POLITIK & GESELLSCHAFT Luxemburger Wort Mittwoch, den 22. Juli 2015 3 LEITARTIKEL C Bärendienst hristopher Froome befindet sich nach 2013 auf dem Weg zu seinem zweiten Erfolg bei der Tour de France. Einen faden Beigeschmack wird die diesjährige „Grande Boucle“ – unabhängig vom Schlussresultat – zweifelsohne beim 30-jährigen Briten hinterlassen. Immer wieder wird der Kapitän des Team Sky nämlich mit Dopinganschuldigungen konfrontiert. Mal wird seine Herzfrequenz als anormal bezeichnet, mal scheint sein Stakkato-Tritt nicht menschlich und mal wird er beschuldigt, sein Rad mit einem Motor anzutreiben. Syrische Flüchtlinge auf einer Fähre im Hafen von Athen. (FOTO: AFP) Die Vergessenen der Griechenland-Krise Flüchtlingsnot auf Kos Täglich kommen 50 bis 100 Bootsflüchtlinge auf die Ferieninsel Griechenland steht wegen der Schuldenkrise im Fokus. Vom Flüchtlingsdrama in dem Land spricht dagegen kaum jemand. Auf Kos und anderen Inseln sitzen viele Schutzsuchende aus Krisenstaaten fest. Es fehlt an allem. Wann greifen die anderen EU-Staaten ein? Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, dem Iran oder dem Irak: Tausende Flüchtlinge haben seit Anfang des Jahres auf kleinen Booten die griechische Insel Kos erreicht. Von der türkischen Küste aus sind es nur wenige Kilometer, dennoch setzen die Menschen bei der Überfahrt über die Ägäis ihr Leben aufs Spiel. „Es ist sehr gefährlich“, erzählt Mohammed Ismail. „Wir waren 15 Leute, darunter zwei Kinder. Um sechs Uhr morgens hat uns die griechische Marine gerettet.“ Zu essen oder trinken hätten sie aber nichts bekommen – auch keine medizinische Versorgung, sagt der 40-Jährige, der nach eigenen Angaben aus Pakistan stammt. Täglich kommen laut UNFlüchtlingshilfswerk UNHCR im Schnitt 50 bis 100 Bootsflüchtlinge auf die kleine Insel. Gegenüber 2014 habe sich die Zahl versechsfacht, sagt der örtliche UNHCRVerantwortliche Angelos Klinis. Viele Gestrandete kommen in einem verlassenen Hotel außerhalb der Stadt Kos unter, das vor 18 Jahren geschlossen wurde. Hier liegen Matratzen auf dem Boden, zwischen kaputten Scheiben und bröckelndem Putz. „Das Hotel der Waisen“, nennt es Mohammed Ismail. In dem heruntergekommenen Gebäude schlagen die Menschen die Zeit tot und warten auf eine Gelegenheit, aufs griechische Festland zu kommen und von dort in andere EU-Länder zu ziehen. „Wir verlangen nichts von Griechenland, wir wollen nur weiter“, sagt Ahmad Safi, der mit anderen Flüchtlingen im Hof des Hotels auf einer alten Matratze liegt. Der 26Jährige erzählt, er komme aus der syrischen Stadt Dair as-Saur, die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert wird. „Ich möchte nach Deutschland, um dort mein Zahnmedizin-Studium zu Ende zu bringen und zu arbeiten.“ Das Leben in dem verlassenen Hotel sei schwierig. Die hygienischen Verhältnisse seien schlimm, es gebe kaum Essen. „Die Lage ist katastrophal“ Auf Kos gibt es kein Aufnahmelager. Wenn die Flüchtlinge eintreffen, sind sie auf sich gestellt. Die Behörden des klammen Landes fühlen sich nicht verantwortlich, sie mit Lebensmitteln zu versorgen oder ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Darum kümmern sich Hilfsorganisationen oder örtliche Freiwillige. Mittags kommen UNHCR-Mitarbeiter in das verlassene Hotel, um den Flüchtlingen zu helfen, die nötigen Dokumente zu beantragen, mit denen sie die Insel verlassen können. Sehnsüchtig warten die Menschen jeden Tag darauf, dass ihr Name auf der Liste jener auftaucht, die auf der Polizeiwache ihre Papiere abholen können. Doch die Registrierung zieht sich lange hin. Eine örtliche Gruppe von Anwohnern bringt Essen für die rund 600 Flüchtlinge, die derzeit in dem alten Hotel ausharren. „Wir haben die Gruppe Ende Mai gebildet, nachdem wir festgestellt hatten, dass diese Menschen hungern“, erzählt Athena, eine der Freiwilligen. Anfangs hätten die Betreiber von Hotels auf der Insel sie mit Lebensmitteln unterstützt. „Aber wegen der Wirtschaftskrise ist die Hilfe stetig zurückgegangen.“ Nun seien es Frauen aus der Umgebung, die zwei, drei Stunden jeden Tag für die Flüchtlinge kochten. Günter Burkhardt von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl war vor einigen Tagen selbst auf Kos und anderen griechischen Inseln. „Die Lage ist katastrophal“, sagt der Geschäftsführer der Organisation. Es fehle dort an allem – an Essen, Schlafplätzen, Kleidung. Dringend nötig sei ein Hilfsprogramm, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Außerdem müssten die EU-Staaten den Flüchtlingen erlauben, legal weiterzureisen in andere Teile Europas. Fast 80 000 Menschen sind laut UNHCR seit Jahresbeginn über das Meer nach Griechenland gekommen. Die UN-Organisation spricht von einer „ernsten Krise“. Die griechischen Behörden könnten die Lage nicht alleine in den Griff kriegen. Die EU