Prädestiniert zur Konzernkritik Zum Tod von Dorothea Kerschgens

Prädestiniert zur Konzernkritik
Zum Tod von Dorothea Kerschgens
Dorothea Kerschgens verstarb nach langer schwerer Krankheit am 11. Mai 2016 im Alter von
67 Jahren. Sie gehörte dem Vorstand des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und
Aktionäre von 2004 bis 2014 an.
Die 1948 im fränkischen Fürth geborene Dorothea Schowalter studierte nach dem
Fachabitur Sozialpädagogik und arbeitete später in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und
Jugendliche in Bensheim.
Ihre Freunde erlebten Dorothea als einfühlsamen und herzlichen Menschen, der am Leben
seiner Mitmenschen Anteil nahm und sich um sozial Schwächere kümmerte.
Ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn drängte Dorothea zu gesellschaftlicher und politischer
Tätigkeit. Sie engagierte sich in der Anti-Apartheids-Bewegung und war Vorstandsmitglied in
der Koordination Südliches Afrika (KOSA).
Mit ihrem Mann Karl Kerschgens gehörte sie zu den Mitbegründern des hessischen
Landesverbands der Grünen. Das hinderte sie nicht, die Partei zu verlassen, als die einem
militärischen Engagement der Bundeswehr im Jugoslawien-Krieg zustimmte.
Ihr Naturell prädestinierte Dorothea zur Konzernkritikerin. Bei vielen Hauptversammlungen
trat sie streitbar und mutig ans Rednerpult und holte renditesüchtige Vorstände und
Aktionäre aus ihrer Wohlfühlzone. Dorothea schrieb, es sei eine gute Erfahrung, „vor
´großen Tieren´ die Scheu zu verlieren und mit Chupze ihnen Widersprüche zwischen
Aussagen und Taten um die Ohren zu hauen und sachliche, gleichzeitig provokative Fragen
zu stellen“.
Die Verknüpfung ihres Engagement gegen das südafrikanische Apartheidsregime mit der
Konzernkritik beschreibt Dorothea wie folgt: „Wir hatten die bundesdeutsche enge
Kooperation, ja Kollaboration auf Finanz-, Rüstungs-, Kultur- und Sportebene angeprangert.
Da lag es nahe, wenn es auch noch ein fremdes Element war, die Banken direkt vor Ort zu
konfrontieren. Die Dresdner Bank war lange die Bank, die wir bevorzugt besuchten, auch
wenn uns klar war, sie ist bei weitem nicht die einzige, der enge Verbindung mit dem
Apartheidstaat vorgeworfen werden kann.“
Besonderes Interesse zeigte Dorothea immer für die Unterstützung von Khulumani, der
Organisation, die Apartheidopfer zunächst in der südafrikanischen Wahrheits- und
Versöhnungskommission vertrat. Khulumani reichte im Jahr 2002 vor einem New Yorker
Gericht Schadensersatzklage gegen transnationale Apartheid-Unterstützer ein, darunter die
deutschen Konzerne Rheinmetall, Daimler, Deutsche Bank, Dresdner Bank und
Commerzbank.
Dorothea war auch über viele Jahre eine der wenigen Kritikerinnen der Rüstungsproduktion
beim Stahlkonzern Thyssenkrupp. Waffenexporte in den Nahen Osten und in andere Krisenund Konfliktgebiete waren für sie ein Beleg, dass Konzernchefs nichts aus den Lieferungen an
einen Unrechtsstaat wie das Südafrika der Apartheidszeit gelernt hatten.
Trotz ihrer schweren Krankheit hat Dorothea die Arbeit der Kritischen Aktionäre bis zuletzt
mit begleitet und ihren KollegInnen Mut gemacht, sich gemeinsam für eine gerechtere Welt
einzusetzen.
Markus Dufner