Dr. med. Inga Suttrup Aktivierende Therapien II

Diagnostik und Therapie
Parkinson-assoziierter
Schluckstörungen
Dr. med. Inga Suttrup
Parkinsonambulanz
Klinik für Allgemeine Neurologie
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Schlucken

Ist eine lebenswichtige motorische Aktivität

Dient dem Transport von Speichel und Nahrung von der
Mundhöhle in den Magen unter gleichzeitigem Schutz
der Atemwege
Schlucken

Schluckakt wird willkürlich eingeleitet, läuft aber überwiegend
unbewusst ab

Im Wachzustand schluckt der Mensch außerhalb von Mahlzeiten
Störungen
der1 Liter Speichel pro Tag
etwa 1 x pro Minute spontan
und etwa

Schluckfunktion haben eine
Auswirkung auf
Bonbonlutschengravierende
erhöht die Schluckfrequenz
auf 3 x pro Minute, für
eine kleine Mahlzeit das
werden
etwa Leben!
30 Schlucke benötigt, für ein
tägliche
Abendessen 300 Schlucke

Innerhalb eines Tages schluckt ein gesunder Erwachsener etwa
1000 Mal
Was schlucken wir während unseres Lebens?

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3 Rinder, 4 Kälber
10 Schweine, 4 Schafe
Lebens sitzt der Mensch 6
350 Hühner, Während
75 Gänse,seines
100 Tauben
5000 Fische Jahre lang beim Essen am heimischen Tisch
und 1,45 Jahre im Restaurant
5000 Eier
4 t Zucker, 500 Tägliche
kg Salz Mahlzeiten dienen auch der
sozialen Interaktion und Kommunikation
und haben hohen Genussfaktor
45000 Liter Flüssigkeit
(Lebensqualität).
4 Tankwagen voll
9600 Liter Wasser, 5000 Liter Milch
9300 Liter Bier, 8100 Liter Wein
10800 Liter Kaffee, 1875 Liter Tee
Schlucken ist ein hochkomplexer Vorgang!
• An der Steuerung eines
normalen Schluckens sind
beteiligt:
-
Großhirnrinde
Absteigende Nervenbahnen
Hirnstamm
5 Hirnnervenpaare
50 verschiedene Muskeln
Der normale Schluckakt
Mögliche Störungen von:
Formung des Speisebreis
Kauen
Kontrolle des Nahrungsbolus
Orale VorbereitungsTransport des Nahrungsbolus
phase
Schluckreflex
Orale
Phase
Kehlkopfverschluss
Wahrnehmung des Nahrungsbolus
Pharyngeale Phase
Öffnung der Speiseröhre
Hustenstoß
Ösophageale Phase
Parkinson-bedingte Schluckstörungen
"As the disease proceeds
towards its last stage, […]
food is with difficulty retained
in the mouth until masticated;
and then as difficulty
swallowed.“
„… the saliva fails of being
directed to the back part of
the fauces, and hence is
continually draining from the
mouth…"
Wie oft und wann treten Parkinson-bedingte
Schluckstörungen auf?

Häufigkeit: im Krankheitsverlauf mehr als 70% aller
Parkinson-Patienten betroffen

Durchschnittliche Zeitspanne vom Erkrankungsbeginn bis
zur schweren Schluckstörung: 130 Monate

Aber Achtung: Mehr als die Hälfte aller ParkinsonPatienten, die keine Symptome verspüren, weisen bereits
eine Schluckstörung auf!
Welche Folgen haben Parkinson-bedingte
Schluckstörungen?

Erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität

Schlechtere Wirkung der Parkinson-Medikamente

Mangelernährung (Malnutrition) und Gewichtsverlust

Austrocknung (Dehydratation)

