LokaLes Seite 20 B2 · nummer 146 Samstag, 27. Juni 2015 Mit 500 Dollar und einem VW Käfer ging es los „Familien-elefant“ Manfred Kerschgens feiert 50. Betriebsjubiläum. Der 74-Jährige schaut nach vorne und denkt noch längst nicht ans aufhören. Von Doris KinKel-schlachter Stolberg. Manfred Kerschgens hat wirklich allen Grund zum Jubeln: Kommenden Mittwoch, 1. Juli, feiert der Unternehmer in der vierten Generation sein 50. Betriebsjubiläum – ein halbes Jahrhundert. Eine Zeit, in der viel passiert ist und in der sich der Familienbetrieb Kerschgens von einem kleinen, aber feinen Stahlhändler zu einem international bekannten Unternehmen entwickelt hat – nicht zuletzt dank Manfred Kerschgens. Herr kerschgens, was hat es mit dem elefanten auf sich? er ist im Firmenlogo, er hängt und steht in Ihrem Büro in allen Farben und Formen. Manfred Kerschgens: Was für Esso der Tiger im Tank war, ist für uns der Elefant. Wir haben vor vielen Jahren unsere Mitarbeiter gefragt, welches Tier am besten die Firma repräsentiert. Und da ist mehrheitlich für den Elefanten gestimmt worden. Warum? Kerschgens: Er steht für Beständigkeit, Stabilität und Stärke, so wie wir. Nächstes Jahr feiern wir unser 140-jähriges Bestehen, und auch der Elefant wird alt. Und: Wir haben ein breites Kreuz und sind in der Nähe, genauso wie der Dickhäuter. Persönlich mag ich dieses Tier auch sehr! Das Familienunternehmen besteht im 139. Jahr, und sie feiern nächste Woche 50. Betriebsjubiläum – da mussten sie sicherlich einige Male ein breites kreuz haben, oder? Kerschgens: Natürlich, in den Jahren ist viel passiert, es gab Höhen und Tiefen. Letzteres war besonders vor fünf Jahren. Die Krise ging zwar 2008 schon los, für uns war aber 2010 das schwierigste Jahr. Wir sind aber gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Wir haben stark investiert, etwa 13 Millionen Euro, und haben jetzt Europas modernsten Maschinenpark. Aber der wirkliche Grund, warum Kerschgens heute so erfolgreich ist, sind unsere Mitarbeiter. Die sind mit uns durch Dick und Dünn gegangen, also auch, als es um die Wurst ging. Da hat keiner gekniffen. Wie haben sie das geschafft? Kerschgens: Mir war schon immer klar, dass ich viel bewegen kann. Aber ohne eine gut funktionierende Mannschaft im Rücken bin Den elefanten im Logo: „kerschgens Werkstoffe & mehr“ hat seinen Hauptsitz an der stolberger steinbachstraße. Weitere standorte sind Würselen, Bitburg und Trier. ich tot. Mein Vater und seine Schwester führten das Unternehmen nach dem Krieg. Meine Tante ist früh gestorben, mein Vater hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und mich machen lassen. Ich stand von Anfang an für die Familientradition. Was macht es denn aus, ein Familienunternehmen zu führen, welche Unterschiede gibt es beziehungsweise welche Werte sind wichtig? Kerschgens: Eine demokratische Mitarbeiterführung und keine Top-Down-Orientierung. Die Mitarbeiter werden von vornherein mit einbezogen. Dann fallen Entscheidungen grundsätzlich auf breiter Basis. Wir haben 230 Mitarbeiter und keinen Betriebsrat, aber weiß Gott nicht, weil ich dagegen Fragebogen Manfred Kerschgens, geboren am 17.01.41 in stolberg, in einer langjährigen Beziehung, zwei kinder, geschäftsführender Gesellschafter Welchen Prominenten würden sie gerne kennenlernen? helmut Schmidt. Was macht sie wütend? Ungerechtigkeit. Welches Buch lesen sie gerade? „die Pilgerjahre des farblosen herrn tazaki“ von haruki Murakami. Welche ist Ihre Lieblingsmusik? Klassik, vor allem Brahms. Ihr wichtigster Charakterzug? Ich bin fürsorglich. Ihre bevorzugte Internetseite? www.google.de. Was ist Ihr größter erfolg? 