Der Senat von Berlin ArbIntFrau – LADS 1 - Berlin, den 19.01.2016 Tel.: 9028 (928) - 1767 E-Mail: [email protected] Stellungnahme zum Antrag der Fraktionen der Grünen, der Linken und der Piraten über „Für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung in Berlin“ (Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz) Drucksache Nr. 17/2574 Hintergrund: B‘90/Die Grünen, mitgetragen von den Fraktionen der Linken und der Piraten, bringen einen ausformulierten Gesetzesantrag zu einem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz ein. Sie nehmen damit eine im antidiskriminierungspolitischen Fachdiskurs vielfach vorgetragene Forderung auf. Der Gesetzentwurf enthält u.a. folgende zentrale Punkte: • • • • • • • Geltungsbereich umfasst öffentlich-rechtliches Handeln Aufnahme auch der Merkmale „sozialer Status“ und „chronische Krankheit“ Verlängerung der Klagefristen und konsequente Beweislastumkehr Einführung Verbandsklagerecht Wirksame und abschreckende Sanktionen Gewährleistungsauftrag Antidiskriminierungsstruktur Verbindliche Umsetzung proaktiver und präventiver Ansätze (Diversity-Mainstreaming) Der Entwurf entspricht vollumfänglich einer bereits in der letzten Legislaturperiode (2011) von dem Rechtswissenschaftler Alexander Klose im Auftrag der damaligen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erstellten Expertise zur Beschreibung des landesrechtlichen Potentials zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes. Zusammenfassende Einschätzung des Gesetzentwurfes: Der vorliegende Gesetzentwurf bedarf in einer Reihe von grundsätzlichen Punkten einer vertieften rechtspolitischen Prüfung und Diskussion. Insbesondere sind Fragen der möglichen Gesetzeskonkurrenz zum Landesgleichstellungsgesetz (LGG), zum Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) sowie zum Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) eingehend zu prüfen und zu klären. Zudem sind die Ergebnisse der derzeit laufenden Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) abzuwarten. Nicht zuletzt ist der Entwurf zu einem Landesantidiskriminierungsgesetz vor dem Hintergrund der Maßnahmen und Initiativen im Rahmen der aktiven Antidiskriminierungspolitik des Landes zu bewerten. Evaluation des AGG 10 Jahre nach seinem Inkrafttreten wird das AGG in diesem Jahr im Rahmen einer von der Bundesantidiskriminierungsstelle in Auftrag gegebenen Evaluation auf seine Wirksamkeit sowie auf Schutz- oder Regelungslücken hin „auf den Prüfstand“ gestellt. Dabei wird unter anderem auf die Problematik eingegangen, dass diskriminierungssensible Lebensbereiche, wie Bildung und Behörden, vom AGG nicht erfasst sind oder die Fristen für eine Klageeinreichung mit zwei Monaten als zu knapp eingeschätzt werden. Der laufende Überprüfungsprozess spiegelt sehr deutlich, dass sich die grundsätzliche Frage nach der Weiterentwicklung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes mit Recht stellt. Hierbei muss allerdings mit dem AGG zunächst die zentrale bundesgesetzliche Grundlage im Fokus entsprechender Analysen stehen. Auf Landesebene können die Novellierungsbedarfe des AGG nicht aufgefangen werden. Die Ergebnisse der AGG-Evaluation, die im Sommer 2016 vorliegen sollen, müssen insofern sinnvollerweise abgewartet und folgend in die Diskussion um die tatsächliche Notwendigkeit ergänzender landesrechtlicher Lösungen einfließen. Aktive Berliner Antidiskriminierungspolitik Auch unabhängig von einem Landesantidiskriminierungsgesetz betreibt Berlin eine außerordentlich aktive Antidiskriminierungspolitik mit dem Ziel, Menschen zu ermutigen, ihr Recht auf Gleichbehandlung wahrzunehmen. Berlin hat in diesem fachpolitischen Handlungsfeld zwischenzeitlich eine anerkannte Vorreiterrolle eingenommen. Im Folgenden wird auf vier zentrale - auch im Gesetzentwurf angesprochene - Zielstellungen eingegangen: • Beratungsinfrastruktur gewährleisten und weiterentwickeln