Predigt in der Ev

1
Gottesdienst in der Ev.-ref. Gemeinde Ronsdorf am 17.01.2016
Predigt zu Matthäus 17,1-8
von Pfr. Dr. Jochen Denker
1
2
3
4
5
6
7
8
Und nach sechs Tagen nahm Jesus Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder mit
sich, und führte sie allein auf einen hohen Berg.
Und er wurde vor ihnen verklärt, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine
Kleider wurden weiß wie das Licht.
Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier
drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den
sollt ihr hören!“
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
Ihr Lieben,
„Nach sechs Tagen“, also am siebten Tag spielt die Szene, von der uns Matthäus erzählt.
Am siebten Tag.
Es geht um den Tag, der wie ein Berg aus dem Alltag herausragt.
Es geht um das Nicht-Alltägliche, um den Schabbat schlechthin.
Jesus geht mit drei seiner Jünger auf einen hohen Berg. Sie lassen hinter und
unter sich, was sie sonst die ganze Zeit beschäftigt. Sie suchen die Stille, einen
Ort, an dem man Überblick bekommt, den man im alltäglichen Gewuselt so
schnell verliert.
Was da auf dem Berg geschah scheint für die Gemeinden so wichtig zu sein,
dass Matthäus, Markus und Lukas sie erzählen. Aber alle kommen irgendwie
ins Stottern, wenn sie dafür in Worte finden sollen. Matthäus versucht es so:
„Jesu Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie
das Licht.“ Bei Lukas klingt es noch hilfloser: „Die Gestalt seines Angesichtes
wurde anders. Sein Kleid wurde weiß.“ Markus probiert’s so: „Seine Kleider
wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen
kann.“ Wenn der Himmel die Erde berührt, können Worte nur noch umschreiben.
Die „Verklärung Jesu“ wird diese Geschichte genannt. Auch schon ein komisches Wort. Irgendwie hat es was von „Klarheit“, von „Erklären“ und trotzdem
bleibt es geheimnisvoll.
2
Vielleicht hilft uns Lukas beim Verstehen einen Schritt weiter. Er sagt als einziger konkret, wozu Jesus auf den Berg geht: Er will dort beten.
Jesus steht wohl in einiger Entfernung von den Jüngern. Und als sie ihn beten
sehen geht ihnen etwas auf:
Der Glanz Gottes fällt auf Jesus und spiegelt sich von ihm her wider. Jesus wird
„verwandelt“ sagen die Evangelisten wörtlich. Die Jünger sehen in ihm plötzlich etwas, was sie vorher so nicht sahen. Sie hatten ihn noch nie zuvor allein
beten sehen. Wie verwandelt erscheint er ihnen, jetzt wo sie ihn im innigen Gespräch mit seinem Vater sehen. Im Gebet wird er durchsichtig für Gott.
Menschen, die beten haben das manchmal an sich.
Wer wirklich betet, den interessiert in dem Augenblick nichts anderes als das
Gespräch mit Gott. Für die Zeit des Gebetes tritt alles um einen herum in den
Hintergrund. Ganz aktiv wird man passiv und übergibt sich und die Welt aus
der Hand und vertraut sich Gott an.
Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort, das sagt: „Wer sich selbst ansieht,
leuchtet nicht.“ Das ist wahr. Wer nur auf sich bezogen ist, der wird über kurz
oder lang müde und matt und einsam. Gerade im Gebet, in der Wendung zu
Gott, zur Quelle des Lichts, wird unser Leben hell und kann es beginnen zu
strahlen.
Den Jüngern gehen auf dem Berg die Augen auf. Sie sehen in Jesus den Vater,
wie es Johannes einmal sagt (vgl. Joh. 12,45). In dem betenden Jesus erkennen
sie, dass sie mit dem unterwegs sind, der völlig im Einklang mit Gott und seinem Willen lebt.
Und als Zeichen dafür erscheinen Mose und Elia neben Jesus.
Mose ist untrennbar mit Gottes Geboten verbunden; der Prophet Elia erinnert an
den Kampf gegen den Götzendienst seiner Zeit. Mose und Elia stehen für das
„Gesetz und die Propheten“.
Das Warten auf den dort versprochenen Messias hat ein Ende. Mose und Elia
sind am Ziel. Der Messias ist leibhaftig unter ihnen: Verheißung ist erfüllt, Vergangenheit geheilt, die Tränen sind abgewischt, der Tod ist nicht mehr. Die
Jünger können es sehen: Da stehen die großen Gestalten lange vergangener Geschichte, die Repräsentanten lange weitergegebener Hoffnung vor ihnen, und
reden mit Jesus. Der Himmel ist offen und führt Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft zusammen.
