Staatsrecht II-2 Grundrechte Dr. Peter Becker Gliederung I. Menschenwürde II. Politische Grundrechte III. Wirtschaftliche Grundrechte IV. Vereinigungsfreiheit V. Freie Entfaltung der Persönlichkeit VI. Gleichheitsrechte VII. Schutz von Ehe und Familie I. Menschenwürde Art. 1 Abs. 1 Art. 1 Abs. 1 – Menschenwürde 1. Allgemeines: Sonderstellung von Art. 1 GG wegen Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsgarantie) Ist Menschenwürde überhaupt ein Grundrecht? Vgl. die Formulierung in Abs. 3 „nachfolgende Grundrechte ….“ -> Entstehungsgeschichte spricht nach h.M. nicht gegen die Einordnung als Grundrecht. -> BVerfGE 15; 283, 286: „Eine unzutreffende Feststellung ehewidriger Beziehungen im Scheidungsurteil berührt die Ehre des genannten Dritten und damit sein Grundrecht aus Art.1 Abs.1 GG.” Art. 1 Abs. 1 Menschenwürde 2. Dogmatische Begründung a) Positive Definitionsversuche Für die „Mitgifttheorie“ ist die Menschenwürde der dem Menschen von Gott oder der Natur mitgegebene Eigenwert, der von nichts als der puren Existenz abhängig ist. Nach der „Leistungstheorie“ gewinnt der Mensch seine Würde aufgrund seines eigenen selbstbestimmten Verhaltens (vgl. auch mirandolisches Freiheitsaxinom*). Würde ist danach weder eine vom Nichtmenschlichen unterscheidende Eigenschaft oder ein Wert. Sie ist eine Leistung, die der Einzelne erbringen kann, die aber auch verfehlt werden kann und damit Resultat erfolgreicher Identitätsbildung. Jeder Einzelne bestimme damit selbst, was seine Würde ausmacht. „Kommunikationstheorien“ sehen Würde nicht in der Qualität, Eigenschaft oder Leistung des Individuums, sondern in der “sozialen Anerkennung durch positive Bewertung von sozialen Achtungsansprüchen” (vgl. schon bei Hegel und Kojev: Thymos). Menschliche Würde hängt deshalb immer von der konkreten „Anerkennungsgemeinschaft” zusammen (keine Universalität!). b) Negativdefinition der Menschenwürde Um verfehlende Definitionen zu vermeiden, wird vielfach darauf verzichtet, den Begriff positiv zu definieren. Stattdessen bedient man sich einer negativen Interpretationsmethode, die am Verletzungsvorgang ansetzt. Die Garantie der Menschenwürde wird als Tabugrenze für Eingriffe der Öffentlichen Gewalt verstanden. Dies ist auch der Ansatz der Verfassungsrechtsprechung. *) Pico della Mirandola, Giovanni (1463-1494) : Oratio de hominis dignitate. Über die Würde des Menschen (lat.-deutsch), 1990 Art. 1 Abs. 3 - Funktion 3. Abwehr- und Schutzrecht a) Abwehr verletzender staatlicher Maßnahmen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zur „Achtung” der Menschenwürde BVerfGE 45, S.187 - Lebenslange Freiheitsstrafe; BVerfGE 80, S.367 - Verwertung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen eines Beschuldigten für die Urteilsfindung in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren b) Verpflichtung der staatlichen Gewalt zum Schutz der Menschenwürde -> Anspruch auf positives Tun BVerfGE 35, S.205 - Resozialisierung c) I.V.m. Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) -> Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums d) Schutz vor Verletzung durch Andere z.B. Menschenhandel, Zwang zur Prostitution 4. Ausdruck der Werteordnung Hilfsmittel bei der Auslegung der Reichweite anderer Grundrechte, vielfach im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) Art. 1 Abs. 1 - Schutzbereich 3. Schutzbereich a) Persönlich • alle Menschen • bereits vor Geburt (BVerfGE 39, S.1, 41 f. - Schwangerschaftsabbruch I: Schutz des sich entwickelnden Lebens durch Art. 1 Abs. 1 GG) und • auch nach dem Tod (allerdings abnehmend mit Verblassen der Erinnerung an den Verstorbenen; BVerfGE 30, S.173 - Mephisto) b) Sachlich Eine griffige positive Definition fällt schwer. Definitionsversuche in der Rechtsprechung: - Bürger darf nicht zum Objekt (Gegenstand) staatlichen Handelns degradiert werden - Unanfechtbarkeit des Eigenwerts des Menschen als Person - Mensch muss Zweck an sich selbst bleiben - Recht auf Bestimmung über das eigene Ich - Garantie eines (Menschenwürde-) Minimums - Wert, der dem Menschen kraft seines Personenseins zu kommt, darf nicht verachtet werden Aber Vorsicht: Schutzbereich wegen fehlender Einschränkbarkeit nicht zu weit fassen! Wichtige Bereiche mit Relevanz für die Menschenwürde Rechtliche Gleichheit des Menschen Achtung und Schutz der körperlichen Integrität Wahrung der personalen Identität Menschengerechte Lebensgrundlagen Postmortaler Schutz Sklaverei, rassische Diskriminierung demütigende Ungleichbehandlung Folter, Problem: „Rettungsfolter“ grausame Behandlung, „unmenschliche” Unterbringung (z.B. Haftbedingungen) Misshandlung, körperliche Strafen, Verabreichung von Brechmitteln Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik Postmortaler Organhandel psychische, seelische und intellektuelle Integrität, also, wie sich der Mensch “in seiner Individualität selbst begreift”. Problem: Leistungstheorie: Sind auch selbst entwürdigende Selbstdarstellung von diesem Schutz umfasst oder darf der Mensch vor sich selbst geschützt werden? Mindestvoraussetzungen für ein menschliches Dasein (Sozialstaatsprinzip) Sozialhilfeleistungen sozio-kulturelles Existenzminimums menschenwürdige Unterbringung bedürftiger Personen. Postmortaler Ehrschutz (grundlegend: Mephisto, BVerfG 30, 177) Austellung von Leichen würdige Bestattung Art. 1 Abs. 1 – Schranken 4. Schranken Nicht einschränkbar (= auch keine „Schranken-Schranken“) Aber: Eingriff muss eine gewisse Erheblichkeit besitzen Übungsfall 1: Menschenwürde X hat ein elfjähriges Kind in seine Gewalt gebracht, um für die Freilassung des Opfers ein hohes Lösegeld zu erpressen. Bei der Abholung des Geldes wird er beobachtet und später festgenommen. Um das Leben des Kindes zu retten, wird ihm im Rahmen seiner anschließenden Vernehmung auf Weisung der Polizeiführung die Zufügung von Schmerzen angedroht, falls er den Aufenthaltsort des Entführungsopfers nicht preisgebe. Aus Angst vor den angedrohten Maßnahmen gesteht X die Tat und führt die Polizei zu dem Kind. Im späteren Strafverfahren wird er zu einer langjährigen Freiheitstrafe verurteilt. Er wehrt sich gegen seine Verurteilung mit der Begründung, die Beweise gegen ihn seien aufgrund einer Androhung von Folter, und damit unter Verstoß gegen die Menschenwürde, erlangt worden. 1. War die Verhörmethode der Polizei verfassungsrechtlich gerechtfertigt? 2. Sofern nein, war es verfassungsrechtlich zulässig, die durch die Androhung von Schmerzen erlangten Beweise gegen X zu verwenden. II. POLITISCHE GRUNDRECHTE Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 2 GG) Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) Asylrecht (Art. 16a GG) Politische („bürgerliche“) Grundrechte - Überblick Zu den politischen Grundrechte gehören all diejenigen Rechte, die die Möglichkeit der Bürgers auf Teilnahme am gesellschaftlichen und staatlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess betreffen, also neben den Freiheiten bzw. Freiheitsrechten nach Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsäußerungs- Presse-, Rundfunk-, Film-, Informations- und Zensurfreiheit) auch das [Asylrecht, Art. 16a GG] Petitionsrecht, Art. 17 GG staatsbürgerliche Gleichheit, Art. 33 Abs. 1 GG Zugang zu den öffentlichen Ämtern, Art. 33 Abs. 2 und 3 GG Wahlrecht, Art. 38 GG Daneben können auch andere Grundrechte in bestimmten Konstellationen politische Wirkungen haben, z.B. die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG). Zusammenhang zwischen bürgerschaftlichen Grundrechte Informationsfreiheit Presse-/Rundfunkfreiheit Wissenschaft-/Kunstfreiheit Art. 21 Art. 9 Abs.3 Kommunikation (Private) Institutionen der Politik Institution in der Wirtschaft Politische Parteien Koalitionsfreiheit (Gewerkschaften AG-Verbände ….) Institutionalisierung Art. 9 Abs. 1 Unorganisierte Gruppe Art. 8 Abs. 1 Einzelner Art. 5 Abs. 1 Vereinigungsfreiheit Versammlungsfreiheit Meinungsfreiheit „Kommunikations“-Freiheitsrechte nach Art. 5 Abs. 1 GG Art. 5 Abs. 1 GG enthält folgende Grundrechte Meinungsfreiheit Informationsfreiheit Pressefreiheit Freiheit des Rundfunks Filmfreiheit Freiheit vor Zensur (nach h.M. allerdings kein selbständiges Grundrecht, sondern nur Schranken-Schranke) Quelle: FH Schmalkalden Kommunikationsfreiheit I. Funktion: Abwehrrecht, wichtig für die Auslegung einfachen Rechts (z.B. Beleidigung, § 185 StGB), Drittwirkung (z.B. Parabolantennen an Mietshäusern) II. Schutzbereich: a) Persönlich: Jeder, auch juristische Personen b) Sachlich: Meinungsäußerung, Information aus allgemein zugänglichen Quellen, Medienfreiheit von der Informationsbeschaffung bis zur Verbreitung III. Schranken: Allgemeines (nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG gerichtetes) Gesetz Sonderfragen zur Meinungsfreiheit I. Schutzbereich Bildung, Äußerung und Verbreitung von Meinungen (einschließlich Werbung für die eigene Meinung) Begriff: Meinung = Werturteil Äußerungen, die geprägt sind durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Auf die Richtigkeit oder Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an. Abgrenzung: Tatsachenbehauptung: Tatsachen sind Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die im Prinzip dem Beweis zugänglich sind. Bsp.: Die Äußerung von Studentin X gegenüber Kommilitonen, Studentin Y habe die Prüfung nur deshalb bestanden, weil sie ein Techtelmechtel mit Prof. Z habe, ist keine Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Art. 5 Abs. 1 schützt nur Meinungen (BVerfG: enger Meinungsbegriff). Anderes gilt ausnahmsweise nur, wenn die Tatsachenbehauptung untrennbar mit dem Werturteilen verbunden ist. Eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung ist allerdings auch dann nicht geschützt (und kann ggf. straf- und zivilrechtliche Folgen haben). Sonderfragen Meinungsfreiheit Ehrschutzproblematik Menschenwürde Art. 1 I GG Schutz z.B. nach §§ 185 ff. StGB (vor Beleidigung usw.) Potentieller Konflikt Auslegung von §§ 185 ff. StGB im Lichte der Meinungsfreiheit (Wechselwirkung) Eingriff Meinungsfreiheit Art. 5 I GG Eingriffsvorbehalt nach Art. 5 II GG Sonderfragen Meinungsfreiheit Verhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz nach der Rechtsprechung des BVerfG Sonderfragen zur Meinungsfreiheit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) als Schranke der Meinungsfreiheit Von einer Formalbeleidigung spricht man, wenn sich die Beleidigung nicht erst aus dem Inhalt der Äußerung ergibt ("Sie sind nicht in der Lage, auf meine einfachsten Fragen zu antworten"), sondern aus deren Form oder den äußeren Umständen der Äußerung. Das ist regelmäßig der Fall bei Schimpfworten, die eine selbständige Herabsetzung enthalten ("Sie sind ein Vollidiot") oder bei Schmähkritik. (vgl. auch lexexakt Rechtslexikon). Von einer Schmähkritik spricht man, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfGE 82, 284). Übungsfall 2: Meinungsfreiheit Die Flüchtlingsorganisation X hat einer namentlich genannten Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde anlässlich eines Aktionstags gegen Rassismus einen „Preis für strukturellen und systeminternen Rassismus" verliehen und die Preisverleihung im Internet öffentlich gemacht. Zur Begründung wurde vorgetragen, sie hätte einem Flüchtling wider besserem Wissen die Vortäuschung von Gehörlosigkeit unterstellt, um seinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis ablehnen zu können. Dem verantwortlichen Mitarbeiter der Organisation X wird daraufhin übler Nachrede (§ 186 StGB) zu Lasten der Sachbearbeiterin vorgeworfen, weil die bei der Preisverleihung aufgestellte Tatsachenbehauptung nicht erweislich wahr sei. Der Sachbearbeiterin hatte eine ärztlichen Stellungnahmen zur Gehörlosigkeit des Flüchtlings nicht vorgelegen, weshalb nicht erwiesen war, dass sie absichtlich und bewusst Fakten ignoriert hat. Die Organisation X und der Mitarbeiter berufen sich dagegen auf Meinungsfreiheit. Zu Recht? Vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13 Informationsfreiheit 1. Recht auf ungehinderte und freie Informationsbeschaffung Nicht nur durch endgültige Vorenthaltung einer Information, sondern auch durch die auf einer Kontrolle beruhende Verzögerung erfolgen" (BVerfGE 27, 88). 2. Allgemein zugänglich Quelle Wenn sie dazu bestimmt ist, einem nicht bestimmbaren Personenkreis die Möglichkeit zu bieten, sich Informationen beschaffen zu können. "Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen. Sie verliert diesen Charakter nicht durch rechtliche, gegen die Verbreitung gerichtete Maßnahmen" (BVerfGE 27, 71). Aus „bestimmt sein“ folgt, dass ein Anspruch auf Einblick bestehen. Das rechtswidrige Beschaffen von Informationen (etwa durch Einschleichen in einen Betrieb) wird damit nicht geschützt. Info-Anspruch ggü. Behörden: Vgl. Informationsfreiheitsgesetz Bund/M-V Begriffsbestimmung bzgl. Information usw. : § 2 IFG M-V Aber: Die Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen ist in den Grenzen des Art. 5 Abs. 2 zulässig (BVerfGE 66, 137; Wallraff). Pressefreiheit I. Funktion 1. Die Pressefreiheit ist ein reines Abwehrrecht gegen den Staat und entfaltet keine Wirkung gegenüber Privaten. 2. Der Staat hat aber die Pflicht, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen können (BVerfG 12; 113, 130) II. Schutzbereich 1. Persönlich: Grundrechtsinhaber sind alle im Pressewesen tätigen Menschen sowie Personenvereinigungen des Privatrechts (i.S.v. Art. 19 Abs. 3 GG). 2. Sachlich: Herstellung und Gestaltung von Presseerzeugnissen. Der Schutzbereich umfasst den gesamten Prozess, angefangen von der Informationsbeschaffung bis zur Informationsverbreitung. Eingeschlossen sind das Redaktionsgeheimnis (Informantenschutz) und presseintern notwendige Hilfstätigkeiten. Merke: 1. Der Pressebegriff umfasst alle zur Verbreitung geeigneten unbestimmten Druckwerke und Informationsträger die nicht unter den Film- und Rundfunkbegriff fallen. Internet-Nachrichtendienste sind damit eingeschlossen, so weit die redaktionelle Arbeit leisten. Leserbriefschreiber und „Internet-Blogger“ können sich dagegen zwar auf Ihre Meinungsfreiheit berufen, nicht jedoch auf Pressefreiheit. Vgl. auch § 6 LPrG bzgl. Druckwerke 2. Problem "Inneren Pressefreiheit“: Unabhängigkeit von Redakteuren, Journalisten und Berichterstattern von Zeitungsverlegern, die eine bestimmte politische Richtung verfolgen und deshalb ihre Zeitung als Instrument nutzen, um dieser politischen Richtung Ausdruck zu verleihen (str.) Pressefreiheit Die Pressefreiheit bietet Schutz gegen Beschlagnahme (Presseerzeugnisse, Rechercheunterlagen….) Schutz gegen Durchsuchungen (insbesondere Redaktionsräume) Grundlegend: Spiegelurteil; BVerfGE 20, 162 Zeugnisverweigerungsrecht (insbesondere bzgl. Informanten) vgl. § 53 Absatz 1 Nr. 5 StPO, § 383 Absatz 1 Nr. 5 ZPO, § 102 Absatz I Ziffer 4 AO. Besonderer Informationsanspruch das Recht, Örtlichkeiten aufzusuchen, die im „öffentlichen Interesse“ stehen. Beschränkung nur bei höherwertigen öffentlichen Interessen das rechtfertigen. Umgekehrt ist die Presse ist zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet (Sorgfaltspflicht) darf wesentliche Sachverhalte, die die ihr bekannt sind, der Öffentlichkeit nicht unterschlagen Betroffener hat Anspruch auf Gegendarstellung (vgl. § 10 LPresseG) -> Einzelregelungen durch Landespressegesetze -> Verhaltensgrundsätze des Landespresserat Rundfunkfreiheit I. Institutsgarantie Der Staat (Ländersache) hat dafür Sorge zu tragen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst vollständig Ausdruck findet und umfassende Informationen angeboten werden. Früher: Keine privaten Anbieter vorhanden, Staat musste Rundfunk selbst betreiben. Heute: Grundversorgungsauftrag (insbesondere für Themen, die kommerzielle Anbieter nicht abdecken) Aber: Grundsatz der Staatsferne (Deutschland GmbH, BVerfGE 12, 205–264) Kein Staatsrundfunk, sondern Freiheit von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme trotz öffentl.