Schenkungsvertrag mit Vorbehalt des Wohnungsgebrauchsrechtes

N E W S L E TT E R
01/ 2016
WOHNRECHT
SCHENKUNGSVERTRAG MIT VORBEHALT
DES WOHNUNGSGEBRAUCHSRECHTES
Bei Schenkungsverträgen über Liegenschaften, bei welchen sich die
Geschenkgeber ein ausschließliches Wohnungsgebrauchsrecht vorbehalten,
ist zur Vermeidung künftiger Eigentumsansprüche des Geschenkgebers bzw.
dessen Erben mit dem Argument, dass die Schenkung gar nicht wirksam
zustande gekommen ist, äußerste Vorsicht bei der Einhaltung der
Formvorschriften geboten.
Zahlreiche Schenkungsverträge enthalten die Klausel, dass die Übergabe und Übernahme des Schenkungsgegenstandes bereits vor Vertragsunterfertigung erfolgte. Mit dieser Formulierung werden Kosten
für den sonst notwendigen Notariatsakt vermieden. Das Eigentumsrecht des Geschenknehmers und das
lebenslange Wohnungsgebrauchsrecht des Geschenkgebers werden zum Teil ohne Beanstandung durch
die Gerichte im Grundbuch einverleibt. Die Eintragung im Grundbuch und der damit einhergehende
Eigentumswechsel bedeuten aber nicht, dass die Schenkung damit gültig zustande gekommen ist.
Gemäß § 943 ABGB in Verbindung mit § 1 Abs 1 lit d) Notariatsaktsgesetz bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsaktes. Soll die
Errichtung eines Notariatsaktes vermieden werden, muss die obengenannte „wirkliche Übergabe” der
Liegenschaft stattfinden. Nach ständiger Rechtsprechung muss diese sinnfällig nach außen bemerkbar und so
beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung
sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Geschenknehmers zu übertragen. Sinn und Zweck dieser
Formvorschriften (wirkliche Übergabe oder Notariatsakt) ist, den Geschenkgeber vor Übereilung zu
schützen und ihn vor dem Vermögensverlust zu warnen. Er soll sich auf diese Weise bewusst sein, dass er ein
„Vermögensopfer” erbringt.
Wird eine Liegenschaft vor Unterzeichnung des Schenkungsvertrages tatsächlich an den Geschenknehmer übergeben und ist dieser Umstand – etwa durch eine Adressenänderung - dem Vertrag zu
entnehmen, so ist die Formvorschrift „wirkliche Übergabe” erfüllt. Behält sich der Geschenkgeber jedoch
ein im Grundbuch einzuverleibendes, lebenslanges Wohnrecht an der Liegenschaft vor und soll dieser
die Liegenschaft weiterhin alleine benutzen, wie dies bei Schenkungen im Familienverband häufig der
Fall ist, wird die Sache nur symbolisch bzw. durch Erklärung, nicht aber real „aus der Hand gegeben”.
In diesem Fall wird der Geschenkgeber nicht ausreichend vor dem Vermögensverlust gewarnt. Die im
Vertrag enthaltene Klausel, dass die Übergabe durch gemeinsames Betreten der Liegenschaft bereits vor
Vertragsunterfertigung erfolgt ist, reicht nach ständiger Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht
zur Erfüllung der Formvorschrift aus, sondern ist vielmehr die Errichtung eines Notariatsaktes für die
Wirksamkeit der Schenkung erforderlich.
Die obengenannte eindeutige Rechtsprechung des OGH hinsichtlich der materiell-rechtlichen, das heißt
der inhaltlichen Gültigkeit von Schenkungsverträgen mit Vorbehalt eines Wohnungsgebrauchsrechtes
steht in einem Ungleichgewicht zu jener Rechtsprechung, die er im Grundbuchsverfahren entwickelt hat.
Da es sich beim Grundbuchsverfahren um ein reines Urkunden- bzw. Aktenverfahren handelt, ist für
die Beantwortung der Frage nach der wirklichen Übergabe nur der Wortlaut des Schenkungsvertrages
maßgeblich. Dazu genügt grundsätzlich ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die wirkliche Übergabe
bereits erfolgt ist, wobei die Aufzählung konkreter Übergabsakte entbehrlich ist. Das Grundbuchsgericht
hat das Ansuchen und dessen Beilagen zwar insgesamt einer genauen Prüfung zu unterziehen. Bestehen
aufgrund des Urkundeninhalts Zweifel, ob der Geschenkgeber die Liegenschaft tatsächlich aus der Hand
gegeben hat, ist das Ansuchen auf Einverleibung des Eigentums des Geschenknehmers abzuweisen,
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01/ 2016
wenn er nicht in Form eines Notariatsaktes abgeschlossen wurde. Einigen aktuellen Entscheidungen des
OGH ist aber zu entnehmen, dass der OGH im Grundbuchsverfahren bei bestimmten Formulierungen
im Vertrag auch im Fall einer gleichzeitigen Einräumung eines lebenslangen, alleinigen Wohnrechts zu
Gunsten des Geschenkgebers die Entbehrlichkeit eines Notariatsaktes bejaht hat, obwohl die Schenkung
bei genauer inhaltlicher Prüfung nicht gültig ist.
Willigt nun das Gericht in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Geschenknehmers und des
Wohnungsgebrauchsrechtes des Geschenkgebers auf Grundlage eines Schenkungsvertrages ohne
Notariatsakt ein, bewirkt dies zwar einen wirksamen Eigentümerwechsel. Aufgrund der Unwirksamkeit
der Schenkung besteht aber die Gefahr, dass die Erben des Geschenkgebers oder der Geschenkgeber eine
grundbücherliche Löschungsklage einbringen. Mit der Klage werden sie wohl dann durchdringen, wenn
der ehemalige Geschenkgeber die Liegenschaft schon vor der Schenkung bewohnt hat und sich auch
nach der Schenkung aufgrund des vorbehaltenen Wohnungsgebrauchsrechtes nichts daran geändert hat.
Zur Vermeidung eines kostenintensiven Rechtsstreites vor Gericht empfiehlt es sich daher, bei Schenkungen mit Vorbehalt eines Wohnungsgebrauchsrechtes einen Notariatsakt errichten zu lassen; dies auch
im Falle einer nur teilweisen Nutzung der Liegenschaft durch den Geschenkgeber. Unter bestimmten
Umständen kann durch die grundbücherliche Einverleibung zwar eine nachträgliche Heilung der
formunwirksamen Schenkung gemäß § 1432 ABGB eintreten; darauf sollte man sich aber nicht verlassen.
Martina Landauer §