Lungenentzündungen (Pneumonien)
Diagnosemöglichkeiten
(1)
Anamnesegespräch: Schluckstörungen werden nur von 20-40%
Risikofaktorenwahrgenommen, von < 10%
der betroffenen Parkinson-Patienten
spontan berichtet, 15% der Parkinson-Patienten ohne subjektive
Schluckstörung weisen stille Aspirationen auf
(1)
Hoehn & Yahr – Stadium höher als 3
(2)
Klinische Schluckuntersuchung inkl. 50-ml-Wasser-Test:
(2)
Gewichtsabnahme oder niedriges
Beurteilung:Körpergewicht
Aspirationsverdacht
bei Husten,
Verschlucken,
(insbesondere
BodyverändertemMass-Index
Stimmklang< nach
dem2)Schlucken
20 kg/m
Problem (!):(3)
liefertVermehrter
bei Parkinson-Patienten
Speichelflussnur sehr unzuverlässige
Ergebnisse und Schluckstörungen bleiben trotz der klinischen
Schluckuntersuchung unentdeckt
(4)
Kognitive Störungen
Fragebögen als Screening-Methode
Mehr als 10 Punkte =
Mit hoher
Wahrscheinlichkeit
liegt eine Parkinsonbedingte
Schluckstörung vor, es
sollte eine
weiterführende
Diagnostik erfolgen!
Methoden der apparativen Diagnostik
A Endoskopie (FEES)
B Radiologie (VFSS)
C Manometrie
High Resolution Manometrie
 Methode aus der Gastroenterologie zur Detektion von
Bewegungsstörungen der Speiseröhre (Achalasie, diffuser
Ösophagusspasmus, Reflux, Hernien etc.)
 Beurteilung von: Kontraktion und Entspannungszeit des oberen und
unteren Speiseröhrenschließmuskels, Ausbreitungszeit der
Kontraktionswellen über die Speiseröhre beim Schluckakt
Patient sollte für
Untersuchung
nüchtern sein (>8h)!
High Resolution Manometrie
 54 Patienten, Erkrankungsdauer <3 Jahre
 40,7% bzw. 67,4% mit ösophagealer Dysphagie
 Zunahme mit Schwere der Erkrankung, jedoch auch schon im
frühen Stadium vorhanden
Bisher nur wenige Untersuchungen
zur Beurteilung von ösophagealen
Schluckstörungen bei ParkinsonPatienten!
ManoScan
HRM
High Resolution Manometrie
• Patienten: n=48 (29 m, 19 w)
Insgesamt
größere Häufigkeit
Ort der Störung
ösophagealen
Oralvon
(Leaking);
FEES im
Vergleich zu oropharyngealen
Pharyngeal (Aspiration,
Schluckstörungen
Residuen);
FEES
Oberer Ösophagussphinkter;
HRM
Tubulärer Ösophagus; HRM
Unterer Ösophagussphinkter;
HRM
Häufigkeit
37,5%
41,7%
Teilweise ösophageale
Störung trotz unauffälliger
FEES-Befunde
64,8%
87,5%
35,4%
OES: oberer Ösophagussphinkter, TE: tubulärer Ösophagus, UES: unterer Ösophagussphinkter
Medikamentöse Therapie
Helfen Parkinson-Medikamente bei Schluckstörungen?
•
•
•
Bei Parkinson-Patienten
Parkinson-bedingten
30 bis 50% der
zeigen zumindest
Schluckstörungen
sollte
eine teilweise
Verbesserung
der individuell
Schluckstörung im On
geprüft werden, ob sich die
vs. Off
Schluckfunktion durch Optimierung der
Parkinson-Medikation verbessern läßt:
Überbewegliche Parkinson-Patienten mit höherer LDopa-Dosis haben eine bessere Schluckfunktion
Endoskopischer L-Dopa/Apomorphin-Test
L-Dopa, Dopaminagonisten und Amantadin bewirken
eine schnellere Auslösung des Schluckreflexes
Logopädische Therapie
1) Auswahl der logopädischen Verfahren richtet sich nach individuellem
Störungsmuster der Parkinson-bedingten Schluckstörung
- restituierende Verfahren: z. B. sensorische Stimulation
- kompensatorische Verfahren, z. B. kräftiges Schlucken
- diätetische Verfahren: z. B. weiche Kost
Angedickte Flüssigkeit effektiver als Kinn-zur-Brust-Manöver
Therapiekontrolle mit Hilfe von apparativer Schluckdiagnostik
2) Das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT®LOUD) kann
auch zu einer Verbesserung Parkinson-bedingter
Schluckstörungen führen
3) Ein vierwöchiges Ausatmungstraining verbessert
die Kehlkopfhebungen und verringert Aspirationen
10 „Goldene“ Ess- und Ernährungsregeln für