-rechtl. Organisation von Rundfunkanstalten. Personell: Rundfunkräte (Vertreter der Zivilgesellschaft), Binnenpluralität Finanziell: Keine direkte Staatsfinanzierung z.B. durch Steuern (->Rundfunkbeiträge) Prozessual: Grundrechtsfähigkeit und Recht zur VB der ör. Rundfunkanstalten II. Rundfunkberichterstattungsfreiheit Gründung und Betrieb von Rundfunksendern und die Gestaltung deren Programme. Inhaltliche Berichterstattung ähnlich wie Pressefreiheit. Fall 2a A ist Chefredakteur und Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes eines monatlich erscheinenden Politmagazins. Im April 2005 veröffentlichte das Magazin einen Artikel des freien Journalisten X über den Terroristen Abu Mousab al Zarqawi. In diesem Beitrag wird aus einem internen, als Verschlusssache gekennzeichneten Bericht des Bundeskriminalamtes ausführlich zitiert. Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gegen A und den Journalisten X ordnete das Amtsgericht Potsdam die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des X in Berlin sowie der Redaktionsräume der Zeitschrift in Potsdam an. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der X als Journalist ein Geheimnis im Sinne des § 353 b Strafgesetzbuch veröffentlicht und hierdurch Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses begangen habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Weitergabe des Berichts durch einen Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes an ihn in der Absicht erfolgt sei, den geheimen Inhalt der Mitteilung in der Presse zu veröffentlichen. Dies gelte auch für A als Chefredakteur und Verantwortlichen des Magazins, da ihm der Sachverhalt bekannt und der Artikel mit seinem Wissen veröffentlicht worden sei. Anlässlich der Durchsuchung der Redaktionsräume wurden verschiedene Datenträger sichergestellt sowie eine Datenkopie der Festplatte des Computers erstellt, mit welchem der seinerzeit für den Artikel zuständige Redaktionsmitarbeiter gearbeitet hatte. Die Beschwerden von A und B gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss wurde vom Landgericht Potsdam verworfen. Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde von A und X ? (Vgl. BVerfG 1 BvR 2045/06, 1 BvR 538/06 vom 27. 02.2007) Übungsfall 3: Medienfreiheit Das Landgericht L hat den ehemaligen Innenminister X des Freistaates T. und Beigeordneten der Stadt E. wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen und Abgeordnetenbestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Z-GmbH ist Herausgeber einer Tageszeitung und begehrte die Übersendung einer anonymisierten Kopie des im Strafverfahren ergangenen Urteils. Dies wird vom Präsidenten des Landgerichts im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz von X abgelehnt. Im Rahmen des einstweilige Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht den Präsidenten des Landgerichts zunächst antragsgemäß verpflichtet, Z Auskunft über die schriftlichen Urteilsgründe durch Übersendung einer anonymisierten Kopie des vollständigen Urteils zu erteilen. Auf die Beschwerde des Beigeladenen X änderte das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und lehnte den Antrag der auf Auskunftserteilung ab. Dürfte eine Verfassungsbeschwerde der Z-GmbH Aussicht auf Erfolg haben? Vgl. Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 14. September 2015 1 BvR 857/15 Kunstfreiheit Art. 5 Abs. 3 GG Kunst ??….. freiheit "The PlopEgg Painting– A birth of a Picture" Die Schweizerin Künstlerin Milo Moiré hat in Köln am 17.4.2014 Aufsehen erregt, indem sie nackt Eier legte. Es gehe ihr darum, den "weiblichen Schöpfungsakt künstlerisch verdichtet zu verkörpern.“ Laut Umfrage der Online-Zeitung „Tageblatt“, an der über 11.000 Leser teilnahmen, sind 9 Prozent der Meinung, das sei Kunst, für 62 Prozent ist es "pure Provokation". 18 Prozent finden, es sei beides, 11 Prozent wissen gar nicht, was sie davon halten sollen. „Der Lebensbereich "Kunst" ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers" (BVerfGE 30, 189). Kunstfreiheit I. Kunstbegriff Kunst formeller Kunstbegriff materieller Kunstbegriff Martin Luther: „Kunst kommt von Können“ Kunst ist, was einem anerkannten Werktyp unterfällt. Kunst ist jede freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen durch das Medium einer gewissen Formen-sprache zum Ausdruck gebracht werden. Malerei, Bildhauerei, Schriftstellerei, Theaterspielen, auch Satire Keine starren Werktypen. Problem: Kunst fordert ein Mindestmaß an „schöpferischer Gestaltung“, der durch moderne Kunstwerke bewusst in Zweifel gezogen wird (vgl. etwa Beuys) II. Reichweite des Schutz Werkbereich III. Gesetzesvorbehalt Art. 5 Abs. 2 (-) aber: Grundrechtsimmanente Schranke Wirkbereich Fall 3a: Straßenkunst in Schwerin: … und wo ist Ihre Sondernutzungserlaubnis??? Fall 3a M ist Straßenmusikant. Wenn die Sonne scheint, liebt er es, sich in die Fußgängerzone zu setzen und auf seiner Gitarre zu spielen und dazu zu singen. Manchmal halten ein paar Passanten an und hören ihm ein paar Minuten zu. Zu Behinderungen anderer Passanten ist es dadurch aber noch nie gekommen. Seit neue Mitarbeiter beim städtischen Ordnungsdienst eingestellt wurden, wurde er bereits mehrfach aufgefordert mit dem Musikspielen aufzuhören. Er wurde daraufhin gewiesen, dass er nach der Straßensondernutzungssatzung der Stadt 2 Wochen vor seiner Aufführung einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis stellen müsse. Die Erlaubnis würde ca. 20 EUR kosten. M hielt sich nicht daran. Deshalb wurde ihm zuletzt ein Bußgeld angedroht. M ist empört. Nachdem er mit dem Antrag, festzustellen, dass er auch ohne eine Genehmigung spielen darf, vor den Verwaltungsgerichten erfolglos bliebt, erhebt er Verfassungsbeschwerde beim BVerfG und beklagt eine Verletzung seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Hat seine Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg? Straßen- und Wegegesetz M-V § 21 Gemeingebrauch (1) Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften zum Verkehr gestattet (Gemeingebrauch). Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird. § 22 Sondernutzung (1) Die Benutzung der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast. Die Erlaubnis darf, soweit es sich nicht um Zufahrten im Sinne des § 26 handelt, die der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienen, nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden. Für die Erlaubnis können Bedingungen und Auflagen festgesetzt werden. [….] § 24 Sondernutzung an Gemeindestraßen und sonstigen öffentlichen Straßen (1) Die Gemeinden können den Gebrauch der Gemeindestraßen über den Gemeingebrauch hinaus sowie die Benutzung der Gemeindestraßen für die Zwecke der öffentlichen Versorgung abweichend von § 22 Abs.1 bis 6 und § 30Abs. 1 Nrn. 1 und 2 durch Satzung regeln. § 25 Unerlaubte Benutzung einer Straße (1) Wird eine Straße ohne die nach § 22 erforderliche Erlaubnis benutzt oder werden Autowracks, Schutt, Müll oder andere Gegenstände verbotswidrig abgestellt bzw. abgelegt oder kommt ein Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen. Straßensondernutzungssatzung der Stadt Schwerin § 2 Grundsatz und Erlaubnispflicht (1) Die Benutzung der in § 1 bezeichneten Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzungen) bedarf, soweit nicht § 3 greift oder in dieser Satzung anderes bestimmt