Das war doch die Sehnsucht der Jünger. Endlich zu sehen, was sie glaubten.
Endlich aus der ewigen Zweideutigkeit des Lebens rauszukommen, Klarheit zu
haben. Jetzt haben sie sie. Auf dem Berg, am siebten Tag!
Da wundert es nicht, dass Petrus Jesus vorschlägt: „Hier ist gut sei. Wenn Du
willst bauen wir hier Hütten. Für Mose, für Elia und für Dich! Lasst uns die
Welt da unten vergessen. Das ganze Elend, die kleinen und großen Katastro-
3
phen. Hier wollen wir bleiben. Den himmlischen Gästen eine Wohnung geben,
damit sie uns nicht wieder verlassen. Mein Gott, ist das schön hier!“
Es ist der siebte Tag, der Schabbat schlechthin, an dem die Jünger hier schnuppern. Bitte nur nicht wieder Alltag werden lassen!
Aber da kommt eine Stimme, die sagt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Den Weg, den dieser Jesus geht, dem
folgt, hört auf ihn, dann hört ihr auf mich.“
Da packt die Jünger die Furcht. Es ist nicht nur die Stimme aus dem Himmel,
die sie das Fürchten lehrt, sondern nun wird klar, dass es wieder vom Berg runter gehen wird. Denn unmittelbar bevor sie auf den Berg gingen, hatte Jesus von
seinem bevorstehenden Leiden gesprochen und davon, dass wer mit ihm gehen
und auf ihn hören will, auch selber sein Kreuz auf sich nehmen muss.
Noch berührt die neue Welt die alte nur, noch sind es nur Lichtblicke in unserer
Zeit. Die Erlösung steht noch aus. Das verstehen sie jetzt. Der Moment auf dem
Berg lässt sich nicht einfangen und festhalten, sie müssen ihn loslassen und
wieder in den Alltag zurückkehren. „
Als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.“ Ihn allein,
ohne Glanz und Herrlichkeit. Ohne Mose und Elia – nicht weil die nichts mehr
wert wären, sondern weil Gottes Reich eben noch auf dem Weg ist.
Ihr Lieben,
Petrus wäre so gerne auf dem Berg geblieben. Aber Gott will uns noch mitten in
dieser Welt haben: also da, wo’s auch weh tut, wo es vielleicht gar zu leiden
gilt: unter dem Kreuz. Keine Rettung einzelner, die da gerade glücklicherweise
auf dem Berg sind. Sondern alle, alle miteinander sollen gerettet werden.
Die Jünger müssen zurück – vom Berg ihrer Sehnsucht an den Ort ihrer Verantwortung. Und der ist mitten im Leben, mit allem, was es bereithält an Unwägbarkeiten und Widrigkeiten. Unsere Sehnsucht, unsere begründete Hoffnung weist uns an den Ort unserer Verantwortung.
Seht, so geht es uns in jedem Gottesdienst.
Wir hören von unserer Hoffnung, von Gottes Verheißungen, wir beten und suchen, mit Gottes Willen in Einklang zu kommen, ihm wenigstens für eine Stunde stillzuhalten. Und schenke Gott, dass der eine oder andere Sonntagsgottesdienst einer der Momente ist, in denen sich der Nebel hebt, mit dem wir und alles, was wir tun und glauben so oft umgeben ist. Aber von hier geht es wieder
hinaus. Zurück an die Orte, wo Du und ich in Verantwortung stehen.
Aber wir gehen nicht allein. Jesus geht mit: „Steht auf. Fürchtet euch nicht“,
sagt er.
Ihr Lieben, wir brauchen den Sonntag. Wir brauchen den Tag der aus dem Alltag herausragt und an dem wir von der Hoffnung, von den Verheißungen und
4
den Geboten hören, die Gott gibt. Hier bekommen wir die Kraft, als Christinnen
und Christen im Alltag zu leben.
Wir brauchen diesen Sonntag und den Segen der Gottesdienste, den Gang auf
den Berg. Und manchem mag es wirklich wie ein steiler Berg vorkommen.
Schwerfällig schält mancher sich da sonntags aus den Kissen oder verzichtet auf
etwas, was er auch ganz gerne täte. Aber glaubt mir, wir haben es bitter nötig,
damit wir den Durchblick nicht verlieren. Und damit wir in unserem Alltag
nicht nur uns selbst und unsere Probleme widerspiegeln.
