby-Organisationen.
Verena Viarisio
13. Deutsche Konferenz
für Tabakkontrolle
Überblick
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Geschichte
Nikotin in Forschung und Öffentlichkeit
Grundlagen Nikotinstoffwechsel
Aufnahme, Verteilung und Abbau von Nikotin
Nikotin &Abhängigkeit
Physische und psychische Abhängigkeit
Nikotin & Krankheiten
Atherosklerose / Krebs /Diabetes /
Immunschwäche
Nikotin & Störung der Entwicklung
Gehirn / Lunge
Toxizität von Nikotin
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Geschichte
Nikotin in Forschung und Öffentlichkeit
Verena Viarisio
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Geschichte
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Warum sprechen wir über Nikotin?
US.Congress 1994: Meineid 7
amerik. Tabakkonzern CEOs
1980er Nikotin macht abhängig
1994
1998
Jetzt:
TI schwört: Nikotin macht nicht
abhängig, Tabak nicht krebserzeugend
- wider besseres Wissen
They swear „No“.
TI-Dokumente werden öffentlich
und zeigen: Zigarette = perfektes Nikotin-Vehikel für max.
Abhängigkeit
Neue Forschung zu Nikotin: Nikotin macht nicht „nur“ abhängig,
ist darüber hinaus ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko
Verharmlosung von Nikotin durch E-Inhalationsprodukte
E-Zigarette & E-Shisha als Lifestyle-Produkt und Genussmittel, für Raucher
als Rauchstoppprodukt (trotz Fehlen von Wirksamkeitsnachweisen) und als
Mittel einer „sauberen Abhängigkeit beworben.
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Grundlagen Nikotinstoffwechsel
Aufnahme, Verteilung und Abbau
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Grundlagen: Nikotinstoffwechsel
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Wie wird Nikotin aufgenommen und verstoffwechselt?
Aufnahmeweg beeinflusst Abbau & Wirkung.
Inhalieren am effizientesten: Nikotin gelangt
schnell ins Blut und binnen Sekunden ins Gehirn
 wichtig für Abhängigkeit
Lunge
Abbau von Nikotin in der Leber: Halbwertszeit im
Blut ~ 2h. Akkumuliert bei regelmäßigem Konsum.
Abbauprodukt Cotinin lange in Speichel, Urin, Blut.
Nikotin aus E-Zigarette vs. Zigaretten:
Gleiche Aufnahmeeffizienz aus Aerosol/Rauch,
ähnliche Maximal-Konzentration im Blut (E-Zig
niedriger), gleich schnelles Erreichen der MaximalKonz.  Nikotin in E-Zigaretten-Aerosol kann
abhängig machen
Haut
Magen
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Abhängigkeit
Physische und psychische Abhängigkeit
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Nikotin & Abhängigkeit
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Wie macht Nikotin abhängig?
Körperliche Abhängigkeit
Nikotin bindet an Rezeptoren im VTA.
VTA-Neurone schütten in NAc
(Belohnungszentrum) Dopamin aus.
Erhöhter Dopaminspiegel
 Wohlgefühl  erneuter Konsum
Toleranz: unempfindl. Rezeptoren
 mehr R  Entzugserscheinungen
(wenn best. Anzahl R unbesetzt, ca 4-6h)
Geistige Abhängigkeit
Mit Belohnungszentrum werden auch Hirnareale des Lernens/Gedächtnis
aktiviert (PräK). Alle Aspekte des Konsumrituals werden mit Wohlgefühl
verbunden und werden zu Reizen, die Wunsch nach Konsum auslösen.
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für Tabakkontrolle
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Nikotin & Krankheiten
Verena Viarisio
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Nikotin & Krankheiten
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Welche Krankheiten fördert Nikotin?
in Zellkultur und Tierversuchen
Nikotin fördert Atherosklerose
Nikotin beeinflusst Blutströmungseffekte via Sympathikus &
Angiogneseprozesse der Zellen, die Blutgefäße bilden.
Nikotin fördert Entstehung und Fortschreiten von Krebs
Nikotin fördert Entstehung von Onkogenen und schaltet
Tumorsuppressorgene ab. zB: hemmt Apoptose, erhöht Beweglichkeit
der Zellen. Fördert über Angiogenese eine krebsfreundliche
Umgebung und somit Tumorwachstum.
Nikotin vermindert Erfolge von Chemo- & Strahlentherapie
Nikotin erhöht das Überleben von Krebszellen unter Therapie.
Verena Viarisio
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Nikotin & Krankheiten
03/12/2015 | Seite 12/22
Nikotin fördert Diabetes-Typ-2
Insulinproduzierende Zellen sind nikotinsensibel: Nikotin stört die
Betazell-Funktion (Insulinausschüttung) und fördert Absterben.
Nikotin schwächt das Immunsystem
Nikotin beeinflusst Entwicklung unreifer und Aktivierung ausgereifter
Immunzellen. Nikotin erhöht Anfälligkeit für Viren und Bakterien und
fördert abnormale Entzündungsprozesse.
•
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•
Und Humanstudien?
Angemessenen Humanstudien fehlen (ethische Gründe)
Epidemiologische Studien mit RT-Nutzern sind wenig aussagekräftig:
RT keine Verbrennungsprodukte aber Kanzerogene. Nicht Nikotin allein.