50 Jahre lang ein Unternehmen erfolgreich geführt zu haben. Welches ist Ihr Lieblingsgericht? fisch mit Spargel. Welchen sport treiben sie? radfahren. Wo verbringen sie Ihren Urlaub? Weltweit bei kulturellem erbgut. Wovor haben sie angst? Vor schweren Krankheiten. Wie würden sie die stolberger charakterisieren? Sie sind lebenslustige rheinländer. wäre, sondern weil es den Wunsch nach diesem offiziellen Mitbestimmungsorgan gar nicht gibt. Ich finde, auch das spricht für uns und vor allem für ein großes Vertrauen, das auf Gegenseitigkeit beruht. Ebenfalls ist es uns wichtig, unsere Mitarbeiter für Ideen und Ziele zu begeistern, die Leute zum Nachdenken und Mitentscheiden zu bewegen. Was haben sie in den Usa gemacht? Kerschgens: Ich hatte 500 Dollar als Startkapital und einen VW Käfer. Damit habe ich in der Autostadt Detroit am Detroit River im Lager eines Stahlhandels angefangen. Es war eisig kalt, ich bin schon nach vier Wochen rausgeflogen, ganz nach amerikanischer „Hireand-Fire-Methode“ (kurzfristiges Einstellen und Entlassen, Anm. d. Red.). Unter Tränen habe ich mich wieder reingekämpft, eine zweite Chance bekommen und dort Karriere gemacht, indem ich vom Lager ins Büro aufgestiegen bin. können sie ein Beispiel geben? Kerschgens: Ja. Unsere Auszubildende Laura Bülles ist fertig, arbeitet zunächst im Sekretariat, möchte aber weiter Karriere machen. Das ermöglichen wir, sie geht bald auf Fortbildung, um danach „ohne eine gut in der Personalbuchhalfunktionierende Mannschaft tung Verantwortung zu übernehmen. im Rücken bin ich tot!“ Manfred KerSchgenS Wie viele auszubildende geSchäftSführer KerSchgenS haben sie? Kerschgens: 20. Das ist ein wichtiges Thema für sie sind trotzdem wieder nach stoluns. Wir holen die Leute selbst heberg zurückgekehrt. Wie ging es ran und bilden sie aus. Wir haben viele Eigengewächse im Unternehdort weiter? men. Ich bin auch Prüfer im Aus- Kerschgens: Ich habe als Außenschuss bei der IHK, weil es mir am dienstmitarbeiter für den Raum Herzen liegt! Es macht mir Spaß, Stolberg/Düren wieder in der mit jungen Menschen zu arbeiten Firma gearbeitet, einen Vertreter– man will ja auch ordentliche Mit- bezirk im Niemandsland aufgearbeiter haben. baut, in dem es noch keine Kerschgens-Kunden gab. Ich habe hart sie haben bei der stolberger Nacht gearbeitet und bin oft spät nach der ausbildung mitgemacht und Hause gekommen. Oft habe ich sind verstärkt in der Öffentlichkeit noch im Lager mitgeholfen, denn wahrnehmbar. sind sie mit anderen Kran fahren konnte ich schon in stolberger Betrieben vernetzt? Amerika. Ich habe den Beruf von Kerschgens: Es gibt schon eine ge- der Pike auf erlernt, kann alles. Sowisse Vernetzung mit anderen Un- mit ging der Aufstieg ziemlich ternehmen. Richtung Stolberg schnell. 1970 wurde ich Mitglied werden wir unsere Öffentlichkeits- der Geschäftsführung und 1985 arbeit auf jeden Fall weiter forcie- Gesellschafter und Geschäftsführen. Bislang hatten wir keine Prob- rer der Kerschgens Stahlhandel leme, die Azubiplätze zu besetzen. GmbH. Ich habe einiges bewegen Dieses Jahr war es etwas zäh. Aber können, aber wie bereits erwähnt, deswegen entwickeln wir uns stän- mit einer gut aufgestellten hoch dig weiter und betreiben nun eben motivierten Mannschaft. Und geauch mehr Öffentlichkeitsarbeit, meinsam mit Heinz Herbort, der in dem wir unsere Türen öffnen 1984 ins Unternehmen eingetreund beispielsweise Kooperationen ten ist. Wir sind ein unschlagbares mit Schulen eingehen. Team. Das 1876 gegründete Unternehmen hat sich von Anfang an Wie sah Ihr schulischer Werdegang auf den Stahlhandel konzentriert aus? und seine Kompetenzen kontinuKerschgens: In der Schule bin ich ierlich erweitert. Heute liefern wir spät wach geworden, aber mein ins gesamte Rheinland, nach Studium der Betriebswirtschafts- Rheinland-Pfalz, ins Saarland solehre habe ich vorbildlich durch- wie ins Elsass, Belgien und Luxemgezogen. 