Wir setzen uns Gottes heilsamem Wort aus, damit wir für unser eigenes Leben
und das unserer Welt Orientierung bekommen und Hoffnung und Mut und
Barmherzigkeit.
Wir brauchen den Durchblick, der weiter sieht als unsere begrenzte Vernunft,
die uns doch bestenfalls zu Pragmatikern werden lässt.
Wir brauchen die Vision von Gottes Reich, damit wir in den Blick bekommen,
was kommen und was vergehen soll.
Es macht nämlich einen Unterschied, ob wir unsere Phantasie, unsere menschlichen und finanziellen Mittel in Ab- und Ausgrenzung, in militärische Aufrüstung,
in Abschreckung und spaltende Symbolpolitik stecken, oder ob wir in einem
nicht weniger großen Kraftakt auf Integration, Verständigung und soziale Teilhabe aller in unserem Land lebenden und in es kommenden Menschen setzen.
„Der Fremdling soll wie ein Einheimischer bei euch wohnen“ (3.Mose 19,34).
„Du sollst ihn nicht bedrängen“ (2.Mose 23,9) sagt Gottes Wort. Noch ist das
eine Vision, ein Traum, ein Ziel.
Teilen wir es, weil wir auf dem Berg gehört haben, dass davon das Tal leuchten
soll? Oder bleiben wir im finsteren Tal, igeln uns ein und schlagen aus Angst
um uns?
Es macht einen Unterschied, ob ich in Kategorien wie „Vergeltung“ und „Sieg“
über Feinde und Gegner denke, ob Befriedigung von Rachegelüsten mein Ziel
ist, die sich nur mühsam als Gerechtigkeitsempfinden tarnen lassen oder ob ich
den Traum der Versöhnung kenne, die Vision, dass aus Fremden Freunde werden und aus Feinden zumindest Mitmenschen, die neben mir leben können.
„Vergeltet nicht Böses mit Bösem und Scheltwort mit Scheltwort“ (1.Petrus
3,9). „Christus ist unser Friede“(Eph. 2,14), sagt Gottes Wort. Noch ist das eine Vision, ein Traum, ein Ziel.
Teilen wir es, weil wir auf dem Berg gehört haben, dass davon das Tal leuchten
soll, in dem wir noch so unversöhnlich leben?
Es macht einen Unterschied ob ich Feindbilder zeichne, übernehme, Vorurteile
verbreite und bediene, Zerrbilder pflege und die Welt schwarz und weiß male
oder ob ich in jedem Menschen Gottes Angesicht suche, SEIN Antlitz, das zum
Segen über jedem leuchtet.
5
„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ (1.Mose 1,27) – jeden Menschen.
Und selbst über die, die uns eher eine Ausgeburt der Hölle zu sein scheinen,
sagt Gottes Wort: „Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass er umkehre und am Leben bleibt“ (vgl. Hes. 18,32). Ist das unsere
Grundhaltung und Vision? Teilen wir sie, weil wir auf dem Berg gehört haben,
dass davon das Tal leuchten soll, damit der eine Vater im Himmel eine befriedete Familie aus allen Völker hat?
Ihr Lieben,
das ist schwer. Sehr schwer. Im Tal erkennen wir das nicht. Da erkennen wir
anderes. Da leben wir anders. Da wird uns anderes angetan.
Auf dem Berg hören wir, was kommen soll. Im Tal sehen wir, was noch nicht
ist. Darum nimmt Jesus uns mit auf den Berg und begleitet uns vom Berg unserer Sehnsucht an den Ort unserer Verantwortung, der Verantwortung vor- und
füreinander und der Verantwortung vor Gott.
Am Sonntag hören wir Gottes Wort. Im Alltag antworten wir ihm – so oder so.
Humpeln und stolpern werden wir immer, die Frage ist, ob wir das in die richtige Richtung tun.
Gut, wenn er uns im Gottesdienst anleuchtet und durchleuchtet, wenn er Licht
in unsere Dunkelheiten bringt, damit unser Weg die rechte Richtung behält oder
bekommt und wir in der Nachfolge Jesu gehen. –
Bis zu dem Tag, an dem wir auf dem Berg sind, von dem es dann nicht wieder
zurück ins Tal geht, weil wir am Ziel sind und Gott mit uns und seiner Welt
vereint im Frieden lebt.
Amen