müsse dringend helfen. Die EU-Innenminister haben sich zum Wochenbeginn in Brüssel getroffen, um über die Umverteilung von 60 000 Flüchtlingen in Europa zu reden. Ziel war unter anderem, Griechenland und Italien zu entlasten. Das ist nur teilweise gelungen. Die ursprünglich geplante Verteilung von 60 000 Flüchtlingen auf die 28 Mitgliedstaaten wurde nicht ganz erreicht. Immerhin gab es einen Kompromiss: 32 256 Migranten sollen aus den Mittelmeer-Ankunftsländern Italien und Griechenland auf die anderen EU-Länder verteilt werden. Frühestens im September könnte diese Aktion beginnen. Den Flüchtlingen auf Kos steht noch eine arge Geduldsprobe bevor. (dpa/pley) Die Vorwürfe, für die es bisher noch keinerlei Beweise gab, stammen kurioserweise von Personen, die selbst in der Vergangenheit des Dopings überführt worden sind und somit auch mitverantwortlich für das angekratzte Image des Radsports und des Sports im Allgemeinen sind. Allen voran Laurent Jalabert, dem die Einnahme von Epo nachgewiesen werden konnte, erhob schwere Beschuldigungen gegenüber Froome. Als der Experte von „France Télévisions“ jedoch von einem britischen TV-Journalisten auf seine Aussagen angesprochen und um Erklärungen gebeten wurde, verweigerte er jeglichen Kommentar. Vielleicht hatte „Jaja“, der in Frankreich als Volksheld gilt, mittlerweile gemerkt, dass er dem Radsport erneut einen Bärendienst geleistet hat. Möglicherweise hat er jedoch auch erkannt, dass es ohne stichhaltige Beweise besser ist, den Mund zu halten. Falsch wäre es, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn etwas Illegales – wie die Einnahme von verbotenen Substanzen – getan wird. Allerdings gibt es dafür vorgesehene Kontrollen, um eventuelle Gesetzesbrüche zu bestrafen. Ein Journalist oder TVExperte kann sicherlich auf et- „Der Radsport hat etwas von seinem Charme eingebüßt.“ KEVIN ZENDER was Außergewöhnliches hinweisen, sollte jedoch zumindest Argumente für seine Thesen liefern, um sich nicht selbst Angriffen auszuliefern. Das Streuen von Gerüchten und Beschuldigungen hilft sicherlich niemandem und führt sogar dazu, dass verschiedene Personen den gesunden Menschenverstand verlieren. Während Froome am Samstag mit Urin überschüttet wurde, musste sein Teamkollege Richie Porte in den Pyrenäen Faustschläge einstecken. Eine solche Aggressivität ist im Radsport eigentlich unüblich. Die Sportart hat in den vergangenen Jahren in der breiten Öffentlichkeit etwas von ihrem Charme eingebüßt. Dies ist sicherlich auch eine Folge der Armstrong-Ära. Seitdem der USAmerikaner als größter Betrüger der Sportgeschichte entlarvt wurde, besteht ein Generalverdacht. „Niemand schafft es, solch schwere Etappen mit legalen Mitteln zu bewältigen“ ist ein Satz, den man während der Tour de France immer wieder hört. Fest steht jedoch, dass ein jeder so lange unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen wurde. Falls er sich jedoch nicht an die Regeln hält, erhält er eine dafür vorgesehene Strafe. Solche sollten auch gegen Zuschauer am Streckenrand der Tour de France verhängt werden. Wenn man Fair Play von den Radsportlern verlangt, sollte man auch mit gutem Beispiel vorangehen. Einen Fahrer mit Urin zu überschütten oder mit Faustschlägen bestrafen zu wollen, sind jedenfalls No-Gos. Denn auch mit solchen Aktionen leistet man dem Sport einen Bärendienst. n [email protected] DER KOMMENTAR Moralapostel Man kann es drehen und wenden, wie man will, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union es am Montag nicht schafften, 60 000 Flüchtlinge unter sich aufzuteilen, ist ein regelrechtes Armutszeugnis. Das angebliche Friedensprojekt EU bewies nur wenige Tage nach dem Griechenland-Debakel erneut, dass es augenblicklich kaum zu Großem fähig ist. Kurzsichtige nationale Egoismen sowie Wahlerfolge sind der Hauptantrieb vieler aktueller Politiker und zählen mehr als jegliches europäisches Ideal. Genau dies kritisierte auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nach dem Fiasko am Montag. Im Rahmen der „Présidence“ Luxemburgs hatte er die Verhandlungen unter den Mitglied- staaten in Brüssel geleitet. Ungewohnt offen prangerte er die Kurzsichtigkeit einiger EU-Staaten vor der Presse an. Was der Luxemburger aber nicht sagte, ist, dass auch Luxemburg die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Flüchtlingszahlen nicht annehmen wird. Anstatt, wie die Brüsseler Behörde es vorschlug, 515 Menschen aufzunehmen, hat Luxemburg lediglich die Aufnahme von 350 Personen auf den Tisch gelegt. Dass ein reiches EU-Gründungsmitglied, das weder an einer EU-Außengrenze liegt noch der unmittelbaren Gefahr einer erfolgreichen rechtspopulistischen Partei ausgesetzt ist, nicht beispielhaft vorgeht, ist unbegreiflich und trägt negativ zum Armutszeugnis DIEGO VELAZQUEZ bei.
© Copyright 2024 ExpyDoc