1960 habe ich es aufge- burg. Einzelne Produktgruppen nommen, 1965 bin ich in den Be- werden auch deutschlandweit und trieb eingestiegen. Ein Jahr später bis in angrenzende EU-Staaten verwurde ich für ein praktisches Jahr trieben. Und wir verstehen uns in den USA beurlaubt. Das war eine heute als Dienstleister rund um sehr prägende Zeit, die beste Lehr- Stahl, Edelstahl, NE-Metalle, Bauzeit, weil man für sich verantwort- stahl und Lochbleche. Unser Anlich ist und auf eigenen Füßen ste- gebot an Werkstoffen, Anarbeihen muss. Das kannte ich vorher tungsleistungen und Services ist nicht, denn ich bin in einer wohl eines der umfangreichsten in der gesamten Branche und reicht weit behüteten Familie aufgewachsen. über das Angebot eines klassischen Großhandels hinaus. Wie sieht die Zukunft aus? sie sind 74, denken sie da nicht so langsam über den Ruhestand nach? Kerschgens: Nein, zuerst wird gefeiert. Mein 50. Betriebsjubiläum begehe ich gemeinsam mit meinen Mitarbeitern am Blausteinsee. Das wird übrigens nicht aus dem Firmenetat bezahlt (lacht). Sie liegen mir sehr am Herzen, deswegen ist die Feier ein kleines Geschenk, ein Dankeschön für sie. Na ja, und was die weitere Zukunft betrifft, haben wir firmenintern eine Planung bis 2021 aufgestellt, danach muss auch die Nachfolge klar sein. Wenn Familie Herbort dann nachrückt, würde ich mich aus dem operativen Bereichen raus tun. Ich muss gesund bleiben und weiterhin Spaß daran haben – das natürlich vorausgesetzt! Ich erinnere nur an meinen Vater, der war bis zu seinem 90. Lebensjahr täglich im Unternehmen aktiv und ist bis dahin auch noch Auto gefahren, bis 98 hat er noch Rechnungen kontrolliert. Er ist 99 geworden. Wie sind die anteile des Unternehmens aufgeteilt? Kerschgens: Ich halte 50 Prozent der Anteile, Heinz Herbort 25 und meine Vettern und Cousinen weitere 25 Prozent. Das ist überschaubar und greifbar. Kerschgens: Das ist mir auch wichtig. So eine Firma geben wir nicht in Konzernhände, das tue ich meinen Mitarbeitern nicht an. Kerschgens muss in Familienhand bleiben, und das ist auch so im Gesellschafterkreis abgesprochen. Ich kann doch jetzt nicht sagen, dass unsere Mitarbeiter unser wichtigstes Kapital sind und verkaufe sie später, da würde ich meinen Grundsätzen untreu werden. Der Name Kerschgens ist da nicht von großer Bedeutung. Wichtig dagegen ist es, einen Patron Wie ein fürsorgender Familienvater: Manfred kerschgens, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, legt besonders viel Wert auf seine Mitarbeiter. Foto: D. kinkel-schlachter Foto: kerschgens zu haben, der Haus und Hof führt, der Verantwortung übernimmt. So wie ein Familienvater, der guckt, dass alles zusammenbleibt. Oder modern ausgedrückt: Einer, der den „general overlook“ hat, also das Gesamte im Blick hat. Was hat sie 50 Jahre lang und bis heute angetrieben? Kerschgens: Wenn ich etwas mache, dann mache ich es 100-prozentig. Sonst könnte ich es auch bleiben lassen! Das ist auch unsere Mission in der Firma.
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