ist, der Erlaubnis der Landeshauptstadt Schwerin. (2) …. (3) Die Benutzung ist erst nach schriftlicher Erteilung und nur im festgelegten Umfang der Erlaubnis zulässig. Darüber hinaus darf die Sondernutzung erst nach Vorliegen anderer erforderlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und/oder Bestimmungen ausgeführt werden. § 5 Antrag auf Sondernutzungserlaubnis (1) Die Sondernutzungserlaubnis wird auf Antrag erteilt. Er ist schriftlich zu stellen und soll in der Regel spätestens 14 Tage vor der beabsichtigten Ausübung der Sondernutzung bei der Landeshauptstadt Schwerin eingehen. (2) Der Antrag muss mindestens die Angaben über 1. den Ort 2. Art und Umfang 3. Dauer der Sondernutzung sowie 4. Angaben über die Maßnahmen zur Beseitigung der durch die Sondernutzung entstandenen Verunreinigungen enthalten Aus der Ordnungsfibel der Stadt Schwerin S. 27/28: Straßenmusikanten Straßenmusiker(innen) bevorzugen stark frequentierte Orte, zum Beispiel Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen oder touristische Sehenswürdigkeiten. Leider hat Straßenmusik nicht nur Anhänger. In der Vergangenheit kam es häufig zu Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Gewerbetreibenden über zu langes Musizieren an einem Standort. Die Landeshauptstadt Schwerin verzichtet in der Zeit von 10 bis 19 Uhr darauf, dass sich Straßenmusikanten eine Genehmigung zum Musizieren einholen müssen. Im Gegenzug dazu sind jedoch folgende Regeln zu beachten: An ein und demselben Standort darf, jeweils beginnend mit der vollen Stunde, maximal eine Stunde musiziert werden. Danach gilt für diesen Standort eine einstündige Ruhezeit. Der nächste Standort muss beim Wechsel mindestens 200 Meter und außerhalb der Hörweite des bisherigen Standortes liegen. Elektroakustische Verstärker, sehr laute Trommeln sowie laute Rhythmusinstrumente sind nicht zu verwenden. Die genutzte Straßenfläche ist sauber zu halten, Straßenbeläge dürfen nicht beschädigt werden. Es dürfen keine Tonträger und sonstige Waren verkauft werden. Rechtsquelle: Straßensondernutzungssatzung IV. VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) Allgemeine Vereinigungsfreiheit (Art.9 Abs.1 GG) Koalitionsfreiheit (Art.9 Abs.3 GG) Vereinigungsfreiheit Versammlungsfreiheit Art. 8 I. Versammlung =/= Ansammlung/Volksbelustigung Örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen (2 oder 3?) Gemeinsamer Zweck (Kundgebung) Ziel: Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung Meinungsfreiheit + kollektives Element Vereinigungsfreiheit Art. 9 Allgemeine Vereinigungsfreiheit Art. 9 Abs. 1 Vereinigung iSd. Art. 9 Abs. 1 Freiwilliger Zusammenschluss II. In Räumen: Unter freien Himmel: für längere Zeit Voraussetzungslos Anmeldung erforderlich gemeinsamer Zweck gewährleistet (VersammlungsG) Mindestmaß an Organisation Ausnahme: Geschütze Handlung: Spontandemonstration Zusammenschluss Eintritt in Vereinigung Austritt aus Vereinigung III. Friedlich und ohne Waffen (Schutzbereichsmerkmal) Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 Gemeinsamer Zweck: Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen -> Gewerkschaften und AG-Verbände Individuell: Gründung, Eintritt, Austritt Kollektiv: Tarifautonomie Rahmenbedingungen für Arbeitskämpfe (+) Eingriff in lfd. Arbeitskämpfe (-) Versammlungsfreiheit Abs. 2: Einschränkung aufgrund einfachen Gesetzes -> Versammlungsgesetz Problem: Das Versammlungsgesetz wurde bereits in der ersten Legislaturperiode des Bundestags verabschiedet. Dem Gesetzgeber stand damals das Bild von friedlichen und straff organisierten Versammlungen (zum Beispiel Gewerkschaften) vor Augen, aber nicht die heute typischen Erscheinungsformen und daraus resultierenden Gefahrenlagen. Das Versammlungsrecht ist daher stark durch die Rechtsprechung geprägt. BVerfG 69, 315 (Brokdorf-Beschluss): Art. 8 beschränkt sich nicht nur auf argumentative Versammlungen, sondern auch auf plakative und aufsehenerregende Meinungskundgabe dient als Abwehrrecht vor allem auch andersdenkender Minderheiten Organisatoren können selbst über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung bestimmen unentbehrliches Funktionselement des demokratischen Gemeinwesens größere Demonstrationen gelten erst dann als unfriedlich, wenn sie insgesamt einen gewalttätigen Verlauf nehmen Schutz des Art. 8 bezieht sich auf alle Phasen einer Versammlung: Ansammeln – Versammeln – Auflösen/Verlassen der Versammlung Versammlungsfreiheit Bedeutung für die Auslegung des VersG: • Die Anmeldepflicht greift nicht bei Spontandemonstrationen • Die Verletzung der Anmeldepflicht berechtigt nicht automatisch zur Auflösung und zum Verbot der Versammlung • Auflösung und Verbot sind im übrigen nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter zulässig. > Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts (kein Rückgriff auf Polizeirecht) > keine faktischen Behinderungen (z.B. Anfahrtsbehinderung durch schleppende vorbeugende Kontrollen, Polizeikessel) > keine Reglementierungen z.B. durch exzessive Observation oder Registrierung der Teilnehmer, auch nach Auflösung der Versammlung Übungsfall 3a Lieschen Müller aus Hinterposemuckel wollte auch einmal an einer Demonstration teilnehmen und begab sich deshalb spontan zu einer von ATTAC organisierten Protestaktion gegen TTIP. Gegen 12.15 Uhr hatten sich dort etwa 800 Personen eingefunden. Die Protestkundgebung war zwar nicht angemeldet, die Polizei war aufgrund eigener Ermittlungen aber über das geplante Treffen informiert und zog daher erhebliche Polizeikräfte zusammen. Wie in der Einsatzplanung vorgesehen, ordnete der Leiter des Polizeieinsatzes um 12.30 Uhr an: „Abteilungen fertigmachen zum Einschließen, Versammlung ist notfalls unter Benutzung des Schlagstockes einzuschließen.“ Daraufhin rückten Polizeiketten von vier Seiten gegen die Teilnehmer vor und schlossen sie ein. Von dem Kreis der nunmehr eingeschlossenen Teilnehmer gingen weder vor dem Einsatz noch im weiteren Verlauf des Geschehens Gewalttätigkeiten aus. Die Einschließung war in 6 Minuten vollzogen. Um 12.40 Uhr wurde durch Polizeifunk gemeldet: „Es fliegen Steine aus rückwärtigem Raum in die Kräfte, Versammlung selbst wirft nicht." Gegen 14.30 Uhr machte die Polizei den Eingeschlossenen durch Lautsprecher das Angebot, die Einschließung einzeln und nach Überprüfung der Personalien zu verlassen. Lieschen Müller hatte aber Angst in einer Verbrecherkartei zu landen und harrte deshalb mit dem größten Teil der Eingeschlossenen aus. Erst in den Abendstunden, als es kalt wurde und weil sie Durst und Hunger hatte und dringend zur Toilette musste, ließ sie sich abtransportieren. Der Abtransport zog sich hin. Lieschen Müller wurde gegen 22:00 Uhr wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration gemäß § 55 SOG in Gewahrsam genommen, auf die Revierwache verbracht und dort gegen 4:00 Uhr des folgenden Tages auf freien Fuß gesetzt. War das Verhalten der Polizei im Lichte von Art. 8 GG rechtmäßig? Vgl. VG Hamburg Urteil vom 30.10.1986 (12 VG 2442/86) NVwZ 1987, 829 III. WIRTSCHAFTLICHE GRUNDRECHTE Berufsfreiheit (Art. 12 GG) Eigentum (Art. 14 GG) A. Berufsfreiheit Art. 12 GG Berufsfreiheit Art. 12 GG I. Schutzbereich: Geschützt ist die Berufswahl und Berufsausübung. Merke: Nach heutiger Auffassung bilden Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG ein einheitliches Grundrecht. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG wird als Gesetzesvorbehalt für beide Alternativen verstanden. Beruf ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht schlechthin sozialschädlich ist. Keine Festlegung auf typische, sozial tradierte Berufsbilder. Auch neue oder untypische Tätigkeiten können Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sein Bsp.: Reputationsmanager, Traumdeuter, Ringkämpferin Art. 12 GG enthält keine Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung. Schützt „Etablierte“ nicht vor „Newcomern“ oder Konkurrenten, wohl aber vor einer ungerechtfertigten staatlichen Subvention von Konkurrenten. Im Bereich des öffentlichen Dienstrecht wird Art. 12 GG nach h. M. zwar nicht völlig verdrängt, Art. 33 GG erlaubt aber weitreichende Sonderregelungen. Bsp.: Zugangs im Rahmen von Art. 33 Abs. 2 GG auf die im Haushaltsplan verfügbaren Stellen. Ähnliches gilt auch für die sog. staatlich gebundenen Berufe, bei denen öffentliche Aufgaben in privater Hand liegen. Bsp.: Notare, „TÜV“, öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Berufsfreiheit Art. 12 GG II. Eingriffe 1. Ein Eingriffe wird nur angenommen, wenn die entsprechende Norm „berufsregelnde Tendenz“ hat. Dazu muss die Norm entweder gerade auf die Regelung des Berufs als solche abzielen oder mittelbar für die Berufsausübung von einigem Gewicht sein. Bsp.: Die Einrichtung von Fußgängerzonen bringt Beschränkung für die Geschäfte in solchen Zonen und für die Zulieferer mit sich. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist trotzdem zu verneinen, da der Beschränkung für den Kraftfahrzeugverkehr keine berufsregelnde Tendenz innewohnt. Eine völlige Sperrung der Fußgängerzonen für den Lieferverkehr, die Zulieferungen praktisch unmöglich machen würde, hätte dagegen für Berufsausübung der betroffenen Geschäfte hinreichendes Gewicht und wäre unzulässig. 2. Der Gesetzgeber kann Berufsverbänden zwar die Befugnisse zur Regelung von Angelegenheiten ihrer Berufsausübung delegieren. Die wesentlichen Regelungen jedoch wegen des Parlamentsvorbehalt. Bsp.: Die Bundesrechtsanwaltskammer kann mit der Regelung der Einzelheiten für die Führung von Fachanwaltsbezeichnungen beauftragt werden, nicht aber mit der Frage der Zulassung zur Anwaltschaft. (Wesentlichkeits-theorie) vom Gesetzgeber selber getroffen werden. Berufsfreiheit Art. 12 GG III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung - „Dreistufentheorie“ des BVerfG 1. Stufe: Berufsausübungsregelungen („wie“ der Berufsausübung) Bsp.: Ladenschlusszeiten, Berufskleidung, Hygienevorschriften, Anmeldepflichten Berufsausübungsregelungen stellen nur einen geringen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. -> Aufgrund vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls zulässig. 2. Stufe: Subjektive Berufswahlregelungen („ob“ Zugang und Verbleib) Zugangsvoraussetzungen die in der Person des Berufsanwärters liegen und die er im Prinzip erfüllen kann. Bsp.: Berufsabschlüsse, Mindest- oder Höchstlebensalter als Zugangsvoraussetzungen für einen Beruf -> Nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig 3. Stufe: Objektive Berufszulassungsbeschränkungen („ob“ Zugang und Verbleib) Berufszulassungsbeschränkungen unabhängig von den Kenntnissen oder Eigenschaften des Bewerbers. Bsp.: Bedürfnisklauseln, Kontingentierungen, numerus clausus (str.) -> Nur zum Schutz konkreter Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut Merke: Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt zudem, dass eine Regelung auf der höheren Stufe ist immer dann unzulässig, wenn das Problem auch durch eine Regelung auf einer niedrigeren Stufe ausreichend gelöst werden kann. Übungsfall 4: Apothekenurteil Nach dem LandesapothekenG des Landes B. bedarf der Erlaubnis, wer eine Apotheke neu errichten will. Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis ist nach § 2 in allen Fällen die Bestallung (Approbation); außerdem muss der Bewerber Deutscher im Sinne des Art. 116 GG und gewisse Zeit als approbierter Apotheker tätig gewesen sein; endlich muss er bestimmten Anforderungen an seine persönliche Zuverlässigkeit und Eignung genügen. Zudem lautet § 3 Abs. 1 des Gesetzes: „(1) Für eine neuzuerrichtende Apotheke darf die Betriebserlaubnis nur erteilt werden, wenn … b) anzunehmen ist, das ihre wirtschaftliche Grundlage gesichert ist und durch sie die wirtschaftliche Grundlage der benachbarten Apotheken nicht soweit beeinträchtigt wird, dass die Voraussetzungen für den ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb nicht mehr gewährleistet sind. A, der alle persönlichen Voraussetzungen erfüllt, will eine neue Apotheke eröffnen. Die erforderliche Betriebserlaubnis wird jedoch von der zuständigen Behörde versagt, weil es im selben Ort bereits eine Apotheke gibt und die Behörde der Ansicht ist, dass sich dort zweit Apotheken nicht wirtschaftlich betreiben lassen. Frage: Sind §§ 2 und 3 des Gesetzes mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar? (bitte getrennt prüfen) B. Eigentums- und Erbrecht Art. 14, Überführung in Gemeineigentum (Sozialisierung) Art. 15 Überblick Art. 14 Abs.1 S.1 1. 2. Abs. 1 S. 2 Inhalts- und Schrankenbestimmung Was ist Eigentum? Welche Rechte (und Pflichten) leiten sich daraus ab? -> Vgl. im Gegensatz dazu Konstruktion der property-rights im common law. Problem: Keine vorrechtlichen Leitbegriffe wie Freiheit, Körper, Ehe, aber Leitbild aus dem Zivilrecht. Jedoch: Eigentumsbegriff des Art. 14 geht jedoch deutlich weiter als das Zivilrecht. Nicht nur körperliche Gegenstände (Sachen) sondern auch private vermögenswerte Recht und bestimmte öffentlicherechtliche Ansprüche Abs. 2 Allgemeinwohlbindung des Eigentums Sonderfall des Sozialstaatsprinzips und Einfallstor für Eingriffe Abs. 3 1. 2. 3. 4. Art. 15 Ermächtigung zur Sozialisierung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln (bisher bedeutungslos) Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe Bestands- und Institutionsgarantie: Schutz vor Abschaffung von Eigentums- und Erbrechts Möglichkeit und Voraussetzungen für Enteignung Junktim-Klausel (Enteigungsgesetze müssen Entschädigung regeln) Grundsätze zur Bemessung der Entschädigung (kein Schadensersatz!) Rechtsweg wegen Entschädigung zu den ordentlichen Gerichten (Zivilgerichte) Einzelfragen Was ist Eigentum? I. Definition: (1) Ausschließliche Zuordnung (2) einer vermögenswerten Position (3) durch einfaches Gesetz (4) zu einem bestimmten Zeitpunkt. - Vermögen als Ganzes (-) => Steuererhebung ist keine Enteignung - Einzelne Vermögensrechte (+) jedoch nicht Chancen, Erwartungen und Aussichten. II. Grundsatz: Geschützt ist das Erworbene, nicht der Erwerb. III. Fallgruppen: 1. Neben Sacheigentum auch Vermögens- und Besitzrechte (z.B. Mietwohnung des Mieters) 2. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (sonstiges Recht iSd. § 823 I BGB), aber nur unmittelbare betriebsbezogene Eingriffe 3. Anliegerrechte 4. Öffentlich-rechtliche Vermögenspositionen, sofern sie a) b) auf erheblichen Eigenleistungen beruhten der Sicherung der Existenz dienen (z.B. Anwaltschaft auf Sozialversicherungsrente, bei Beamten dagegen Art. 33 Abs. 5 GG) Dient der Freiheitssicherung des Einzelnen Hoher Schutz gegen gesetzliche Beschränkungen Nutzung und Verfügung bleibt innerhalb der Sphäre des Eigentümer Eigentum ist nicht gleich Eigentum !! Eigentum Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind zwar keine Eingriffe, sondern Ausformungen eines Rechts, jedoch ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch dort zu beachten Hat sozialen Bezug oder soziale Funktion Geringerer Schutz gegen gesetzliche Beschränkungen (Art. 14 Abs. 2 GG) Nutzung und Verfügung hat Wirkungen auf Dritte oder die Allgemeinheit Eigentumsbeschränkungen Inhalts- und Schrankenbestimmung durch einfaches Gesetz Die Umdeutung einer unzulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung in eine Enteignung nach dem Grundsatz „Dulde und liquidiere“ ist nicht zulässig. Enteignung - finale (zielgerichtete), konkrete, individuelle Entziehung - einer eigentumsrechtlichen Position - zur Inanspruchnahme für öffentlicher Zwecke (Die Enteignung zugunsten Privater im öffentlichen Interesse ist zulässig, aber es gelten besonderes hohe Anforderungen) Legalenteignung Administrativenteignung = durch Gesetz = aufgrund eines Gesetzes Nur ausnahmsweise zulässig, weil Rechtsschutz nur beim BVerfG Erbrecht Die Erbrechtsgarantie umfasst insbesondere die Gewährleistung des Instituts der Privaterbfolge die Testierfreiheit das Erwerbsrecht des Erben und das Pflichtteilsrecht (vgl. auch Art. 6 Abs. 5) Ausgleichsansprüche Rechtsweg zum VG Alle übrigen Fälle zu den ordentlichen Gerichten Entschädigungsansprüche wegen Vermögenschaden durch Nichtvermögensschaden Enteigung Art. 14 III GG Ausgleichspflichte ISB Enteigungsgleicher Eingriff Enteignender Eingriff Finale Entziehung des Eigentums (Gütertransfer) Pflichtexemplarfall (BVerfG 1BvL 24/78) Denkmalschutzfall (BVerfG 1BvL 7/91) rechtswidriger faktischer Eingriff in das Eigentum rechtmäßiger faktischer Eingriff in das Eigentum z.B. §§ 72 ff. SOG Aufopferungsanspruch Art. 74, 75 ALP Beispiel: Impfschaden aufgrund Impfung bei Impfpflicht Entschädigungsansprüche wegen Inhalts- und Schrankenbestimmung A. Grundlage 1. Einfachgesetzliche Entschädigungsregelung 2. Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift B. Voraussetzung 1. Regelung beinhaltet eigentumsrechtlichen Ausgleichsanspruch, weil Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG betroffen ist 2. Die Eingriffsmaßnahme stellt aber keine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG darstellt 3. Eingriffsmaßnahme ist formell rechtmäßig (z.B. Vorbehalt des Gesetzes, Bestimmtheit, Kompetenzen) 4. Die Eingriffsmaßnahme führt beim Betroffene zu einer besonderen und unzumutbaren Belastung 5. kein Bestehen von den Bestand des Eigentums sichernden Möglichkeiten (Problem: Salvatorische Entschädigungsregelung) D. Rechtsfolge Entschädigung (kein voller Schadensersatz) E. Rechtsweg str.: BGH = Zivilgerichte; BVerwG = Verwaltungsgerichte Übungsfall 5: A ist Eigentümer eines Einfamilienhauses, dessen Kaufpreis er aus seinem Arbeitslohn finanziert hat und das den wesentlichen Teil seines Vermögens ausmacht. Der nahe dem Grundstück liegende Flughafen soll nun erweitert werden. Das Grundstück des A wird danach direkt in der Einflugschneise liegen und ist wegen des zu erwartenden Fluglärms für Wohnzwecken nicht mehr geeignet. Die Planungsgesetze sehen deshalb vor, dass der Flughafenträger Grundstücke wie die des A den Eigentümer auf Antrag zum Verkehrswert abkaufen muss. Als Kaufpreis soll allerdings der Verkehrswert zugrunde gelegt werden, den das Grundstück zu dem Zeitpunkt hatte, zu dem der Flughafenausbau bereits beschlossen und die Lärmbelästigung damit absehbar war. Der so ermittelte Verkehrswert liegt bei ca. 40 % des Kaufpreises eines vergleichbaren Gebäudegrundstücke außerhalb der Einflugschneise und auch deutlich unter dem Kaufpreis den A vor Jahren selbst bezahlt hat. A hält die Regelung für verfassungswidrig, weil er sich mit dem Geld kein Ersatzobjekt beschaffen könne und damit teilweise entschädigungslos enteignet würde. Zurecht? Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 (lesen) V. GRUNDRECHTE ZUM SCHUTZ DER PERSON Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 GG) Freizügigkeit (Art. 11 GG) Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) I. Schutzbereich: Leben, Gesundheit, körperliches Wohlbefinden, körperliche Integrität Problem: Beginn und Ende des Lebens, insbesondere pränataler Schutz (vgl. dazu umfassend Müller-Terpitz: Der Schutz des pränatalen Lebens) Schutz vor direkten staatlichen Eingriffen Schutzpflichten des Staates als Folge des staatlichen Gewaltmonopols: • Schutz vor Übergriffen Dritter, wie z.B. Nichtraucherschutz, Abtreibungsverbot • weites gesetzgeberisches Ermessen • Aber: Untermaßverbot II. Eingriff • Insbesondere: Tötung (Verbot der Todesstrafe ausdrücklich in Art. 102), Zufügung von Schmerzen, Gesundheitsbeeinträchtigungen, psychische Beeinträchtigung falls physische Folgen, Impfzwang • Konkrete Gefährdung der Rechtsgüter genügt, da Schutz sonst oft zu spät kommen würde Merke: Gefahr = Geschehen oder Verhalten, das bei ungehindertem Vorgang mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einen Schaden für das geschützte Gut umschlagen würde) • Kein Eingriff bei wirksamer Einwilligung Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Schranken: Einfacher Gesetzesvorbehalt: Eingriffe aufgrund jedes förmlichen Gesetzes 2. Schranken-Schranken: a) Todesstrafe und Folterverbot (Art. 102, 104 Abs. 1 GG) b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 3. Einzelfälle: • • • • Gezielte Tötung eines Amokläufer (h.M.: +) Abschließen eines von Terroristen entführten Passagierflugzeugs (BVerfG 115, 118: -) I.d.R keine Blutentnahme bei Kraftfahrer, wenn Alkoholtest über Atemluft möglich Keine Einflößung von Brechmittel bei Drogen-Kleindealern FREIE ENTFALTUNG DER PERSÖNLICHKEIT (ART. 2 ABS. 1 GG) Allgemeine Handlungsfreiheit Allgemeines Persönlichkeitsrecht Freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) Art. 2 Abs. 1 GG: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ Allgemeine Handlungsfreiheit „Jeder kann tun und lassen was er will“ Generalklausel, geht sehr weit Subsidiär ggü. speziellen Freiheitsrechten (idR. zuletzt prüfen) Institutsgarantie für Vertragsfreiheit Allgemeines Persönlichkeitsrecht (iVm. Menschenwürde, Art. 1 Abs. 3 GG) Schutz der engeren persönlichen Lebensphäre, z.B.: Recht am eigenen Bild Recht auf informationelle Selbstbestimmung A. Allgemeine Handlungsfreiheit I. Schutzbereich 1. Persönlich „Jeder“: Alle natürlichen und juristischen Personen (soweit auf jP anwendbar) 2. Sachlich Umfassend: Alle Verhaltensweisen, soweit nicht durch speziellere Freiheitsrechte geschützt, also auch Verhalten, das nach einfachem Recht „illegal“ ist. II. Eingriff Jedes Gebot oder Verbot inkl. Bestrafung Faktische Eingriffe oder mittelbare Beeinträchtigungen oberhalb der Bagatellgrenze (z.B. Vergabe von Subventionen an unmittelbaren Konkurrenten) A. Allgemeine Handlungsfreiheit III. Schranken Aus dem weiten Schutzbereich folgen weite Einschränkungsmöglichkeiten, sogenanntes „Schrankentrias“ Verfassungsgemäße Ordnung und Sittengesetze: 1. Alle ordnungsgemäß zustande gekommenen Normen (im formellen und materiellen Sinne) 3. Rechte Dritter (subjektive Rechte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts) 2. Sittengesetze Keine Moralvorstellungen, sondern nur normierte Anstandsgebote IV. Schranken-Schranken Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Durch weiten den Schutzbereich und die weiten Einschränkungsmöglichkeiten gewährleistet die AHF letztlich vor allem, dass jeder Akte staatlicher Gewalt am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geprüft werden muss. V. Zitiergebot Nicht notwendig da sinnlos: Wegen Weite der Vorschrift fällt faktisch jeder Eingriff in den Schutzbereich der AHF B. Allgemeines Persönlichkeitsrecht I. Allgemein Ursprünglich: kein eigenständiges Grundrecht -> Zivilrechtsprechung bzgl. Recht am eigen Bild (§ 7 KunstUrhG) -> BVerfG ( 32, 373 Beschlagnahme vs. ärztliche Schweigepflicht; 54, 148 Eppler) Heute: APR folgt aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 (Menschenwürde) Zweck: Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre, die durch den technischen Fortschritt immer mehr gefährdet wird. B. Allgemeines Persönlichkeitsrecht II. Schutzbereich 1. Persönlich: Nur natürliche Personen 2. Sachlich: Privat- und Intimsphäre Sphärentheorie (Intimsphäre genießt absoluten Schutz, die Privatsphäre darf nur aus zwingenden Gründen verletzt werden, die Individualsphäre genießt einen geringeren Schutz); Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Kenntnis der eigenen Abstammung. Persönliche Ehre und Recht auf Selbstdarstellung Passivität als Beschuldigter keine Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung vorgeworfener Straftaten Recht am eigenen Bild und Wort Recht auf informationelle Selbstbestimmung Volkszählungsurteil 1983, BVerfGE 65,1 [41]: Der Einzelnen hat die Befugnis, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wann und in welchem Umfang er persönliche Lebenssachverhalte preisgeben möchte Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer B. Allgemeines Persönlichkeitsrecht III. Eingriff Insbesondere Ausforschung der Privatsphäre und die Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen ohne Einwilligung des Betroffenen. § 3 LDSG M-V: „Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.