Studien mit NET-Nutzern sind wenig aussagekräftig:
oft gleichzeitiger Gebrauch von Tabak &NRT. Langzeitstudien fehlen.
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Nikotin & Entwicklung
Nikotinkonsum in der
fetalen Phase (passiv)
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Nikotin & Entwicklung
03/12/2015 | Seite 14/22
Nikotin im Mutterleib beeinträchtigt
die Kindesentwicklung langfristig
Gehirn
Entstehung des Gehirns, Grundlagen aller Hirnstrukturen.
Ungeborene und Säuglinge
• Nikotin stört die neuronale Entwicklung (neuroteratogen)
• SIDS: Nikotin erhöht Atemstillstände im Schlaf und vermindert
Aufwachfunktion
Folgen für Kinder und Heranwachsende
• Nikotin verursacht langfristige Störungen, die mit dem Rauchen in
der Schwangerschaft assoziiert werden:
veränderte Reaktion auf Drogen, gestörte Synapsenbildung,
Hyperaktivität, Ängstlichkeit, kognitive Beeinträchtigung,
Störung im Zusammenspiel Sensorik-Motorik
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Nikotin & Entwicklung
03/12/2015 | Seite 15/22
Lunge
Entstehung der Lunge
Folgen für Ungeborene und Säuglinge
• Nikotin bindet an Rezeptoren von Atemwegszellen des
Ungeborenen  Unterentwicklung der Alveoli, verminderte
Elastizität des Lungengewebes, vermindertes Atemvolumen
• Gewebeproben von SIDS-Fälle und Totgeburten: erhöhte
nACh-R-Konz. in Lungen von Kindern rauchender Mütter +
Lungenfehlentwicklung und Fehlentwicklung von Hirnregionen
der Atemkontrolle
CHEST November 2015 Gibbs K, Collaco JM, McGrath-Morrow SA
Impact of Tobacco Smoke and Nicotine Exposure on Lung Development
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03/12/2015 | Seite 16/22
Nikotin & Entwicklung
Nikotinkonsum bei
Heranwachsenden (aktiv)
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Nikotin & Entwicklung
03/12/2015 | Seite 17/22
Nikotinkonsum beeinträchtigt die Entwicklung
Heranwachsender
Gehirn
Hormongesteuerte Reifung der Strukturen für emotionale
Prozesse UND erfahrungsgesteuerte Reifung der Strukturen für
höhere kognitive Leistungen
 Starke Emotionen OHNE kognitiven Fähigkeiten zur Selbstkontrolle
 typisches Verhalten: Gefühlsschwankungen, impulsiv, beeinflussbar durch Gleichaltrige, Risikoverhalten.
• Rauchen während Adoleszenz wird mit langfristigen kognitiven
Beeinträchtigungen und Verhaltensstörungen assoziiert.
• Nikotin verursacht strukturelle und funktionelle Änderungen im
Gehirn und beeinflusst das Verhalten langfristig.
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03/12/2015 | Seite 18/22
Toxizität
Verena Viarisio
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Toxizität von Nikotin
03/12/2015 | Seite 19/22
Wie giftig ist Nikotin?
• Giftwirkung abhängig von Einnahme, Gewöhnung,
Entwicklungsphase, Gesundheitszustand
• Daten zur Toxizität stammen aus Tierversuchen, VergiftungsFallstudien und Studien zu NET. Wirkung ist dosisabhängig
Übelkeit - Erbrechen – Durchfall - erhöhter Speichelfluss Verlangsamung der Herzschlagfrequenz - vermehrte
Atemwegssekrete – Atemnot - epileptische Anfälle - Tod
• Brechreiz schützt vor Verschlucken einer tödlichen Dosis
• Allgemeine Angabe tödliche Dosis für Mensch (60mg) ist überholt.
Aus den wenigen Nikotin-Todesfällen hergeleitet:
tödliche Nikotinmenge = 390-780 mg für 60-kg-Person
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03/12/2015 | Seite 20/22
Zusammenfassung
Verena Viarisio
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03/12/2015 | Seite 21/22
Zusammenfassung
Nikotin ist kein harmloses Genussmittel, sondern…
 macht abhängig
 ist ein Nerven- und Zellgift
 ist akut toxisch
 ist tumorauslösend und –fördernd
 vermindert den Erfolg von Chemo- und Strahlentherapie
 fördert Atherosklerose
 fördert Diabetes-Typ-2
 schwächt das Immunsystem
 schadet dem Ungeborenen und beeinflusst dessen Gehirnund Lungenentwicklung bis ins Erwachsenenalter
 beeinflusst die Gehirnentwicklung von Heranwachsenden
Verena Viarisio
13. Deutsche Konferenz
für Tabakkontrolle
03/12/2015 | Seite 22/22
Deutsches Krebsforschungszentrum
(2015) Gesundheitsrisiko Nikotin. Fakten
zum Rauchen. Deutsches
Krebsforschungszentrum, Heidelberg
Übersicht zum Thema
Neueste Forschungsergebnisse
Umfangreiche Literatur
 liegt im Foyer aus