Menschen, die Diskriminierung erleben, finden in Berlin ein gut aufgestelltes und effektives Beschwerde- und Hilfesystem vor. Die Beratungsinfrastruktur wurde dabei in den zurückliegenden Jahren gezielt weiterentwickelt. So fördert Berlin als erstes Bundesland eine Beratungsstelle, die Menschen im Fall einer Diskriminierung aufgrund des Alters unterstützt. Das Antidiskriminierungs- und Empowermentprojekt für intergeschlechtliche Menschen und deren Angehörige ist ebenfalls das erste seiner Art. Eine wichtige Lücke in dem diskriminierungssensiblen Bereich Bildung und Schule schließt seit kurzem das Modellprojekt „Anlaufstelle Antidiskriminierung und Diversity an Schulen“ (ADAS) in der Trägerschaft von Life e.V. Es bietet eine niedrigschwellig zugängliche Beschwerdemöglichkeit für Personen an, die in Schulen Diskriminierung erlebt haben. • Öffentlichkeit sensibilisieren Die auf eine große Breitenwirkung angelegte Kampagne „Diskriminierung hat viele Gesichter - Gleichbehandlung ist Ihr gutes Recht“ verfolgt das Ziel, die Wahrnehmung für Diskriminierungen zu erhöhen, über das AGG zu informieren und Beratungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Informationskampagne wird alljährlich thematisch erweitert und adressierte zuletzt auch die Problematik der Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft im Bildungsbereich, der nicht immer gegebenen Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Familien oder der Entgelt(un)gleichheit bei Frauen und Männern. • Problematische Rechtsnormen identifizieren Die Identifizierung und Korrektur problematischer Normen in Rechtsvorschriften ist ein wichtiges Instrument in der Bekämpfung struktureller Formen von Diskriminierung. Hier wurden in der zurückliegenden Legislaturperiode u.a. im Bereich Altersgrenzen deutliche Fortschritte erzielt. Die Beauftragung von rechtswissenschaftlichen Expertisen wie zuletzt der von Prof. Dr. Konstanze Plett zu „Diskriminierungspotentiale gegenüber trans- und intergeschlechtlichen Menschen im deutschen Recht“ sind entscheidende Grundlagen, um rechtliche Reformen - hier zur Notwendigkeit der rechtlichen Absicherung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität - anzustoßen. Unterhalb der Ebene rechtspolitischer Initiativen hat das mit finanzieller Unterstützung des EU-PROGRESS Programms umgesetzte – und auch international vielbeachtete - Projekt „Trans* in Arbeit“ entscheidend dazu beigetragen, die Situation von transgeschlechtlichen Menschen im Bereich Arbeit und Beruf zu verbessern und Diskriminierungen abzubauen. • Diversityprozesse in der Berliner Verwaltung befördern Die Förderung einer Kultur der Wertschätzung und der Vielfalt ist eine wichtige und proaktive Säule der Antidiskriminierungsarbeit des Landes. Es gelang, drei EU-geförderte Projekte einzuwerben, über die diversityorientierte Organisationsentwicklungs- und Sensibiliserungsprozesse in der Berliner Verwaltung initiiert werden konnten. Eine zentrale Bedeutung kommt in diesem Kontext auch der LADS-Akademie zu, die ein differenziertes und sehr nachgefragtes Angebot unterschiedlicher Diversity-Bildungsformate bereithält. Zielgruppe sind Mitarbeitende der Berliner Verwaltungen als auch Interessierte aus der Zivilgesellschaft. Nicht zuletzt wurde im Fachfeld Diversity unter der Zielstellung „Vielfalt fördern – anonym bewerben“ 2014/15 ein Landesprojekt erfolgreich durchgeführt. Nach Auffassung aller am Projekt beteiligten Personalverantwortlichen können anonymisierte Bewerbungsverfahren zu einem „Mehr an Chancengleichheit“ und auch zu Effizienzsteigerungen in Rekrutierungsprozessen beitragen. -----------------------------Auch unabhängig von einem Landesantidiskriminierungsgesetz hat der Senat durch seine vielfältige und engagierte Antidiskriminierungspolitik erhebliche Fortschritte für Menschen erreicht, die Diskriminierung erlebt haben.
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