schluckgestörte Parkinson-Patienten
1 Aufrechte Körperhaltung
2 Nicht gleichzeitig Sprechen, Zeitung lesen, Radio hören etc.
3 Essen und Trinken trennen
4 Mund vor neuem Schluck ganz leeren
5 L-Dopa 30 Minuten vor oder 90 Minuten nach dem Essen mit eiweißarmem Obstmus
6 Essen und Trinken immer zu Zeiten guter Beweglichkeit
7 Konsistenz der Nahrung je nach Art der Schluckstörung wählen
8 Mischkonsistenzen vermeiden
9 Optimale Schluckgröße = 5 ml (gehäufter Teelöffel)
10 Mundpflege nach jeder Mahlzeit
Die EMST-Studie
• Schluckstörungen sind ein häufig vorhandenes, aber unzureichend
diagnostiziertes Begleitsymptom der Parkinsonerkrankung: >70% aller
Patientin im Krankheitsverlauf betroffen!
• Komplikationen: Beeinträchtigung der Lebensqualität, unzureichende
Medikamentenwirkung, Mangelernährung, Aspirationspneumonien
• Bisher nur wenige kausale Therapiemöglichkeiten (insbesondere LogopädieTraining)
• NEU: Studie zum Thema „ Ausatemtraining zur Behandlung von Parkinsonbedingten Schluckstörungen“ in der Uniklinik Münster
Vierwöchiges häusliches Training zur
Stärkung der Pharynxmuskulatur und
damit zur Verbesserung der Parkinsonassoziierten Schluckstörung mit einem
EMST- (=Expiratory Muscle Strength
Training) Gerät
Effekte auf Residuen?
Vor EMSTTraining
Nach 4 Wochen
EMST-Training
Wer kann teilnehmen?
Einschlusskriterien:
Ausschlusskriterien:
• Alter: 18-80 Jahre
• Sicher diagnostiziertes
idiopathisches
Parkinsonsyndrom (Stadium
II-IV)
• Klinische Prädiktoren für
eine parkinson-assoziierte
Schluckstörung: subjektive
Dysphagie, vermehrter
Speichelfluss, ungeklärter
Gewichtsverlust,
vermehrtes Husten beim
Schlucken etc.
• Aktuell stabile Medikation
• Keine PEG
• Keine andere schwere
neurologische Erkrankung, die
Schluckstörungen verursacht
• Keine andere Ursache für eine
Schluckstörung (z.B. Tumor im
Halsbereich, Erkrankungen der
Speiseröhre)
• Schwerwiegende Störung der
Lungenfunktion
• Schwere Demenz (Screening
mittels MMST und MoCA)
• Schwere Depression (Screening
mittels BDI)
Was wird gemacht?
• Screening-Termin in der Abteilung für Neurologie der Uniklinik Münster:
Ausfüllen von Fragebögen zum Thema Schluckstörungen, klinische
Untersuchung, Durchführung einer FEES (Fiberoptische Evaluation des
Schluckaktes)
• Falls eine relevante Schluckstörung diagnostiziert wird, erfolgt für 4 Wochen
ein häusliches Training mit dem EMST-Gerät (Zeitaufwand: ca. 20min pro Tag
an 5 Tagen die Woche)
• Nach 4 Wochen zur Überprüfung des akuten Effekts erneute Vorstellung in der
Abteilung für Neurologie, erneutes Ausfüllen von Fragebögen, erneute
klinische Untersuchung, erneute FEES
• Nach 3 Monaten zur Überprüfung des Langzeiteffekts erneute Vorstellung in
der Abteilung für Neurologie, erneutes Ausfüllen von Fragebögen, erneute
klinische Untersuchung, erneute FEES
Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt natürlich anonym!
EMST-Training/FEES-Untersuchung
• EMST 150 Atemtraining: 5 Tage pro Woche für ca.
20 Minuten (wiederholtes Blasen in das Gerät unter
Bei Interesse:
Einsatz der Brust- und Bauchmuskulatur)
• Insgesamt Training über 4 Wochen mit einem
„echten“ oder Gerne
einem „falschen“
kurzeTrainingsgerät
Rückmeldung
• Ausführliche Trainingsanleitung wird mitgeben!
nach dem Vortrag!
• An allen 3 Vorstellungstagen in unserer Klinik
Durchführung einer
endoskopischen SchluckunterInformationszettel
liegen
suchung (FEES)
aus!
• Dabei Beurteilung der Fähigkeit, feste, weiche und
flüssige Konsistenzen zu schlucken
• Beurteilung einer Verbesserung der Schluckfunktion nach Durchführung des Trainings
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[email protected]