“ IV. Rechtfertigung Einfacher Gesetzesvorbehalt Aber erhöhe Anforderungen des BVerfG an die hinreichende Bestimmtheit von Gesetzen: Voraussetzung und Umfang der Datenerhebung müssen sich aus dem Gesetz und für den Bürger klar erkennbar ergeben. Zwang zur Abgabe personenbezogener Daten setzt voraus, dass der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt Vgl. dazu beispielsweise Regelungen über Eingriffsbefugnisse der Polizeibehörden und Rechten der Betroffenen in §§ 26 - 49 SOG. B. Allgemeines Persönlichkeitsrecht IV. Schranken-Schranken 1. Unantastbar: Kernbereich (Intimsphäre) des Einzelnen, z.B.: Rundumüberwachung Ausforschung höchstpersönlicher Computerinhalte Auswertung des codierten Teils der DNA (Informationen über Erbanlagen, Charaktereigenschaften, Krankheiten und dgl. Zulässig dagegen: Auswertung von Tagebuchaufzeichnungen des Beschuldigten im Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauchs ( 2. Im Übrigen: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Übungsfall 6: Intime Fotos A ist freiberuflicher Kunstfotograf, der sich auf Aktfotos spezialisiert hat. Er führte über mehrere Jahre eine Beziehung mit B. Während dieser Zeit hat er auch von B Aktfotos gefertigt, die B nackt vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr zeigen. Die Fotos kamen zwar mit ausdrücklicher Einwilligung von B zustande, sie waren aber nur für die private Verwendung von A und B bestimmt. A besitzt diese Fotos in digitaler Form. Nachdem die Beziehung zwischen A und B zerbrochen war, fordert B von A, die Fotos zu löschen bzw. zu vernichten. A will dem nicht nachkommen. Er trägt vor, B habe in die Entstehung der Fotos eingewilligt. Sie seien deshalb ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechten von B zustande gekommen. Die Fotos stehen deshalb zurecht in seinem Eigentum. Außerdem seien die Fotos Ausdruck seiner Passion als Kunstfotograf. Eine gerichtliche Verpflichtung zur Löschung würde deshalb sowohl gegen die Kunst- wie auch gegen die Berufsfreiheit verstoßen. Wer hat Recht? Vgl. Urteil des BGH vom 13. Oktober 2015 VI ZR 271/14 Glaubens- und Gewissenfreiheit Glaubensfreiheit (Religionsfreiheit) Gewissensfreiheit Recht auf Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 1) Glaubens- und Gewissensfreiheit Laizistischer Staat „Kirchenstaat“ Bundesrepublik Deutschland Grundgesetz, christlich geprägte Werteordnung Religion ist die Privatangelegenheit jedes Einzelnen Art. 140 GG, WRV, staatl. Anerkennung Religionsgemeinschaft Religionsgemeinschaft Religionsausübung entsprechend den jeweiligen religiöse Regeln Andersdenkende Gegenseitiger Respekt Religionsanhänger Vermittlung in Konflikten Staat Religiöse Neutralität Problem: Einige religiöse Theoretiker (z.B. Ruhollah Chomeini in: Hokumat-e eslami; Der islamische Staat) erkennen die staatliche Gesetzgebung und damit die Autorität gesetzlicher Regeln nicht an, sondern nur göttliches Recht. Einheitlicher Schutzbereich Glaubens- und Gewissensfreiheit Glaubensfreiheit Gewissensfreiheit Art. 4 Abs. 1 Art. 4 Abs. 1 BVerwGE 90, 112: „eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens“ also auch Gedankensysteme, die keinen Gottesbegriff kennen Religionsausübungsfreiheit Art. 4 Abs. 2 Kulte, Riten, Symbole und dgl. Problem der praktischen Konkordanz *) Andersgläubige, Atheisten Ernsthalte Überzeugungen im Hinblick auf Gut und Böse, die der Einzelne befolgen zu müssen glaubt und die bei Forderungen nach abweichendem Verhalten zu Gewissensnot führen. Sondertatbestand: Kriegsdienstverweigerung Art. 4 Abs. 3 *) Konkordanzdemokratie: [lat./griech.] K. bezeichnet eine demokratische Regierungsform, in der (gesellschaftliche und) politische Konflikte nicht primär über politische Mehrheiten und (einfache) Mehrheitsregeln, sondern über Verhandlungen, Kompromisse und möglichst breite Übereinstimmung gelöst werden. Glaubensfreiheit I. Schutzbereich 1. Personeller Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG a) Natürliche Personen individuelle Religionsfreiheit kollektive Religionsfreiheit religiöse Vereinigungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG; Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV) b) Juristische Personen Religionsgemeinschaften (korporative Religionsfreiheit, d.h. Religionsfreiheit als eigenes Recht der jeweiligen Religionsgemeinschaft) Vereinigung zur partiellen Pflege der Religion bzw. Weltanschauung (z.B. Krankenhäuser, Kindergärten, soziale Einrichtungen) Sonstige juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG. c) Grundrechtsfähigkeit von Religionsgemeinschaften i.S.d. Art. 137 Abs. 5 WRV Sie sind zwar Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie sind jedoch keine staatlichen oder vom Staat geschaffenen Einrichtungen, sondern gesellschaftliche Vereinigungen mit unbegrenzter Grundrechtsfähigkeit (BVerfGE 102, 370 [387]) Glaubensfreiheit 2. Sachlicher Schutzbereich Grds. weites Schutzbereichsverständnis; Schutzgegenstände nach dem Wortlaut des Art 4 GG: Freiheit des Glaubens: Freiheit der Bildung und Beibehaltung einer inneren religiösen Vorstellung (Ausbilden und Haben des Glaubens) Freiheit des Bekenntnisses: Recht, den eigenen Glauben nach außen kundzutun in Wort, Schrift, Bild o.ä. (Spezialfall der Meinungsfreiheit) Freiheit der Religionsausübung: sämtliche Erscheinungsformen der religiösen Betätigung und Zwecke, unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses Insbesondere Kultusfreiheit: Abhalten von Gottesdiensten, sakrales Glockengeläut, Ruf des Muezzins, Gebete etc. Negative Religionsfreiheit Abwehr klerikaler oder staatlicher Machtansprüche, insbesondere das Recht: o nicht zu glauben o religiöse Auffassung zu verbergen, o an kultischen Handlungen nicht teilzunehmen (z.B. Schulgebet, „Lernen unterm Kreuz“) Glaubensfreiheit II. Eingriffe 1. Besonderheiten der Grundrechtsbindung Privater bzw. von Religionsgemeinschaften Eine Grundrechtsbindung ist ausnahmsweise zu bejahen, soweit sie „Hoheitsgewalt“ ausüben (z.B. bei Privatschulwesen oder durch Kirchenbeamte) 2. Eingriffsbegriff Auch mittelbare Einwirkungen mit einiger Relevanz für die Religionsfreiheit wie Aufhängen von Kruzifixen im Klassenzimmer Staatliche Warnung vor Jugendsekten 3. Leistungsansprüche gegenüber dem Staat aus Art. 4 GG a) Leistungsansprüche aus Bestimmungen des Grundgesetzes Religionsunterricht, Art. 7 Abs. 3 GG Sonn- und Feiertagsschutz, Art. 139 WRV iVm. Art. 140 GG Schutz des Kirchenguts Art. 138 Abs. 1 WRV iVm. Art. 140 GG b) Leistungsansprüche aus Gedanken der objektiven Wertordnung der Grundrechte Schutzpflicht des Staates gegen Beeinträchtigungen durch Dritte Auslegung von Rechtsvorschriften iSd. Wahrung der Religionsfreiheit Glaubensfreiheit III. Schranken Die Religionsfreiheit ist ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht -> nur verfassungsimmanente Schranken Beispiele mit Bezug zu Art. 4 Abs. 1 und 3 GG: Grundrechte Dritter Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG (Beschneidung?), Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG etc. Sonstige Verfassungsgüter Art. 20a GG: Tierschutz (Schächten) Art. 7 Abs. 1 GG: staatlicher Bildungsauftrag (ggf. Schulfrieden, BVerwG, 30.11.2011, Az. 6 C 20/10; Schulfrieden als Schranke des Rechts der Schüler, in der Schule außerhalb der Unterrichtszeiten zu beten) Art. 20 Abs. 3; Art. 28 Abs. 1 GG: Rechtsstaatsprinzip; Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung IV. Grenzziehung durch praktischen Konkordanz Die Grenze der Einschränkungsmöglichkeit ist dort erreicht, wo die sich gegenüberstehenden Verfassungswerte ihre größtmögliche Entfaltung und Wirksamkeit erlangen. Diese Grenze ist nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu ermitteln. Übungsfall 7: Tendenzbetrieb Nach katholischer Glaubenslehre hat die Ehe dauerhaften Bestand. Die Scheidung vor einem staatlichen Gericht gilt als unwirksam und die Wiederheirat nach einer Scheidung vor staatlichen Gerichten als Sünde. A ist Chefarzt in einem von einer Organisation der Katholischen Kirche betriebenen Krankenhauses. In seinem Arbeitsvertrag hat sich A zum Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe sowie zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse bekannt. Nachdem bekannt wird, dass A sich nach Scheidung seiner ersten Ehe wiederverheiratet hat, wird der Arbeitsvertrag vom Träger des Krankenhauses im Hinblick auf die Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen gekündigt. A klagt form- und fristgerecht vor dem Arbeitsgericht gegen seine Kündigung. Die Kirche verteidigt die Kündigung im Prozess mit Verweis auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht bei der Auswahl der kirchlichen Mitarbeiter und bei der Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen. Wie wird das Arbeitsgericht voraussichtlich entscheiden? Vgl. dazu auch Beschluss des 2. Senats des BVerfG vom 22. Oktober 2014 2 BvR 661/12 VI. Gleichheitsrechte Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1) Spezielle Gleichheitsgebote: Geschlechtergleichheit (Art. 3 Abs. 2) Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder (Art. 6 Abs. 5) Wahlgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Spezielle Diskriminierungsverbote (Art. 3 Abs. 3 S. 1 und 2; Art 33 Abs. 3) Gleichheitsgebote und Diskriminierungsverbote bzgl. staatsbürgerlicher Rechte und dem Zugang zu öffentlichen Ämter (Art. 33 Abs. 1 und 2) Problem: Vergleichsgruppenbildung Freiheitsrechten: Eingriff liegt in der Beschneidung der Rechte einer Person durch dem Staat Gleichheitsrechte: „Eingriff“ liegt in einer Ungleichbehandlung von Personen durch den Staat -> Prüfung muss deshalb mit der Bildung von Vergleichsgruppen beginnen Problem: Lebensachsverhalte sind in der Regel nicht eindimensional Beispiel: Die ABC-Partei fürchtet um die abendländische Kultur und fordert daher eine Erziehungsprämie i.H.v. monatlich 200 EUR für in Deutschland lebende Kinder ab dem 3. Kind , wenn beide Elternteile in der zweiten Generation EU-Europäer sind, mindestens seit 5 Jahren legal in Deutschland leben, der Vater berufstätig ist, alle Familienmitglieder ohne staatlichen Sozialleistungen (Harz IV und dgl.) auskommen und die Eltern nicht vorbestraft sind. Die ABC-Partei tritt Diskriminierungsvorwürfen mit dem Argument entgegen, der Gleichheitsgrundsatz sei offensichtlich nicht verletzt, da ja alle, die die genannten Voraussetzungen erfüllen würden, die gleiche Prämien erhalten sollen. Die Prämien würde daher nach gleichen Maßstäben ausbezahlt. Niemand würde zudem schlechter gestellt als vorher. Allgemeiner Gleichheitssatz Gleichheitsgrundsatz Gleichheit bei der Rechtsanwendung Rechtscharakter: (subjektives) Grundrecht (objektives) Gleichheitsgebot Diskriminierungsverbot Gleichheit bei der Rechtssetzung Das Gesetz gilt für alle gleich Willkürverbot Verhältnismäßigkeits grundsatz ?? Im wesentlichen Gleiches ist gleich, im wesentlichen Ungleiches ist ungleich zu behandeln, sofern nicht sachlicher Grund für Differenzierung vorhanden. Problem: Auswahl der zum Vergleich herangezogenen Aspekte Kritik: Verhältnismäßigkeitsprüfung passt nicht Aber: • „Neue Formel“ BVerfG • Theorie der internen und externen Zwecke Allgemeiner Gleichheitssatz Sogenannte „Neue Formel“ des BVerfG: Verhältnismäßigkeitsprüfung ist erforderlich, wenn Ungleichbehandlung die Betroffenen besonders intensiv trifft Zwei Fallgruppen: 1. Kriterium für die Ungleichbehandlung ist nicht verhaltensbezogen (objektive Kriterien) sondern personenbezogen (subjektive Kriterien) und damit für den Einzelnen nicht steuerbar 2. Ungleichbehandlung wirkt sich auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus. Allgemeiner Gleichheitssatz Theorie der internen und externen Zwecke: 1. Ungleichbehandlung wegen interner Zwecke Differenzierung wegen Merkmalen der Vergleichspersonen Beispiel: A bezahlt aufgrund der Progression im Steuertarif 40 % Einkommensteuer, während B, der deutlich weniger als A verdient, nur 20 % Steuer bezahlt. Die Ungleichbehandlung zwischen A und B anhand ihrer jeweiligen finanzieller Leistungsfähigkeit dient dem Ausgleich von Ungleichheiten, die aus der Höhe des Einkommens resultieren (-> interner Zweck). Die Ungleichbehandlung wird nur am Willkürverbot (Verhältnis A - B!) gemessen. 2. Ungleichheit wegen externer Zwecke Differenzierung wegen externer öffentlicher Interessen Beispiel: B erhält eine Steuersubvention für Investitionen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. B erhält für andere Investitionen in gleicher Höhe keine Subventionen. Der soziale Wohnungsbau betrifft nicht das Verhältnis zwischen A und B sondern allgemeinen Gemeinwohlinteressen (-> externer Zweck) Verhältnismäßigkeitsprüfung: 1. Legales gesetzgeberisches Ziel, 2. Geeignetheit, 3. Erforderlichkeit und 4. Angemessenheit (Sonderbehandlung B - Erreichung des Gemeinwohlziels!) Übungsfall 8: In § 622 Abs. 2 S. 1 BGB (alte Fassung) lautete wie folgt: „Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden.“ § 622 Abs. 1 BGB lautete dagegen wie folgt: „Das Arbeitsverhältnis eines Angestellten kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Eine kürzere Kündigungsfrist kann einzelvertraglich nur vereinbart werden, wenn sie einen Monat nicht unterschreitet und die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassen wird.“ Arbeiter A klagt erfolglos vor den Arbeitsgerichten gegen seine auf § 622 Abs. 2 S. 1 gestützte Kündigung mit Kündigungsfrist von zwei Wochen. Gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht, das keine Revision zulässt, erhebt er beim BVErfG Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil sie ihn gegenüber Angestellten grundlos benachteilige. Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg? Vgl. dazu BVerfGE 82, 126 (Beschluss des Ersten Senats vom 30. Mai 1990- 1 BvL 2/83, 9, 10/84, 3/85, 11, 12, 13/89, 4/90 und 1 BvR 764/86) Übungsfall 9: Die X-Fraktion beklagt, dass der Frauenanteil in Führungspositionen in der Landesverwaltung viel zu gering sei. Dieser Zustand sei verfassungswidrig. Im Hinblick auf die Zielsetzung in Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG sei deshalb folgende Vorschrift in das LGB aufzunehmen: „Frauen sind bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, soweit im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt der Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind und sofern nicht in der Person des Mitbewerber liegende Gründe überwiegen.“ Der entsprechende Gesetzentwurf der X-Fraktion wird von der YFraktion abgelehnt, mit dem Argument, die Regelung stelle eine unzulässige Diskriminierung von Männer dar. Zurecht? VII. EHE, FAMILIE UND SCHULE Schutz von Familie und Ehe (Art.6 GG) Schulwesen und Privatschulfreiheit (Art.7 GG)
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